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Inhalt

Nr. 61

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 62

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Nr. 63

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 64

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 65

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 66

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Nr. 67

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Nr. 68

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 69

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 70

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 71

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 72

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 73

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 74

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 75

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 76

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 77

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 78

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 79

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 80

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

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1.

Diese Insel im südlichen Sargassomeer war lieblich anzuschauen. Sie verkörperte auf den ersten Blick schlechthin das Paradies, auf den zweiten Blick erwies sie sich jedoch als teuflische Falle, aus der es kein Entkommen mehr gab.

Felsen, Lavafelsen, wohin man sah. Himmelhoch türmten sie sich auf, und kein Schiff hätte es gewagt, hier hindurchzusegeln. Auch Hasard nicht, wenn der teuflische Mahlstrom ihn nicht dazu gezwungen hätte, alles auf eine Karte zu setzen und dem Teufel ein Ohr abzusegeln. Sie hatten es nur haarscharf geschafft, unter Einsatz ihres Lebens und des Schiffes.

Ed Carberry fierte das Beiboot ab, mit dem sie zu der schmalen Passage zwischen den Felswänden rudern wollten, um sie zu untersuchen. Während das Boot ausschwang, dachte der Profos noch einmal an das, was hinter ihnen lag, diese fürchterlichen Nächte im Sargassomeer, die kleinen tanzenden Totenlichter, die an Bord gekrochen waren und die sich nicht mehr vertreiben ließen. Dann waren sie im Tang stekkengeblieben und hatten am anderen Morgen eine üble Überraschung erlebt. Die „Isabella“ saß inmitten einer ausgedehnten Tanginsel hoffnungslos fest, umgeben von zahlreichen verfaulenden Wracks mit unzähligen Skeletten an Bord. Erst nach Tagen, das Trinkwasser war knapp geworden, hatte ein wütender Sturm den Tang zerrissen und die „Isabella“ in jagender Fahrt auf diese Felseninsel zugetrieben. Zum Glück gab es die schmale Passage, durch die sie auf Biegen oder Brechen hindurchgesegelt waren.

Und jetzt waren sie hier, in einer stillen Bucht voller Felsen. Ringförmig dehnte sich der weiße, leuchtende Strand nach allen Seiten, eingerahmt von hohen Palmen, Büschen und weithin leuchtenden Blumen. Ein unberührtes Eiland, wie der Profos annahm.

Dahinter türmten sich Felsen auf, ein riesiges Massiv, geboren durch einen Vulkan, der vor Jahrhunderten aus dem Meer gebrochen war und diese Insel geschaffen hatte.

Ein ideales Versteck, diese Bucht. Hier drang ganz sicher kein Schiff ein. Die Bucht selbst wurde wiederum durch himmelhohe Felsen begrenzt, die sich bis zu der schmalen Einfahrt zogen und dort noch höher waren. Und in dem Wasser selbst standen die Lavafelsen wie riesige drohende Stalagmiten, urwüchsig und kraftvoll.

„Träumst du, Ed?“ fragte eine sanfte Stimme vorwurfsvoll. „Du fierst schon zehn Minuten lang das Boot ab.“

Der Profos drehte sich zu dem Seewolf um.

„Ich habe nur gedacht, daß wir doch verdammt viel Glück hatten, hier zu liegen. Und das Wetter wird auch immer besser.“

Neben Hasard standen Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, und Donegal Daniel O’Flynn. Der Profos hatte nicht einmal bemerkt, daß Dan inzwischen eine Jakobsleiter an der Backbordseite hinuntergelassen hatte, so versonnen war er gewesen.

Jetzt, an diesem Vormittag, schien plötzlich die Sonne. Der Himmel klarte auf und wurde azurblau. Nur noch vereinzelte helle Wolkenfetzen kündeten von dem Sturm, den sie abgeritten hatten.

Die vier Männer sprangen in das Boot. Dan hielt eine Lotleine in der Hand, mit der sie die Tiefe an der Passage ausloten wollten. Vielleicht war der Rückweg doch nicht abgeschnitten, die Hoffnung bestand immerhin, obwohl keiner so recht daran glaubte.

Der Profos pullte und legte sich in die Riemen. Hasard starrte in das hellblaue, Wasser der Bucht, auf dem sich Sonne und ein paar Wolken spiegelten.

„Etwa vierzig Faden tief“, sagte der Seewolf. Sie hatten es durch das ablaufende Ankertau festgestellt, als sie in der Bucht ankerten.

„Und trotzdem kann man fast zwanzig Faden tief sehen.“

Einmal war ihm, als husche etwas Großes pfeilschnell über den Grund. Er beugte sich noch weiter vor, sah aber nur noch einen länglichen Schatten, der gleich darauf verschwand.

Eine Wolke, dachte er, die sich im Wasser gespiegelt hat, und vergaß es wieder. Erst sehr viel später sollte er noch einmal unangenehm daran erinnert werden.

Carberry pullte weiter, aus den Augenwinkeln hatte er Hasards merkwürdigen Blick gesehen. Er starrte ebenfalls ins Wasser, sah aber nichts.

Jetzt fuhren sie zwischen himmelhohen Felsen dahin, die sich über ihnen fast zusammenschlossen. Man mußte schon den Kopf weit in den Nacken legen, wenn man da hochsehen wollte.

Schroffe Lavaklippen, kleine tükkische Felsen dazwischen, wie geschaffen, um ein Schiff der Länge nach aufzuschlitzen. Ein Felsen stand wie ein riesiges Mahnmal gleich vor der Passage. Es war der, den der Seewolf im allerletzten Augenblick umsegelt hatte.

Das Wasser in dem schmalen Durchlaß hatte sich bis auf eine leichte Strömung beruhigt, die vom Sargassomeer hereindrückte.

Trotz der kurzen Entfernung, die sie zurückgelegt hatten, war die „Isabella“ ihren Blicken schon entschwunden. Man sah sie zwischen den Felsen nicht mehr, die sie von allen Seiten schützten. Selbst wenn hier draußen jemand ganz dicht vorbeisegelte, würde er das Schiff nicht entdecken.

„Ein ideales Versteck“, sagte Hasard. „Eine Bucht, wie ich sie mir immer schon erträumt hatte. Jetzt haben wir sie gefunden!“

„Und kommen nicht mehr raus“, sagte Dan trocken.

An einem der zahlreichen Felsen legten sie an. Carberry schlang das Tauende darum und machte es fest.

Dan ließ die Lotleine ablaufen.

