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Dr. Susanne Dietz ist seit ihrem Studium (Psycholinguistik, Soziologie und Theaterwissenschaft) in unterschiedlichen Branchen als Business-Expert, Unternehmensberaterin, Personalentwicklerin und Dozentin tätig. Ihre Projekte, stets mit Sinn im Fokus, haben vielfach und höchst erfolgreich sinnstiftende Kultur etabliert. Ihr Glaubenssatz für alle Entwicklungsmaßnahmen lautet: Wenn es für den Einzelnen persönlich eine gewinnbringende Investition an Lebenszeit darstellt, dann macht es Sinn – für das ganze System.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-86764-491-4 (Print)

ISBN 978-3-86496-526-5 (EPUB)

ISBN 978-3-86496-527-2 (EPDF)

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2014

Einband: Susanne Fuellhaas, Konstanz

Layout: Horst Bachmann, Weinheim

Satz und Seitengestaltung: Petra Bachmann, Weinheim

Redaktion: Annette Güthner

Einbandfoto: © hoodesigns, iStockphoto LP

Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24, 78462 Konstanz

Tel. 07531-9053-0, Fax: 07531-9053-98

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

„Daß das Leben des Menschen nur ein Traum sei, ist manchem schon so vorgekommen, und auch mit mir zieht dieses Gefühl immer herum. Wenn ich die Einschränkung ansehe, in welcher die tätigen und forschenden Kräfte des Menschen eingesperrt sind; wenn ich sehe, wie alle Wirksamkeit dahinaus läuft, sich die Befriedigung von Bedürfnissen zu verschaffen, die wieder keinen Zweck haben, als unsere arme Existenz zu verlängern; und dann, daß alle Beruhigung über gewisse Punkte des Nachforschens nur eine träumende Resignation ist, da man sich die Wände, zwischen denen man gefangen sitzt, mit bunten Gestalten und lichten Aussichten bemalt – das alles, Wilhelm, macht mich stumm. Ich kehre in mich selbst zurück, und finde eine Welt! Wieder mehr in Ahnung und dunkler Begier als in Darstellung und lebendiger Kraft. Und da schwimmt alles vor meinen Sinnen, und ich lächle dann so träumend weiter in die Welt.“

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE: „DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER“ (22. MAI)1

Die Idee, dieses Buch zu schreiben, entstand weniger aus Un-Sinn als vielmehr aus einem tiefen Verlangen nach Sinn. Lange Erfahrungsepisoden von Sinnlosigkeiten, welche ich selbst erleben und beobachten durfte, haben mich schlussendlich dazu gebracht, dem Thema Sinn eine zentrale Bedeutung meiner Profession zuzuschreiben. Zu oft habe ich mich über ineffiziente Meetings, ungerechte Strukturen oder Intrigen der Belegschaft geärgert und mich dabei stets gefragt: „Wie kann man eigenverantwortlich etwas an diesen Sinnlosigkeiten der Arbeit ändern? Sind wir alle diesen Sinnlosigkeiten wirklich ausgeliefert? Und wie kann ich endlich mehr Sinn in der Arbeit erfahren und weniger frustriert am Feierabend nach Hause kommen?“ Ja, ich wollte endlich wieder mit Freude und Sinn zur Arbeit gehen. Ich wollte einfach, dass es Sinn macht.

So habe ich in Zeiten der Sinnlosigkeiten sehr viel beobachtet, wissenschaftlich recherchiert und eine kleine eigene Studie zu den Sinnlosigkeiten der Arbeitswelt initiiert. Aus dieser intensiven und langen Arbeit sind „Die sechs Stufen zu mehr Sinn“ entstanden: ein Modell, das aufzeigt, wie es gelingen kann und was es braucht, damit jeder von uns Sinn im Sein und Tun erfährt; ein Modell, das sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber erfolgreich macht; ein Modell, das uns schlussendlich zur eigenen Sinnerfahrung und zu einem zufriedeneren und glücklichen Leben führen wird.

Im Folgenden möchte ich mit Ihnen gerne eine Reise in unsere moderne Arbeitswelt machen und in die Welt des Sinns und Un-Sinns in Unternehmen. Ich möchte aufzeigen, wie einfach es in sechs Stufen gelingen kann, Sinn zu finden, welcher Voraussetzungen es bedarf und welches Hintergrundwissen man benötigt.

