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Die Autoren

Prof. Dr. Ottmar Schneck ist Professor für Bankwirtschaft an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen. Er ist in Deutschland als Buchautor und Experte für Bankenregulierung und Ratingsysteme bekannt. Felix Buchbinder ist Absolvent der ESB Business School und Alumni der Bildungsinitiative Teach First Deutschland.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-86764-601-7 (Print)

ISBN 978-3-86496-923-2 (EPUB)

ISBN 978-3-86496-924-9 (EPDF)

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft Konstanz und München 2015

Lektorat: Rainer Berger

Einband: Susanne Fuellhaas, Konstanz

Einbandmotiv: © R. Scheiwiller – fotolia.com

Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz

Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98

www.uvk.de

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

das Buch soll Ihnen Ideen und Impulse für die Diskussionen rund um die allgegenwärtigen Themen Geld, Währung und Verschuldung geben, die über den alltäglichen Tellerrand hinausgehen. Die Darstellung dieser Ideen soll dabei so verständlich wie möglich sein, das heißt, wir haben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit oder eines Lehrbuches verfolgt. Diese allgemeine Verständlichkeit schließt aber eine wissenschaftlich systematische Struktur und Herangehensweise keineswegs aus. Theorien werden benannt und zitiert, Meinungen kenntlich gemacht und Behauptungen begründet.

Für eine leichte Einführung haben wir zu Beginn ein eingängiges und zugleich tiefgründiges Beispiel von Robinson Crusoe ausgewählt: Er lebt auf seiner Insel und überlegt, wie viele Fische er täglich fangen muss, um eventuell auch welche für schlechtere Zeiten anzusparen. Er denkt deshalb darüber nach, wie er die Fische zählen, ihren Bestand berechnen und sie bewerten kann, und entwickelt ein Geldsystem. Wer dieses Beispiel auf sich etwas wirken lässt, wird schnell feststellen, dass ohne Fischfang bzw. Arbeit Wohlstand nicht möglich ist und Geld nicht vom Himmel fällt. Außerdem wird dabei auch schnell klar, wie weit unser ungedecktes Papier- und Giralgeldsystem von der Realwirtschaft abgekoppelt ist und wie es durch seine Funktionsweise die darin ablaufenden Prozesse systematisch verzerrt.

Wenn Sie als nachdenkender Leser und Leserin nun den Drang haben, sofort zu den alternativen Geldsystemen zu springen, können Sie sogleich mit → Kapitel 3 durchstarten. Die Teile sind nicht zwingend aufeinander aufbauend, sodass Sie in diesem Buch jederzeit und zu jedem Thema beliebig einsteigen können, ohne jeweils die vorigen Abschnitte gelesen zu haben. Überschneidungen und Wiederholungen sind somit bewusst eingebaut und sollten Sie nicht stören.

Um die Kritik am aktuellen und sogenannten Fiatgeldsystem zu verstehen, ist ein Blick in → Kapitel 2 letztlich aber unerlässlich. Hier sollen Sie zum Nachdenken angeregt werden, um bestehende Systeme kritisch hinterfragen zu lernen oder zumindest nicht als alternativlos zu bezeichnen. Selbst bei Abwägungen der Alternativen oder Beibehaltung von Bestehendem ist ein Blick über den Tellerrand stets sinnvoll.

Wir wünschen Ihnen in jedem Fall reichlich Spaß, viele neue Anregungen zum Denken und letztlich auch genügend Kraft, ausreichend Fische zu fangen. Aber dies werden Sie spätestens verstehen, wenn Sie die Einführung über Robinson Crusoe gelesen haben.

Reutlingen, im Juli 2015

Prof. Dr. Ottmar Schneck

Felix Buchbinder

Inhalt

  1. Die Funktion des Geldes
  2. Geld als Schmiermittel der Volkswirtschaft
  3. Ein Blick über den Tellerrand
  4. Resümee

1. Die Funktion des Geldes

Für ein besseres Verständnis der Geldfunktionen soll zu Beginn dieses Buches das Beispiel des bekannten Robinson Crusoe vorgestellt werden. Dieser lebt gestrandet auf seiner Insel und ernährt sich vom Fischfang. Um sein Vermögen messbar zu machen, seine Zukunft besser planen und seine Zeit entsprechend einteilen zu können, entwickelt er ein Geldsystem, das für ihn schnell zum Verhängnis wird.

1.1 Robinson Crusoe im Glück

Stellen wir uns zunächst ein Wirtschaftssystem vor, in dem es nur einen einzigen Marktteilnehmer gibt. Dieser lebt auf einer Insel und ernährt sich von Fischen. Nennen wir diesen Marktteilnehmer Robinson Crusoe, der zum Überleben fischen muss und seinen Tagesablauf bewusst strukturiert:

Die erste Hälfte des Tages verwendet er für den Fischfang, nachmittags entspannt er sich am Strand und genießt seine Beute bei einem Lagerfeuer. Da Robinson früh merkt, dass er die Fische leichter mit einem Netz fängt als mit bloßer Hand, verzichtet er nach einigen Wochen Handfischens auf Freizeit und bastelt sich ein einfaches Netz aus Palmfäden. Dieses produzierte Werkzeug hilft ihm nun, einfacher zu fischen und weniger Zeit für die eigentliche Arbeit des Fischens aufzuwenden. Allerdings merkt er schnell, dass das Netz nicht dauerhaft hielt und er wiederum freie Zeit investieren musste, um sein Netz regelmäßig zu reparieren. Die Investition war also nicht einfach vorhanden, sondern er musste ständig reinvestieren, um mit seinem Netz einfacher als von Hand Fische zu fangen.

An manchen Tagen fischte Robinson also nicht. Um aber trotzdem jeden Tag gleich viele Fische essen zu können, musste er dafür an den restlichen Wochentagen eine Stunde länger fischen und mehr Fische fangen, als er zum jeweiligen Tagesgebedarf benötigte. Er fing also an, Fische zu bevorraten bzw. zu sparen, um in Investitionszeiten, in denen er nicht fischen konnte, ebenfalls Fische konsumieren zu können.

Da Robinson leider keinen Kühlschrank oder genügend Salz besaß, um seine Fische zu konservieren, bewahrte er die gefangenen und aufgesparten Fische in einem kleinen trüben Erdteich im Inneren der Insel auf. Die Fische sollten so vor Dieben geschützt sein und gleichermaßen frisch bleiben, um sie zu einem späteren Zeitpunkt konsumieren zu können.