„Sechs Faden, acht, zwölf, vierzehn. Grund!“

„Vierzehn Faden“, murmelte der Seewolf. „Miß mal etwas weiter vorn.“

„Vier Faden“, sagte Dan O’Flynn. „Verdammt, da gehts aber steil hinunter. Und da vorn kann man die Klippen schon mit dem bloßen Auge unter Wasser sehen.“

Noch ein Stückchen weiter, und sie befanden sich an der kritischen Stelle. Natürlich gewachsener Fels zog sich unter der schmalen Passage hin, schroff wie ein Riff aus Korallen. Aber es war schwarze Lava, man erkannte sie ganz deutlich.

Dan verzichtete diesmal auf das Ausloten der Tiefe. Er ließ sich über das Dollbord gleiten, hielt sich mit einer Hand daran fest und sank langsam ab, während Hasard stumm den Kopf schüttelte.

Als Dan bis zur Brust verschwunden war, ließ er das Dollbord los.

Hasard, Tucker und der Profos kriegten runde Augen, als Dan langsam in die Mitte spazierte und weiter zur anderen Seite ging.

„Ich werde verrückt“, murmelte Carberry. „Das Riff zieht sich wie eine Sperre unter Wasser entlang. Und da sind wir durchgesegelt? Das ist ja noch nicht mal ein Faden tief.“

Hasard schluckte jetzt noch, wenn er daran dachte, mit welcher Höllenfahrt die „Isabella“ über diese flache Schwelle gerast war.

„Der riesige Wasserschwall hat uns hinübergehoben, ohne daß wir die Barriere auch nur berührt haben. Damit steht fest, daß eine Rückkehr ausgeschlossen ist. Wir können uns auf der Insel häuslich einrichten.“

Hasards Worte klangen bitter, sinnend sah er ins Wasser.

„Es gibt noch einen Ausweg“, überlegte der Profos. „Wenn wir hier hinabsteigen und das Riff Stück um Stück unter Wasser zertrümmern.“

„Eine Arbeit, die Monate in Anspruch nehmen würde, selbst wenn jeden Tag ein paar unserer Leute daran arbeiten. Wie breit ist die Felsbarriere, Dan?“

O’Flynn tastete sich vorsichtig nach links. Er konnte fast vier Yards quer darauf laufen. Dann kehrte er zurück und versuchte es auf der anderen Seite.

Hasard überschlug die Maße. Die Passage war knapp zwölf Yards breit, und über diese gesamte Breite legte sich das Riff, als wäre es gemauert worden. Und dieses Riff selbst maß in seiner Breitenausdehnung etwa fünf Yards, ehe es steil nach unten abfiel.

So schnell gab der Seewolf nicht auf, aber jetzt schüttelte er resignierend den Kopf.

„Nein, ausgeschlossen“, sagte er. „Diese Barriere zertrümmern wir selbst in einem Jahr nicht, da können wir schuften, wie wir wollen.“

Carberry, Tucker und Dan sahen das ebenfalls ein. Sie ließen die Köpfe hängen und sahen Hasard an, aber der Seewolf hatte diesmal keine Lösung zur Hand.

Es sah ganz so aus, als würden sie den Rest ihres Lebens auf dieser Insel beschließen müssen.

„Wir fahren zurück und sehen uns die Insel an“, befahl er. „Augenblicklich haben wir ein größeres Problem. Es geht ums Überleben. Wir müssen Trinkwasser suchen, eine Quelle oder einen Bach. Finden wir das hier nicht, sind wir erledigt. Dann können wir die Musketen laden und uns eine Kugel durch den Schädel jagen.“

Die drei Männer wurden blaß. Hasard sprach nie in diesem pessimistischen Ton, aber er hatte natürlich recht. Wenn sie kein Trinkwasser fanden, dann ...

Schweigend ruderten sie zur „Isabella“ zurück, wo der Kutscher sie mit Freudengeheul empfing.

„Fische gibt’s hier“, rief er. „daß es eine wahre Freude ist! Die Angel hing noch keine fünf Minuten im Wasser und schon hat einer angebissen. Man kann sie hin und her flitzen sehen!“

Auf dem Deck lag ein riesiger Zakkenbarsch, der den Kutscher grimmig anzublicken schien, weil er auf den billigen Speckköder hereingefallen war. Der Fisch mochte etwa einen halben Zentner wiegen.

„Wir haben ein Problem“, sagte Hasard und sah sich im Kreis der Seewölfe um, die den riesigen Zackenbarsch ausgiebig bestaunten. „Es gibt keine Rückkehr mehr. Mit der ‚Isabella‘ kommen wir hier nicht mehr heraus, die Barriere ist nur einen Faden tief unter Wasser. Sturm, Strömung und ein großer Wasserschwall haben uns darüber hinweggehoben.“

Er las Bestürzung in den Gesichtern. Plötzlich erschien ihnen die Insel nicht mehr als das Paradies, sondern eher als die Hölle.

„Und jetzt?“ fragte Ben Brighton tonlos. „Jetzt müssen wir hierbleiben bis uns durch Zufall jemand findet?“

„Vermutlich wird uns niemand finden“, entgegnete Hasard, „denn diese Insel ist auf keiner Karte verzeichnet. Und wer sie doch entdeckt, wird schleunigst weitersegeln. Erst waren wir tagelang im Tang gefangen, jetzt hält uns eine Insel fest. Wir haben hier allerdings größere Überlebenschancen, vorausgesetzt, daß es Trinkwasser gibt.“

Der Kutscher begab sich schweigend daran, dem Zackenbarsch eins mit Tuckers Axt vor den Schädel zu hauen und ihn auszunehmen.

Trinkwasser! Nahrungsmittel! Das waren jetzt die größten Probleme. Die Bucht schien fischreich zu sein, aber hoffentlich wuchs hier auch noch etwas anderes, denn jeden Tag Fisch würde auch dem Genügsamsten mit der Zeit zum Hals heraushängen.

„Wir werden die Insel jetzt erkunden“, sagte Hasard. „Dann haben wir Gewißheit, wir wissen ja nicht einmal wie groß sie ist. Wer will, kann mit an Land kommen. Zwei oder drei Mann bleiben an Bord zurück, zur Sicherheit, obwohl ich nicht glaube, daß hier etwas passieren kann oder ein Schiff die Bucht ansteuert.“

„Ich bleibe an Bord“, erbot sich der Kutscher freiwillig, „dann kann ich den Fisch in aller Ruhe auf einem Holzkohlenfeuer braten.“

„Aber ja nicht an Deck“, fauchte der Profos, „sonst brennt uns noch der Kahn ab, bis wir wieder zurück sind.“

„Ich denke, wir brauchen ihn nicht mehr“, stichelte der Kutscher.

Carberrys Rammkinn stach herausfordernd in die Luft. Er wollte gerade eine geharnischte Antwort geben, als der alte Donegal O’Flynn sich meldete.