Jeder Stufe zu mehr Sinn habe ich ein eigenes Kapitel gewidmet, in welchem eigene Beobachtungen, Problemstellungen, Hypothesen, weiterhin wissenschaftliche Begründungen und auch Grenzen, Risiken und Gefahren Platz finden. Am Ende eines jeden Kapitels ist immer Raum und Zeit für eine kompakte Zusammenfassung sowie eine Einladung an Sie, sich anhand der gestellten Reflexionsfragen auf eine ganz persönliche Reise zu mehr Sinn zu begeben.

„Sinnkrieger“ soll zeigen, wie einfach es gelingen kann, Sinn zu erfahren, was man braucht und selbst tun kann, um Sinn zu finden, und wie man die wertvolle Erkenntnis erlangt, wie das Prinzip „Sinn“ funktioniert. Wer es einmal im Kern verstanden hat, kann damit nahezu jede verzwickte Situation im Arbeitsalltag auflösen. Ich möchte Sie einladen, sich anhand von anspruchsvollen Modellen, Überlegungen und Impulsen auf die ganz individuelle Reise nach mehr Sinn zu begeben und damit mehr Freude und Inhalt in der Arbeit, im Leben und im Sein zu erfahren. Gleichzeitig kann es so gelingen, einen wesentlichen Beitrag zu einem sinnvolleren Arbeitsalltag und damit zu einer modernen Unternehmenskultur zu leisten sowie eine sinnstiftende und zeitgemäße Kultur in Unternehmen zu etablieren. Ohne große Anstrengung werden wir so zu selbstmotivierten Leistungsträgern, die ein Unternehmen erst erfolgreich machen und auszeichnen.

Mein Buch soll Plädoyer und gleichzeitig Chance sein, sowohl für Mitarbeiter als auch für Arbeitgeber, um endlich Sinn im Arbeitsalltag zu finden, Sinnlosigkeiten Adieu zu sagen und erfolgreich, sinnerfüllt und glücklich zu werden.

Eine neue Ara

Die Relevanz von Kaffeestehpausen – Ein Erfahrungsbericht über klassische Sinnlosigkeit

„Zeitoptimierte“ Mittagspausen

„Fiiiep!“ Ein gellender Piepton schallt durchs Treppenhaus, in einem ganz gewöhnlichen Bürogebäude, an einem ganz gewöhnlichen Tag, mit ganz gewöhnlichen Mitarbeitern. Völlig außer Rand und Band sieht man vier Personen zur Ausgangstüre hasten, welche zuvor noch ganz entspannt die Treppe herunterschlenderten, gemütliche Zwischenstopps auf der Toilette einlegten und hier und da auf dem Weg nach unten ein Schwätzchen hielten. Nein – es ist kein Feueralarm, der diese vier Mitarbeiter derart in Panik versetzt. Es ist ein schwarzes Kästchen an der Wand, vor welchen alle vier Gestalten schnell hintereinander weg einen Chip halten, bevor sie zum Ausgang stürzen. Es ist die Zeiterfassungsuhr, die diesen schrillen Ton beim Ausstempeln erzeugt und damit den Beginn der Mittagspause einläutet.

Ein alltägliches Szenario, pünktlich zur Mittagszeit, gegen 11:50 Uhr: Völlig abgehetzt laufen unsere vier Mitarbeiter ins Freie und zur benachbarten Kantine. Dort angekommen, wirft sich der Erste wagemutig durch die Drehtür, und wie in einer abgesprochenen Choreografie rasen die anderen drei hinterher, werden auf der Innenseite des Gebäudes wieder ausgespuckt. Würden Sie die Truppe fragen, warum sie denn so hetzen, würden Sie wohl nur zur Antwort bekommen: „Es geht um kostbare Zeit.“ Man schnappt sich schnell ein Tablett (um diese Uhrzeit ist die Schlange an der Essensausgabe noch am kürzesten), entscheidet sich gegen das Tagesangebot, das „ja so überteuert“ ist, und wählt lieber die „Trick 17-Variante“: das Büffet. Hier gibt es kleine und große Teller. Natürlich nimmt man die kleinen günstigeren Teller und schichtet Bratwurst, Ananas, Salat, Erbsenpüree übereinander. Wer ganz clever ist, versteckt noch vom teuren Antipasti-Büffet ein paar Artischocken oder getrocknete Tomaten unter der Wurst. Diesen schwindelerregenden Turm an Essensvariationen balancieren unsere vier Mitarbeiter gekonnt zur Kasse, an der selbst der freundliche Kassierer mit keinem Wort beachtet wird. Denn man muss schleunigst weiter. Schnell suchen sich alle einen Platz, und jeder schlingt dann sein Essen hinunter. Während dieser Zeit fallen genau zwei Sätze: Der Letzte, der sich setzt, sagt „Guten Appetit“, was die anderen mit einem grummeligen „Guten“ erwidern. Und der Letzte, der mit Schlingen fertig ist, gibt das Zeichen zum Aufbruch: „Wir können“.