Geld als Rechen- und Zähleinheit

Da der Teich aber zu dunkel war, um darin die schwimmenden Fische immer mal wieder genau zählen zu können, musste sich Robinson eines kleinen Tricks bedienen. Er fing an, neben dem Teich kleine Steine anzusammeln, denn Papier zum Notieren stand nicht zur Verfügung. Jedes Mal, wenn er einen Fisch in den Teich warf, legte er also einen zusätzlichen Stein auf seinen Steinevorrat. Wenn er hingegen einen Fisch aus dem Teich nahm und ihn aß, entfernte er einen Stein aus der Sammlung. Die Steine übernahmen nun die Funktion einer Rechen- und Zähleinheit, während die Fische weiterhin als reale Güter gespart und aufbewahrt wurden. Die Steine waren also das Geld von Robinson, mit dem er die reale Produktion aufwog, zählen und berechnen konnte.

Nehmen wir nun an, dass Robinson die Insel nicht alleine bevölkerte, sondern sie mit einer Bande arglistiger Affen teilen musste. Die Affen griffen Robinson zwar persönlich nicht an, aber beobachteten ihn bei seinem vermeintlichen Steinchenspiel. Sie freuten sich darauf, ihm bald einen Streich zu spielen: Kurze Zeit später, sobald Robinson außer Reichweite war, fingen die Affen an, willkürlich weitere Steinchen zum Vorrat hinzuzufügen. Die Steine repräsentierten also nicht mehr die realen Fische, das heißt, Robinsons Geld entsprach nicht mehr der realen Produktion. Die Affen inflationierten also die Geldmenge von Robinson, ohne dass sich an der Realwirtschaft irgendetwas verändert hätte.

Robinson merkte von all dem nichts und eines Tages fiel ihm lediglich auf, dass seine vermeintliche Sparquote von realen Fischen, gemessen an seiner Geldeinheit Steinen, viel höher als sonst ausgefallen war. Er konnte sich nur schwerlich daran erinnern, ob er tatsächlich so viel real gefischt und gearbeitet und damit angespart hatte, verließ sich aber auf den Steinhaufen und freute sich an seinem in Steinen gemessenen Vermögen im Teich. Da er glaubte, mehr Fische im Vorrat zu haben, als tatsächlich vorhanden waren, entscheidet er sich diesen vermeintlichen Überschuss mit kurzfristigen Wohlstandsfördermaßnahmen zu kompensieren. Anstatt sechs Tage in der Woche eine extra Stunde zu angeln, um für seinen Reparaturtag vorzusorgen, nahm er sich vermehrt Pausen und aß dazu noch mehr Fische als üblicherweise. Anstatt zu sparen, konsumierte er also vermehrt und aß mehr Fische in einer Woche, als er fing. Er glaubte, ausgehend von den Steinen auf seinem Haufen, noch ausreichend Vorräte zu haben.

Die Gefahr einer Geldillusion

Geblendet durch seinen Scheinreichtum entschied sich Robinson eine neue Hütte zu bauen und investierte jeden Tag einige Stunden für die Realisierung dieses Projektes. Dafür musste er natürlicherweise auch seine Angelaktivitäten weiter reduzieren. Da er glaubte, noch ausreichend ersparte Fische im Teich zu haben, um diese Investitionszeit zu überstehen, machte er sich ans Werk. Sein Gespür für die Anzahl des tatsächlich vorhandenen Fischvorrats verlor er nun gänzlich und frönte dem schönen Leben. Die vielen Steine, die die Affen auf den Haufen warfen, gaben ihm die Illusion, reich zu sein. Dass Steine letztlich nicht reich machen, sondern nur reale Fische, entschwand nun ebenfalls aus seinem Blickfeld.

Zum Teil ereilte ihn inzwischen sogar ein gewisses Glücksgefühl, wenn er Steine sah. Die günstige Gelegenheit, nun eine aufwändige und luxuriöse Hütte zu bauen und das Fischen zu vernachlässigen, empfand er nicht als Fehlinvestition oder Fehlallokation seiner Arbeitszeit, sondern als Wohlstandssteigerung. Die schöne Hütte hatte immerhin auch den Nutzen, sein Wohlbefinden zu erhöhen, auch wenn sie zum produktiven Fischfang nichts beitrug.

Als nun der Tag kam, an dem Robinson wieder einmal seine Angelausrüstung pflegen musste und seinen Vormittag damit verbrachte, erwartete ihn am Nachmittag eine böse Überraschung. Am Teich angekommen, um sich sein Mittagessen abzuholen, musste er feststellen, dass dort gar keine Fische mehr herumschwammen. Und das, obwohl er immer noch einen beträchtlichen Vorrat an Steinchen hatte. Während er offenbar seinen kompletten Fischvorrat aufgebraucht hatte, haben die von den Affen zusätzlich beigelegten Steine keine Vergrößerung seines Realvermögens oder der Sparquote dargestellt. Nun musste er seine Steinchenillusion erkennen und war enttäuscht über sein Arbeits- und Konsumverhalten. Er merkt in diesem Moment auch, dass er die Steine nicht essen konnte, das heißt, seine Zähl- und Recheneinheit ermöglichen ihm keinen realen Konsum.

Er war nun gezwungen, seinen Konsum deutlich einzuschränken und real zu sparen. Er überlegt sogar, ob er einen „Steineschnitt“ vornehmen soll, das heißt, alle Steine als wertlos zu definieren und mit anderen Einheiten, wie beispielsweise Muscheln oder Federn, eine neue Recheneinheit zu definieren. An seiner Hütte konnte er jetzt auch nicht weiterarbeiten, da er ja fischen musste, um überhaupt zu überleben. Andere Inselbewohner waren nicht da, die ihm Fische borgen oder ihn hätten retten können. Es kommt sogar so weit, dass er freitags nun erzwungenermaßen fastet, um sein Netz zu reparieren. Das Netz verfallen zu lassen, um wieder von Hand zu fischen, kommt für ihn zunächst allerdings nicht in frage. Dieses Werkzeug will er erhalten, auch wenn das zunächst Konsumverzicht bedeutet.

Die noch im Bau befindliche Hütte, an der er nun aus Zeitmangel aber immer weniger arbeiten kann, verfällt nun zunehmend. Er erkennt, dass er wieder mehr arbeiten und fischen muss, um sich solche Vermögensgegenstände aufbauen und leisten zu können. Er überlegt sich sogar, keine Fische mehr anzusparen und von nun an einfach nur noch von der Hand in den Mund zu leben, um den trügerischen Auswirkungen des Steinchengeldsystems nicht mehr verfallen zu können. Allerdings bliebe ihm durch diese Maßnahme die Verwirklichung anderer Projekte versperrt. Eine schöne Hütte und damit Vermögen hätte er nach einem arbeitsreichen Tag schon gerne. Allein die Aussicht auf Krankheit, niedrigen Wohlstand und das Altern lassen ihn also neben weiterem Konsumverzicht mehr arbeiten und aus der Erfahrung der Verschwendung Lehren ziehen.