„Ich bleibe auch an Bord“, sagte er. „Mit meinen Krücken kann ich schlecht laufen, und zwischen den Felsen herumsteigen, kann ich schon gar nicht.“

„Gut, wer noch?“

Smoky meldete sich. Er hatte genug von Abenteuern, Geistern und Seespuk. Ihm hatte es im Sargassomeer überreichlich gelangt. Er wollte sich mal gründlich auf die faule Haut legen, wie er versicherte.

Dann blieben noch achtzehn Männer übrig, die den Erkundungsgang vornehmen sollten.

Der Seewolf teilte sie in zwei Gruppen ein.

Eine Gruppe sollte in die linke Richtung gehen, die andere die rechte nehmen, um hinter dem Strand in die Felsen aufzusteigen. Danach würde man sich wieder treffen. Auf ein paar Stunden kam es nicht an. Sie hatten ja so unendlich viel Zeit, Zeit wie Sand, der am weißen Strand verlockend herüberleuchtete.

Ein weiteres Boot wurde abgefiert und bemannt.

„Der Drang der Entdecker“, sagte Hasard spöttisch zu Ben. „Sie haben alles andere vergessen, jetzt interessiert sie nur noch diese Insel.“

„Glaubst du, daß sie bewohnt ist?“

Der Seewolf hob die Schultern. Er sah, wie auch die anderen Männer in die Boote stiegen.

„Schlecht vorstellbar, dazu ist sie zu klein. Mich interessiert wesentlich mehr, ob wir hier Trinkwasser finden.“

„Hoffentlich“, erwiderte Ben seufzend. „Sonst müssen wir wirklich noch die Musketen laden.“

Die beiden Boote liefen auf den Strand zu, der blendend weiß war, wie sie es von Bord aus schon gesehen hatten. Knirschend lief das erste Boot auf den Sand.

Ein kleiner Vogel piepste schrill und trippelte um sein Gelege, das er sich aus dürren Blättern mitten im Sand gebaut hatte. Er flog nicht davon, als Hasard in den Sand sprang, dafür war er eifrig bemüht, sein Gelege zu schützen.

„Na, wenn das kein gutes Zeichen ist“, meinte der Seewolf. „Er hat keine Angst, folglich gibt es hier auch keine Menschen, oder er hat noch nie welche gesehen.“

„Eine Schildkröte“, rief Will Thorne. „Da, noch eine!“

Zwei mittelgroße Seeschildkröten krochen behäbig ins Wasser und tauchten weg. Eine dritte blieb blinzelnd sitzen und zog nur den eckigen Schädel etwas ein.

Hasard blieb am Strand stehen und genoß den Anblick, den diese herrliche Bucht bot. Aus dieser Perspektive sah alles ganz anders aus.

Drüben lag die „Isabella“ vor Anker. Ihr Hintergrund bestand aus einer steil aufragenden Felsformation und scharfen gezackten Klippen, gegen die sie sich wie ein Spielzeug ausnahm. Aus der Kombüse stieg hellgrauer Rauch in den jetzt wolkenlosen Himmel. Der Kutscher war dabei, den riesigen Zakkenbarsch zu verarbeiten.

Links und rechts hinter der ranken Galeone Felsen und im Wasser Felsen, wie Säulen, die ein Riese sorgfältig placiert hatte. Dann folgte auf der rechten Seite die Passage, und links endete der weiße, leuchtende Strand wieder an himmelhohen Klippen.

Es schien nichts anderes auf der ganzen Welt zu geben als diese friedliche Insel, ein Märchen aus Frieden, Freiheit und Behaglichkeit.

Die Seewölfe bemerkten Hasards verträumten Blick, wie er das herrliche Bild schweigend in sich aufnahm. Ja, hier herrschten eindrucksvoller Frieden und himmlische Ruhe, genauso mußte es im Paradies einmal ausgesehen haben. Hoch über den Klippen schraubte sich ein weißer Vogel in langen Spiralen in den Himmel, der immer weitere Kreise zog, bis er schließlich ihren Blicken entschwand.

Hasard hätte stundenlang hier stehen können, um jede Einzelheit in sich aufzunehmen, aber er riß sich gewaltsam zusammen. Schließlich hatten sie ein großes Problem, das der Lösung bedurfte.

Ob die anderen auch so empfanden? Er musterte sie unauffällig der Reihe nach. Die harten Kerle hatten fast weiche, verträumte Gesichter, in denen sich der Eindruck dieser malerischen Bucht widerspiegelte.

Langsam drehte er sich um. Vor ihnen, wo der weiße Sand sich bis zu dichtem Buschwerk hochstreckte, stand eine Gruppe von Palmen, an denen Bündel gelblicher Früchte hingen.

Bananen! Es gab Bananen hier. Dazwischen wucherten die Büsche der wilden Marau und in den Sträuchern wuchsen die roten Prachtblüten des Hibiskus.

Die Schildkröte saß noch im warmen Sand und döste vor sich hin.

Als Hasard noch unter Francis Drake gefahren war, hatte er diesen Lekkerbissen zum erstenmal in seinem Leben kennengelernt. Es war eine Abwechslung nach dem ewigen Einerlei an Bord gewesen, genau wie der riesige Zackenbarsch.

„Seht euch mal genau um, Männer“, sagte Hasard. „Bis jetzt haben wir festgestellt, daß die Bucht fischreich ist, daß es Schildkröten gibt, Bananen, wilde Marau und dort hinten Kokospalmen. Wenn wir jetzt noch Trinkwasser finden, wäre das schon fast zuviel verlangt. Trotzdem werden wir unser Glück noch einmal strapazieren. Die eine Gruppe marschiert jetzt nach links, die andere nach rechts. Lauft nicht zu weit in die Insel hinein, wir wissen nicht wie groß sie ist. Die Klippen die wir bei der Einfahrt gesehen haben, können sich meilenweit ins Hinterland ziehen.“

„Was ist das denn, dort drüben?“ fragte Dan, der die schärfsten Augen der Crew hatte, und der selbst dann noch etwas sah, wenn andere es nur vermuteten.

Hasard blickte in die angegebene Richtung. Dort vorn gab es etwas im hellen Sand – einen dunklen Fleck, der sich unscharf hervorhob.

Da niemand eine Erklärung hatte, gingen sie darauf zu.

Als Hasard die Stelle als erster erreicht hatte, blieb er wie vom Donner gerührt stehen. Die Seewölfe bildeten einen Halbkreis.

„Eine Feuerstelle“, raunte Tucker.

In den zwei Worten lag alles, was das ganze Paradies schlagartig zerstörte. Etliche Männer sahen sich sofort argwöhnisch um, spähten in das Dickicht hinter den Palmen, starrten durch Lianen und versuchten etwas zu erkennen.

