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Die

Geschichte

POMMERNS

Kyra T. Inachin

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Umschlagbild: Lubinsche Karte von 1618,
Pommersches Landesmuseum, Greifswald

Frontispiz: Bogislaw X., Ölgemalde
im Besitz von Dr. Ulrich von Bismarck-Osten, Uelzen

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek:
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© Hinstorff Verlag GmbH, Rostock 2008
Lagerstraβe 7, 18055 Rostock
Tel. +49(0)381 4969-0
www.hinstorff.de

1. Auflage 2008

Herstellung: Hinstorff Verlag GmbH
Lektorat: Dr. Florian Ostrop
ISBN 978-3-356-01044-2
eISBN 978-3-356-01629-1

INHALT

Vorwort

Zur Ur- und Frühgeschichte

Slawenzeit

Landnahme und Stämme

Burgen und Kultstätten

Konflikte mit den Nachbarn

Wirtschaft, Kultur und Religion

Gründung des Territorialstaates

Christianisierung

Die Anfänge der pommerschen Herzogsdynastie

Bistümer und Klostergründungen

Kolonisierung des Reichslehens: deutsche Siedler und Assimilation der slawischen Bevölkerung

Der mittelalterliche Lehensverband

Städtegründungen und Hanse

Territoriale Zersplitterung und Aufkommen der Stände

Herzogliche Macht und Außenbeziehungen

Bündnispolitik im 15. Jahrhundert

Verhältnis zu Polen und Deutschem Orden

Übergang zum frühneuzeitlichen Staat

Ausbau der Landesherrschaft unter Bogislaw X.

Wirtschaftliche Struktur und Kultur

Kirchliche Verhältnisse in vorreformatorischer Zeit

Die Reformation und ihre Folgen

Ausgangslage, Förderer und Ausbreitung

Der Vertrag von Grimnitz 1529

Herzogliche Bündnispolitik

Die Landesteilung 1532 und Übergangsjahre

Die Kirchenordnung von 1534

Bildungswesen

Neuordnung der Landesverwaltung

Umgestaltung des Camminer Stifts

Die Söhne von Philipp I., Erbteilung 1569

Nordischer Siebenjähriger Krieg

Verhältnis Pommerns zu Brandenburg

Herrschaft der letzten Greifengeneration

Am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges

Pommern im Dreißigjährigen Krieg

Wallensteins Truppen im Land

Besetzung durch schwedische und kaiserliche Truppen

Regelung der herzoglichen Nachfolge

Tod des letzten Greifenherzogs und Verwüstung Pommerns

Der Westfälische Frieden 1648

Unter brandenburgischer und schwedischer Herrschaft

Stettiner Grenzrezess 1653

Neue Herrschaft und Wiederaufbau

Wirtschaftliche und soziale Kriegsfolgen

Strategisches Interesse an Pommern

Finanz- und Steuerpolitik

Schwedisch-polnischer Krieg und Reichskrieg gegen Schweden

Innere Entwicklung der Teile Pommerns

Pommern im 18. Jahrhundert

Großer Nordischer Krieg

Entwicklung in den Städten und auf dem Land

Stände und Staat

Handel und Wirtschaft

Pommern und das Reich

Siebenjähriger Krieg

Pommern nach dem Krieg

Napoleonische Zeit

Französische Besatzung

Auf dem Weg zum Wiener Kongress 1815

Die preußische Provinz Pommern

Schwedisch-Pommern wird Neuvorpommern

Entwicklung der Wirtschaft

Modernisierung im 19. Jahrhundert

Ausbau der Infrastruktur

Konservatives Denken, Revolution von 1848 und Wahlverhalten

Im Kaiserreich

Die administrative Gliederung der Provinz

Landwirtschaft, Industrie und Verkehrswesen

Soziale Verhältnisse

Politische Parteien und Wahlen

Im Ersten Weltkrieg

Pommern in der Weimarer Republik

Die Novemberrevolution und die Folgen des Krieges

Verwaltung der Provinz

Entwicklung des Wirtschaftsraums

Verkehrs- und Energiewesen

Politik in der Provinz

Nationalsozialistische Diktatur und Zweiter Weltkrieg

Die Gleichschaltung

Der Gau Pommern

Widerstand gegen die NS-Diktatur

Wirtschaftliche Entwicklung

Der Zweite Weltkrieg

Besatzungszeit und Neubeginn

Das Kriegsende 1945 in Pommern

Das polnische Pommern 1945

Vorpommern als Teil der SBZ/DDR

Vorpommern 1952–1990

Vorpommern seit 1990

Nachwort

Zeittafel

Stammbäume der pommerschen Herzöge und Fürsten

Personenregister

Ortsregister

VORWORT

Den Namen Pommern erhielt das »Land am Meer« von seinen slawischen Bewohnern, den Pomoranen, die zwischen Oder und Weichsel siedelten. Im Norden begrenzte die Ostsee, im Süden Warthe und Netze ihr Siedlungsgebiet. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts kam es in diesem Raum zur Herrschaftsbildung durch ein Geschlecht, das seit 1194 einen Greif im Wappen führte und sich beiderseits der Oder etablieren konnte. Nachdem der letzte Greifenherzog mitten im Dreißigjährigen Krieg gestorben war, teilten Schweden und Brandenburg das Herzogtum Pommern untereinander auf. Nach mehreren Kriegen und anschließenden Grenzverschiebungen wurde auf dem Wiener Kongress die preußische Provinz Pommern geschaffen, die mit kleinen Veränderungen bis 1945 existierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Oder wieder zur Grenze. Der westliche Teil Pommerns wurde dem Land Mecklenburg-Vorpommern zugeordnet. Mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 entstand schließlich das heutige Bundesland.

Die Landesverfassung vom 23. Mai 1993 nennt Mecklenburg und Vorpommern als gleichberechtigte Landesteile. Zu den Farben des Bundeslandes gehören die pommerschen Farben blau und weiß, und im Landeswappen findet sich der pommersche Greif.

Mecklenburg und Vorpommern besitzen zwar zahlreiche Gemeinsamkeiten, aber eben auch historisch bedingte Unterschiede. Das Zusammenwachsen und das Finden einer Landesidentität bleiben Aufgaben der hier lebenden Menschen. Dazu zählt auch die Rückbesinnung auf die jeweilige Geschichte.

