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GEHT NICHT

RICHARD

BRANSON

GIBT´S NICHT!

SO WURDE RICHARD BRANSON ZUM ÜBERFLIEGER.

SEINE ERFOLGSTIPPS FÜR IHR (BERUFS-)LEBEN.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

Screw it, let’s do it. Expanded. Lessons in Life and Business

ISBN 978-0-7535-1149-7

Copyright der Originalausgabe 2007:

© Richard Branson. All rights reserved.

Published by Virgin Books Ltd.

Copyright der deutschen Ausgabe 2009:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

4. Auflage 2015

Übersetzung: Christina Jacobs

Gestaltung und Layout: Johanna Wack, Börsenbuchverlag, Kulmbach

Satz: Silke Eden, Mediengarten Eden, Kulmbach

Druck: Freiburger Graphische Betriebe GmbH & Co. KG

ISBN 978-3-938350-89-8
eISBN 978-3-864703-50-8

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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www.books4success.de

INHALT

Vorwort: Das Buch und die größeren Zusammenhänge

Geht nicht, gibt’s nicht!

Spaß haben!

Mutig sein

Sich selbst herausfordern

Auf eigenen Füßen stehen

Den Moment ausleben

Die Familie und Freunde zu schätzen wissen

Respekt haben

Gaia-Kapitalismus

Sex-Appeal

Einfallsreich sein

Etwas Gutes tun

Pow! Shazam! // Von Raumschiffen und Comics

Jung denken

Nachwort

Das Buch und die
größeren Zusammenhänge

 

VORWORT

Ursprünglich war ich eingeladen worden, Geht nicht, gibt’s nicht! für den Welttag des Buches 2006 zu schreiben. Die Idee war, interessierten Lesern eine amüsante und inspirierende Lektüre zu bieten, die sie dazu anregen würde, Bücher in die Hand zu nehmen und weiterzulesen.

Die erste Ausgabe meines kleinen Buches war weit erfolgreicher, als ich mir je erträumt hätte. Das Buch verkaufte sich überall auf der Welt, kam in Südafrika auf Platz 1 und in Australien auf die Bestsellerliste. Ich war enorm erfreut über die Begeisterung, mit der es aufgenommen wurde. Viele Menschen schrieben mir, wie sehr sie das Buch ermutigt und inspiriert hätte. Ich habe auch festgestellt, dass sich ein weit größeres Publikum dafür interessierte als nur die Besucher des Welttags, für die es eigentlich geschrieben worden war.

Ein Jahr später wurde ich gefragt, ob ich gern eine überarbeitete und erweiterte Fassung für eine breitere Leserschaft schreiben würde. In der vorliegenden neuen Ausgabe von Geht nicht, gibt’s nicht! finden Sie sowohl meine ursprünglichen Lektionen fürs Leben als auch neue, die auf die Zukunft gerichtet sind.

Obwohl ich nie Regeln gefolgt bin, habe ich bei jedem Schritt, den ich ging, meine Lektionen gelernt. Die Lektionen begannen bereits daheim, als ich noch klein war, und setzten sich fort in der Schule und im Job, als ich als Teenager das Student-Magazin herausgab. Ich lerne noch immer und hoffe, dass ich damit nie aufhöre. Diese Lektionen sind mir mein ganzes Leben hindurch zugute gekommen, und ich hoffe, dass Sie auf diesen Seiten etwas Inspirierendes für sich finden werden.

Die Zeitungen bezeichnen meine Partner und mich als Virgin „Mavericks in Paradise“ (Außenseiter im Paradies) – vielleicht, weil ich zwei idyllische tropische Inseln besitze, eine in der Karibik und eine an der Küste Nordaustraliens. Es besteht kein Zweifel, dass wir die Dinge hier tendenziell etwas lockerer angehen als in den meisten Firmen üblich und was mich betrifft, funktioniert es. Ich arbeite hart und feiere kräftig.1 Ich glaube an Ziele. Es ist niemals schlecht einen Traum zu haben, aber ich gehe die Sache immer praktisch an. Ich fantasiere nicht oder ergehe mich in Tagträumen über das Unmögliche. Ich lege Ziele fest und arbeite dann aus, wie ich sie erreichen kann. Alles, was ich im Leben machen will, möchte ich gut machen, nicht halbherzig. In der Schule hatte ich Probleme mit dem Lesen und Schreiben. Damals kannte man Legasthenie nicht, und meine Lehrer dachten, ich wäre faul. Also brachte ich mir selbst bei, wie man Dinge auswendig lernt. Heute habe ich ein sehr gutes Gedächtnis. Und das ist zu einem meiner besten Werkzeuge im Geschäftsleben geworden.

Seit meiner Gründung von Virgin im Jahr 1967 haben wir es sehr weit gebracht. Wir haben klein angefangen und sind groß geworden. Manchmal scheint es unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit wir uns in vielen Geschäftsbereichen und mit neuen Firmen ausbreiten, egal ob Cola oder Wein, Hochzeitskleider oder Handys, Bücher, Comics, Zeichentrickfilme, Kreditkarten, Flugzeuge, Züge oder sogar die Weltraumfahrt. Nichts scheint unmöglich oder zu groß, um damit fertig zu werden. Virgin steht wirklich voll und ganz hinter meiner Maxime „Geht nicht, gibt’s nicht!“. Ich liebe es zu beobachten, welchen Enthusiasmus und welche Energie unser Team an den Tag legt, und genieße es, wenn wir eine neue Idee aufgreifen und zum Leben erwecken.

Aber jetzt befinden wir uns in einem neuen Jahrtausend, und die alte Vorstellung, dass die Industrie den Ton angibt und den Letzten die Hunde beißen, ändert sich. Angesichts der riesigen Schritte, die die Wissenschaft macht, und da wir inzwischen verstehen, wie die Erde und das Universum funktionieren, ist uns klar geworden, dass alles miteinander verknüpft ist; nichts steht oder handelt für sich allein. Jede Handlung zieht eine Folge nach sich. Und weil das so ist, halte ich es für sehr wichtig zu wissen, wie Virgin im 21. Jahrhundert arbeiten wird.