Hasard ging in die Knie, untersuchte den fast runden schwarzen Fleck, der sie so erschreckt hatte.

Er fand unverbrannte Holzreste, nur angekohlt, Asche von dicken Zweigen und verkohlte kleine Holzstücke, wie der Kutscher sie in seiner Kombüse zum Kochen benutzte.

Als er sich wieder aufrichtete, war sein Gesicht ernst, der träumerische Ausdruck darin wie fortgewischt.

„Kannibalen?“ Es war eine zaghafte Frage, die lange in der Luft hing, und die Dan gestellt hatte.

„Da drüben ist noch eine Feuerstelle!“ hörten sie Carberry rufen, der sich etwas von der Gruppe entfernt hatte.

Ihnen allen erschien es, als sei der Himmel längst nicht mehr so blau, die Insel nicht mehr so freundlich, der Strand nicht mehr so einladend und hell.

Sie waren nicht mehr allein auf der Insel! Es gab irgendwelche geheimnisvollen Bewohner!

Hasard ging zu der anderen Feuerstelle hinüber. Auch hier bot sich genau das gleiche Bild. Der kreisrunde verbrannte Fleck, die Aschereste, verbrannte Hölzer.

„Es könnten Kannibalen sein“, sagte Hasard zögernd. „Dagegen spricht aber die Tatsache, daß wir keine Knochen gefunden haben.“

Er stocherte in den Resten herum und erwartete jeden Augenblick, auf verkohlte menschliche Gebeine zu stoßen.

„Wie sieht es da drüben aus, Ed?“

„Kein Knochen, auch im Sand nicht.“ Der Profos richtete sich auf, das Gesicht leicht gerötet, sein gewaltiges Kinn vorgeschoben. Scharf zeichneten sich die zahlreichen Narben auf seinem Gesicht ab.

„Die Feuerstellen sind noch nicht alt, schätzungsweise erst ein paar Tage“, sagte der Seewolf. „Vielleicht sind es Wilde, die im Innern der Insel hausen.“

„Oder Menschen, die der Insel ab und zu einen kurzen Besuch abstatten und dann wieder verschwinden“, meinte Ben Brighton. Es klang allerdings nicht sehr überzeugend.

Ein weiteres Problem ergab sich damit. Waren die Besucher wieder verschwunden? Oder waren es Wilde, die hier hausten? Kannibalen ließen sich mit Sicherheit ausschließen, sie hätten deutliche Spuren hinterlassen.

Andererseits – was wollten Besucher hier? Nur ein Feuer entfachen und dann wieder verschwinden? Das war ziemlich unwahrscheinlich.

Hasard überlegte nicht lange.

„Haltet die Augen offen“, riet er. „Mir erscheint diese Insel nicht mehr geheuer. Außerdem werden noch drei weitere Leute sofort zurückkehren. Wir anderen bleiben zusammen, wir werden uns nicht aufsplittern. Al Conroy, Jeff Bowie und Bob Grey! Ihr nehmt das eine Boot und pullt an Bord zurück. Berichtet den anderen, was wir entdeckt haben!“

Ohne Widerspruch oder Murren gehorchten die drei. Es war klar, daß sie unter diesen neuen Umständen, die „Isabella“ nicht unbewacht lassen konnten. Dazu reichten die drei Mann an Bord nicht aus. Sie nickten nur, schoben das eine Boot wieder ins Wasser und pullten los.

Hasard sah ihnen sinnend nach.

„Über was denkst du nach?“ fragte Ben, der an seine Seite trat.

„Hier stimmt etwas nicht, Ben! Durch die Passage segelt kein Schiff, das ist unmöglich, wir haben uns davon überzeugt. Über die Klippen kommt man ebenfalls nicht in die Bucht hinein. Bleibt also nur noch die Feststellung, daß es hier Eingeborene geben muß.“

„Wilde mit ihren Auslegerbooten kämen aber durch die Passage“, bemerkte Ben.

„Das ist richtig. Aber es gibt weit und breit kein Land, auf viele Meilen nicht. Was sollten also Wilde hier, wenn sie Hunderte von Meilen in ihren Booten zurücklegen müßten?“

Darauf wußte niemand eine Antwort, diese Frage blieb vorerst offen.

Jetzt waren es noch fünfzehn Leute, die am Strand standen und dem Boot nachsahen, wie es an der Galeone anlegte. Conroy, Bowie und Grey kletterten an Bord und winkten noch einmal herüber.

„Weiter!“ befahl Hasard. „Wir gehen den Strand entlang, und dort wo die hohen Palmen stehen, steigen wir in die Felsen. Wir müssen uns Gewißheit verschaffen, damit wir nicht wieder vor unliebsamen Überraschungen stehen.“

Ein paar hundert Yards weiter – die „Isabella“, war jetzt aus ihrem Blickfeld verschwunden – erspähte Dan die dritte Feuerstelle. Wieder bildeten sie einen Halbkreis darum, unangenehm berührt von dieser dritten Entdeckung. Diejenigen, die das Feuer entfacht hatten, hatten sich nicht bemüht, ihre Spuren zu verwischen. Vielleicht fühlten auch sie sich absolut sicher auf dieser Insel.

Das Rätselraten ging weiter, nur kam nichts dabei heraus als Vermutungen und Theorien.

Hasard war gespannt, wem sie hier begegnen würden. Er vergewisserte sich, daß seine Radschloßpistole lokker und griffbereit im Gürtel hing. Immer wieder musterte, er die Umgebung.

Aber die Feuermacher ließen sich nicht blicken.

2.

Der Weg in die Felsen wurde beschwerlich. Es gab keinen Pfad, sie mußten sich durch Büsche, Dickicht und teilweise verfilzten Wald kämpfen. Zum Glück gab es keine fliegenden Plagegeister. Nur große, bunte Vögel flogen überraschend hoch, krächzten protestierend und flatterten träge davon, um sich woanders niederzulassen.

Der Strand war aus ihrer Sicht verschwunden, auch die Passage war nicht mehr zu sehen, obwohl sie immer höher kletterten.

Nach einer knappen halben Stunde Marsch begann die Vegetation spärlicher zu werden. Vor ihnen lag ein erhöhtes Felsengewirr, in dem nur ab und zu Büsche und kakteenähnliche Gewächse standen.

Es war jetzt Mittagszeit. Die Sonne stach senkrecht vom Himmel, die dunklen Lavafelsen strahlten die gespeicherte Wärme tausendfach zurück. Die Landschaft wurde gespenstisch, wenn die Felsen scharfe Schlagschatten warfen.

„Hier oben finden wir bestimmt kein Wasser“, sagte Hasard und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Aber wir erhalten einen prächtigen Überblick über die Insel.“

Jetzt gab es rechts und links nur noch Felsen, über die singend ein leichter Wind strich. Sie näherten sich der Südseite. Das Gewirr der Felsen wurde dichter, rechts und links ragten sie in den Himmel, immer mehr, immer spitzer und höher wurden sie.