 

ZUR UR- UND FRÜHGESCHICHTE

Am Ende der Eiszeit folgten die ersten Menschen den nach Norden ziehenden Rentierherden und kamen in das Gebiet der südlichen Ostseeküste. Durch den Klimawandel verbesserten sich die Lebensbedingungen derart, dass Sammler, Jäger und Fischer die waldreiche Region zu besiedeln begannen. Sie wurden sesshaft, betrieben Ackerbau und Viehzucht und bedienten sich ihrer selbst gefertigten steinernen Waffen. Die Bevölkerung wuchs und die Formen menschlichen Zusammenlebens erreichten das Niveau der Stammesbildung. Bodenfunde beweisen, dass die Bevölkerung bereits in der Bronzezeit mit ihren näheren und ferneren Nachbarn über Tauschhandel in Kontakt stand, vor allem, da die Bestandteile der Bronze – Kupfer und Zinn – nicht vor Ort vorhanden waren. Mit großer Kunstfertigkeit wurden Gegenstände, Werkzeuge und Geräte gefertigt. Als die Bronzeeinfuhr schwierig wurde, kam aus einheimischem Raseneisenstein verhüttetes Eisen in Gebrauch.

Mit wachsender Bevölkerungszahl bildeten sich germanische Stämme heraus. Der Fund von Gegenständen und Bernsteinschmuck lässt darauf schließen, dass sie weit reichende Handelsbeziehungen zu den Bewohnern der südlichen Zonen pflegten.

Mit der Expansion des römischen Weltreichs erwachte auch das Interesse der Römer an der südlichen Ostseeküste. Antike Autoren um die Zeitenwende nennen z.B. die Rugier. Römischer Einfluss ist z. B. an Schmuck, Geräten und kunsthandwerklichen Gegenständen erkennbar. Auch Münzfunde bestätigen regen Handelsverkehr.

 

SLAWENZEIT

Landnahme und Stämme

Zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert n. Chr. verließen die Germanen ihre Siedlungsräume, um nach Süden und Westen abzuwandern. Archäologische Quellen lassen darauf schließen, dass nun aus östlicher Richtung slawische Stämme das größtenteils unbewohnte Gebiet besiedelten bzw. sich mit der verbliebenen germanischen Bevölkerung verbanden. Lediglich auf Rügen, am Stettiner Haff und weiter östlich entlang der Küste ist eine Siedlungskontinuität von der germanischen bis zur slawischen Zeit nachweisbar.

Es bildeten sich größere Stammesverbände: Westlich der Oder lebten die Wilzen (seit Ende des 10. Jahrhunderts Lutizen genannt). Zu ihnen zählten die an der unteren Recknitz lebenden Kessiner, die Zirzipanen, die an der oberen Recknitz, der Trebel, der West-Peene siedelten, die Tollenser und die beiderseits der Peene sitzenden Redarier. Auf Rügen und dem vorgelagerten Festland siedelten die Ranen, im Odermündungsgebiet die Ukranen und Wolliner und östlich der Oder die Pomoranen.

Über die Geschichte dieser slawischen Stämme berichten die schriftlichen Quellen ihrer Nachbarn. So bietet der »Bayerische Geograph«, eine am fränkischen Hof erstellte Völkertafel, einen Überblick der slawischen Besiedlung im 9. Jahrhundert, nennt die Namen der Stämme östlich des Frankenreiches und ordnet ihnen civitates, d. h. Burgbezirke zu. Auch der Bericht des arabischen Kaufmanns Ibrâhîm ibn Jâ’qûb, der sich gegen Ende des 10. Jahrhunderts am Hof Kaiser Ottos des Großen aufhielt, vermittelt einen ersten Eindruck der Landschaft und ihrer Bewohner. Er erzählt von »Slawenländern«, die viele verschiedene Stämme bilden würden, erklärt, wo und wie sie wohnten und erläutert die Herrschaftsverhältnisse. Hundert Jahre später beschreibt Adam von Bremen in seiner »Bischofsgeschichte der Hamburger Kirche« die zu »Germania« zu rechnenden slawischen Stämme, ferner das Handelszentrum Jumne, das spätere Wollin, welches ein viel besuchter Treffpunkt sei – angefüllt mit Waren aller Völker des Nordens.

Burgen und Kultstätten

Angesichts der inneren und äußeren Auseinandersetzungen und Gefährdungen errichteten die Slawen befestigte Wehranlagen mit Schutz- und Repräsentativfunktion. Stammes-, Volks- oder Fluchtburgen der frühen Slawenzeit wurden allmählich durch Fürstenburgen abgelöst. Es gab sowohl kleinere Adels- als auch größere Burgen, die den Fürsten der Stammesverbände und ihren Teilstämmen als Herrschafts- und Verwaltungssitz dienten. In einer päpstlichen Bestätigungsurkunde für das Bistum Wollin aus dem Jahr 1140 sind etliche Burgorte (castra) genannt, darunter Demmin, Tribsees, Gützkow, Wolgast, Usedom, Groswin, Pyritz, Stargard, Stettin, Cammin und Kolberg. Sie waren Zentren von Kastellaneibezirken. Ferner, so berichtet Thietmar von Merseburg, habe jeder Teilstamm und jeder Bezirk (regio) sein eigenes kultisches Zentrum mit Kultplatz, Götterbildern und Tempelanlagen. Die Bewohner betrieben Handel, Viehzucht, Fischerei und Ackerbau. So entstanden in unmittelbarer Nähe der Burgen Handwerkersiedlungen (Suburbien) und entlang der Küste Fernhandelsplätze, so in Ralswiek auf Rügen, Menzlin an der unteren Peene, Usedom und Jumne. Östlich davon gewann der durch seine Salzquellen bekannte Ort Kolberg zunehmend an Bedeutung.

Konflikte mit den Nachbarn

Die slawische Landnahme scheint weitgehend konfliktfrei verlaufen zu sein. Trotz der Rodungsarbeiten waren die Siedlungsgebiete durch große Waldflächen voneinander getrennt. Erst im 7./8. Jahrhundert berichten schriftliche Quellen von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den slawischen Stämmen. Gleichzeitig kam die Region in das Blickfeld der früh gefestigten Reiche im fränkischdeutschen Raum, Polen und Dänemark, welche die innerslawischen Konflikte durchaus zu nutzen wussten. So zog Karl der Große im Jahr 789 mit fränkischen und sächsischen Truppen, unterstützt von den slawischen Obotriten, gegen die Wilzen. Der Zug endete mit der Eroberung der Burg des Wilzenfürsten Dragowit (Demmin oder Havelberg). Gemeinsam mit dem karolingischen bzw. frühen deutschen Reich kämpften Obotriten, z.B. in den Sachsenkriegen Karls des Großen oder zu Beginn des 11. Jahrhunderts unter Heinrich II., gegen Polen. Den Bemühungen Karls des Großen, Heinrich I. und Otto I., die Grenzen ihres Reiches nach Osten zu verschieben, war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Nach dem Aufstand der Wilzen/Lutizen, an dem sich die Obotriten beteiligten, brach 983 die deutsche Herrschaft östlich der Elbe zusammen. Erfolgreicher waren nun die Dänen, die an der pommerschen Küste landeten und Handelsniederlassungen gründeten.