Global gesehen hat das Verhalten der Menschen, Industrien und Unternehmen einen unmittelbaren und oft langfristigen Einfluss auf unsere Welt. Macht der Mensch einen Fehler, kann das katastrophale Folgen haben. Von der persönlichen Warte aus betrachtet, beschäftigt Virgin mehr als 50.000 Mitarbeiter, deren Existenz auf dem Spiel steht, wenn wir in den vielen Bereichen, in denen wir uns etabliert haben, nicht erfolgreich sind. Als Geschäftsmann will ich natürlich weiterkommen und erfolgreich sein, und manchmal scheint es, dass die günstigere Herstellungsmethode die bessere ist. Doch eine meiner Regeln lautet: Füge niemandem Schaden zu.

Es kommt mir so vor, als hätte ich, neben meiner Verantwortung als Chef eines der erfolgreichsten und aktivsten Unternehmen der Welt, die Verantwortung und Pflicht, alles Menschenmögliche zu tun, um sicherzustellen, dass wir niemandem Schaden zufügen. Ich habe mir die Tatsache zu Herzen genommen, dass alles, was wir tun, irgendetwas oder irgendjemanden irgendwo berührt.

Lange Zeit war ich ein Fan der Gaia-Theorie, eine vor fast vierzig Jahren von James Lovelock formulierte These, die besagt, dass die Erde ein lebendes Wesen ist, wie eine einzelne Zelle, und wie bei einer einzelnen Zelle alles, was sie für ihre Existenz braucht, in ihr enthalten ist. Außerdem glaubt Professor Lovelock, dass der Planet seine Schäden selbst reparieren kann. Doch selbst bei Gaia gibt es den Punkt, an dem kein Zurück möglich, jenseits dessen der Schaden vielleicht nicht mehr reversibel ist. Umweltwissenschaftler haben uns davor gewarnt: Entwicklungen und die Industrie, ebenso der Verlust riesiger Regenwaldgebiete sind mit rasantem Tempo fortgeschritten. Dabei wurde so viel CO2 in die Atmosphäre abgegeben, dass wir in einen Kreislauf globaler Erwärmung hineingeraten sind, der zur Zerstörung der meisten Lebensformen auf der Erde führen könnte. Das ist es, was jetzt gerade passiert. Die Umwelt muss an erster Stelle stehen, wenn wir überleben wollen.

Als Kapitalist musste ich mir die sachliche Frage stellen: War ich gerade dabei, jemandem Schaden zuzufügen? Nach sorgfältigen Recherchen und Untersuchungen stellte sich heraus, dass es eine Möglichkeit gab, wie ich ein Kapitalist sein und dennoch meine Umweltphilosophie einbeziehen konnte, an der ich so lange festgehalten hatte. Durch das Eruieren von Möglichkeiten, wie Virgin neue Treibstoffe entwickeln könnte, um CO2-Emissionen zu verringern, könnten wir dazu beitragen, dass die globale Erwärmung rückgängig gemacht wird. Wir könnten außerdem Schritte einleiten, um unseren Konzern zu mehr Umweltverantwortung heranzuziehen. Ich habe als Grundsatz den Begriff des „Gaia-Kapitalismus“ eingeführt, ein einprägsamer Ausdruck und eine Möglichkeit für die Zukunft.

Mir ist klar geworden, dass Industrie und Unternehmen, auch wenn sie auf einer breiten, kommerziellen Ebene existieren, nicht zwingend etwas Schlechtes sein müssen. Natürlich wollen wir alle Kühlschränke haben, Autos fahren, in Flugzeuge und Züge steigen und unser normales, ausgefülltes und zufriedenes Leben führen. Doch gleichzeitig müssen wir uns stärker vergegenwärtigen, inwiefern unsere Handlungen unserer Umwelt schaden. Ich bin der Ansicht, dass es Sache großer Unternehmen wie Virgin ist, hier eine Vorreiterrolle zu spielen mit einem ganzheitlichen Ansatz, einer der, während er erfolgreiche Unternehmen hervorbringt und erhält, auch dazu beiträgt, das Gleichgewicht der Natur zu schützen und so geringen Schaden wie möglich anzurichten.

Virgin kann das, weil wir ein Privatunternehmen sind. Ich halte nichts davon, nach Schema F vorzugehen. Ich ändere die Dinge, wenn ich kann und dadurch eine Verbesserung herbeiführe, und setze durch meine Arbeit ein Beispiel. Dies verdanke ich dem Einfluss vieler guter und brillanter Menschen: Nicht nur James Lovelock hat mich inspiriert, sondern auch die Ideen eines meiner Verwandten, Sir Peter Scott, der vor seinem Tode den World Wildlife Fund gründete; Jonathon Porritt, Mitbegründer des Forum for the Future (und Gründer von Greenpeace); der australische Wissenschaftler und Umweltschützer Tim Flannery, der in seinem wegweisenden Buch Wir Wettermacher erklärt, dass wir alle das Weltklima auf positive Weise beeinflussen können; und schließlich Al Gore, der es sich mit seinem als Buch und Film erschienenen Werk Eine unbequeme Wahrheit zur Mission gemacht hat, die Botschaft rüberzubringen, dass die Welt am Rand einer Umweltkatastrophe steht.

Mein neues Lebensziel ist es, einen Rückgang der CO2-Emissionen zu bewirken. Daher werden wir bei Virgin uns in den kommenden Monaten und Jahren jeden wissenschaftlichen Vorstoß und jede Entwicklung ansehen – und vielleicht auch selbst Einiges dazu beitragen –, die zu einem organischeren und ganzheitlicheren Geschäftsansatz führen. Die Zukunft ist spannend. Es könnte sein, dass wir an der Schwelle zu einer Renaissance stehen, nicht nur, was unser aller Art zu leben, sondern auch, was Unternehmen und Erfindungen anbelangt.