Nach ein paar weiteren Minuten hatte Hasard den Scheitelpunkt erreicht. Er blieb stehen, während die anderen folgten. Ein einmalig schöner Ausblick bot sich ihnen.

Soweit der Blick reichte, erstreckte sich endlos das blaue Meer in seiner ganzen Pracht. Die Insel lag wie ein gewaltiger Bienenkorb darin.

Zwanzig Schritte vor den Seewölfen fiel es steil ab. Klippen, die senkrecht ins Meer ragten, wurden von Brandungswogen angelaufen, Schaumkronen bildeten sich und man hörte deutlich das leichte Grollen der Brandung.

„Von dieser Seite kommt niemand an die Insel heran“, meinte Ben versonnen. „Und von links auch nicht. Da gibt es nur Klippen, steile Felsen und Stein, sonst nichts. Die Insel scheint eine uneinnehmbare Festung zu sein. Kein Schiff würde sich auch nur in die Nähe dieser Klippen trauen.“

„Ganz sicher nicht“, sagte Hasard. „Der einzige Zugang ist die Passage, und selbst da kann man nicht hindurchsegeln.“

„Nur, wenn man der Seewolf persönlich ist“, sagte Carberry grinsend.

Hasard blickte in die Runde. Mit dem Finger deutete er nach links.

„Wir gehen im Bogen zurück, so daß wir uns jetzt von der anderen Seite der Bucht nähern. Ich bin gespannt, wie es dort aussieht!“

Zwischen den Felsen bahnten sie sich ihren Weg. Es ging jetzt in einem sanften Bogen leicht bergab, wobei sich auch gleichzeitig der Charakter der Landschaft veränderte. Die Felsen bildeten eine schmale Gasse, standen nicht mehr vereinzelt herum, waren jetzt massiver.

Unter ihren Stiefeln knirschte das erstarrte Lavagestein. Es war so porös, daß ein paar Männer pausenlos fluchten, als es unter ihren Schritten leicht nachgab und zerbröckelte.

Ganz plötzlich blieb der Seewolf stehen und lauschte. Er hatte ein merkwürdiges Geräusch vernommen. Er hob die Hand, die anderen verharrten ebenfalls ruckartig.

Eine seltsam klagende Melodie erfüllte die Luft. Wie Sirenengesang, dünne hohe, sehr weit entfernte Stimmen waren zu hören, die ein melodisches Lied anstimmten.

Carberry spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rükken.

„Verdammt! Geht denn das schon wieder los?“ fragte er erbittert. „Was mag das nur sein?“

„Halt doch mal den Mund!“ fuhr ihn Hasard an.

Das klagende Geräusch rückte mal näher, dann schien es wieder sehr weit entfernt zu sein. Seltsam hohl klingende Töne mischten sich ständig dazwischen, dann wieder hörte es sich an, als wenn man über den Hals einer leeren Flasche blies.

„Äolsharfen“, sagte der Seewolf nach einer Weile. „Der Wind fängt sich in ihnen und bringt sie zum Klingen.“

Er blickte zurück, zu den höherliegenden Felsen.

In dem Lavagestein befanden sich Löcher, einige mannsgroß, andere nur sehr klein. Vor und hinter ihnen standen andere Felsen, deren Löcher sich teilweise überdeckten. Und durch sie strich leise und klagend der Wind, der diese melodischen Töne erzeugte, die sich jedoch unheimlich und fremd anhörten.

„Eine natürliche Erscheinung?“ fragte der Profos mißtrauisch.

„Kein Grund zur Beunruhigung. Wenn kein Wind geht, wirst du diese Musik nicht hören, Ed.“

„Ich kann gern darauf verzichten“, murrte der Profos. „Hört sich nach Totengesang an!“

Hasard ging weiter, einem natürlichen Pfad folgend, den Regen, Wind und Wetter geschaffen hatten. Sie folgten einer Biegung, beruhigt, daß sich die Musik als etwas Natürliches herausgestellt hatte, als der zweite Schock folgte.

Diesmal traf er Hasard völlig unvorbereitet. Er blickte auf eine Felsenfläche und konnte nicht glauben, was er dort sah.

Das Schlangenzeichen! Dort war es in den Felsen geritzt!

„Mich – mich trifft der Schlag“, stammelte Dan O’Flynn ungläubig. „Wie kommt das denn hierher?“

„Wenn ich das wüßte“, murmelte Hasard tonlos. Das war eine Überraschung, die selbst den Seewolf fast umwarf.

Die Hohepriesterin Arkana, das Mädchen, das ihm auf der Insel Mocha das Leben gerettet hatte – sofort stand ihr Bild vor seinen Augen. Ihre schwarzen Haare, die dunklen Augen, die hochgewachsene schlanke Gestalt, die Nacht im Schlangentempel mit Arkana – Arkana, immer wieder Arkana, das Indianermädchen, das ihn gesund gepflegt hatte. Der Schlangengott in dem unheimlichen Tempel.

Wie ein Schleier legte es sich über seine Augen und sekundenlang stand Wehmut darin. Kramphaft versuchte er, sich an Einzelheiten zu erinnern, und immer wenn er glaubte, das Bild wäre deutlich, dann schob sich ein feiner Schleier dazwischen, der die Erinnerung weit fortzudrängen schien in eine andere Welt, die Hasard vertraut und bekannt vorkam, deren Konturen sich aber immer wieder leicht verzerrten.

Arkana! hämmerte es in seinem Schädel. Mocha, die Insel ... Und dann hatte sie ihm den Armreif geschenkt, den Ring züngelnder Schlangen aus purem Gold, wie sie ihn auch um ihren Kopf als Reif trug. Er entsann sich des Bildnisses der Statue, den goldenen Schlangengott, der sich in der Mitte des Gewölbes um eine nackte, aus Bronze gearbeitete Indianerin ringelte, die Arkanas Züge trug. Um die Statue ringelten sich in weitem Kreis goldene Schlangen, die eine Anzahl kupferner, in blaßblaue Flammen getauchte Schalen einschlossen. In seinem Schädel war ein dumpfes Pochen, ein Hämmern, ein Druck, der ihm den Kopf zu zersprengen drohte.

Arkana ... Wie lange war das schon her? Einen Monat, ein Jahr, Jahrhunderte? Ewigkeiten?

Arkanas Bild verblaßte wie ein Schemen, dafür hoben sich um so deutlicher die Konturen dieser Zeichnung an dem Fels hervor. Es ähnelte in allem der Statue des Schlangengottes.