In Windeseile packen dann alle vier gleichzeitig ihre Mäntel und balancieren gekonnt ihre leeren Tabletts über die Köpfe der anderen Kantinengäste hinweg. Das Tablett entsorgt, nehmen die vier wieder Anlauf durch die Drehtür, als wollten sie den Schwung nutzen, um extra schnell wieder zurück ins Bürogebäude zu kommen. Dort im Laufschritt angekommen, winkt endlich Erlösung von der wilden Hetzerei: Die Zeiterfassungsuhr ist in Sicht. Schnell halten die vier ihren Chip wieder hintereinander vor das Gerät, und das schrille Fiiiep!, das die wilde Raserei in Gang gesetzt hat, erlöst unsere vier Ritter der kostbaren Zeit von ihrer Hetze. Es ist jetzt etwa 12:17 Uhr. Man kann ein leichtes Schnaufen und Röcheln hören – eine Stimmung der Erleichterung macht sich breit. Ein Kollege schleicht nun erst einmal in die Cafeteria im Erdgeschoss und holt sich etwas kostenloses Obst oder etwas Süßes, auch in der Hoffnung, dort jemanden zum Plausch zu treffen, der einen noch länger von der Arbeit abhält. Der andere Teil des Vierergestirns schlendert in Zeitlupe die zwei Stockwerke nach oben. Jetzt geht erst wieder jemand auf die Toilette, jemand anders holt sich einen Kaffee.

Und nun folgt der wichtigste Part der Mittagspause und damit der erholsame Teil: die sogenannte Kaffeestehpause. Hier geht es nun nicht mehr um kostbare Zeit, die man auf seinem Zeiterfassungskonto vermehren muss. Man gesellt sich im Stehen – weil das gut für den Rücken ist – mit der eigenen Kaffeetasse um einen Bistro-Tisch, ein Kollege präsentiert vielleicht eine der Büro-Yoga-Übungen aus seinem aktuellen Kurs. Um die Stimmung etwas anzuheizen, echauffiert man sich gleich einmal über einige Kollegen, besonders über diejenigen, welche doch die Frechheit besitzen, am Nachmittag 10 Minuten lang Kicker in der Cafeteria zu spielen, OHNE vorher an der Zeiterfassung auszustempeln. Wir wissen ja: Tratsch und Klatsch verbindet. Diese Kaffeestehpause dauert im Schnitt bis ca. 13:00 Uhr und damit knapp 45 Minuten. Die Länge der Kaffeestehpause ist von einer abhängigen Variable bestimmt, die da lautet: „Anwesenheit Chef “. Ist der Chef nicht im Büro, dauert die Pause auch schon mal länger als bis 13:00 Uhr; ist er allerdings im Haus, hört man ihn „dank“ seines lauten Gangs bereits eine halbe Minute vor seinem Eintreffen im Büro. So haben die vier genügend Zeit, ihre Stehpause aufzulösen und sich schnell beschäftigt an den Schreibtisch zu setzen. Manchmal aber sind die vier Ritter der kostbaren Zeit derart in ihre Lästereien und Yoga-Übungen vertieft, dass sie den Chef erst bemerken, wenn der schon im Raum steht. Sofort verstummt das Gespräch, und jeder der vier setzt sich brav und leicht verstört von der plötzlichen Unterbrechung an den eigenen Schreibtisch, glotzt dann apathisch und zugleich angestrengt auf den Bildschirm – wo man News der BILD-Zeitung oder Gala lesen kann.