Auch die polnischen Piasten griffen das slawische Siedlungsgebiet an, um ihre Herrschaft auszudehnen. Herzog Mieszko I. unterwarf um 979 das Land zwischen den Mündungsgebieten der Oder und Weichsel.

Mieszkos Sohn, Boleslaw Chrobry, soll ein Missionsbistum im Salzort Kolberg eingerichtet haben, das dem im Jahr 1000 errichteten Erzbistum Gnesen untergeordnet wurde. Ob es wirklich zur Gründung gekommen ist, bleibt unklar. Zumindest war das Bistum Kolberg nicht von Bestand, da es den Pomoranen in einem Aufstand gelang, die polnische Herrschaft abzuschütteln und ihre Unabhängigkeit wiederzuerlangen. Damit verlor die christliche Mission in diesem Gebiet ihren organisatorischen Rückhalt. Der eingesetzte Bischof Reinbern musste flüchten.

Wirtschaft, Kultur und Religion

Adam von Bremen berichtete Ende des 11. Jahrhunderts, dass die Bewohner der südlichen Ostseeküste noch in heidnischem Irrglauben befangen seien. Abgesehen davon werde man allerdings kaum ein Volk finden, das in Lebensart und Gastfreiheit ehrenhafter und freundlicher sei. Im 12. Jahrhundert hielt Helmold von Bosau in seiner »Slawenchronik« fest: »Wo Polen endet, gelangt man zu den sehr ausgedehnten Landen der Wenden genannten Slawen. Als ers-te kommen die Pomerani, deren Gebiet sich bis zur Oder erstreckt.« Der Oderfluss verlaufe nordwärts mitten durch die Stämme der Wenden und scheide die Pomoranen von den Wilzen. Ferner nennt Helmold die an der Mündung in das Baltische Meer gelegene »sehr angesehene civitas Jumneta« und berichtet, dass auch noch andere Slawenstämme in langem Bogen nach Süden zu zwischen Oder und Elbe lebten. »Hinter dem ruhigen Laufe der Oder und den verschiedenen Stämmen der Pomeranen« zählt Helmold vier Teilstämme der Lutizen auf, danach die Linonen und Warnaben, die Obotriten, Polaben und Wagrier. Er erwähnt auch Inseln im Baltischen Meer, die von Slawen bewohnt würden. Die größte, gegenüber den Wilzen, bewohnten die Ranen oder Rugiani, die Helmold als sehr tapferen Volksstamm, der als einziger einen König habe, bezeichnete. Ohne ihren Spruch dürfe in gemeinsamen Sachen nicht gehandelt werden, so sehr fürchte man sie wegen ihrer Vertrautheit mit den Göttern, die sie mehr als die anderen verehrten. Helmold widmet diesen Göttern und dem Tempelkult der slawischen Stämme besondere Aufmerksamkeit, erwähnt heilige Haine und Hausgötter, die Tempelburg der Ranen in Arkona auf Rügen, Opferriten, Orakel sowie kultische Gastmähler. Insbesondere dem Swantewit, Gott des Landes der Rugier, werde gehuldigt. Swantewit habe »über allen Gottheiten der Slawen den Vorrang erlangt«, da »man ihm glänzendere Siege und wirksamere Orakelsprüche zuschreibt«. Wegen des besonderen Dienstes am Tempel in Arkona »behaupten die Ranen den ersten Rang, und während sie selbst vielen das Joch auflegen, dulden sie für sich keines«. »Die Stämme, welche sie mit Waffengewalt unterworfen haben, machen sie ihrem Heiligtum zinsbar. Der Oberpriester genießt bei ihnen größere Verehrung als der König. Wohin das Los weist, senden sie ihr Heer. Siegen sie, bringen sie Geld und Silber in den Schatz ihres Gottes ein und teilen das übrige untereinander.«

Auch andere Autoren berichten über die Tempel und Gottheiten der Slawen, z.B. in Gützkow und Wolgast, wo der Gott Gerovit verehrt wurde. In Stettin befanden sich sogar mehrere Tempel. Hier wurde dem dreiköpfigen Gott Triglaw gehuldigt.

 

GRÜNDUNG DES TERRITORIALSTAATES

Christianisierung

Die westslawischen Stämme der Obotriten, Lutizen und Pomoranen konnten sich lange der Eroberung widersetzen. Die militärisch überlegenen christlichen Mächte im Norden und Osten, im Süden und Westen übten jedoch einen permanenten Druck auf den südlichen Ostseeraum aus. Dieser ging bis 1135 hauptsächlich von Polen aus. Der polnische Herzog Boleslaw III. Krzywousty (Schiefmund) unterwarf in mehreren Feldzügen bis 1121 pomoranisches Stammland mit den Hauptburgen Cammin und Stettin und drang weiter gen Westen vor. Der in die Defensive geratene Pomoranenfürst Wartislaw I. musste schließlich die Oberhoheit des christlichen Eroberers anerkennen und sich unterordnen, Tribut und Waffenhilfe leisten. Zu den Friedensbedingungen des Siegers zählte nicht zuletzt die Annahme des christlichen Glaubens. Boleslaw III. hatte also mit seiner Eroberung die Voraussetzungen für eine neuerliche Missionierung geschaffen. Er unterstützte die Missionsreise des aus Spanien stammenden Eremiten Bernhard 1121/22, die erfolglos verlief. Boleslaw III. wandte sich nun an Bischof Otto von Bamberg, der mit päpstlichem Missionierungsauftrag 1124 von Gnesen aus in die Region zwischen Oder und Persante reiste. Er wurde vom Pomoranenfürsten Wartislaw I. empfangen. Erste Taufen wurden vollzogen, heidnische Kultstätten geschleift und Kirchen errichtet.

1128 unternahm Otto seine zweite Missionsreise. Diesmal erhielt der Bischof Unterstützung vom römisch-deutschen König Lothar. Er reiste von Merseburg über Magdeburg gen Norden. In Demmin, dessen Bedeutung als civitas im Raum zwischen Elbe und Oder bereits Adam von Bremen betont hatte, traf der Bischof mit Wartislaw I. zusammen. Der Pommernfürst versammelte die Führungsschicht des Landes in der Burg Usedom. Dort nahmen die Anwesenden zu Pfingsten 1128 das Christentum an. Damit war die Einführung dieser Religion förmlich beschlossen.