Das konnte kein Zufall sein, dachte der Seewolf wie betäubt.

„Araukaner“, hörte er den Profos wie aus nebelhafter weiter Ferne sagen. „Genau das Zeichen befindet sich auf deinem Armreif, Hasard!“

„Ja, ich weiß! Sehr eigenartig. Mir kam es so vor, als wäre ich soeben weit weg gewesen.“

Seine Gestalt straffte sich, der Nebel vor seinen Augen zerstob. Augenblicklich fand er wieder in die harte Wirklichkeit zurück, wo es keine Arkana gab, wo man gefangen war und Wasser suchte, um zu überleben und nicht elend zu verdursten.

„Sollten die Araukaner hier auf diese Insel ...“ begann Ben, unterbrach sich aber gleich darauf selbst. „Quatsch! Wie sollen die wohl hierher gelangt sein?“

„Und die Feuerstellen?“ hielt Hasard dagegen. „Von wem mögen die wohl stammen?“

„Ich kann mir schlecht vorstellen, wie dieser Stamm der Araukaner sich so weit vorgewagt hat. Zählt man aber die Feuerstellen und dieses Zeichen zusammen, so gibt das zwei und zwei, also gleich vier. Die Annahme ist logisch. Nur – wo sind sie?“

„Wir werden sie suchen, denn wenn es Araukaner waren, dann müssen sie auf der Insel sein und können ihr kaum alle paar Wochen einen Besuch abstatten. Es sei denn, sie wären früher schon einmal hiergewesen und sind wieder verschwunden.“

So richtig befriedigte Hasard diese Theorie auch nicht. Aber er brauchte etwas, woran er sich klammern konnte.

Er ging näher an die Felswand heran, betastete mit den Fingern das Zeichen und schüttelte immer wieder den Kopf, weil er einfach nicht begriff, was sich hier abgespielt hatte.

„Gebt acht“, schärfte er den Männern ein. „Ihr wißt, wie gefährlich die Araukaner damals waren. Es kann sein, daß uns bereits etliche Augenpaare belauern.“

Nervös sahen die Männer sich um. Aber nichts rührte sich, die Insel blieb ruhig wie ein großes Tier, das auf der Lauer lag und erst dann zuschlagen würde, wenn niemand es erwartete.

Nach einem letzten Blick auf das Schlangenzeichen ging Hasard weiter. Immer wieder kreisten seine Gedanken um das Symbol und um die Frage, wie die Araukaner wohl hierher gelangt sein mochten. Er sah an den Gesichtern seiner Leute, daß auch sie diese Frage pausenlos beschäftigte und sie sich ständig nach allen Richtungen umdrehten.

Es ging jetzt tiefer hinab. Auf den Felsen wuchsen Pflanzen, Blumen und große Büsche. Der Boden wurde noch poröser. In einem geschwungenen Bogen würden sie bald wieder auf den Strand stoßen, diesmal von der Seite her, die den urwaldähnlichen Charakter hatte.

Dan O’Flynn hob die Hand. Er zeigte zu den rechts neben dem Pfad verlaufenden Gebüsch.

„Wasser!“ schrie er. „Da muß eine Quelle sein!“

In die Seewölfe kam Bewegung. Der Durst strapazierte sie schon eine ganze Weile, nur hatte ihn jeder unterdrückt, so gut es ging.

Deutlich war ein leises Murmeln zu hören, ein Plätschern und leichtes Rauschen, das ihnen wie liebliche Musik in den Ohren klang.

„Langsam, nichts überstürzen“, hielt sie die Stimme des Seewolfs zurück. „Denkt immer an die Feuerstellen und das Schlangenzeichen!“

Dan zerteilte die Büsche und schob sich hindurch, gefolgt von den anderen, die sich erst vergewisserten, daß niemand zu sehen war. Diesmal war es eine angenehme Überraschung, die ihnen bevorstand. Nicht weit vor ihnen, im schimmernden Grün von Büschen und fremdartigen Gewächsen verborgen, sprudelte kristallklares Wasser aus einer kleinen Höhle. Es bildete einen Bach, danach einen kleinen Tümpel und verschwand dann wieder unter dem Pflanzengrün.

Ein Aufschrei der Freude ertönte. Während Hasard nach allen Seiten sicherte, stürzte sich die durstige Meute der Seewölfe in das kühle Naß.

Carberry stöhnte vor Wonne. Mit ausgebreiteten Armen hing er in dem kleinen sprudelnden Bach und trank.

Die anderen lachten und tobten ausgelassen herum. Sogar Big Old Shane brachte es nicht über sich, einfach nur so dazustehen. Mit seinen mächtigen Händen schaufelte er Wasser, goß es sich über den erhitzten Körper, beugte sich nieder, trank wie ein Verdurstender.

„Wasser! Sie hatten Trinkwasser entdeckt!

Von Hasard fiel eine dumpfe Beklemmung ab. Das, was ihnen die allergrößte Sorge bereitet hatte, das Fehlen von Wasser, jetzt hatten sie es genügend und reichlich.

Auch er trank in langen Zügen.

„Gleich nachher werden wir Wasser mannen“, sagte er. „Der Weg hierhin ist nicht weit. Wir werden alles an Fässern herschleppen, was wir an Bord haben.“ Er lächelte leicht und reckte die Schultern.

„Ich denke, wir werden es auf dieser Insel schon eine Weile aushalten. Wir haben alles, was wir zum Leben benötigen, auch wenn wir vorerst nicht mehr wegkommen. Fische, Vögel, Schildkröten, Früchte und klares Wasser. Ist das nichts?“

„Wir haben mehr Glück als Verstand“, gab Ben ihm recht. „Notfalls können wir hier jahrelang hausen.“

„Jetzt aber weiter. Wer noch Durst hat, soll noch einmal trinken. Ich möchte sehen, wie der Weg wieder zur Bucht führt. Es ist besser, wenn wir gleich soviel wie nur möglich erkunden, dann stehen uns auch keine unangenehmen Überraschungen bevor.“

Es war kein Weg und kein Pfad mehr, auf dem sie jetzt marschierten. Es ging teilweise über Felsen, dann wieder zwischen Büschen hindurch. Mitunter versperrten ihnen große Felsbrocken den Weg, überzogen von wild wuchernden Pflanzen, die sich um die Felsen geklammert hatten. Aasblumen reckten sich ihnen entgegen, und jedesmal zogen die Männer angewidert die Köpfe vor dem verwesenden Geruch ein.

Hasard versuchte den sprudelnden Bach wiederzufinden, aber er schien auch weiterhin unterirdisch zu verlaufen, denn er tauchte nicht mehr auf. Außerdem bestand der Untergrund jetzt wieder teilweise aus spitzen scharfkantigen Felsen, über die sich schlecht laufen ließ.