Sie erkennen leicht, dass Robinson Crusoe als Ein-Personen-Wirt-schaftssystem gearbeitet, gespart, konsumiert und investiert hat. Weiterhin deutlich wurde, dass auch bei einem einfachen Wirtschaftssystem Recheneinheiten und Zähleinheiten notwendig sind, um einen Überblick über die Wirtschaftsleistung zu erhalten. Dass dieses Geld reine Illusion ist, wenn es keinem realen Wirtschaftswert entspricht und entsprechend gesteuert wird, leuchtet ein. Wenn also eine Zentralbank Geld auf den vorhandenen Geldhaufen legt, ohne dass die reale Wirtschaft gleichermaßen wächst, entsteht eine sogenannte Geldillusion, die den Konsum von Erspartem anregt oder am Ende zu einer Entwertung des Geldes führt. Natürlich kann ein Fisch auch mit zwei statt einem Stein bewertet werden. Dass aber allein durch die Ausweitung der Anzahl an Steinen die Fische im Teich nicht mehr werden, wird niemand bezweifeln.

Die Entkoppelung des Geldes und die Krisengefahr

Das Beispiel soll aufzeigen, dass wir aktuell in einem Wirtschaftssystem leben, in dem die Zentral- und Geschäftsbanken die Geldmenge ständig ausweiten und diese Ausweitung längst nicht mehr an der realen Wirtschaftskraft ausgerichtet ist. Geld wird zur Illusion und regelmäßig auftauchende Geld- bzw. Finanzkrisen, die beim Platzen dieser Illusionen (Blasen) auftreten, sind ein Zeichen für die Entkopplung des Geldes vom Realwirtschaftssystem. Währungsschwankungen, Geldmarktturbulenzen, Schnitte bei verschuldeten Staaten, die letztlich zum gänzlichen Verlust von Geldforderungen bei Gläubigern führen, haben sich schon fast zum Normalzustand entwickelt. Die Frage nach der Verlässlichkeit von Geld als Wertaufbewahrungsmittel steht damit auf der Tagesordnung, auch wenn Geld als Rechen- und Zähleinheit weiterhin nötig sein wird.

1.2 Die Achterbahnfahrt der Wirtschaft

Wie wir bereits bei unserem einführenden Robinson-Beispiel sahen, ist eine Wirtschaft mit einem Geldsystem, das die realen Werte nicht immer widerspiegelt und beliebig vermehren kann, in Auf- und Abschwünge, sogenannte Boom- oder Bust-Phasen, einteilbar.

Chancen und Risiken des Teilreservebanksystems

Boom-Phasen, in denen Märkte einen starken Aufschwung erleben, entstehen in unserer gegenwärtigen Marktordnung unter anderem dadurch, dass die bestehende Geldmenge durch krediterzeugtes Geld künstlich erhöht wird. Kredite beruhen nicht auf bereits vorhandenen Ersparnissen, sondern werden mithilfe des sogenannten Teilreservebanksystems und dem sogenannten Geldmengenmultiplikator der Geschäftsbanken aus dem sprichwörtlichen „Nichts“ erzeugt (→ Kapitel 2.8). Ein Teilreservebanksystem ist dabei ein System, bei dem die ausgegebenen Kredite nur zu einem Teil mit Erspartem hinterlegt sein müssen, und ein Geldmultiplikator drückt diesen Sachverhalt von der Einnahmenseite aus, das heißt, wenn eine Bank einen Euro durch Sparer oder die Zentralbank einnimmt, kann sie ein Mehrfaches, also multiplikativ davon als Kreditgeld ausgeben. Dieses System wird später in → Kapitel 2 noch ausführlich erläutert.

Zentralbank hat auf Geldschöpfung das Monopol.

Das bedeutet also, Boom-Phasen entstehen heutzutage nicht nur durch kluge Investitionen eines bereits vorher angesparten Wohlstandes, sondern auch aus künstlich erzeugten Billigkrediten in Billigzinsphasen. Der Preis des Kreditgeldes wird durch den Zinssatz ausgedrückt. Den Zinssatz diktieren in unserem System nicht die Sparer und Konsumenten auf einem Geldmarkt, sondern in erster Linie die Zentralbanken, die aktuell monopolitisch das Recht auf Geldproduktion, die sogenannte Geldschöpfung, haben. Geschäftsbanken leihen sich dann Geld bei der Zentralbank zu einem von ihr festgelegten Preis und leihen es zu einem höheren Zins und um ein Mehrfaches als Kredit weiter aus.

Eine Erhöhung der Kreditgeldmenge schafft nur kurzfristig eine Illusion von Reichtum.

Ein niedriger Zinssatz der Zentralbank erlaubt es den Geschäftsbanken, auch relativ niedrige Zinsen für ihre Kredite von deren Kunden zu verlangen. Zweck der Zinspolitik der Zentralbank ist es, den Preis für Geld zu steuern und somit auch die Wirtschaft mit mehr oder weniger Geld zu versorgen und damit die Konjunktur mit viel oder wenig Liquidität anzukurbeln bzw. abzubremsen. Allerdings macht die reine Erhöhung einer Kreditgeldmenge eine Bevölkerung langfristig keineswegs wohlhabender oder produktiver, wie wir am Beispiel von Robinson bereits sehen konnten. Im besten Fall kann sie eine in Rezession geratene Volkswirtschaft wieder in Schwung bringen, aber meistens erzeugt sie nur kurzfristige Illusionen von Reichtum, Produktivität und Wohlstand, bevor die künstliche Boom-Phase wieder dort endet, wo sie begonnen hat. Parallel zum Schein der wachsenden Konjunktur bei reiner Erhöhung der Kreditgeldmenge laufen aber auch diverse Prozesse in der Gesellschaft ab. Unternehmen wie auch Privatpersonen verschulden sich bei niedrigen Zinsen und billigem Zentralbankgeld, das die Märkte flutet. Spargelder verlieren real an Wert, wenn sie niedrig verzinst werden, und umgekehrt. Fehlinvestitionen in der Wirtschaft sind bei billigem Geld, das nun auch riskant angelegt werden kann, keine Seltenheit. Es kommt zu Umverteilungen von Geld- zu Sachwerten und von weniger riskanten zu riskanten Investitionen.

Wenn nicht die Zentralbank, sondern der Markt die Zinssätze regeln würde und kein zusätzlich frisch geschöpftes Geld von Zentralbanken zur Verfügung gestellt werden würde, wären niedrige Zinsen Ausdruck einer hohen Sparquote und damit frei verfügbarem Kapital, das nun investiert werden könnte. Hohe Zinsen hingegen wären Ausdruck von bereits hoher Investitionsquote und damit dem Anreiz, wieder zu sparen, um Geld für spätere Investitionen zur Verfügung zu haben.