Zunächst waren die kirchlichen Verhältnisse noch ungeordnet, da sowohl Gnesen als auch Magdeburg Anspruch auf die neue Kirchenprovinz erhoben. Erst nach dem Tod des »Pommernapostels« Otto von Bamberg (1139) bestätigte Papst Innozenz II. 1140 das pommersche Landesbistum und unterstellte die Pomeraniae ecclesia dem Schutz des hl. Petrus. Es entstand ein unabhängiges pommersches Bistum mit Sitz in Wollin (Jumne). Der Papst ernannte den Priester Adalbert, der Otto von Bamberg auf seiner ersten Missionsreise nach Pommern begleitet hatte, zum Bischof von Pommern und wies dem neuen Bistum einen Sprengel zu, der deckungsgleich mit dem Herrschaftsgebiet des Bruders und Nachfolgers Wartislaw I., Ratibor I., war: Es reichte fortan von den castra Demmin und Tribsees im Westen bis zum Fluss Leba im Osten. Das bedeutete, dass die Oder, welche die slawischen Stämme der Pomoranen von den Lutizen getrennt hatte, nun in der Mitte Pommerns lag. Um 1175 wurde der Bischofssitz nach Cammin verlegt. 1188 wurde schließlich Pommern als exemtes Bistum unmittelbar der römischen Kirche unterstellt und genoss damit eine außergewöhnliche rechtliche Selbständigkeit. Damit waren die konkurrierenden Ansprüche der Erzbistümer Gnesen und Magdeburg beseitigt. Zudem garantierten sich die pommersche Kirche und das pommersche Fürstentum einander gegenseitig das Bestehen.

Die kultur- und machtpolitischen Verhältnisse blieben unsicher. 1147 führte der Wendenkreuzzug deutsche und polnische Kreuzfahrer in das bereits christianisierte Pommern, z.B. nach Demmin und Stettin.

Die Anfänge der pommerschen Herzogsdynastie

Mit Wartislaw I. beginnt die Geschichte des pommerschen Herzogtums. Dem in sächsischer Gefangenschaft getauften, ersten namentlich bekannten Pomoranenfürst gelang es, seine Herrschaft auf das Gebiet westlich der Oder, lutizisches Stammesgebiet, auf welches das Deutsche Reich bzw. die Sächsischen Marken Rechtsansprüche geltend machten, auszudehnen. Er herrschte somit über ein Territorium, das größer war als das Siedlungs- und Stammesgebiet der Pomoranen, welches zwischen der Weichsel im Osten, der Oder im Westen und der Ostsee im Norden lag und im Süden an die Netze-Warthe-Niederung grenzte. Zwar bewahrte er das slawische Erbe des pomoranischen Stammes, beschränkte sich aber nicht mehr darauf. Folglich war Pommern kein Stammesherzogtum im herkömmlichen Sinn, sondern eine territoriale, dynastische und kirchenpolitische Neuschöpfung. Die Bevölkerung setzte sich sowohl aus slawischen Pomoranen und Lutizen als auch aus Zuwanderern zusammen, die im Zuge der deutschen Ostsiedlung zum niederdeutschen Neustamm der Pommern verschmolzen.

Um sein Herrschaftsgebiet vor Angreifern zu schützen und das Land für seine Erben zu erhalten, brachte Wartislaw I. mit viel diplomatischem Geschick sowohl das Reich als auch Polen auf seine Seite. Er erkannte die Oberherrschaft des Kaisers an. Die Oberhoheit Polens blieb auf den östlichen Teil Pommerns beschränkt, nachdem der Polenherzog Boleslaw III. 1135 für dieses Gebiet Kaiser Lothar Lehnshuldigung hatte leisten müssen. Im Westen fungierte der Askanier und zukünftige Markgraf von Brandenburg, Albrecht der Bär, später der sächsische Herzog Heinrich der Löwe, als Zwischenmacht. Dies bedeutete keine Einschränkung der Macht Wartislaws. Vielmehr hatte er seine Selbständigkeit gewahrt und herrschte nun über ein Land, für das der Name Pommern gebräuchlich wurde.

Mit dem Tod Kaiser Lothars 1137 endete der sächsische Druck auf Wartislaw I., und mit dem Ableben Boleslaw III. auch die polnische Oberhoheit über Pommern. Nun aber begannen Heinrich der Löwe und König Waldemar I. von Dänemark um Einfluss im pommerschen Gebiet zu konkurrieren. Das Interesse König Waldemars richtete sich insbesondere auf das Siedlungsgebiet der Ranen, die nördlich des Ryck und auf Rügen siedelten und die sich bislang gegen Eroberer und Christianisierungsversuche gewehrt hatten.

Wie zuvor ihr Vater Wartislaw I., verhielten sich auch seine gemeinsam regierenden Söhne, Bogislaw I. von Stettin und Kasimir I. von Demmin, gegenüber der militärischen Übermacht diplomatisch geschickt und flexibel: Nach der Schlacht bei Verchen (1164) wurden sie Lehnsmannen Heinrichs des Löwen, von dem sie die Burg Demmin zugesprochen bekamen. Sie erkannten aber auch die dänische Oberhoheit im Norden ihres Herrschaftsgebiets an und nahmen 1168 an König Waldemar I. Kriegszug gegen die Ranen teil. Arkona wurde erobert und zerstört. Die unterlegenen Ranen versprachen, das Christentum anzunehmen, die Oberhoheit des Dänenkönigs anzuerkennen und ihm Tribut zu zahlen. Kurz darauf wurde auch die Burg Garz übergeben. Obwohl zu vermuten ist, dass die beiden Brüder nicht uneigennützig an diesem Zug teilgenommen haben, wurde Rügen dem Stift Roskilde untergeordnet. Die Fürsten von Rügen blieben bis zum Aussterben der ranischen Dynastie 1325 Lehnsleute der dänischen Könige. Nachdem die Aussicht, selbst die Herrschaft auf Rügen zu übernehmen, gescheitert war, wechselten die Pommernfürsten auf die sächsische Seite. Ob sie eine gezielte Bündnispolitik betrieben oder schlicht die ihnen verbliebenen Möglichkeiten nutzten, kann anhand der Quellen nicht beantwortet werden. Die Pommernfürsten sollten in den 1170er Jahren noch mehrmals die Seiten wechseln. Mit der Heirat Bogislaw I. mit Anastasia von Polen (1177) kam sogar eine Allianz mit Polen zustande. Schließlich wurde Pommern 1178 als Lehen unter Dänemark und Polen aufgeteilt.