Im Zusammenhang damit wurde Virgin Unite ins Leben gerufen, eine gemeinnützige Stiftung zur Unterstützung eines Netzwerks von an der Basis tätigen Wohltätigkeitsorganisationen, die sowohl auf lokaler als auch globaler Ebene Gutes tun. Wir ermuntern unsere Mitarbeiter und Kunden dazu mitzumachen und sich freiwillig zu engagieren. Auf diese Weise können wir in vielen Bereichen Dinge bewegen, besonders bei den wirklich schwerwiegenden Problemen wie Malaria, AIDS, HIV und TB.

Bildung und Aufklärung spielen hierbei eine entscheidende Rolle, und Virgin hat sich immer stark für wohltätige Zwecke und die Unterstützung junger Menschen durch Virgin Unite engagiert, aber ich möchte, dass wir uns noch stärker an innovativen Ideen beteiligen, wenn es um Bildung geht. Ich habe an der südafrikanischen CIDA University bereits eine School of Entrepreneurship2 gegründet und werde eine in Zelten untergebrachte „internationale Wanderuniversität“ einrichten. Auch bin ich der Meinung, dass wir weniger Politisierung und mehr Weisheit brauchen. Daher ist ein entscheidender Faktor auf meinem Weg in die Zukunft die Gründung eines Ältestenrats, der Ratschläge gibt, wenn internationale Führungspersönlichkeiten ihn darum bitten. Ich bin geehrt, dass Nelson Mandela zugesagt hat, die Rolle des Gründervaters zu übernehmen.

Zu Beginn meines Lebens waren die Dinge bestimmter. Man trat seine berufliche Laufbahn an, oftmals die gleiche, die auch der Vater eingeschlagen hatte, und natürlich blieben die meisten Mütter zu Hause. Heute ist nichts sicher; das Leben kann ein einziger langer Kampf sein. Die Menschen müssen, wenn sie im Leben vorankommen wollen, Prioritäten setzen. Die beste Lektion, die ich gelernt habe, war Geht nicht, gibt’s nicht. Was auch immer es ist, wie schwer und entmutigend etwas auch scheinen mag, wie der alte Grieche Plato schon sagte: „Der Anfang ist der wichtigste Teil der Arbeit“, während die Chinesen sagen: „Eine Reise von 1.000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt“.

Wenn Sie voraus bis zum Ende und all die Meilen dazwischen sehen, mit all den Gefahren, denen Sie begegnen könnten, werden Sie den ersten Schritt vielleicht niemals wagen. Was auch immer Sie in Ihrem Leben erreichen möchten, wenn Sie sich nicht anstrengen, werden Sie nicht ans Ziel kommen.

Machen Sie diesen ersten Schritt. Es wird viele Herausforderungen geben, vielleicht auch ein paar Rückschläge, aber am Ende werden Sie es schaffen.

Viel Glück!

Richard Branson

 

1) So lautet die Virgin-Philosophie: „work hard, play hard“ – wer hart arbeitet, soll auch kräftig feiern.

2) Siehe Kap. 14

1

Daran glauben, dass es funktionieren kann

Ziele haben

Das Leben in vollen Zügen genießen

Niemals aufgeben

Gut vorbereitet sein

An sich selbst glauben

Es immer wieder versuchen

Sich gegenseitig helfen

 

GEHT NICHT, GIBT’S NICHT!

Als ich zum ersten Mal erfuhr, dass einige meiner Mitarbeiter bei Virgin mir den Spitznamen „Dr. Yes“ gegeben haben, war ich amüsiert. Der Beiname war offensichtlich entstanden, weil ich automatisch auf jede Frage, Bitte oder jedes Problem eher positiv als negativ reagiere. Ich habe immer versucht, Gründe dafür zu finden etwas zu tun, wenn es wie eine gute Idee erscheint, als dagegen.

Mein Motto schlechthin lautet: „Geht nicht, gibt’s nicht!“

Ich weiß, dass viele Leute, fast als eine Art pawlowscher Reflex, bei einer Frage „Nein“ sagen oder „lassen Sie mich darüber nachdenken“, egal, ob es sich um etwas Kleines und Unbedeutendes handelt oder etwas Großes und Bahnbrechendes. Vielleicht sind sie übervorsichtig oder misstrauisch gegenüber neuen Ideen, oder Sie brauchen einfach Zeit zum Nachdenken. Aber das ist nicht meine Art die Dinge anzugehen. Wenn etwas eine gute Idee ist, sage ich „Ja, ich werde sie ihn Erwägung ziehen“ – und dann mache ich mich dran herauszufinden, wie sie umsetzbar ist. Natürlich sage ich nicht zu allem Ja. Aber was ist schlimmer: ab und zu einen Fehler zu machen oder sich den Dingen zu verschließen und Chancen zu verpassen?

Ich vertraue darauf, mir das Wissen und die Erfahrung anderer zunutze zu machen, weshalb ich gern ganzheitlich, innerhalb eines Teams arbeite. Das Nutzen von Energie ist wie das Nutzen von Intelligenz. Welchen Sinn hat es, jemanden für eine bestimmte Aufgabe auszuwählen, wenn man seine beziehungsweise ihre Erfahrung und Fähigkeit ignoriert? Das ist so, als würde man Experten um Rat fragen und den Rat dann ignorieren.

Außerdem vertraue ich auf meinen Instinkt und meine Fähigkeit, fast alles tun zu können, was ich mir in den Kopf gesetzt habe. Wenn eine Idee oder ein Projekt gut ist und sich lohnt, werde ich, wenn es in meiner Macht steht, immer ernsthaft darüber nachdenken, selbst wenn ich damit vorher noch nie zu tun oder darüber nachgedacht habe. Ich werde niemals sagen, „Das kann ich nicht machen, weil ich nicht weiß wie“. Ich werde andere fragen, mir die Sache ansehen und eine Möglichkeit finden. Zusehen, zuhören, lernen – das sollten wir unser ganzes Leben lang tun, nicht nur in der Schule.