Sobald also in diesem Marktmodell Geld günstig ist, bedeutet dies, dass die Volkswirtschaft genügend Kapital aufgebaut hat und es viele potenzielle Kunden gibt, die nun ihre vorhandenen Ersparnisse ausgeben können. Somit werden in Zeiten niedriger Zinssätze die Unternehmensressourcen in neue Projekte gelenkt. Vor allem werden sie auch in kapitalintensivere Prozesse investiert, die für die Realisierung von Gewinnen meistens einige Jahre brauchen. Die im Hintergrund motivierende Logik dabei begründet stets, dass die gegebene Marktsituation die besten Möglichkeiten für erfolgreiche Investitionen und die Umsetzung langfristiger Projekte bietet. Dies gilt aber nur, wenn sich ein Zinssatz durch die Marktwirtschaft regelt und nicht von einer marktübergeordneten Instanz, wie einer Zentralbank, diktiert wird.

Billiges Geld feuert die Wirtschaft an, bläst sie aber auch auf.

Bei der Ausweitung einer Geldmenge durch eine ungedeckte Kreditgeldschöpfung ist in der Volkswirtschaft zwar keine angesparte Geldbasis vorhanden, die einen nachhaltigen Wohlstand finanzieren könnte, aber der Anschein wird dennoch erweckt. Mit einem einfachen Zugang zu billigen Krediten wird die Wirtschaft sprichwörtlich angefeuert und aufgeblasen. Dieser Vorgang erzeugt unausweichlich Verzerrungen in den Produktionsstrukturen der Unternehmen, während sich diese vermehrt für Investitionen entscheiden, die sich nach kurzer Zeit als Fehler entpuppen. Die Fehlinvestitionen werden zusätzlich dadurch verstärkt, wenn die Zinssätze der Zentralbank weiterhin künstlich tiefgehalten werden, um ein mögliches Abrutschen in eine Rezession zu vermeiden.

Boom- und Bust-Phasen sind aber keineswegs unnatürliche Erscheinung, die ausschließlich durch Geldmengenausweitungen in überhitzten Wirtschaftssystemen auftreten. Sie können in jeder Wirtschaftsform und bei jeder Art der Geldordnung vorkommen und sicher auch andere Ursachen haben. Allein die Verhaltenstheorie liefert uns vielfältige Begründungen für Auf- und Abschwünge aufgrund von irrationalen Erwartungen von Menschen. Dass aber gerade die Politik des billigen Geldes und damit eine Überflutung der Märkte mit günstigem Geld Auslöser von überdurchschnittlich starken Auf- und Abschwüngen sein kann, wird heute niemand mehr bezweifeln.

Zinssatz hat als Indikator an Aussagekraft verloren.

Da der von der Zentralbank bzw. den Geschäftsbanken gestellte Zinssatz eine wichtige Signalfunktion für Unternehmen darstellt, spielt er also bei der Auslösung von Boom-Phasen eine entscheidende Rolle. Indem der Zinssatz in unserer Wirtschaftsordnung nicht durch die Marktteilnehmer, sondern durch die Zentralbank und die Geschäftsbanken vorgegeben wird, hat dieser Preismechanismus für Unternehmen seine Zuverlässigkeit als Indikator für volkswirtschaftliche Zustände weitgehend verloren. Sparer, Kreditnehmer oder Investoren können sich in der aktuellen Geldpolitik nicht mehr darauf verlassen, dass niedrige Zinsen Ausdruck hoher Sparquoten sind und umgekehrt, sondern lediglich Ausdruck einer speziellen Zentralbankpolitik. Dass diese Geldpolitik abhängig von den Zentralbankpolitikern ist, leuchtet ein und auch hier gibt es vielfältige Theorien, welche Geld- bzw. Währungspolitik für eine Wirtschaft gut sei. Dass die Zentralbanken weltweit fast unisono die Politik des billigen Geldes verfolgen und damit der Geldliquidität vor Geldwertstabilität Priorität einräumen, wird ebenfalls niemand bezweifeln.

Durch eine Senkung des Zinssatzes der Zentral- und Geschäftsbanken wird dann die Kreditgeldmenge einer Volkswirtschaft rasch und günstig ausgeweitet und das hohe Geldangebot täuscht die Unternehmen und Konsumenten auf ähnliche Art und Weise, wie auch Robinson durch die beträchtliche Anzahl seiner Steinchen getäuscht wurde. Tatsächlich aber sind in der Volkswirtschaft viel weniger Ersparnisse vorhanden, als dies durch das billige Geld signalisiert wird, wobei die Unternehmen und Menschen sich oft erst mal verschulden müssen, um vermehrt zu produzieren bzw. zu konsumieren. Der Fischteich aus dem Robinson-Beispiel ist also längst nicht so gut gefüllt, wie uns das viele Geld auf dem Markt vorgaukelt.

Die mittel- bis langfristigen Konsummöglichkeiten der Kunden sind weitaus eingeschränkter als von vielen Unternehmen angenommen und die Überschwemmung der Märkte mit billigem Geld bringt nur anfänglich neuen Schwung in die Wirtschaft. Die tiefen Zinssätze am Anfang der Boom-Phase sowie die positive Grundstimmung einer solchen Situation verleiten viele Unternehmen dazu, langfristige und kostenintensive Projekte anzugehen. Außerdem werden zum Teil Produktionskapazitäten erhöht, um die anfänglich höheren Nachfragen bedienen zu können. Ebenfalls investieren viele Unternehmen in einer solchen Situation in die Entwicklung neuer Projekte, die ihre Rentabilität erst in einigen Jahren versprechen. Unternehmen gehen bei niedrigen Zinssätzen tendenziell davon aus, dass die Bevölkerung folglich konsumfreudiger sein wird, Geld im Überschuss besitzt oder zumindest einen einfacheren Zugang zu mehr Geldmitteln hat.

Billiges Geld und kreative Bezahlvarianten feuern den Konsum weiter an.

Die Gehälter, Löhne und Bonuszahlungen von Angestellten, nicht nur aus der Finanzindustrie, werden erhöht und neue Arbeitsplätze werden vielerorts geschaffen. Während das Geld fließt und der Scheinwohlstand wächst, leisten sich viele Menschen mit dem günstigen Kreditgeld neue Wohnungen, Autos und andere Wohltaten, die sie mit der realen Kaufkraft ihrer Gehälter sich zu alten Marktkonditionen nicht leisten hätten können. Sie verfallen der Robinson-Illusion und essen ausgiebig weiter Fische, fangen an, ihre Zeit für den luxuriösen Hüttenbau einzusetzen, und stellen dabei das Fischen immer mehr ein. Das festliche Klima von Wohlstand und Konsum breitet sich während der Boom- Phase in so gut wie allen gesellschaftlichen Ebenen und Wirtschaftsbereichen aus. Luxusprodukte, Autos, Möbel, Handyverträge, Urlaubsreisen, Häuser und andere Konsumgüter werden vermehrt angeboten und auch gekauft. Dass die Fische nicht von alleine in den Vorratsteich gelangen, wird dabei leicht übersehen, und diese Situation wird dabei auch noch durch die kreativen Bezahlvarianten von Leasingverträgen über die Möglichkeiten, Gegenstände in günstigen Raten zu beziehen oder vollständig auf Kredit zu konsumieren, zusätzlich unterstützt.

