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Ewa Aukett

Outback

Unter australischer Sonne: Erotischer Liebesroman





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Prolog

Unter Schmerzen grub sie die Zähne in die Unterlippe. Wie lange sollte sie diese Folter noch ertragen? Wo blieb der Mann im grünen Kittel, wenn man ihn brauchte? Und warum zum Teufel war sie so dumm gewesen, das Angebot von Narkotika abzulehnen?

Es fühlte sich mehr denn je an, als würde sie in zwei Teile gerissen.

„Du machst das ganz toll, Kleines.“ Die Krankenschwester zu ihrer Rechten schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Der Arzt wird jeden Moment da sein. Du hast es bald geschafft, Mädchen. Das ist ganz große Klasse für eine Siebzehnjährige.“

Sie fühlte sich zehn Mal älter als siebzehn, und während sie das freundliche Gesicht der älteren Frau musterte, wünschte sie sich einmal mehr, dass ihre eigene Mutter ihr nur halb so viel Fürsorge entgegen bringen würde. Ein liebevoller Blick oder eine Umarmung wären schon genug gewesen. Aber wenn sie eines gelernt hatte, dann, dass ihre Mutter niemals sein würde, wie die Mütter in den Fernsehfamilien. Es war ein frommer Wunsch von ihr, nichts weiter.

„Du hast dir die Suppe selbst eingebrockt und nun wirst du sie allein auslöffeln.“

Das waren die letzten Worte gewesen, die ihre Mutter an sie gerichtet hatte, ehe man sie in den Kreißsaal verfrachtete.

Sie war eine Schande für die Familie. Ihre Mutter hatte ihr diese Worte in den vergangenen Monaten so oft an den Kopf geworfen, dass sie mittlerweile selbst davon überzeugt war.

All ihre Hoffnungen und Träume schienen zu zerplatzen wie Seifenblasen.

Sie hatte eine erstklassige Erziehung und Ausbildung genossen, ein relativ sorgloses Leben geführt und eigentlich standen ihr alle Möglichkeiten der Welt offen. Nach ihrem Schulabschluss hatte sie sich kopflos in eine Beziehung mit dem fünf Jahre älteren Bradley gestürzt. Es waren Liebe und Geborgenheit gewesen, die sie in seinen Armen suchte.

Gefühle, die sie daheim niemals würde erleben dürfen. Ihre Schwangerschaft nach dem geplatzten Kondom war genauso ungeplant, wie die Tatsache, dass Bradley sie kurzerhand sitzen ließ, als er von ihrem Zustand erfuhr.

Er hatte sie angesehen und den Kopf geschüttelt.

„Da kann ja jeder der Vater sein“, war die einzige Reaktion gewesen. Dann packte er seine Tasche und ging, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen. Damit war für ihn die Sache erledigt gewesen und sie auch.

Als sie ihre Eltern über die Schwangerschaft informierte, hatte ihre Mutter eine Abtreibung verlangt und sie setzte sich zum ersten Mal in ihrem Leben gegen deren Bevormundung zur Wehr. Ihre Mutter machte unmissverständlich klar, was sie von dieser Weigerung hielt und sie war fortan auf sich allein gestellt.

Die folgenden Monate waren die Hölle. Von Liebeskummer und Einsamkeit überwältigt, hatte sie innerhalb kürzester Zeit erwachsen werden müssen. Nur der Gedanke an das Kind in ihr gab ihr die Kraft weiter zu machen. Endlich würde es einen Menschen in ihrem Leben geben, der ihr nicht ablehnend gegenüberstand und der sie ebenso vorbehaltlos lieben würde, wie sie ihn jetzt schon liebte.

Etwas das sie in ihrer eigenen Familie nie erlebt hatte. Ihr Vater war verheiratet mit seiner Firma und hatte sich nie wirklich für seine Familie interessiert. Er sorgte dafür, dass es ihnen an nichts fehlte, nur er selbst stand nie wirklich zur Verfügung. Seine Frau hingegen tat alles, um ihm als repräsentative Ehefrau zur Verfügung zu stehen und den Schein des Perfektionismus nach außen hin zu bewahren. Da passte eine schwangere Teenagertochter nicht ins Bild. Kurzerhand war sie ausquartiert worden - in ein Winziges, wenn auch luxuriös eingerichtetes, Zweizimmerappartement in Brisbane.

Erst in den letzten Wochen vor der Geburt schien sich ihre Mutter doch wieder ihrer Tochter zu erinnern. Plötzlich begleitete sie sie ungefragt zu allen Arztterminen und stand ihr mit verkniffenem Gesicht bei ihren Einkäufen für das Kind zur Verfügung.

Sie gab sich nicht der Illusion hin, ihre Mutter habe plötzlich ihre Fürsorgepflicht für sich entdeckt. Es war eher verwirrend, dass sie ihr so unerwartet zur Seite stand, um sie zu unterstützen. Obwohl es sie misstrauisch stimmte, hatte sie dennoch die Hilfe angenommen. Zu schwer fielen ihr mittlerweile die kleinen Alltäglichkeiten, und als die Wehen schließlich eingesetzt hatten, war sie dankbar, dass ihre Mutter sie in das Krankenhaus begleitete.

Während ihre Mutter die Formalitäten erledigte, hatte sie sich dankbar in die Hände der Hebamme und der Schwestern begeben. Nun lag sie auf dem breiten Krankenhausbett, während die Wehen in immer kürzeren Abständen über sie hinweg rollten.

„Guten Abend, junge Dame.“

Ein tiefer Bariton riss sie aus ihren Gedanken. Sie hob den Blick und erblickte einen Mann mit grauem Schnauzbart, Brille und warmen, aufmerksamen Augen, um die unzählige Lachfältchen lagen. Ein liebevolles Lächeln lag auf seinen Lippen und er zwinkerte ihr zu, als er ihre Hand nahm und sie kurz drückte.

„Ich bin Dr. O’Malley“, stellte er sich vor, „und für die nächsten Minuten Ihr Reisebegleiter, junge Lady.“

Es fiel ihr schwer das Lächeln zu erwidern, obwohl sie den Arzt auf Anhieb sympathisch fand. Die nächste Welle aus Schmerz rollte auf sie zu und riss sie mit sich. Feine Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Haut, ihr war kalt und dennoch schien sie von innen heraus zu verbrennen.

Plötzlich schien ihr eigener Herzschlag das ganze Zimmer zu erfüllen, das Blut rauschte in ihren Ohren. Die Welt vor ihren Augen zerfaserte und verwandelte sich in wirbelnde Schlieren. Eine hektisch klingende Stimme rief mehrfach ihren Namen. Drängend und besorgt. Sie schloss die Augen, spürte Hände, die sie berührten. Stimmen an ihrem Ohr. Etwas stach unangenehm in ihre Armbeuge, dann schien sich die Welt um sie herum zu drehen.

Der Schmerz in ihrem Körper verschwand, sie fühlte sich leicht und schwerelos. Das Rauschen wurde lauter und lauter, übertönte jedes Geräusch und verwandelte ihr Dasein in ein angenehmes, monotones Einerlei. Dunkelheit kroch heran. Sie fühlte sich gut. Samtene Schwärze hüllte sie ein und dann war das Nichts heran, umarmte sie und nahm sie mit sich.