Nachdem über Heinrich den Löwen die Reichsacht verhängt worden war, tat sich eine neue Möglichkeit auf: Bogislaw I. reiste 1181 in das Lager Friedrich I. Barbarossa nach Lübeck und unterwarf sich dem Kaiser. Dieser überreichte Bogislaw I. die Adlerfahne und bewilligte seinen Titel als Herzog Slawiens. Seit 1194 führte das pommersche Herzogsgeschlecht den Greif im Wappen.

Mit dieser Rangerhöhung war Bogislaw I. direkt dem Kaiser unterstellt, glaubte sich vor dänischen und brandenburgischen Begehrlichkeiten geschützt und wollte noch mehr erreichen. 1184 nutzte er den Streit zwischen dem Obotritenfürsten Heinrich Borwin I. und seinem Neffen Nikolaus um das mecklenburgische Erbe und griff Rügen an. Ohne den Kaiser bzw. Polen als Verbündete konnte Bogislaw I. jedoch wenig ausrichten und wurde 1185 vernichtend geschlagen. Er musste die Länder Barth, Grimmen und Tribsees an Rügen abtreten und sein Herrschaftsgebiet vom dänischen König Knut VI. gegen Tributzahlung zu Lehen nehmen. Die enge Bindung an das Reich war beendet. Dänemark legte in »Wieken« Niederlassungen an und nahm auch über die dänischen Mönche, die 1173 das Kloster Kolbatz besetzten, Einfluss auf Pommern.

Dem dänischen Königtum war es gelungen, den staufisch-welfischen Gegensatz zu nutzen und seine Herrschaft über die Territorien an der südlichen Ostseeküste auszubauen. Erst nachdem mit der Schlacht von Bornhöved (1227) die dänische Herrschaft über Norddeutschland zusammengebrochen war, konnte sich Pommern von der dänischen Abhängigkeit befreien. 1231 unterstellte Kaiser Friedrich II. Pommern der Lehnshoheit der askanischen Markgrafen von Brandenburg, die eine hegemoniale Stellung im norddeutschen Raum anstrebten. Polnische Ansprüche wurden nicht erwähnt. Ferner galt Pommern nicht mehr als außerhalb des Reichsverbandes stehend, sondern als Teil des deutschen Reiches. Und die pommerschen Herzöge waren keine direkten, sondern nur noch mediatisierte Vasallen des Kaisers. Schließlich musste Barnim I. 1234/36 für Pommern-Stettin die brandenburgische Oberhoheit akzeptieren. Sein Cousin Wartislaw III. schloss sich für seinen Herrschaftsbereich Pommern-Demmin 1236 im Vertrag von Kremmen an. 1250 verzichtete Barnim I. im Landiner Vertrag auf die Uckermark und erwarb so die Gesamtbelehnung der pommerschen Herzöge, die nach dem Tod Wartislaw III. 1264 für ihn Realität wurde.

Ein weiteres Mal versuchte Barnim I. sein Herrschaftsgebiet zu vergrößern, indem er ein potentielles Machtvakuum in seiner Nachbarschaft zu seinem Vorteil nutzen wollte. Zusammen mit seinem Cousin Wartislaw III. versuchte er mehrfach (1236/38, 1253, 1259, 1266) die Länder Schlawe, Stolp und Belgard zu erobern. Sie scheiterten jedoch gegen Pomerellen. Eine ähnliche Politik verfolgte Barnim I. nach dem Tod Herzog Heinrich I. von Schlesien. Er musste sich jedoch auch hier zurückziehen. Aber auch der Fürst von Rügen konnte seine Erbansprüche auf Pommerellen nicht durchsetzen, nachdem Mestwin II. 1294 gestorben war. Wizlaw II. Sohn Sambor versuchte 1296 die Eroberung des Landes Schlawe. Da die Konkurrenz von Brandenburg, Böhmen und Polen stärker war, hatte auch er keinen Erfolg.

1255 und 1273/75 kam es zwischen Pommern und Brandenburg zum Krieg, in dessen Verlauf brandenburgische Truppen die Länder Stettin und Pyritz sowie das Kloster Kolbatz verwüsteten. Barnim I. musste am Ende Land an den Markgrafen von Brandenburg abtreten. 1277 veräußerte er einen Teil des Landes Kolberg an den Bischof von Cammin, mit der Auflage, dass dieses Land nie an Brandenburg fallen dürfe – wozu es trotzdem kam. Eine Eheschließung mit der Askanierin Mechthild sollte den Einfluss Brandenburgs auf Pommern festigen. Nachdem Barnim I. 1278 gestorben war, geriet sein Sohn Bogislaw IV. in Streit mit seiner Stiefmutter Mechthild, die die Rechte ihrer leiblichen Söhne Barnim II. und Otto I. verteidigte und sich mit Markgraf Albrecht III. gegen Bogislaw verbündete. In Reaktion darauf schloss dieser sich einem Bündnis an, das Lübeck gegen Brandenburg initiiert hatte und am 13. Juni 1283 als Rostocker Landfrieden von etlichen Städten (u. a. Greifswald, Stralsund, Stettin und Demmin) und Fürsten, unter ihnen auch Wizlaw II. von Rügen, des südlichen Ostseeraums geschlossen wurde.

Bistümer und Klostergründungen

In der Auseinandersetzung zwischen der slawischen Bevölkerung und ihren christlichen Nachbarn im Norden, Osten und Westen kam der Religion eine entscheidende Bedeutung zu. Allen Beteiligten war bewusst, dass die Unterwerfung der Slawen bzw. eine dauerhafte Herrschaft in ihrem Siedlungsgebiet nur möglich war, wenn die vorhandene religiöse Sozialisation durch ein neues System ersetzt würde. So gingen Eroberungs- stets mit Missionierungsversuchen einher. Nachdem religiöse und politisch-staatliche Zentren der Slawen erobert und zerstört worden waren, wurden heidnische Kultstätten und Burgen als Bistum, Handels- und Verwaltungszentren neu gegründet. Nun galt es eine kirchliche Infrastruktur zu schaffen, die, je nachdem wer die Region erobert hatte, mit der sächsischen, dänischen bzw. polnischen Kirchenorganisation übereinstimmte. Der größte Teil Pommerns gehörte zum Bistum Cammin, wo ein Domkapitel gegründet und 1175 mit dem Bau eines Doms begonnen worden war. Ferner erhielt der Camminer Bischof vom Papst das Recht, den Zehnten aus seiner Diözese zu erheben. Um 1200 wurde ein zweites Domkapitel in Kolberg gegründet. Kasimir I. verlieh der Camminer Kirche das Recht der freien Wahl des Bischofs und der Prälaten sowie die fiskalische und gerichtliche Immunität für den Dombezirk. Damit verzichtete er auf die Mitsprache bei künftigen Bischofswahlen ebenso wie auf Rechte vogteilicher Art und damit auf die Möglichkeit, die Kirche zur Sicherung und Stärkung seiner eigenen Macht zu nutzen. Der Besitz des Bischofs von Cammin umfasste fortan ein zusammenhängendes, dem Herrschaftsbereich des Herzogs entzogenes Territorium.