Die letzte Finanzkrise, angefangen ab dem Jahr 2007, ausgelöst durch Niedrigzinsen für Immobilienkredite in den USA, ist hier ein prägendes Beispiel.

Durch die angeheizte Konsumstimmung und den Glauben, dass es auch in Zukunft viele Abnehmer für die neuen Produkte und Dienstleistungen geben wird, bauen viele Unternehmen ihre Produktionsprozesse und Angebote, oftmals mithilfe neuer Kredite und manchmal auch kombiniert mit dem Aufbrauchen angesparter Reserven, weiter aus. Neben den Unternehmen wird auch die normale Bevölkerung durch das billige Geld dazu ermutigt, ein verstärktes Konsumverhalten an den Tag zu legen. Sparen lohnt sich in einer wirtschaftlichen Aufschwungsphase mit tiefen Zinssätzen einfach nicht mehr. Oftmals erleiden hartnäckige Sparer und Menschen, die sich von der Boom-Phase nicht beeindrucken lassen wollen, durch die darauffolgende Geldentwertung und die niedrigen Zinsen sogar reale Verluste ihres angesparten Vermögens.

Auf der anderen Seite ist es bei Geldpreisen, die weit unter ihrem eigentlichen Marktwert liegen, sogar möglich, durch billige Kreditaufnahme höhere Profite zu erzielen und seine Altverschuldung relativ günstig abzubauen. Boom-Phasen, die auf reiner Geldmengenerweiterung basieren, bestrafen also Menschen, die ihr Geld lieber sparsam verwalten und weniger konsumieren oder investieren möchten. Sie erleiden einen realen Kaufkraftverlust ihres vorhandenen Vermögens, und wenn sie ihr Geld nicht in Sachwerte angelegt oder investiert haben, sondern einfach auf dem Girokonto liegen lassen, bekommen sie dafür auch nur noch Zinszahlungen, die meist unter der tatsächlichen Inflationsrate liegen.

Sparer werden bestraft, da Zinsen geringer als die Inflationsrate sind.

Während der Boom-Phase zeigt sich die Geldentwertung am deutlichsten an den Aktienmärkten. Die Börsenmärkte weisen fantastische Höhen auf und während dieser Aufschwungsphase ist es sogar möglich, mit relativ wenig Börsenvorkenntnissen vermeintlich gute Entscheidungen zu treffen. Die Wohlstandsillusion drückt sich ebenfalls in ständig steigenden Vermögenswerten sowie inflationierten Preisen vor allem auch auf den Immobilienmärkten aus. Die Preise der Aktienmärkte aber reagieren bei Erhöhungen der Kreditgeldmenge tendenziell am schnellsten. Dies liegt auch daran, dass der Großteil des neu erzeugten Geldes an den Börsen unterkommt. Bestes Beispiel für diese typische Reaktion ist der 25-prozentige Anstieg des Deutschen Aktienindex DAX im ersten Quartal des Jahres 2015 aufgrund der drastischen Geldmengenausweitung der Europäischen Zentralbank (EZB) in dieser Zeit und der Ankündigung des Zentralbankpräsidenten Mario Draghi, die Geldmenge bis 2016 auf über 1 Billion Euro zu erhöhen (→ Kapitel 2.11). Dass die Affen auf Robinsons Insel sich einen Spaß aus der Anhäufung wertloser Steine machten und Robinson erst beim Blick in den Teich mit den realen Fischen merkte, dass er Steine nicht essen kann, wurde im einleitenden Beispiel deutlich.

Menschen verlieren ihre Zurückhaltung und entwickeln eine Gier.

Bei Boom-Phasen ist es deutlich erkennbar, dass so gut wie alle Aktienpreise, zwar unterschiedlich schnell, aber systematisch aufwärts steigen. Während dieses Gipfelwettlaufs bekommt die Situation schnell eine sich selbstständig verstärkende Eigendynamik und erhöht die Möglichkeiten immer größerer Spekulationen. Auch der menschliche Faktor Gier darf hierbei nicht unterschätzt werden. In Zeiten, in denen der Geldpreis künstlich sehr tief gehalten wird, verlieren Menschen schnell ihre Zurückhaltung und entwickeln einen Ehrgeiz, immer höhere Profite erzielen zu wollen. Dies ist durchaus verständlich und auch die einzig rationale Entscheidung, denn wenn es viel zu verdienen gibt, wäre es vermeintlich unverständlich, nicht mit dem Strom zu schwimmen und die Überliquidität nicht am Aktienmarkt anzulegen. Dieser Zustand jedoch kulminiert nicht selten in Überbewertungen unterschiedlichster Marktsektoren und trägt zur Bildung von Blasen bei, die später zu einem meist unbekannten Zeitpunkt platzen. Speziell Aktien und andere Wertpapiere sind in einem Boom überteuert und spiegeln nicht die realen Werte wider.

Für diejenigen, die sich nicht an den Börsenmärkten engagieren, also die große Mehrheit der Bevölkerung, wirkt sich die Geldmengenerhöhung und die darauffolgende Geldentwertung eher negativ aus. Während das Geld beständig an Wert verliert, steigen die Preise der Rohstoffe, Immobilien, Aktien und weiterer Anlageobjekte an den Börsenmärkten kontinuierlich. Auch die Gehälter und Boni werden zuerst in den Sektoren erhöht, die von der Geldmengenausweitung am frühesten profitieren. Falls die Normalverbraucher nun aber doch an dem Börsenfeuerwerk mitmachen wollen, müssen sie feststellen, dass sie eigentlich schon von Anfang an ausgeschlossen worden sind. Denn dort sind die Preise, im Vergleich zu ihren Gehältern, sehr viel schneller angestiegen, wodurch sich ein verspätetes Einsteigen immer seltener lohnt bzw. immer schwieriger zu bezahlen ist.

Ohne Realvermögen droht Wertverlust.

Der langfristige Kaufkraftverlust des Geldes bzw. des Nominalvermögens im Vergleich zu den Realvermögen aber betrifft schlussendlich alle Menschen. Wer es während einer Boom-Phase versäumt, sein Geld in Realvermögen zu tauschen, erleidet langfristig einen Wertverlust. Denn nach einer unbestimmten Zeit eines durch billiges Geld finanzierten Booms fällt sozusagen der Schleier der Geldillusion und es wird offensichtlich, dass der Aufschwung nicht durch reale Ersparnisse, sondern durch dieses billige Kreditgeld finanziert wurde. Steine finanzieren eben langfristig keinen Hüttenbau und satt wird Robinson nur durch reale Fische.