Was für eine Energieverschwendung!

Als ich dieses Szenario in einem meiner Angestelltenverhältnisse tagtäglich beobachten konnte, hatte ich nicht nur viele Fragezeichen im Kopf, nein: ich war regelreicht erschöpft. Wie anstrengend muss es sein, all die Energie aufzuwenden, nur um am Ende des Tages sagen zu können „Dem Laden habe ich’s wieder gezeigt! Ich habe kostbare Zeit gesammelt und möglichst wenig gearbeitet.“? Wie viel Energie kostet es Mitarbeiter, den Arbeitgeber nach Strich und Faden auszunutzen? Angesichts von „zeitoptimierten“ Mittagspausen und ähnlichen Arbeitsvermeidungsstrategien in deutschen Unternehmen macht sich in mir ein ungutes Gefühl breit. Alleine wenn ich sehe, wie verkrampft und leidvoll viele ihren Arbeitstag verbringen und laut durchschnaufen, sobald sie das Fiepen der Stechuhr am Abend hören, dann verkrampfe ich selbst. Wie viel Kraft und Energie da aufgewendet werden, um den Arbeitgeber auszutricksen und ein Gefühl der Überlegenheit mit nach Hause zu nehmen! Ist es das wert? Warum nur? Das macht doch keinen Spaß. Und es macht auch keinen Sinn.

Umfeld des Misstrauens

Ich frage mich, wie ein Arbeitgeber das ertragen kann: zu wissen, dass die Mitarbeiter nur deshalb ihren Job machen – und den nicht einmal besonders gut –, weil das Unternehmen ein ausgewiesenes Kontroll- und Überwachungssystem etabliert hat. Das muss ein ähnliches Gefühl sein, als würde man nur wegen seines Geldes geliebt werden. Wenn ich sehe, wie verbittert und verkniffen, mit fahlen grauen Gesichtern und zugekniffenen Äuglein manche Mitarbeiter durch die grauen Gänge deutscher Unternehmen schleichen und hinter jedem Aktenschrank eine Gemeinheit des Arbeitgebers vermuten, dann blutet mir fast das Herz. Wie schlimm muss es sein, den Großteil der eigenen kostbaren Lebenszeit in einem Umfeld zu verbringen, in dem man nur Schlechtes gegen die eigene Person vermutet? Wie schlimm muss es sein, in einer Umgebung zu arbeiten, welche nur aus Regeln, Verboten und Misstrauen besteht? Wie anstrengend muss das alles sein? Und dabei sollte doch die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine symbiotische sein: zwei Lebensformen, die sich gegenseitig bedingen und durch die Existenz des anderen erst kraftvoll werden.

Ein neues Zeitalter der Arbeitswelt – Warum Arbeitgeber und Arbeitnehmer umdenken müssen, um morgen noch erfolgreich zu sein

Gute Arbeitskräfte fehlen

Die aktuellen Zahlen des Bundesinstituts für Arbeit sind alarmierend: Zwischen 2010 und 2030 werden geschätzt 19 Millionen Arbeitnehmer aus dem Berufsleben ausscheiden. Die Zahl der Berufseinsteiger hingegen liegt bei nur 15,5 Millionen (Stand Dezember 2012)2. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen Fachkräfte, auch heute schon. Der War for Talents hinterlässt nicht erst seit gestern tiefe Spuren auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Und das ist erst der Anfang. Der Kampf um die besten Köpfe auf dem Markt wird härter, rauer, ausnahmslos. Demografiewandel, Fachkräftemangel und Wirtschaftskrisen leisten dazu ihren Beitrag. Um an der Spitze der Top-Performer deutscher Unternehmen bestehen zu können, gilt es für Arbeitgeber, nicht nur ihre Strategien zur Erhöhung der eigenen Arbeitgeberattraktivität umzustellen, sondern vor allem tief im Wesenskern umzudenken.