Einmal war Hasard, als höre er einen nachhallenden Gong.

Er sah Ben an, aber der grinste nur. Dann, beim zweitenmal, erklang der Gong ferner und dumpfer. Man mußte schon genau hinhören, wenn man das Geräusch vernehmen wollte.

Hatte er sich geirrt? Keiner seiner Leute reagierte, und so ging der Seewolf wieder weiter, nachdem er einmal kurz stehengeblieben war. Vielleicht hatte er sich doch getäuscht.

Er dachte an das Wasser, das sie nachher holen wollten. Der Profos konnte diese Aktion sofort starten, sobald sich herausgestellt hatte, daß diese Insel nicht bewohnt war.

„Profos!“ sagte er.

Keine Antwort.

Hasard drehte sich um. Carberry befand sich direkt hinter ihm.

„Mister Carberry!“ rief er scharf.

Zu seiner großen Verwunderung befand sich der Profos nicht mehr hinter ihm. Er war auch nicht mehr zu sehen.

„Jetzt soll doch gleich der Teufel ...“ fluchte Hasard.

Da war wieder dieser merkwürdige dumpfe Gong, den jetzt auch die anderen deutlich vernahmen. Und dazwischen mischte sich – immer lauter werdend– ein unheimliches Pfeifen und Gurgeln.

Es schien aus den Felsen zu ertönen, nur verfing sich hier kein Wind mehr in ihnen.

Stumm und bleich sahen die Seewölfe sich an. Der Gong dröhnte weiter, hallende Schläge, die sich nun im gleichen Rhythmus ständig wiederholten.

„Wo ist der Profos?“ schrie Hasard.

„Eben war er noch da“, murmelte Dan. „Er ging ein paar Schritte hinter dir her.“

„Das wird ja immer unheimlicher“, sagte Matt Davies. „Verdammt, diese Insel behagt mir gar nicht mehr. Hier ist alles viel zu perfekt.“

Zwischen seinen Worten dröhnte immer noch der Gong, dessen dumpfe Töne von überall und nirgends erklangen.

Der Profos war spurlos verschwunden, von einer Sekunde zur anderen hatte er sich buchstäblich in Nichts aufgelöst.

Hasard rasten die verrücktesten Gedanken durch den Kopf. Die Indianer hatten eine hinterhältige Taktik entwickelt, wenn Weiße in ihr Revier eindrangen. Den jeweils am Schluß gehenden letzten Mann ließen sie verschwinden oder brachten ihn um.

Aber das alles hatte sich so lautlos abgespielt, und daher wirkte es auch so unheimlich.

Hasard legte die Hände an den Mund. Wild sah er sich um.

„Carberry!“ brüllte er mit seiner Donnerstimme.

Der unsichtbare Gong hallte pausenlos dazwischen, überlagert von dem Pfeifen und Gurgeln, das aus dem Boden zu dringen schien.

Immer noch keine Antwort. Hasard zog seine Radschloßpistole und suchte aus schmalen Augen einen unsichtbaren Gegner, den noch keiner gesehen hatte, der sie aber ständig zu belauern schien.

Die Insel schwieg, nachdem seine Stimme verklungen war. Nur der Gong schlug weiter, von einem Unsichtbaren geschlagen, der sich anschickte ihnen das Grauen beizubringen.

3.

Ein ellenlanger Fluch zerriß die Stille. Er hörte sich wild und dumpf heulend an, und er versuchte den Gong und das Pfeifen und Gurgeln zu übertönen.

„Das ist doch der Profos!“ schrie Brighton. „Er flucht! So kann nur Ed fluchen, aber wo, zum Teufel, steckt er?“

Hasard verzichtete auf eine Antwort. Er hatte gehört, von wo das wilde Brüllen und Fluchen ertönte. Er wirbelte herum und lief ein Stück zurück, gefolgt von der ganzen Meute.

Was er dann sah, weigerte sich sein Verstand zu glauben.

Er starrte in ein riesiges Loch, und aus diesem Loch erklang Carberrys lautstarkes Fluchen. Er befand sich irgendwo tief unter ihnen.

Hasard sah, daß eine der Felsenplatten unter Carberrys Gewicht nachgegeben hatte und geborsten war. Und der Profos war mitsamt der Platte nach unten in die Tiefe gestürzt.

Aus dieser Tiefe drangen außer Carberrys unanständigem und pausenlosem Gefluche auch die merkwürdigen Töne – der Gong, das Rauschen, Pfeifen und Gurgeln.

Mit einem wilden Satz sprang der Seewolf zurück, als die Felsplatte unter seinen Stiefeln weiter abbrökkelte und ihn ebenfalls in die Tiefe zu reißen drohte.

„Kommt nicht näher heran“, warnte er die Männer. „Bleibt da stehen, wo ihr jetzt seid. Ich werde nachsehen.“

Auf dem Bauch kroch er näher.

Er brauchte ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an die Finsternis da unten gewöhnt hatten. Sprachlos blickte er hinunter.

Ein Wasserwirbel schoß in rasender Fahrt dahin wie ein wilder Bach. Es schäumte und gurgelte, pfiff und sang. Und immer wieder dröhnte der unheimliche Gong dazwischen.

Hasard hatte jetzt die Erklärung. Der Gong wurde durch Wogenschlag in einem hohlen Felsen verursacht und pflanzte sich durch die Felswände wie ein Echo fort. Das Rauschen und Gurgeln rührte von dem wild dahinschießenden Wasser her.

Und unten in dem dunklen Abgrund hockte der Profos. Naß wie eine große Ratte hockte er an einem stalagmitartigen Felsen, an dem er sich mit beiden Händen verzweifelt festklammerte. Sein Unterkörper hing im Wasser, das wirbelnd an ihm vorbeischoß und ihn mitzureißen drohte.

„Kannst du mich hören, Ed?“ schrie der Seewolf hinunter.

„Ja!“ brüllte Carberry hohl zurück. „Was ist denn das für eine verdammte Scheißinsel? Ich kann jeden Moment ersaufen. Verfluchter Mist!“

Die Seewölfe, erleichtert darüber, daß der Profos noch so stimmgewaltig fluchen konnte, schoben sich vorsichtig von der anderen Seite der Felsen näher und blickten in den finsteren Schlund.

Immer wieder zog das Wasser Carberrys Beine fort. Sein Gesicht war ein heller, verschwommener Fleck mit zwei wild rollenden Augen.

„Bist du verletzt, Ed?“ rief der Seewolf.

„Scheiß auf die Verletzung, ich will hier raus!“ fluchte Ed.