Dann gibt es da noch diese dummen, kleinen Regeln, die jemand aus unerfindlichen Gründen aufgestellt hat. Ich denke immer, das halbstaatliche Organisationen und Komitees eingerichtet werden, damit sie irgendetwas Unnützes tun können. Die Welt ist voll von Bürokratie, geschaffen von Komitees mit zu viel Zeit und übermäßiger Kontrollsucht. Bürokratie besteht größtenteils aus völlig nutzlosem und sinnlosem Kauderwelsch. Wenn ich etwas Lohnenswertes tun möchte – oder einfach so zum Spaß –, lasse ich mich nicht von dummen Regeln abhalten. Ich finde einen legalen Weg um die Regeln herum, und tue es. Ich sage zu meinen Mitarbeitern, „Wenn Ihr es tun wollt, tut es einfach“. Auf diese Weise profitieren wir alle davon. Die Arbeit und die Ideen der Mitarbeiter werden gewürdigt, sie sind zufrieden mit sich, und Virgin zieht Nutzen aus ihrem Input und ihrem Elan. Menschen kündigen im Allgemeinen ihren Job nicht wegen zu geringer Bezahlung – sie gehen, weil sie nicht gewürdigt werden. Viele Unternehmen stecken ihre Leute in Schubladen – wer als Telefonistin anfängt, wird immer Telefonistin bleiben. Aber wir würdigen unsere Mitarbeiter und ermutigen sie anpassungsfähig und innovativ zu sein.

Wenn Sie etwas als gute Idee erkennen oder wenn es etwas in Ihrem Leben gibt, das Sie tun möchten, Sie aber nicht sofort wissen, wie Sie Ihr Ziel erreichen können, glaube ich nicht, dass die kleinen Wörter „ich kann nicht“ Sie aufhalten sollten. Wenn Sie nicht über die entsprechende Erfahrung verfügen, um Ihr Ziel zu erreichen, gehen Sie in eine andere Richtung und suchen Sie nach einem anderen Weg, der zum Ziel führt. Es gibt immer eine Lösung, auch für das komplexeste Problem. Wenn Sie fliegen wollen, gehen Sie mit 16 Jahren zum Flugplatz und machen dort Tee. Halten Sie Ihre Augen offen. Sehen Sie zu und lernen Sie. Sie müssen nicht die Kunstschule besuchen, um Modedesigner zu werden. Heuern Sie in einer Modefirma als Putzkraft an und arbeiten Sie sich hoch.

Meine Mutter Eve ist ein perfektes Beispiel dafür. Als der Krieg anfing, wollte sie Pilotin werden. Sie war so entschlossen, dass sie, obwohl sie das Fliegen nie gelernt hatte, wusste, dass sie es könnte und tun würde. Anstatt zu grübeln und zu träumen, ging sie zum Flugplatz von Heston in der Nähe ihres Wohnorts und bat um einen Job, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Als sie fragte, wie ihre Chancen stünden fliegen zu können, erklärte man ihr, dass nur Männer Piloten werden könnten. Davon ließ sie sich aber nicht abhalten – tatsächlich sah sie es eher als eine Herausforderung. Sie zog einen der Fluglehrer auf ihre Seite, und er riet ihr, sich als Mann zu verkleiden.

Meine Mutter war sehr hübsch und war als Tänzerin auf Bühnen aufgetreten, daher war es offensichtlich, dass sie nicht wie ein Mann aussah. Doch mutig wie sie war, besorgte sie sich eine lederne Fliegerjacke, versteckte ihre blonden Haare unter einem Lederhelm und übte das Sprechen mit tiefer Stimme. Und sie bekam den Job, den sie wollte – so wie sie es vorausgesehen hatte. Einfallsreichtum und Entschlossenheit waren alles, was sie dafür gebraucht hatte. Sie lernte das Segelfliegen und begann selbst neue Piloten auszubilden. Jene jungen Männer, die Kampfflugzeuge in der Luftschlacht um England flogen. Später wurde sie als Frau Mitglied der britischen Marine und half mit die Schiffe zu warten, die Truppen nach Frankreich brachten. Moderne Frauen wie meine Mutter spielten als Geheimdienstagentinnen, Arbeiterinnen in Munitionsfabriken und beim Militär eine enorm wichtige Rolle im Krieg. Alle krempelten die Ärmel hoch, packten mit an und taten, was getan werden musste.

Nach dem Krieg waren Fluggesellschaften eine neue Möglichkeit Geld zu verdienen, und meine Mutter beschloss Stewardess zu werden, um die Welt zu sehen. Doch damals mussten Stewardessen Spanisch können und gelernte Krankenschwestern sein. Doch auch diesmal ließ sich meine Mutter nicht von Regeln und Bürokratismus abhalten. Sie beschwatzte den Nachtportier bei British South American Airways (BSAA), einer frisch gebackenen Fluggesellschaft, die zwischen London und Südamerika Lancasters und Yorks einsetzte, ihren Namen heimlich auf die Liste zu setzen. Diese Flugzeuge waren die ersten Passagierjets und schrieben Fluggeschichte. Bald darauf war sie Stewardess. Sie konnte noch immer kein Spanisch und war auch keine Krankenschwester, aber mit Köpfchen hatte sie ihr Ziel erreicht. Geht nicht, gab’s bei ihr nicht. Interessanterweise beförderten die ersten Passagierflugzeuge nur eine Handvoll Fluggäste, 13 in der Lancaster und 21 in der York, und auf den Langstreckenflügen herrschte wahrscheinlich eine eher kameradschaftliche Atmosphäre. Außerdem musste man ganz schön mutig sein, um zu weit entfernten Orten zu fliegen. Die Flugzeuge waren fragile Schachteln ohne Überdruckkabine, und beim Flug über die Anden mussten Sauerstoffmasken getragen werden. Ein Jahr später übernahm die BOAC (British Overseas Airways Corporation) BSAA, und meine Mutter wechselte in ein Tudor Flugzeug mit Ziel Bermuda. Das erste Flugzeug explodierte, im zweiten flog meine Mutter, und das dritte verschwand im Bermuda Dreieck. Die Tudor-Maschinen wurden aus dem Verkehr gezogen, aber meine Mutter flog weiterhin, bis sie meinen Vater heiratete – einen jungen Anwalt – der ihr einen Heiratsantrag machte, während sie an einem ihrer freien Tage auf seinem Motorrad umherrasten.