Haltung des Gegeneinanders und der Kontrolle

Die Realität lässt vielerorts Zeichen des Umbruchs und des Umdenkens vermissen. Blickt man derzeit in deutsche Unternehmen, so sind deren Kulturen geprägt von strengen Kontrollapparaten und überwachendem, autoritärem Führungsstil, so wie das auch schon vor Jahrzehnten war. Gleichzeitig können Sie aufseiten der Mitarbeiter eine Söldner- und Schmarotzer-Mentalität erkennen sowie eine Kultur unzähliger Sinnlosigkeiten. Das macht auf Dauer schlechte Stimmung und ist wenig zeitgemäß. Die Mitarbeiter sind frustriert, verärgert und gelangweilt. Da haben Sie Pausenzeiten-Optimierer, Büro-Yoga-Verfechter, Kaffee-Feen, Intrigen-Spinner, Selbst-Beweihräucherer, Berufsautomaten und all die anderen Kollegen, die den Anschein machen, als würden sie den lieben langen Tag nichts weiter tun, als entweder in ihrer „selbstbestimmten“ Rolle aufzugehen oder aber neue Beschäftigungen zu suchen, die sie von der Arbeit abhalten. Aber wirklich arbeiten für das, wofür man laut Arbeitsvertrag bezahlt wird, tut hier niemand. Stattdessen werden Unternehmen mit Sinnlosigkeiten verpestet und auch der letzte motivierte Mitarbeiter frustriert. Sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite wird damit viel zu viel Energie aufgewendet, um einen Krieg gegeneinander auszutragen, einen Krieg frei nach dem Motto: „Wer kann den anderen besser ausnutzen?“, einen sinnlosen Krieg, der weder Mitarbeiter noch Unternehmen voranbringt. Die Arbeit scheint hier längst in den Hintergrund getreten zu sein. Frustration und hohe Fluktuationsraten kosten deutsche Unternehmen jährlich Summen in Millionenhöhe.

Unternehmen hängen in alten Modellen – Was sich verändert hat

Was steckt hinter diesem Krieg? Manche sprechen davon, die Mitarbeiter von heute hätten an ihre Arbeitgeber und an den deutschen Arbeitsmarkt zu hohe Erwartungen. Das mag vielleicht in manchen Bereichen richtig sein. Doch haben sich die Menschen, die Gesellschaft und auch die Technologie angepasst an Globalisierung und Lessons Learned der letzten Jahrhunderte, gewandelt und vor allem weiterentwickelt. Da gibt es nicht nur die Arbeitsvermeider in Form von Selbstbeweihräucherern oder Berufsautomaten oder in welcher Form sie auch immer daher kommen mögen. Es ist nicht so, dass diese nie arbeiten wollten. Vielmehr ist es häufig so, dass die Sinnlosigkeiten des Arbeitsalltags sie in diese Rollen der Sinnlosigkeit und Arbeitsvermeidung getrieben haben. Aber vor allem gibt es da auch diejenigen, welche im Grunde gerne arbeiten gehen, dafür jedoch ein sinnvolles Arbeitsleben, ohne Misstrauen und Überwachung fordern.

Warnzeichen erkennen und umdenken

Wenn ich sehe, wie deutsche Unternehmen mit einer derartigen Unterfütterung interner Sinnlosigkeiten schnurstracks und ähnlich einer Horde Lemminge auf den Abgrund zulaufen, wird mir ganz angst und bang. Die Warnzeichen des demografischen Wandels werden übersehen, und der War for Talents wird in Pantoffeln vom Sofa aus geführt. Geld wird sinnlos zum Fenster hinausgeworfen, unfähige Mitarbeiter werden bis zur Grenze ihrer eigenen Kompetenz hoch- und wegbefördert, und jeder Funke Motivation wird durch andere Sinnlosigkeiten im Keim erstickt. Die Konsequenz solcher Sinnlos-Kulturen wird nicht selten Burnout genannt oder einer Wirtschaftskrise zugeschrieben. Aber an der Ursache der ganzen Misere mag keiner so recht arbeiten, sprich: Sinnlosigkeiten hinterfragen und vielleicht das System so zumindest etwas bereinigen. Wenn deutsche Unternehmen weitermachen wie bisher, ist der Abgrund schneller da, als Prognosen dies hochrechnen. Um morgen noch erfolgreich zu sein, muss das Bewusstsein für die Hauptressource Mensch verstärkt werden. Eine neue Komponente kommt ins Spiel, die den heutigen Arbeitsmarkt in Deutschland prägt; eine Komponente, die alle Menschen teilen und ihre je individuelle Motivation definiert; eine Komponente, die in der modernen Gesellschaft der Sättigung mehr und mehr Platz für sich beansprucht und die neue Entwicklungsstufe dominiert; eine Komponente, die darüber entscheiden wird, welches Unternehmen die besten Mitarbeiter gewinnen, Krisen überstehen und in Zukunft weiter existieren wird: eine Komponente namens Sinn.