Der westliche Teil des Landes gehörte zum Bistum Schwerin, Rügen und das vorgelagerte Festland zum Bistum Roskilde. Die wichtigste Aufgabe der Bischöfe war die Kirchenorganisation. Es mussten geeignete Priester gesucht, Pfarrkirchen gebaut und zehn bis fünfzehn Dörfer zu einem Kirchspiel zusammengefasst werden. Die Kirche und ihre Priester erhielten vom Kirchenherrn und den Gemeindemitgliedern die nötigen Mittel zum Unterhalt. Neben den Landesherren betätigten sich auch adlige Grundherren als Kirchengründer. Im Unterschied zu westelbischen Regionen war ihre Zahl jedoch geringer, die Pfarrsprengel ihrer Kirchen waren kleiner und materiell kärglich ausgestattet.

Die Konvente übernahmen die weitere Missionierung des Landes. Bischof Adalbert errichtete 1153 in Stolpe an der unteren Peene das erste Kloster und wählte dafür Benediktiner aus Magdeburg aus. Magdeburger Prämonstratenser lebten seit 1155 in der landesherrlichen Klostergründung im Suburbium von Usedom. Zwischen 1176 und 1182 gründeten Prämonstratenser aus Lund das Kloster Belbuck. In den 1170er Jahren kamen erstmals Angehörige des zisterzienischen Reformordens in das Bistum Cammin. Dänische Mönche besetzten 1173 das südöstlich von Stettin gelegene Zisterzienserkloster Kolbatz und betrieben von dort die Christianisierung und Kultivierung des fruchtbaren Weizacker-Gebietes. Länger dauerte die Christianisierung im östlichen Pommern.

Im Unterschied zur starken dänischen Präsenz hatten die monastischen Zentren Mittel- und Süddeutschlands in Pommern kaum Einfluss auf die Klostergründungen. Zumindest konnten die Magdeburger Prämonstratenser vor 1180 im Süden des Bistums Cammin in Gramzow in der Uckermark einen Konvent errichten. Die erste Niederlassung an der Stettiner Jakobikirche entstammte dem Benediktinerkonvent von Michelberg und damit dem Bistum Bamberg.

Etliche Klostergründungen hatten keinen Bestand. Sie verödeten oder wurden zerstört. So siedelten auch die Mönche des 1172 gegründeten Klosters Dargun 1199 nach Eldena über und beteiligten sich an der Gründung der Stadt Greifswald. Erst 1209 wurde Dargun neu besetzt. Nach Belbuck entsandte 1208 das Prämonstratenserstift Mariengaarde in Friedland Kanoniker, die das Kloster wieder aufbauten. 1231 gründete Fürst Wizlaw I. von Rügen das Zisterzienserkloster Neuenkamp und besetzte es mit Zisterziensern aus Kamp am Niederrhein. 1224 gründete Herzogin Anastasia von Pommern ein Nonnenkloster, den Prämonstratenserinnenstift Marienbusch. 1243 entstand mithilfe einer herzoglichen Dotation ein Zisterzienserinnenkloster in Stettin und 1248 in Marienfließ. Fürst Jaromar von Rügen gründete 1193 das Zisterzienserkloster Bergen auf Rügen und berief dänische Nonnen dorthin. Um 1207 errichtete er das Zisterzienserinnenkloster Eldena (Hilda) und beschenkte es großzügig mit Grundbesitz. 1227 sind Dominikaner am Bischofssitz Cammin nachzuweisen. Weitere Ordenshäuser entstanden in Greifswald, Stralsund und Pasewalk, Prenzlau, Stolp und Soldin. Daneben errichteten die Franziskaner Niederlassungen. 1240 kamen sie nach Stettin, seit 1253 bestand ein zweites Ordenshaus in Greifswald. Er folgten Prenzlau, Stralsund, Pyritz, Greifenberg und Dramburg.

Mit dem kontinuierlichen Ausbau der Kirchspiele festigte sich die eingeleitete Christianisierung im ganzen Herzogtum. Am Beispiel des Stiftsgebietes Cammin wird jedoch auch deutlich, dass die kirchlichen Institutionen zu wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Zentren ihrer Region heranwuchsen und damit in Konkurrenz zur herzoglichen Macht traten.

1356 schloss Herzog Bogislaw V. mit dem Bischof von Cammin einen Vertrag, in welchem der Bischof auf das Privileg der freien Bischofs- und Prälatenwahl verzichtete und den Herzog als Schirmvogt anerkannte. Noch enger hätte die Beziehung zwischen Bistum und Herzogshaus werden können, wenn Bogislaw, der spätere Bogislaw VIII., den seine Brüder für dieses Amt vorgeschlagen hatten, Bischof geworden wäre und nicht der päpstliche Gegenkandidat. Im Gegenzug schloss Bogislaw VIII. 1387 einen Vertrag mit dem neuen Bischof, der ihn zum Schirmvogt der Camminer Kirche und zum weltlichen Verwalter des Stiftes bestimmte. Das bedeutete letztendlich eine Trennung von Amt und Landesherrschaft. Daraufhin entspann sich der sogenannte Camminer Bistumsstreit, der bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts reichen sollte. Auslöser war die Weigerung Bogislaws, der die Verwaltung des Stiftes bereits 1391 abgetreten hatte, die Schlösser, die er als Pfand für seine Ausgaben als Schirmvogt beansprucht hatte, freizugeben. Ohne sich um die von Bischof Nikolaus 1398 verhängte Exkommunikation zu scheren, besetzte er Schloss Gülzow, nahm die Stadt Bublitz ein und überfiel den stiftischen Besitz Körlin.