Meine Mutter war nicht die Einzige in unserer Familie, die sagte „Geht nicht, gibt’s nicht!“

Der berühmte Forschungsreisende Captain Robert Scott war ein Cousin meines Großvaters. Er besaß großen Mut und unternahm zwei Expeditionen in die Antarktis, um seinem Ziel, als erster Mensch den Südpol zu erreichen, näher zu kommen. Die Reise zu den Polen war in jener Zeit immer ein unglaublich riskantes Unternehmen, weil es keine Spezialausrüstung gab und keine leichtgewichtige Thermobekleidung – tatsächlich trugen Polarforscher, so absurd das klingt, ihre übliche Winterkleidung, nur in mehreren Schichten übereinander. Einige trugen sogar gewöhnliche Mützen und Wollhandschuhe. In Anbetracht der vielen gescheiterten Versuche – und Scheitern bedeutete den sicheren Tod –, beharrten die Leute darauf, dass eine Polerkundung nicht zu schaffen sei. Scott sagte: „Ich kann das schaffen.“ – und er schaffte es. Er erreichte den Südpol 1912, aber da er, mit Rücksicht auf seine Lastponys und Schlittenhunde die Expedition verschoben hatte, bis das Wetter milder war, kam er erst als Zweiter an. Roald Amundsen, der nur Hunde mitgenommen hatte und mitten im Polarwinter aufgebrochen war, traf als Erster ein. Das war für Scott eine schreckliche Niederlage. Ausgezehrt und krank starben er und seine Männer auf der Rückreise. Ja, er war der Erste, der eine Ballonfahrt über die Antarktis machte – ein erstaunliches und extrem gefährliches Unterfangen –, aber daran erinnern sich die Menschen nicht. Sie sagen nur, armer alter Scott, er war mutig, aber er hat das Rennen verloren. Zu gewinnen wirkt wie eine Energiespritze, aber es sollte einem nicht peinlich sein, wenn man es nicht als Erster schafft. Das Wichtige ist es zu versuchen, und selbst wenn man nur Zweiter, Dritter oder Vierter ist, weiß man, dass man sein Bestes gegeben hat.

Ich werde im Folgenden mein erstes echtes kommerzielles Projekt skizzieren – das Student-Magazin – weil ich glaube, dass meine Methode gut war und auch ein gutes Beispiel für „es einfach anpacken“. Ich gründete den Student, als ich fünfzehn Jahre alt war und noch auf die Stowe ging, ein Internat. Mein Ziel war nicht, damit Geld zu machen, sondern ich wollte ein Magazin herausgeben. Ich mochte die Art nicht, wie ich in der Schule unterrichtet wurde und was in der Welt geschah, und ich wollte die Dinge in Ordnung bringen. Ein wichtiger Grund für den Start des Magazins war, eine Plattform zu haben, von der aus man gegen die Eskalation des Vietnamkriegs protestieren konnte. Im Jahr 1965, unter der Präsidentschaft von Lyndon B. Johnson, erreichten US Kampftruppen Vietnam in großer Zahl, und wir lasen, dass Städte und Straßen in Nordvietnam aus der Luft bombardiert wurden. Außerdem wurden willkürlich chemische Entlaubungsmittel aus der Luft versprüht. Das schien sinnlos und falsch.

Wie viele andere Jungunternehmer sah ich meine Idee nicht als „Geschäft“, sondern als politisch motiviertes, wenngleich kreatives Unternehmen, das Spaß machte. Geschäftsleute waren für mich jene, die im Londoner Finanzviertel arbeiteten, fette Zigarren rauchten und Nadelstreifenanzüge trugen. Es kam mir nicht in den Sinn, dass es alle möglichen Arten von Geschäftsleuten gab, die verschiedenster Herkunft waren, denn bis zu diesem Zeitpunkt folgten sie meist der immer gleichen Formel. Ich hatte mit dem Verkauf von Kaninchen, Wellensittichen und Weihnachtsbäumen (darüber später mehr) bereits frühzeitig versucht Geld zu verdienen. Was den Student anbelangte, so waren meine Bemühungen durch ein hohes Maß an systematischem Ausprobieren gekennzeichnet; doch damals war ich nur ein Schüler. Dennoch folgte ich beinahe instinktiv den grundlegenden Finanzregeln, indem ich einen vernünftigen Geschäftsplan aufstellte. Mr. Micawber, eine Figur in Charles Dickens’ David Copperfield hatte recht, als er sagte, „Jahreseinkommen zwanzig Pfund, Jahresausgaben neunzehn Pfund, neunzehn Shillings und sechs Pennys, ergibt Fröhlichkeit. Jahreseinkommen zwanzig Pfund, Jahresausgaben zwanzig Pfund, sechs Pennys, ergibt Elend.“ Dank der vorsichtigen Zahlenakrobatik meiner Eltern wusste ich als Heranwachsender, dass die Einnahmen höher sein müssen als die Ausgaben. Profit sollte der einzige kommerzielle Daseinszweck eines Geschäfts sein, egal, wie viel Spaß es macht. Ein unprofitables Geschäft sorgt für Kopfschmerzen, Stress und finanziellen Wahnsinn.

Als ich Freunden und Bekannten erzählte, dass ich vorhätte, ein richtiges professionelles Magazin zu produzieren und kommerziell zu vertreiben, und sie um Rat und journalistische Beiträge bat, reagierten sie teilweise mit Unglaube, Skepsis und sogar schallendem Gelächter. Sie behandelten mein Projekt, als wäre es nur die fixe Idee eines Schülers. Ein, zwei Personen zuckten mit den Schultern und erklärten, ich wäre zu jung und hätte keine Erfahrung. Aber mir war die Sache ernst – ich glaubte fest an mich, glaubte, dass ich es schaffen könnte, und wollte ihnen beweisen, dass sie falsch lagen. Ich bin schon immer stur gewesen, und ihre negative Einstellung bestärkte mich eher noch in meiner Entschlossenheit.