Sinnkrieger vermehren sich

In den letzten Jahren konnte man beobachten, dass eine neue Spezies Mitarbeiter deutsche Unternehmen regelrecht stürmt. Es sind dies Mitarbeiter mit hohem Potenzial, mit unglaublicher Energie, Mitarbeiter, die nicht nur Entlohnung für ihre Leistung fordern, sondern vor allem eines wollen: Sinn. Ich nenne sie die Sinnkrieger. Es sind Menschen, die bereit sind zu geben, die leidenschaftlich in dem sind, was sie tun und für wen sie es tun, die für Sinn kämpfen und Sinn kriegen wollen. Die Frage nach Sinn ist es, die uns Menschen nicht erst seit gestern beschäftigt: Sinn im Sein und Tun, im beruflichen Umfeld und nicht mehr (nur) im privaten Kontext. In einer Kultur des täglichen Krieges zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und der Sinnlosigkeit sind die Sinnkrieger in deutschen Unternehmen schnell frustriert. In den meisten Fällen sind Unternehmen nicht auf Sinnkrieger vorbereitet, woraufhin diese ihre Sachen packen und zum nächsten Arbeitgeber wandern, in der Hoffnung, dort Sinn zu finden. In einem Arbeitnehmermarkt kann man sich das als Sinnkrieger und Potenzialträger leisten. Unternehmen, die morgen noch erfolgreich sein wollen, müssen vor allem eines bieten können: Raum für Sinn geben und damit das Potenzial der zunehmenden Anzahl von Sinnsuchern in Unternehmen ausschöpfen.

Die Motivation der Sinnkrieger

Warum gibt es immer mehr Sinnkrieger? Der Mensch heute in Deutschland hat ganz andere Motive, arbeiten zu gehen, als noch vor 30 Jahren. Wir befinden uns auf einer ganz anderen gesellschaftlichen Entwicklungsstufe. Denn wir leben in einer Gesellschaft der Sättigung, in einer Gesellschaft, in welcher keiner Angst haben muss zu verhungern. All die „niederen“ Bedürfnisse sind längst befriedigt. Rasante Technologien, Innovationen und nicht zuletzt die Globalisierung stellen sich in den Vordergrund und prägen den Arbeitsmarkt. Die Menschen in Deutschland müssen nicht mehr nur arbeiten, um zu überleben. Nein, sie wollen mehr, denn sie fordern Sinn: Sinn in ihrem Sein und Tun.

Menschen heute suchen und finden Sinn mehr und mehr auf der Professionsbühne, also in der Arbeit. Sie verbringen mehr Zeit auf dieser Bühne als ihre Vorfahren. Sinn wird daher nicht mehr ausschließlich im Privaten, in der Familie oder im Glauben gefunden. Gerade weil immer mehr Menschen mehr Zeit in der Arbeit verbringen und auch den Lebensschwerpunkt auf ihren Job legen, erwarten die Menschen vehementer als je zuvor, dass diese Zeit, ihre Tätigkeit im Job auch Sinn macht. Sinnfindung ist ein zentrales Thema der Unternehmensstrategie von heute und im Rahmen einer zeitgemäßen, erfolgsorientierten Führung nicht mehr wegzudenken. Menschen, die Sinn in ihrem Sein und Tun erfahren, werden nicht auf die Uhr sehen und kleinlich Stunden dokumentieren, um am Ende des Monats die Hand aufzuhalten und € 73,48 mehr ausbezahlt zu bekommen. Diese sinnerfüllten Menschen erhalten einen viel höheren Wert, nämlich Sinn und eine glückliche Bilanz ihrer Investition an Lebenszeit am Ende des Tages.