Kolonisierung des Reichslehens: deutsche Siedler und Assimilation der slawischen Bevölkerung

Durch die Missionierung des Bischofs Otto von Bamberg, die Kriegszüge Heinrichs des Löwen und Albrechts von Brandenburg wurde das slawische Siedlungsgebiet an der Ostseeküste gewissermaßen neu entdeckt. Das unkultivierte, durch viele Kriege entvölkerte Land erschien nieder- und mitteldeutschen Kolonisten als ein Erfolg versprechendes Ziel. So wanderten im 12. und 13. Jahrhundert im Rahmen der Ostsiedlung deutsche bäuerliche Siedler im Norden entlang der Küste sowie von Westen und Süden, geführt von Siedlungsunternehmern (Lokatoren), nach Pommern ein. Im Rahmen des Landesausbaus rodeten sie Wälder und kultivierten bislang ungenutzten Boden. Sie legten ihre Kolonistendörfer auf gerodetem Waldboden oder neben bereits bestehenden slawischen Siedlungen an. Oft wurden vorgefundene slawische Orts- und Flurnamen nach Anpassung des Lautstandes beibehalten. Der slawische Name wurde auf das deutsche Dorf übertragen und der slawische Teil mit dem Zusatz »Wendisch« oder »Klein« versehen. Zum Teil gehen Ortsnamen auch auf die Namen der Lokatoren zurück.

Die Herzöge, vor allem Barnim I. von Pommern-Stettin, sein Cousin Wartislaw III. von Pommern-Demmin sowie der Rügenfürst Wizlaw I., förderten die Kolonisation, da sie mit steigender Einwohnerzahl auf dem Land und in den Städten auf neue Einnahmequellen und eine Konsolidierung ihrer Macht hofften. Ohnehin war durch die Ausbreitung des brandenburgischen Machtbereiches bis zur Oder seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts der deutsche Einfluss gegenüber dem dänischen und dem polnischen gestiegen. Und eine beträchtliche Zahl von deutschen Siedlern und Händlern war bereits nach Pommern gezogen.

Auch die Bischöfe beteiligten sich aktiv am Landesausbau, indem sie Stiftsgebiet erwarben, das von Siedlern urbar gemacht wurde. Mönchs- und Nonnenklöster, die mit Unterstützung oder auf Initiative der pommerschen Herzogsfamilie gegründet worden waren, kamen durch Schenkung oder Kauf in den Besitz ausgedehnter Ländereien, die ebenfalls von Siedlern erschlossen und bewirtschaftet wurden. Ferner erwarben Ritterorden und weltliche Grundherren Besitz, gründeten ihrerseits Siedlungen nach deutschem Recht und vergaben Höfe in Erbpacht.

Im Interesse des Landesausbaus unterschieden Herzöge, Kleriker und adlige Grundeigner im Grunde nicht zwischen Einheimischen und Zuwanderern bzw. deren Herkunft, Sprache und Sitten. So ist in vielen von den pommerschen Herzögen und rügischen Fürsten ausgestellten Urkunden zu lesen, dass Menschen welcher Herkunft und welchen Handwerks auch immer (cuiuscunque gentis et cuiuscunque artis homines) angesiedelt werden sollten. Das Ziel war der Landesausbau mit den bestmöglichen Mitteln. In diesem Sinne brachten die Siedler Ackerbau- und Meliorationstechniken mit, die den bislang praktizierten Methoden überlegen waren. Sie verfügten über technische Neuerungen wie den schweren Bodenpflug, kannten die Hufenverfassung und die Dreifelderwirtschaft. Die slawische Bevölkerung wurde nicht vertrieben, sondern sie übernahm Techniken und Fähigkeiten. Alte slawische Besitz- und Rechtsverhältnisse wurden von deutschen Rechtsnormen verdrängt, allmählich kam es zur Assimilation der slawischen Bevölkerung. Diese war sowohl wirtschaftlich als auch sozial begründet, ferner hatten sich die Slawen sprachlich und religiös rasch an die neuen Verhältnisse angepasst. Bald ließen lediglich Personennamen auf die Slawizität ihrer Träger schließen. Das gilt auch für die Herzöge, die weiterhin vornehmlich Namen wie Wartislaw, Barnim oder Bogislaw für ihre männlichen Nachkommen wählten. Für die Töchter galt dies nicht.

Die slawische Landbevölkerung hatte in kleinen Siedlungen gelebt, die sich in der Nähe von Wasserläufen befanden. Die kleinen Ackerflächen wurden auf die vorhandene Fläche verteilt. Die Siedlungen der deutschen Kolonisten waren durchgeplant. Typisch wurden das Hagenhufendorf, das Angerdorf und das Straßendorf. Erstere waren Rodungsdörfer. Hier lagen die Gehöfte weit voneinander entfernt entlang einer Dorfstraße. Jeder Bauer besaß das von ihm bewirtschaftete Land in Form einer »Hagenhufe«, die sich in einem breiten langen Landstreifen über die Dorfmark zog. Damit lag der Bauernhof auf der Hufe des Bauern. In Angerdörfern lagen die Gehöfte eng beieinander um einen Anger. Die Aufteilung der Flächen in ebenso viele Besitzstreifen, wie Bauern im Dorf lebten, funktionierte aufgrund der räumlichen Enge nicht. Die Ackerflur war vielmehr in mehrere Gewanne eingeteilt, die wiederum in so viele Streifen verlegt wurden, wie das Dorf Bauernstellen hatte. Das Straßendorf, das vor allem in Hinterpommern typisch wurde, weist eine lange, beidseitig bebaute Dorfstraße auf.

Die Lage der Bauern scheint im Hinblick auf entstehende Gemeindestrukturen, persönliche Freizügigkeit und erbliches Besitzrecht recht gut gewesen zu sein. Sie waren jedoch nicht die Eigentümer des von ihnen bewirtschafteten Bodens. Vielmehr unterstanden sie der Grundherrschaft der Herzöge bzw. der Geistlichkeit, der Städte und des Adels.

 

DER MITTELALTERLICHE LEHENSVERBAND

Städtegründungen und Hanse

Obwohl es regionale Unterschiede bezüglich des Urbanisierungsgrades und der Bevölkerungsdichte gab, sind Entwicklungsschübe der wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Umgestaltung sowohl im agrarischen als auch im städtischen Sektor für ganz Pommern erkennbar: Wartislaw I. und seinen Nachfahren war es gelungen, sich auf beiden Seiten der Oder zu etablieren, sich gegen dänische und polnische Eroberungsversuche zu behaupten und die Besiedlung ihres Herrschaftsgebietes zu fördern. Siedler aus dem niederrheinischen, westfälischen und niedersächsischen Raum zogen nach Pommern. Neben Bauern, die das Land kultivierten, kamen auch Kaufleute und Handwerker. Sie siedelten an infrastrukturell günstigen Orten, an Kreuzungen von Handelswegen, an der Küste, an Seen und schiffbaren Flüssen – vor allem im Mündungsdelta der Oder, wo sich Binnen- und Seehandel trafen.