Da ich keine akademischen Ambitionen hatte, war es eher ungewöhnlich, dass ich nach Verlassen der Schule Journalist werden wollte. Ich wollte die Welt bereisen, Menschen interviewen und meine Geschichten einreichen. „Auslandskorrespondent“ hörte sich irgendwie romantisch an. Ich war eindeutig ein bisschen zu jung und unerfahren, um tatsächlich als Auslandskorrespondent zu arbeiten, also kam mir stattdessen die Idee, ein Magazin zu veröffentlichen. In Stowe hatten wir bereits unser eigenes Schulmagazin, The Stoic, aber wir durften darin keine „regimekritischen“ und revolutionären Gedanken publizieren – zum Beispiel Schimpfkanonaden gegen Plackerei, Schläge, den obligatorischen Kirchgang, Latein und all jene Traditionen, die jeder Schüler in England hasste oder über die er sich ärgerte. So kam mir die Idee, eine Art Magazin für Abtrünnige zu produzieren. Vom Planen eines Magazins für Stowe bis zur Schlussfolgerung, dass alle Oberstufenschüler in England so ein Magazin haben wollten, war es kein großer Schritt mehr. Ich holte meinen Schulkameraden Jonny Gems als Mitkonspirateur dazu und wir kamen zu dem Schluss, dass das Magazin eine breitere Leserschaft anziehen würde, wenn wir um Beiträge von Schülern anderer Schulen bitten und ein Forum starten würden. Wir waren überzeugt davon, dass solch ein Magazin Wellen schlagen und jahrhundertealte Gepflogenheiten ändern würde.

Ich holte ein Notizbuch heraus und notierte ein paar Gedanken, zunächst nur Ideen für Titel. Heute, 1966, Focus!, Großbritannien heute, Interview. Es war ein kühner Anfang. Danach listete ich die Art von Artikeln auf, die ich veröffentlichen wollte und von denen ich glaubte, dass sie meine Leser inspirieren würden. Im nächsten Schritt mussten der Vertrieb, die Auflagenhöhe und die Kosten ausgearbeitet werden. Ich setzte mich in die Schulbücherei und ging, anstatt mich auf meine Abschlussprüfungen vorzubereiten, das „Who‘s Who“ durch, erstellte eine Liste mit 250 Mitgliedern des Parlaments und dann eine ähnliche Liste mit möglichen Anzeigenkunden, indem ich sorgfältig das Telefonverzeichnis durchkämmte. Ich notierte alles in meinem linierten Notizbuch, einschließlich meiner Philosophie und des Formats. Im Absatz über die Philosophie stand:

Ein neues politisches Magazin mit dem Ziel, alle Schüler von Privatschulen dazu zu bewegen, sich mehr für Politik zu interessieren und von den Verbesserungen und vom Treiben aller anderen Privatschulen im Land zu erfahren. Zu den Beitragenden würden andere Schüler, Mitglieder der Öffentlichkeit und des Parlaments gehören.

Ich begann eine neue Seite und schrieb ans Kopfende: Zu schreibende Briefe und unterstrich die Zeile. Darunter schrieb ich „300 Schulleiter von Privatschulen: 3 x 300 = 600d“. (Das war für die Briefmarken auf den Briefen, in denen ich sie um Erlaubnis bat, das Magazin an ihren Schulen verkaufen zu dürfen. Ein „d“ war ein alter Penny, der im Verhältnis 240 zu einem Pfund stand.) Darunter schrieb ich „Umschläge, Schreibpapier, 300d. Gesamt, 75 Shillings = 3,17 Pfund, 6d“ (beziehungsweise 3,75 Pfund in moderner Währung). Als ich mit dem Zusammenrechnen fertig war: 1.000 gedruckte Exemplare zum Verkaufspreis von 1/6 (7,5 p), Versandkosten und Provisionen für die Verkaufsstellen, starrte ich auf ein Defizit.

Wir brauchten nicht lange, um herauszufinden, dass die Allgemeinkosten und erwarteten Verkaufszahlen in einem dermaßen begrenzten Auflagenbereich sich gegenseitig nicht aufrechneten. Wir wären noch vor dem Start Pleite gegangen; kein sehr vielversprechender Start für meine unternehmerischen Ambitionen. Also noch mal von vorn anfangen.

Tagelang wanderte ich in Gedanken vertieft herum oder wälzte so viele Zeitungen und Magazine, wie ich konnte. Was ging in der Welt vor sich, was war in Mode? Auch wenn mir das nicht klar war, betrieb ich instinktiv Markforschung und beschäftigte mich auf sehr elementare Weise mit Demographien. Fast zufällig war ich auf eine Binsenweisheit gestoßen: Egal, was du verkaufen willst, du musst erst deinen Markt identifizieren. Ich glaube, da wurde mir klar, dass ich in zu kleinen Dimensionen dachte. „Studenten“ gab es überall – und „Student Power“ war ein neues Schlagwort, das in den Medien für Aufmerksamkeit sorgte. Eureka! Ich hatte die Patentlösung gefunden.

Wir änderten den Namen auf Student, erreichten damit sofort eine größere Zielgruppe und erfassten für unsere Umsatzziele nicht mehr nur alle Oberstufenschüler – unser ursprünglicher Markt –, sondern auch Studenten von technischen Hochschulen und Universitäten: hunderte oder tausende potenzieller Kunden. Das waren rosige Aussichten und unsere Spannung wuchs. Jetzt konnten wir potenziellen Anzeigenkunden, aber auch den Beitragenden, sehr hohe Auflagenzahlen bieten. Wir konnten das Magazin über etablierte Zeitschriftengroßhändler und -einzelhändler wie WH Smith vertreiben. Anstatt sagen zu müssen, dass vielleicht 1.000 Oberstufenschüler unser kleines Magazin lesen, würden wir bei den Geldgebern überzeugend klingen, wenn wir schwindelerregende Zahlen von zwanzig-, dreißig- oder vierzigtausend nannten. Vor dem Zeitalter des Internets war es schwierig herauszufinden, wie viele Studenten es gab. Ich weiß, wie einfach mein Leben durch das Internet und wie viel leichter das Recherchieren für Millionen von Menschen geworden ist und ich gebe, trotz meiner anfänglichen Vorbehalte, zu, dass auch ich öfter davon Gebrauch machen muss. Allerdings ist meine Vorstellung von Marktforschung etwas simpler: Frag jemanden, der sich auskennt. Ich glaube, ich griff zum Telefonhörer, rief jemanden beim britischen Kultusministerium an und schrieb gewissenhaft die Zahl auf.