Viele Unternehmen haben es bisher nicht geschafft, sich an die Neuerungen mit all ihren Dynamiken bzw. an diese neue Entwicklungsstufe der deutschen Gesellschaft anzupassen. Sinn lässt sich an jeder Ecke schmerzlich vermissen. Stattdessen unterstützt man weiter eine Kultur der Sinnlosigkeit. Das System Unternehmen stellt womöglich auf neue Technologien um, spielt das Spiel mit Social Media & Co. mit, um auch sagen zu können: „Wir tun etwas fürs Employer Branding.“ Unternehmen halten jedoch im Wesenskern an den alten Regeln fest, denen zufolge die Menschen nur da sind, um Geld für ihren Lebensunterhalt zu bekommen. Doch heute geht es vielen Mitarbeitern nicht mehr darum, sondern um mehr. Arbeitgeber hinken ihren Mitarbeitern, den Sinnkriegern, hinterher. Sie leben immer noch nach Auslaufmodellen der Mitarbeitergewinnung und -motivation und wundern sich, warum sie nicht erfolgreicher am Markt und auch bei ihren Mitarbeitern werden. Arbeitgeber verharren nicht selten in ihren alten Systemen, mit ihren alten Regeln, die schon lange nicht mehr passen. Interessenskonflikte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer entstehen, es kommt gehäuft zu Reibereien bis hin zu tiefen Verletzungen im System. Unternehmen, welche weiter in ihren alten Modellen und ihrer alten Rolle als reiner Geldgeber leben, müssen zwangsläufig scheitern.

Status Quo: Studie zu Sinn und Un-Sinn

Aufgrund von eigenen Sinnlosigkeitserfahrungen in Unternehmen, aufgrund von Neugier und zahlreichen Beratungsanliegen habe ich 2012 eine eigene Studie zu Sinn und Un-Sinn in Unternehmen aufgestellt und Mitarbeitern unterschiedlichster Branchen die Aufgabe gegeben, über einen Zeitraum von zwei Wochen alles aufzuschreiben, was in ihrem Arbeitsalltag sinnvoll oder sinnlos war. Ziel war es, einen Überblick zu schaffen über das, was Mitarbeiter in ihrem Arbeitsalltag als sinnvoll und als sinnlos erachten, aber auch gleichzeitig einen Einblick in die Sinnhaftigkeit und Sinnlosigkeit deutscher Unternehmen zu erhalten. Hier ein kleiner Auszug unterschiedlicher Aussagen der Studienteilnehmer:

Was sinnvoll ist (Auszug aus den Nennungen)

Was sinnlos ist (Auszug aus den Nennungen)

Sicher finden Sie sich in der ein oder anderen Aussage wieder. Was im ersten Moment auffällig ist: Die Liste der sinnlosen Dinge war auch in der Gesamtauswertung sehr viel länger. Was zum einen darauf zurückzuführen ist, dass Menschen unseres Kulturkreises viel mehr die Dinge wahrnehmen, die nicht funktionieren, als die Dinge, die funktionieren. Man denke an die IT-Abteilung eines Unternehmens, welche in der Regel immer schlechte Bewertungen in Mitarbeiterbefragungen erhält, da die IT-Abteilung meist nur dann kontaktiert wird, wenn etwas nicht funktioniert. Dass PC, Betriebssysteme, Software u. Ä. jeden Tag tadellos arbeiten und damit ein reibungsloser technischer Support gewährleistet ist, wird selten bis nicht wahrgenommen.

Was in dieser Studie weiter interessant ist: Die sinnvollen Aspekte sind erstens rar und zweitens nicht sehr gehaltvoll. Da geht es hauptsächlich um Essen, Geld und allgemeines Wohlbefinden. Ist das alles, was deutsche Unternehmen an Sinnvollem für ihre Mitarbeiter zu bieten haben? Und trägt das dann wirklich zu einem sinnvollen Arbeitsleben bei? Macht das Mitarbeiter wirklich erfüllt und glücklich?

Wettbewerbsvorteile durch Sinn sichern

In Zeiten des zunehmenden Wachstums der Anzahl der Sinnkrieger in Unternehmen wird gleichzeitig unglaubliches Potenzial für all diejenigen Unternehmen offengelegt, welche die Chance nutzen, ihren Mitarbeitern den Raum für wahren Sinn zu geben. Die Herausforderung, mit welcher deutsche Unternehmen konfrontiert sind, geht mit den folgenden Fragen einher: Wie können Arbeitgeber in Zeiten von Fachkräftemangel gute Mitarbeiter gewinnen und langfristig fürs Unternehmen begeistern? Wie können Mitarbeiter auch in schwierigen Krisenzeiten motiviert werden? Wie gelingt es, dass Mitarbeiter am Ende eines langen Arbeitstages sagen können: „Das hat heute Sinn gemacht für mich!“? Unternehmen, welche es nicht schaffen werden, auf diese Entwicklung des Arbeitsmarktes erfolgreich zu reagieren, werden nicht nur den War for Talents verlieren, sondern zwangsläufig an ihrem selbst gebauten Auslaufmodell scheitern.