„Ich weiß nicht, wie wir dich raufholen sollen. Du bist mindestens fünf Yards tief gefallen!“

„Das merke ich an meinen Knochen, verdammt! Dieser verfluchte Gong regt mich langsam auf!“

„Versuche, dich höher hinaufzuziehen, Ed!“

„Gleich lach ich mich tot!“ ertönte es wild grollend von unten. „Ich bin froh, daß ich den verdammten Felsen überhaupt erwischt habe. Das Wasser reißt zu stark. Ich kann mich nicht bewegen.“

Diesmal fluchte der Seewolf ausgiebig. Den Profos mußten sie hier so schnell wie möglich herausziehen, sonst würde er von dem reißenden Strom gepackt und in die unterirdische Kaverne mitgezerrt werden. Und was Carberry dann blühte, konnte sich jeder ausrechnen.

Hasard faßte seinen Entschluß.

„Dan!“ rief er. „Lauf, so schnell du kannst, an Bord. Bring Tauwerk mit, oder eine Jakobsleiter, ein Seil. Aber es muß schnell gehen, beeile dich. Nimm den Weg hier herunter an den Felsen vorbei. Du wirst dort unten auf die Bucht stoßen.“

„Aye, aye!“

O’Flynn stellte keine weiteren Fragen. Wie ein Blitz sauste er los. Er wußte, was von ihm abhing, deshalb mußte er so schnell wie möglich wieder zurück sein.

Unterdessen redeten die anderen dem Profos zu.

„Seine Lage ist höllisch beschissen“, sagte Ben. „Wenn er sich nicht halten kann, reißt ihn das Wasser für alle Zeiten fort. Woher kommt die verdammte Brühe nur?“

„Das wird mit der Passage zusammenhängen“, sagte Old Shane. „Das Wasser schießt schwallartig herein, in einem ganz bestimmten Zeitabstand, dann gurgelt es hier durch und verliert sich wieder in der Bucht.“

„Eine gute Antwort“, sagte Hasard. „Jedenfalls würde das so manches erklären.“

Er wandte sich wieder dem Profos zu, der den oberen Felsenteil so leidenschaftlich umarmte, als hätte er eine Frau vor sich.

„Ed, halte aus. Dan ist unterwegs, um Taue zu holen. Anders kriegen wir dich nicht da raus!“

„Hoffentlich beeilt sich der Kerl, sonst ziehe ich ihm die Haut in Streifen von seinem verdammten Affenarsch!“

„Er kann eben nie auf seinen Lieblingsspruch verzichten“, sagte Morgan grinsend. „Selbst wenn er bis zum Hals in der Scheiße steckt!“

Ein paar lachten dröhnend, trotz der ernsten Lage. Carberry würde es schon noch eine Weile aushalten, der hatte Kraft für zehn Männer.

Trotzdem wurde es immer bedenklicher. Der Sog des reißenden Wassers verstärkte sich noch und damit verstärkte sich auch gleichzeitig Carberrys Fluchen, der jetzt langgestreckt am Felsen hing, die Beine weit hinter sich im Wasser.

„Verdammt“, sagte Hasard inbrünstig. „Wenn man ihm doch nur helfen könnte. Ed!“ schrie er dann wieder hinunter, „du mußt versuchen, hinter den Felsen zu gelangen, dort treibt das Wasser nicht so stark.“

„Weiß ich, aber ich schaffe es nicht. Wenn ich eine Hand loslasse, bin ich weg!“

Die Zeit verging. Hasards Ungeduld nahm zu, und der Profos hing wie ein Schiffsjunge an der Rah, der sich zum erstenmal auf den Mast getraut hatte.

Wo, zum Teufel, blieb Donegal Daniel O’Flynn?

„Wann, verdammt, kommt dieser Höllenhund denn endlich?“ keuchte der Profos. „Der ist doch schon seit einem halben Jahr weg!“

„Er wird gleich da sein, Ed, gleich. Jede Minute muß er auftauchen. Gib nicht auf!“

Der Profos schwitzte in dem kühlen Wasser. Der Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht. Seine Muskeln versteiften sich, schließlich mußte er seinen eigenen schweren Körper schon länger als eine Viertelstunde festhalten. Und der scharfkantige Felsen scheuerte ihm langsam die Hände auf. Kein Wunder, daß seine Stimmung immer schlechter wurde. Sogar mit dem Fluchen hörte er allmählich auf. Bei Ed Carberry war das ein schlimmes Zeichen.

Hasard trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Er hatte die Lage der Insel ungefähr im Kopf und rechnete den Weg nach, den Dan genommen hatte. So lange konnte das doch gar nicht dauern!

War ihm etwas passiert? Hasard konnte sich das nicht vorstellen. Und immer wieder dröhnte der Gong über die ganze Insel, gurgelte das Wasser, schäumte und brodelte es um Carberry, der jetzt langsam daran war, die Nerven zu verlieren, wenn nicht bald Hilfe erschien. Er hatte Angst vor diesem schwarzen, niedrigen Loch hinter sich. Wenn er losließ, mußte er elend ertrinken, dort ging es wahrscheinlich direkt in die Erde – oder zur Hölle, jedenfalls war es ein verdammt langer schwarzer Schlund, der sich hinter ihm auftat.

Es verging fast noch einmal eine Viertelstunde. Carberry war total ausgelaugt und erschöpft.

Und Dan ließ sich nicht mehr blikken!

4.

Die schwarzhaarige Frau auf dem Achterkastell des Zweimasters war eine phantastische Schönheit.

Langes, schwarzes Haar umfloß schulterlang ihr Gesicht, schmeichelte sich im Wind bis zu ihren sinnlichen Lippen hin und verlieh ihr ein verträumtes Aussehen. Ihre schräggestellten Augen waren schwarz wie Kohlestücke, und manchmal, wenn sie einen Befehl erteilte, glomm es sekundenlang darin wie flüssiges Gold auf.

Sie trug eine blutrote Bluse, die von ihrem schlanken Hals ab zwei Knöpfe geöffnet war. so daß man den Ansatz ihrer Brüste sah, Brüste die nicht viel größer als Apfelsinen waren – und so hart. Ihre schwarzen Mandelaugen blickten hochmütig, verächtlich manchmal, und die roten Lippen konnten sich hoheitsvoll verziehen.

Zu ihrer roten Bluse trug sie bläuliche verwaschene und enge Hosen, die in kurzen weichen Stiefeln steckten.

Sie blickte zu der Lateinertakelung des Zweimasters hoch, blutrote Segel, die vom Wind leicht gefüllt waren.

„Abfallen Backbord!“ Ihre Stimme, hell und fordernd, ließ den Kerl am Kolderstock zusammenfahren.

„Abfallen Backbord!“ wiederholte er. „Wir schaffen die Passage jetzt noch nicht“, sagte er gleich darauf. „Das Wasser hat nicht den nötigen Druck.“