Ich fand, dass mein Geschäftsplan wissenschaftlich fundiert und vernünftig war – ein Ansatz, mit dem ich vielleicht alle meine Kritiker aus der Schule überrascht hätte, besonders meinen Mathelehrer und meinen Physiklehrer! Ich stellte sorgfältige Berechnungen an, arbeitete aus, wie hoch die Kosten für Papier und Druck sein würden. Dann ermittelte ich die Einnahmen aus dem Magazinverkauf und den Anzeigenplatzierungen. Die Beitragenden, befand ich, würden auch ohne Bezahlung für uns arbeiten.

Als ich meine Pläne mit meiner Mutter besprach, nahm sie mich wie immer ernst. „Was brauchst du für den Anfang, Ricky?“, fragte sie.

„Ausreichend Geld für Telefonate und Briefe“, war meine spontane Antwort.

Meine Mutter hatte immer gesagt, dass man etwas investieren muss, um Geld zu verdienen. Sie bewies große Klasse und gab mir ein Startkapital in Höhe von 4,00 Pfund. 1966 reichte das für 320 Briefmarken oder Telefonate à drei Pence (1,5p). Heute bekommt man für 4,00 Pfund weniger als 14 First Class Briefmarken. Jonnys Vater beteiligte sich mit einer Bestellung über Briefpapier mit Briefkopf. Oben stand über die ganze Breite eingedruckt: STUDENT – THE MAGAZINE FOR BRITAIN‘S YOUTH (DAS MAGAZIN FÜR DIE BRITISCHE JUGEND), mit dem motivierenden Symbol einer aufgehenden Sonne.

Meine Bitte um ein Telefon in meiner Studierstube in der Schule wurde vom Schulleiter abgelehnt, der sich, wie ich glaube, insgeheim über mich amüsierte. So blieb mir, obwohl mein „Büro“-Schreibtisch komplett dem Magazin gehörte, nichts anderes übrig als zu akzeptieren, dass ich mit einer Telefonzelle Vorlieb nehmen musste. Ich war im Stimmbruch, daher klang ich älter als ich war, doch das Problem war, dass ich nicht angerufen werden konnte. Als Teilentschädigung dafür entdeckte ich, dass ich kostenlos telefonieren konnte, indem ich mich eines einfachen Hilfsmittels bediente und der Vermittlung erzählte, der Apparat hätte alle meine Münzen geschluckt und die Verbindung wäre unterbrochen worden. Zum Glück entfiel bei durch die Vermittlung hergestellten Verbindungen das peinliche und verräterische „Klack-Klack-Klack“-Geräusch, das man sonst hörte, wenn die Münzen durch den Schlitz in den Schacht wanderten oder das Gespräch beendet wurde. Ein zusätzlicher Vorteil – die Vermittlung klang wie eine Sekretärin: „Ich habe hier Mr. Branson in der Leitung für Sie.“

Ich war nicht der Einzige, der sein Imperium von einer öffentlichen Telefonzelle aus gründete – vor vierzig Jahren benutzte die Hälfte der Londoner Jungunternehmer solche Telefone. Man darf nicht vergessen, das waren die „Swinging Sixties“, und die Dinge änderten sich so schnell, dass der alten Garde der Kopf schwirrte. Die Beatles, die Stones, die Carnaby Street, die King‘s Road – das war eine junge, lebendige Welt, und die Wirtschaft wollte den Anschluss nicht verlieren. Zu meinem Erstaunen nahm man mich ernst.

Mein System bestand darin, unsere Briefe mit gewöhnlicher Handschrift vorzuschreiben und sie dann nach Hause zu meiner Mutter zu schicken. Sie überredete Elizabeth, eine Freundin aus dem Dorf, die Briefe abzutippen und sie bündelweise zum Unterschreiben an mich zurückzuschicken. Jonny und ich verbrachten fast zwei Jahre damit, hunderte von Briefen zu schreiben und zu versuchen Anzeigen zu verkaufen, bis ich plötzlich den Dreh raus hatte, wie man sie anderen schmackhaft machen konnte. Ich erzählte dem Werbeleiter der Lloyds Bank, dass die Barclays Bank auf der inneren Rückseite werben würde, und fragte ihn, ob er die repräsentative Rückseite buchen wollte, bevor ich sie Nat-West anbot. Ich spielte Coca-Cola gegen Pepsi aus. Ich feilte an meiner Präsentationstechnik und meinen Verkaufsargumenten und ließ niemals durchblicken, dass ich ein fünfzehnjähriger Schuljunge war, der mit einer Tasche voller Pennys in einer kalten Telefonzelle stand. Erstaunlicherweise funktionierte das.

Telefonate zu führen, Briefe zu schreiben und auf Antworten zu warten machte mehr Spaß, als Latein zu lernen. Ich war total aufgeregt, als wir schließlich unseren ersten Bankscheck für eine Anzeigenschaltung erhielten. Er betrug 250 Pfund, das war eine riesige Summe. Jonny und ich liefen eine Woche lang mit grinsenden Gesichtern herum, wir strahlten so hell wie die Sonne auf unserem Briefpapier. Am Ende hatten wir für unsere erste Ausgabe Anzeigenflächen im Wert von 2.500 Pfund verkauft – damit konnten wir den Druck von 30.000 Exemplaren bezahlen. Das schien damals ein unglaubliche Leistung für zwei sechszehnjährige Schuljungen, als der Preis für ein Durchschnittshaus 3.660 Pfund betrug und ein Jaguar E-Type 1.867 Pfund kostete.