Herausforderungen an Unternehmen

Damit wir alle unserer Suche nach Sinn nachgehen können, braucht es auf Arbeitgeber- wie auf Arbeitnehmerseite den Willen zu verstehen, warum wir jeden Tags aufs Neue im Unternehmen erscheinen und zur Arbeit gehen. Wir alle müssen an einem Strang ziehen, müssen umdenken und gemeinsam den Sinnlosigkeiten den Kampf ansagen, um eine neue Entwicklungsstufe der Arbeitswelt zu erklimmen, die Entwicklungsstufe Sinn. Erst dann sind persönliches Glück und Erfolg möglich.

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Sinn ist immer eine Investition

Missbrauch von Lebenszeit – Warum Zeit ein Geschenk ist, das es sinnvoll einzusetzen gilt

Der rote Knopf

Ich hatte einmal eine Kollegin, im Grunde war sie eine ganz Nette. Sie kam mit jedem wunderbar aus, machte ihren Job als Sachbearbeiterin, so gut sie es konnte, und brachte manchmal sogar Kuchen mit. Eigentlich musste man diese Frau mögen. Aber ich hasste sie. Und ich hasste mich gleichzeitig dafür, dass ich sie hassen „musste“. Es war aussichtslos. Ich konnte nichts dagegen tun. Sie hatte meinen roten Knopf gefunden. Den roten Knopf, der mich schier wahnsinnig machte. Und sie drückte diesen roten Knopf jeden Tag aufs Neue. Das Ganze lief dann in etwa so ab: Immer wenn ich sie kurz vor Feierabend in der Kaffeeküche traf, seufzte sie: „Ach, Gott sei Dank, wieder ein Tag vorbei und damit näher am Wochenende!“ Und dabei lächelte sie mich auch noch an. Wieder ein Tag vorbei? Und darüber sollte ich froh sein? Wieder ein Tag vorbei, den sie und ich unwiederbringlich verloren hatten?

Glücksgefühl durch Sinnerleben

Ja, jeder Tag war verloren für sie, denn sie sah keinen Sinn darin, in diesem grauen Kasten täglich ihrem Job nachzugehen. Aber sie musste es ja tun, weil man es eben tut, als nette Frau mittleren Alters, die Arbeit hat. In ihrer Freizeit half sie ehrenamtlich in einem Altersheim aus. Nicht selten sprach sie über ihre besondere Freizeitaktivität und auch darüber, dass diese Tätigkeit ihr wirklich Sinn gab und sie erfüllte. Sie war jedes Mal wie ausgewechselt, wenn sie davon erzählte. Ihre Gesichtszüge wurden dann ganz weich, ihre Augen leuchteten, ja, man hatte den Eindruck, sie strahlte von innen heraus. Sie war dann völlig sie selbst und mit der Welt im Reinen. Ich fragte mich bei diesen Gelegenheiten immer wieder aufs Neue, warum sie nur zögerte, genau das zu tun, was ihr Spaß machte. Und das, nebenbei bemerkt, wo im Pflegesegment jede helfende Hand gebraucht wird.

Zeit vergeuden

Dabei ging es mir ähnlich. Ich persönlich sah keinen Sinn darin, den Tag zu füllen mit nutzlosen Tätigkeiten wie Kaffee trinken, wichtig aussehend am Schreibtisch sitzen, angestrengt und nachdenklich aus dem Fenster starren oder privat online shoppen. (Zwar hatte ich damals einen ausgesprochen gut ausgestatteten Kleiderschrank. Aber nicht einmal der konnte mir ein Lächeln auf die Lippen zaubern.) Ich war ein klassischer Recruiting-Fehler – zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich war nutz- und sinnlos für dieses Unternehmen. Das bemerkte jedoch niemand außer mir. Und das ging an meinen Selbstwert.

Miserabel investiert