Die Verzerrungen der Wirtschaftsstrukturen werden meistens dann aufgedeckt, wenn sich die Geldmengenerweiterung durch abnehmende Nachfrage verlangsamt oder die Zentralbank einfach den Zinssatz wieder anhebt, was nicht rational, sondern lediglich politisch begründet sein mag. Sobald die Inflationierung der Geldmenge ihren Höhepunkt erreicht hat, wendet sich auch das konjunkturelle Blatt und die anfängliche Euphorie der Wirtschaftsteilnehmer verwandelt sich in Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung, die sich häufig in einem Umschwung der Aktienkurse niederschlägt. Der Umschwung kann auch durch eine Zinserhöhung der Zentralbank verursacht werden, die wiederum das Sparen und damit aus Sicht der Zentralbank den Geldentzug aus dem System zum Ziel hat.

Wenn die Zentralbank den Leitzins erhöht, müssen auch die Geschäftsbanken den Preis für Kreditgeld wieder erhöhen. Unternehmen erfahren durch gesunkenes Konsumverhalten aufgrund der zunehmenden Sparneigung in der Bevölkerung Gewinneinbrüche und können sich in der veränderten Marktlage auf einmal nicht mehr genügend Finanzierungsmittel leisten, um ihre gestarteten Projekte auch erfolgreich abzuschließen. Da die meisten Konsumenten während der Boom-Phase gar keine realen Ersparnisse hatten und sich den hohen Lebensstandard nur durch erhöhte Schulden leisten konnten, sind sie durch die steigenden Zinssätze nun gezwungen, ihr Konsumverhalten wieder herunterzuschrauben und Abstriche in ihrem Lebensstil zu machen. Ebendies hat ja auch unser Robinson im Eingangskapitel bitter erfahren müssen, als er merkte, dass er zum Überleben wieder arbeiten und sparen musste bzw. die Steine ihm nur einen illusorischen Wohlstand verschafft hatten.

Verfehlte Geldpolitik ist der Grund für Boom-Phasen.

Während die allgemeine Nachfrage in der nun folgenden Abschwungsphase zurückgeht, steigen auch die Kapitalgüterkosten und Löhne in den Unternehmen. Nun werden die vorher getätigten Fehlinvestitionen der Unternehmen sichtbar. Oftmals haben sie sehr viel in die Steigerung ihrer Produktionskapazitäten investiert und sich für die Umsetzung von kapital- und kostenintensiven Projekten übermäßig engagiert. Auf einmal aber geht die Nachfrage zurück. Parallel dazu steigen die Kosten für aufgenommene Kredite und die in der Boom-Phase neu erschaffenen Arbeitsplätze sind nicht immer kurzfristig abbaubar und verursachen fixe Kosten. Diese Folgen eines Abschwunges wurden schon früh in der sogenannten Österreichischen Schule der Nationalökonomie beschrieben, die als Grund für Boom-Phasen vor allem verfehlte Geldpolitik sieht und in Folge einen drastischen Einbruch der Wirtschaft, wenn die Geldillusion aufgedeckt wird. Der Abschwung wird auch als Bust-Phase im Gegensatz zur Boom-Phase als Synonym für den Aufschwung bezeichnet.

Die Aktivitäten der Unternehmen haben sich durch die Verzerrungen in den Wirtschaftsstrukturen von den tatsächlichen Präferenzen und Möglichkeiten der Konsumenten weit entfernt und müssen nun in der Bust-Phase bereinigt werden. Fehlinvestitionen in unterschiedliche Projekte werden nun vermehrt und oftmals zeitgleich sichtbar. Die Bust-Phase bringt also mittel- bis langfristig Gehalts- und Lohnsenkungen, erhöhte Arbeitslosigkeit und Insolvenzen von Unternehmen mit sich. Diese sind aber für die Wiederherstellung des Gleichgewichts nach dem künstlich erzeugten Boom, also für die Heilung der Wirtschaft, notwendig. Sichtbare Beispiele, wie Unternehmen während einer durch Kreditgeldausweitung erzeugten Boom-Phase die Marktsignale falsch interpretiert haben und dadurch Fehlentscheidungen trafen, lassen sich typischerweise im Immobilienmarkt beobachten. Menschenleere Neubaukomplexe reihen sich neben unverkaufte Luxus-Appartements und geldverschlingende Wohnungsanlagen. Dies war und ist vor allem in China und Südspanien zu beobachten. Hier haben Unternehmen während der wirtschaftlichen Boom-Phase große Investitionen zu günstigen Kreditkonditionen und mit hohen Gewinnerwartungen getätigt, wurden aber durch die verzerrten Wirtschaftsstrukturen fehlgeleitet und haben ihre Gewinnaussichten dementsprechend auch falsch eingeschätzt.

Ludwig von Mises (1881–1973), einer der bedeutendsten Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie im 20. Jahrhundert, erklärte die Konsequenzen von verzerrten Wirtschaftsstrukturen in seinem Werk „Nationalökonomie – Theorie des Handelns und Wirtschaftens“ (1940) mit dem Beispiel eines Baumeisters: Dieser hat zu Beginn eine begrenzte Menge an Ressourcen und Arbeitsmaterial zur Verfügung, verrechnet sich aber in seinem Bauplan. Der Baumeister legt zu große Fundamente an und verbraucht somit allein schon für die Fundamente den größten Teil seiner vorhandenen Baumaterialien. Danach reichen die Mittel nicht mehr aus, um weiter zu bauen, und das Projekt muss eingestellt werden. Von Mises nennt diese Situation Überinvestition und legt sie als eine falsche Verwendung der verfügbaren, aber begrenzten Materialien und Ressourcen aus. Falsche Marktsignale haben den Unternehmen falsche Informationen geliefert und so haben sich die Unternehmen verrechnet und wurden in ihren Investitionen fehlgeleitet.

Die Bust-Phase als Heilungsphase

In der österreichischen Konjunkturzyklustheorie wird eine Bust-Phase als die unvermeidbare und notwendige Heilungsphase für eine überhitzte und verzerrte Wirtschaftsordnung, insbesondere einer nicht marktwirtschaftlichen, sondern zentral gesteuerten Geldpolitik begründet. Es sind Fehler entstanden, die im System nun richtig gestellt werden müssen. Innerhalb der Produktionsstrukturen von Unternehmen, sei es die richtige bzw. falsche Allokation von Kapital, die den entscheidenden Faktor für größere wirtschaftliche Auf- oder Abschwünge spiele. In dieser Konjunkturzyklustheorie wird argumentiert, dass monetäre Interventionen immer eine störende Wirkung auf die Geschehnisse des Wirtschaftskreislaufes ausüben. Eine weitgehend funktionale Wirtschaftsordnung bedarf folglich also nur eines stabilen Rahmenwerkes für die endlos kreativen und dynamischen Entwicklungen innerhalb der Marktprozesse.