Wir bemühten uns unseren Zielsetzungen entsprechend um Beiträge. Meine Mutter eilte begeistert zu Hilfe, schrieb Artikel und fragte ihre Freunde, ob sie Leute kennen, die Leute kennen. Ich erinnere mich daran, wie aufgeregt wir waren, als Gerald Scarfe – unser erster Beitrag – sagte, er würde eine Karikatur für uns zeichnen und sich interviewen lassen. Ich bemühte mich auch um Interviews mit Promis, indem ich die Schule schwänzte und mit dem Zug nach London fuhr; irgendwie gelang es mir, diese außerschulischen Aktivitäten mit meinem Schülerdasein in Einklang zu bringen.

Mir war damals schon klar, dass ich nicht für ein Studium oder ein akademisches Leben bestimmt war: Ich wusste, dass ich in der Welt besser allein zurechtkommen würde, und verfolgte meinen Weg zum Unternehmer. Meine Eltern ließ mich meine eigene Entscheidung treffen. Obwohl mein Vater Vorbehalte gegenüber meinen Plänen hatte, die Schule frühzeitig zu schmeißen und nicht zu studieren – er glaubte, das würde mich auf das Leben vorbereiten – standen meine Eltern hinter mir, egal, was ich tat. Ich besitze noch heute eine Kopie eines Briefes, den ich ihnen schrieb, um zu erklären, wie ich mich fühlte:

Alles, was ich im Leben anpacke, möchte ich gut machen und nicht nur halbherzig. Ich habe das Gefühl, dass ich beim Student mein Bestes zeigen kann – so gut meine Zeit eben erlaubt. Ich sah für mich die Gefahr, zwischen zwei Stühle zu geraten, und sehe sie noch immer. Ein Versager in allem zu sein, was ich hatte, und nach Prioritäten suchen zu müssen, wenn ich etwas erreichen soll. Ich bin immer noch nur sechzehn.

Dann fuhr ich fort, erklärte, was ich im Vergleich zu anderen Jungen meines Alters tat, und schrieb am Ende:

Als ihr sechzehn wart, sah die Welt anders aus als heute. Eure Karriere war mehr oder minder vorgegeben. Heute ist es ein einziger langer Kampf … Der Student ist eine Karriere wie jede andere auch … Er ist der Anfang meines Berufslebens wie die Universität oder die Abschlussprüfungen es für eures waren.

Meine Eltern und ich konnten immer gut miteinander reden – und noch heute denke ich, dass Kommunikation das Geheimnis guter Geschäfte und guter Beziehungen ist. Sie stellten sich hinter mich, als sie den Brief lasen, und mein Vater akzeptierte, dass ich ein anderes Feld beackern wollte als er. Sie erlaubten mir, alle Fächer aufzugeben, bis auf Geschichte des Altertums, woran ich Spaß hatte. Als dann die Abschlussprüfungen kamen, hatte ich nicht wirklich das Gefühl zu schummeln, als ich kleine Spickzettel machte und sie überall in meiner Kleidung versteckte, in den Taschen, in den Ärmeln und selbst unter meinem Uhrenarmband.

Als die Prüfungen vorüber waren, war ich bereit die Welt zu erobern, bewaffnet mit dem festen Glauben an mich selbst und dem Wissen, dass ich alles erreichen konnte, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte.

Ich war immer noch erst sechzehn, als ich die Schule verließ und ganztägig für den Student zu arbeiten begann. Ich hatte niemals zuvor richtig am Geschäftsleben teilgenommen – abgesehen von den üblichen Schulprojekten, wo die Jungs am Stand Limonade verkauften –, aber ich wusste genug, um zu wissen, dass kein Mensch eine Insel ist. Wir alle brauchen jemand als Gegengewicht für unsere Schwächen und um unsere Stärken auszuloten. Manchmal ist das eine einzelne Person, manchmal ein Team, zu dem jeder seine einzigartigen Talente und Fähigkeiten beiträgt. Oft ist unsere Familie das Netz, das uns unterstützt – und mein Rat für Jungunternehmer würde immer lauten: Hör auf deine Familie, nimm ihre Hilfe an und lehne sie nicht von vornherein ab.

Jonny und ich kampierten im düsteren Keller im Londoner Haus seiner Eltern. Es war herrlich, jung und frei und im Herzen der Stadt zu sein. Wir tranken Bier, hatten Freundinnen und hörten laute Musik, genauso wie Studenten – nur dass wir Studenten waren, die nicht studieren mussten. Trotzdem arbeiteten wir genauso hart. Ich ergatterte einige tolle Interviews mit Leuten wie James Baldwin, Jean-Paul Sartre, John Lennon, Mick Jagger, Vanessa Redgrave und Dudley Moore. Ich war so voller Zuversicht, dass ich nie innehielt, um mich zu fragen, warum diese Leute mich bereitwillig über ihre Türschwelle ließen und von Angesicht zu Angesicht mit mir sprachen, und meine Zuversicht muss ansteckend gewesen sein, denn nur wenige gaben mir einen Korb. Es half auch, dass 1966 eine Begegnung mit berühmten Menschen nicht durch so viele Hindernisse erschwert wurde. Damals hatten sie keinen Sekretärinnen, Büros oder persönliche Assistentinnen, um eifrige junge Journalisten wie mich abzuwimmeln. Für eine Zusage reichte es meist schon, zum Hörer zu greifen oder Briefe zu schreiben. Auf unseren Seiten gab es mehr „große Namen“ als bei einigen Toppmagazinen und es schauten Journalisten, große Stars und berühmte Intellektuelle vorbei, die neugierig waren, was wir auf die Beine stellten. Das Leben im Keller war ein herrliches Chaos, eine Nonstopparty.

Aber wir hatten auch eine ernste Seite. Wir wollten unsere eigenen Reporter entsenden, damit sie über die großen aktuellen Themen berichteten, wie den Krieg in Vietnam und die Hungersnot in Biafra, bloß hatten wir kein Geld dafür. Stattdessen überlegten wir uns Alternativen, um das zu bewerkstelligen. Wir dachten, wenn wir den Zeitungsredakteuren erzählten, dass wir einen Sechszehnjährigen in ein Krisengebiet schicken, der von dort aus der Perspektive der Jugend berichtet, könnten wir ihr Interesse wecken. Ich rief den Daily Mirror an und machte ein entsprechendes Angebot. Er kaufte die Story und bezahlte Julian Manyon, der für uns beim Student