Die Möglichkeiten, Boom-Phasen künstlich durch Geldmengenausweitungen zu erzeugen bzw. zu verlängern oder schwächelnde Wirtschaften mit derselben Methode anzufeuern, sollten also nie einseitig betrachtet werden. Jede Intervention in die Marktgeschehnisse bringt Konsequenzen mit sich und verlangt meistens auch weitere Eingriffe, um die vorher aufgebaute Stabilität weiterhin aufrecht zu halten. Die Folgen des Hinausschiebens einer korrigierenden Bust-Phase werden außerdem mit jeder neuen monetären Intervention komplizierter und entwickeln immer schwieriger einzuschätzende Risiken.

Auf eine künstliche Boom- folgt immer eine Bust-Phase. Ein solches „Hoch“ kann nie ewig andauern.

Ludwig von Mises‘ bekanntester Schüler, Friedrich A. von Hayek (1899–1992), baute die Konjunkturzyklustheorie weiter aus und warnte in seinem Werk „Preise und Produktion“ (1931) auch vor illusorischem Wunschdenken der wirtschaftlichen Feinsteuerung durch geldpolitische Eingriffe. Er erläutert dies am Beispiel der Maßnahmen, die eingesetzt worden sind, um die Weltwirtschaftskrise, ausgelöst am New Yorker Börsenmarkt im Oktober 1929, abzudämpfen. Die Konjunktur wurde in den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise durch billiges Geld angefeuert und eine Phase illusorischen Reichtums breitete sich aus. Anstatt aber der unvermeidbaren Auflösung der verzerrten Wirtschaftsstrukturen Raum zu geben, wurden verschiedenste Mittel eingesetzt, um eine Korrektur der Verhältnisse nach Platzen der Geldillusion nicht stattfinden zu lassen. Von Hayek erklärt, dass der Versuch, eine Depression mit denselben Mitteln zu bekämpfen, die sie ausgelöst haben, also der Kreditgeldvermehrung, das Problem nur noch verschärft. Nach seinen Analysen leidet die Wirtschaft an einer Fehlallokation des Kapitals und weitere Kreditgeldausweitung führt nur zu weiteren Fehlleitungen in der Produktion, anstatt die Depression wirklich zu bereinigen. Demnach entstehen nach solchen geldpolitischen Interventionen erzwungenermaßen noch schwerere und stärker verstrickte Folgekrisen. Ein künstliches Hoch kann also nie ewig andauern und die dadurch entstandenen Fehlallokationen von Kapital müssen sich in einem unbequemen, aber unvermeidlichen Tief, der Bust-Phase, wieder korrigieren, so Friedrich von Hayek. Bei wirtschaftlichen Schieflagen ist es mittlerweile eine Art Standardlösung geworden, die Geldmenge einfach zu erhöhen. Die Konsequenzen dieser Eingriffe sollen dann aber durch weitere Geldmengenerhöhungen beseitigt werden. Diese Erkenntnis bringt auch eine neue Perspektive auf die Aussage des weltberühmten Physikers, Albert Einstein (1879–1955), als er sagte, dass man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, durch die sie entstanden sind.

Das Eintreten einer Bust-Phase kann nur aufgeschoben, aber nie verhindert werden.

Solange versucht wird, die substanzlose Boom-Phase am Laufen zu halten, und immer feinere Methoden entwickelt werden, um die Preisinflation in der Realwirtschaft zu kaschieren, zu exportieren oder zu kanalisieren, kann die anstehende Bust-Phase zwar eine gewisse Zeit lang aufgeschoben werden, aber die Komplikationen der Konsequenzen spitzen sich währenddessen zu. Es gibt auch viele Möglichkeiten, um die Schuldenspiralen von Staaten sowie großen Unternehmen oder Geschäftsbanken weiter aufzudrehen. Jedoch stellen versteckte Schuldverschiebungen bei Privatunternehmen oder permanente Rettungsaktionen von Staaten keinerlei Lösung der Problemursachen dar, sondern dienen lediglich als kurzfristige Löschaktionen eines auftretenden Buschfeuers. Auch stellen die Aufforderungen der Politik an die Bevölkerungen, während einer androhenden Bust-Phase einfach mehr zu konsumieren, egal ob durch Ersparnisse oder auf Kredit, nur verzweifelte Notlösungen dar, um eine bereits verzerrte Wirtschaftsstruktur vor dem Korrekturprozess zu schützen.

Die konventionellen Formen des Sparens werden sinnlos gemacht.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass künstliche Konjunkturzyklen, wie wir sie aktuell erleben, nach ähnlichen Mustern verlaufen. In der Anfangsphase kreieren unnatürlich tiefe Zinssätze die Illusion einer vermögenden Gesellschaft mit angehäuften Ersparnissen, die nun bereit sei, ihr Geld auszugeben und zu konsumieren. Tatsächlich aber fehlen die Ersparnisse und es gibt demnach kein Fundament für einen nachhaltigen Wohlstandsaufbau. Durch Leitzinssenkungen der Zentralbank und hoher Kreditvergabe mit niedrigen Zinsen der Geschäftsbanken wird die liquide Geldmenge einer Volkswirtschaft rasch ausgeweitet. Konventionelle Formen des Sparens werden dabei aufgeweicht und in vielerlei Hinsicht sinnlos gemacht. Der künstlich tiefe Zinssatz bzw. die reine Ausweitung der Kreditgeldmenge sendet dementsprechend auch falsche Meldungen an die Unternehmen aus. Es wird ihnen signalisiert, dass die Bevölkerung über hohe Geldmengen verfügt und bereit ist, diese auch auszugeben. Tatsächlich aber stehen ihr nur hohe Kreditgeldmengen zu günstigen Konditionen zur Verfügung. Daraufhin entfaltet der kreditgeldfinanzierte Boom seine Kräfte. Unternehmen fangen an, ihr Kapital neu zu verteilen, erhöhen ihre Produktionskapazitäten und richten sich auf eine längerfristige Phase des erhöhten Konsums ein. Sie investieren in kapital- und kostenintensive Projekte, nehmen neue Kredite auf und verbrauchen gleichzeitig alte Rücklagen. Anfänglich treffen die neu produzierten Güter und Dienstleistungen auch auf einen größeren Absatzmarkt und der Anschein einer heilen Wirtschaft bleibt dadurch kurzfristig erhalten. So fahren Unternehmen kurzfristig überdurchschnittlich hohe Gewinne ein und ziehen dabei häufig mit ihren Mitstreitern an die relativ schnell anwachsenden Börsenmärkte.

Ein durch billiges Geld verursachter Boom bringt außerdem ständig mehr Arbeitsplätze und Investitionen in Abhängigkeit vom Fortschreiten des Aufschwungs. Somit stellen auch die Konsequenzen der bevorstehenden Reinigungskrise zur Wiederherstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts keine politisch attraktive Lösung dar. Sobald aber die Menschen ihren überhöhten Konsum einstellen müssen, weil sie sich den Lebensstil nicht mehr leisten können und die Nachfrage der neuen Produkte auf den Märkten nachlässt, beginnt die wirtschaftliche Ernüchterungsphase. Unternehmen erleben erste Gewinneinbrüche, ausgelöst durch gesunkene Nachfrage, steigende Gehälter und höhere Beschaffungskosten. Die Fehlallokationen des Kapitals werden sichtbar und viele zuvor vermeintlich rentable Projekte erweisen sich als fehlerhafte Investitionen. Um die Wiederherstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts zuzulassen, müsste die Zentralbank ihren Leitzins wieder anheben und die günstige Kreditvergabe dadurch abbremsen. Bust-Phasen sind aber nicht nur politisch sehr unerwünscht, sondern sind auch für Gesellschaften, die sich bereits an den erhöhten Fischkonsum der Boom- Phase gewöhnt haben, eine große Herausforderung.

Das Anheben des Leitzinses durch die Zentralbank läutet das Ende der künstlichen Boom-Phase ein.

Wie Sie gesehen haben, kann die Geldpolitik Auslöser von Wirtschaftsauf- und -abschwüngen sein. Insbesondere beim Abschwung, der einhergehen kann mit Bankpleiten, Bank Runs von Kunden, die ihre Einlagen abheben wollen, sowie Bankrettungsaktionen durch Regierungen soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass Markteingriffe nicht immer hilfreich sind und Bankpleiten und Bank Runs auch im Sinne des österreichischen Ökonomen Joseph A. Schumpeter (1883–1950) als kreativer Zerstörungsprozess bzw. reinigende Maßnahme betrachtet werden können.

Ein erfolgreiches Beispiel liefert hierfür die Finanz- und Bankenkrise Islands im Jahre 2008: Die damaligen drei Großbanken hatten sich wie viele andere Banken in der Finanzkrise verspekuliert und sogenannte ABS-Papiere von Immobilienkrediten aus den USA gekauft, die dann abzuschreiben waren. Die Bankinsolvenzen wurden von der Regierung aber nicht durch Stützungskäufe verhindert, wie dies beispielsweise bei der IKB oder Commerzbank unter anderem in Deutschland von der Regierung erfolgte, sondern bewusst zugelassen. Am 06. Oktober 2008 verkündete der damalige Ministerpräsident Geir Haarde zur besten Fernsehsendezeit, dass die Banken pleite seien und der Staat lediglich die Rückzahlung von Spareinlagen bis zu 20.000 Euro garantiere. Die Börse wurde drei Tage lang geschlossen, um Panikverkäufe zu verhindern, aber ein Staatsbankrott wurde dabei nicht ausgeschlossen. Die drei Großbanken Landsbanki, Kaupthing und Glitnir wurden per Eilgesetz unter staatliche Zwangsaufsicht gestellt, überprüft und folglich in den kontrollierten Konkurs geschickt. Die Aktionäre der Banken gingen leer aus und es gab Verhaftungen von Bankmanagern und Politikern. Viele Anleger verloren ihre Einlagen von hochspekulativen Anlageformen. Dass in Folge der Wechselkurs der isländischen Krone ins Bodenlose fiel, die Arbeitslosigkeit anstieg und Staatsbedienstete entlassen wurden, um den Staatshaushalt zu sanieren, darf ebenfalls nicht verschwiegen werden.

Geschäftsbanken, die heiligen Kühe des Kapitalismus?

Auf dem Weltwirtschaftsforum (The World Economic Forum) in Davos im Jahr 2013 stellte der damalige Präsident Islands, Ólafur Grímsson, die unbequeme Frage, warum wir denken, dass Geschäftsbanken die heiligen Kühe des Kapitalismus seien und wir zwanghaft an der „Too big to fail“-Theorie festhalten müssten. Das Beispiel Islands wirft ein neues Licht auf diese Vorstellungen. Geschäftsbanken können wie alle anderen gewinnorientierten Privatunternehmen ebenfalls pleitegehen und wenn sie sich maßlos verschuldet oder verspekuliert haben, kann diese relativ einfache Lösung auch langfristig sehr positive Resultate nach sich ziehen.

Durch diese Aktion, die im Übrigen gegen den Willen des Internationalen Währungsfonds (IWF) erfolgte, der die Banken lieber gerettet sehen wollte, wurde aber letztlich mit einer reinigenden Insolvenz von Banken der Staat saniert und die Wirtschaft langfristig wieder angekurbelt. Um auf das Robinson-Beispiel zurückzukommen, wurden, in diesem Falle sogar wörtlich gemeint, wieder mehr Fische von Isländern gefangen, da der Export durch die gefallene Krone attraktiv wurde und so die Arbeitslosigkeit heute wieder sehr gering ist und der isländische Staat im Vergleich zu vielen anderen europäischen Staaten kaum Defizite aus seiner Ablehnung gegenüber einer Rettungsaktion mitschleppt.

Im folgenden Kapitel soll nun die Funktion von Geld unter verschiedenen Aspekten beleuchtet werden. So ist nicht nur die allgemeine Überbewertung von Geld durch Menschen ein Thema, sondern auch der Prozess der sogenannten Geldschöpfung. Um nochmals mit Robinson zu sprechen, wird das System der Steine neben dem Fischtümpel transparent und verständlich gemacht. Dass hierbei die Zentralbanken die Rolle der Steinaufleger spielen, wurde bereits im → Kapitel 1.2 über die Achterbahnfahrt der Wirtschaft deutlich gemacht. Geldmenge und Wirtschaftswachstum per Feinsteuerung in Einklang zu bringen ist eine stets schwierige, wenn nicht sogar unmögliche Aufgabe. Dies wird auch geschichtlich durch die Replik auf das sogenannte Bretton-Wood-System, das einst die Währung mit Gold deckte, deutlich. Informative Abschnitte über Inflation, Schulden, Kaufkraft des Geldes, Umverteilung des Vermögens und allgemeine Funktionen von Geld schließen sich an. Kritische Ausführungen zum Zentralbankwesen sollen die Leserin oder den Leser dazu anregen, darüber nachzudenken, ob das aktuelle System in dieser Form weiter existieren kann bzw. soll.

2. Geld als Schmiermittel der Volkswirtschaft