Einige frühstädtische Siedlungen besaßen eine slawische Vorgeschichte als kultisches Zentrum, Handelsplatz oder Burg, der Suburbien vorgelagert waren bzw. neben denen sich Marktsiedlungen entwickelten. Andere waren ritterbürtige Städte oder von Klöstern beeinflusste Stadtgründungen. Etliche waren von Lokatoren im Auftrag des Herzogs, des Rügenfürsten, des Bischofs oder einzelner adliger Grundherren angelegte Neugründungen, die sich meist in unmittelbarer Nähe slawischer Siedlungen befanden. Solche Kolonialstädte weisen eine schachbrettartige Anlage auf. Ein Beispiel dafür ist Greifenhagen, das 1254 Stadtrecht erhielt. Die Anlage hatte Herzog Barnim I. dem Rodungs- und Siedlungsunternehmer Rudolf von Belkow und seinen Söhnen übertragen. Die Belkows ließen das Land urbar machen, planten Straßenzüge und vergaben Grundstücke an Siedler. Der Namensteil »hagen« weist auf den Ursprung der Stadt als geplante Rodungssiedlung hin.

Von 1234 bis 1299 wurden in Pommern 34 Städte gegründet. Insbesondere Barnim I. tat sich als Gründer und Verleiher von Stadtrechten hervor. Auf ihn geht Prenzlau als älteste deutschrechtliche Stadt Pommerns zurück, ferner Stettin, Garz, Anklam, Stargard, Greifenhagen, Altdamm, Pölitz, Pyritz, Ueckermünde, Gollnow, Cammin, Lassan, Wolgast, Wollin, Stavenhagen, wahrscheinlich auch Pasewalk, Treptow/Rega, Penkun und Treptow/Tollense. Als Grund für sein Engagement gab er in der Prenzlauer Stadtgründungsurkunde (1234) an, dass er »auf Unseren Nutzen und Vorteil achten wollend und die Gewohnheiten anderer Gebiete übernehmend, in Unserem Lande freie Städte einzurichten« beschlossen habe.

Die Gründungen entwickelten sich unterschiedlich. An erster Stelle steht Stralsund, das neben Lübeck, Rostock, Greifswald und Wismar zum Kern des Wendischen Quartiers der Hanse avancierte. Es folgen die kleineren Mittelstädte wie Greifswald und Kolberg sowie die größeren Kleinstädte wie Anklam, Barth, Demmin, Greifenhagen, Köslin, Rügenwalde, Stettin, Stolp oder Stargard. Den Schluss bilden die Klein-, Kleinst- und Minderstädte, deren wirtschaftliche Struktur von Ackerbürgern und Landhandwerkern geprägt war. Letztere überwogen. Sie besaßen lediglich ein Minderrecht, waren vielfach unbefestigt bzw. lediglich umhegt und dementsprechend ungeschützt. 38 von 58 pommerschen Städten besaßen im Spätmittelalter eine Stadtmauer, neun verfügten über einen Palisadenzaun, zehn waren zum Land hin völlig ungesichert.

Im Verlauf des 13. und im 14. Jahrhundert entwickelte sich das Städtewesen weiter. Vor allem die Veränderungen im rechtlichen Bereich sind offensichtlich. Dies gilt sowohl für die rechtliche Stellung der Städtebürger als auch für die Stadtrechtskreise, die sich an den Grenzen der Teilherzogtümer, der Besiedlung und auch an den natürlichen Begebenheiten orientierten: So verlief die niedersächsische Kolonisation im Norden mit Lübecker Stadtrecht entlang der Küste oder über die Uckermark bis Stargard. Beispiele dafür sind Stralsund (1234), Greifswald (1250), Kolberg (1255), Wolgast (1257) und Greifenberg (1262). Die mitteldeutsche Kolonisation nahm ihren Weg von Süden mit Magdeburger Recht in das untere Odergebiet und von dort aus in östlicher Richtung, wofür u. a. Stettin (1243) und Stargard (1243/53) stehen. Von der Weichsel aus wurden die Länder Lauenburg und Bütow durch den Deutschen Orden und die Markgrafen von Brandenburg zu Beginn des 14. Jahrhunderts mit Kulmer Recht besiedelt. Die Städte nach Magdeburger Recht weisen regionale Besonderheiten auf. So verweist das Stettiner Stadtrecht auf die untere Oder und die Uckermark, die zur Stettiner Linie des pommerschen Herzogshauses gehörten.

Frühhansische Kaufleute folgten den Eroberern und Missionaren sowie den Siedlern, die entlang der Küste nach Osten wanderten. Als erste Zentren der zukünftigen Hansestädte entstanden neben frühstädtischen slawischen Siedlungen oder als koloniale Neugründung Kaufmannskirchen zu sakralen und profanen Zwecken.

Im 13. Jahrhundert schlossen sich See- und Handelsstädte zur Sicherung von Handelswegen zu Schutzbündnissen zusammen. Am Anfang stand das Bündnis zwischen Lübeck und Hamburg, später wurde ein Schutzbündnis mit Rostock und Wismar geschlossen und 1354 haben sich die Handels- und Seestädte Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald und Stettin zum Schutz gegen Seeräuberei verbunden. Der hansische Städtebund verfestigte sich durch die Erneuerung bestehender Bündnisse und deren Erweiterung durch den Beitritt neuer Städte. Am Ende des 14. Jahrhunderts hatte sich daraus eine stabile Konföderation entwickelt. Im Zentrum stand nicht mehr nur der Schutz des Handels, sondern auch dessen Normierung.

Die Hanse erwarb außer Rechten und Freiheiten vor allem Privilegien, Sonderrechte, die ihnen eine bevorzugte Behandlung garantieren sollten. So konnten hansische Kaufleute im nord-, west-, mittel- und südeuropäischen Raum erfolgreich Handel betreiben. Sie transportierten auf ihren Schiffen Perlen, Wachs und Honig aus Russland, Getreide, Flachs und Holz aus Livland, Ruthenien und Litauen, Bernstein, Holz und Getreide aus Preußen, Kupfer, Eisen und Tierhäute aus Schweden, Butter, Hering und Vieh aus Dänemark, Trockenfisch aus Norwegen, Zinn, Wolle und Tuche aus England, Wein und Salz aus Frankreich, Wolle und Wein aus Spanien und Portugal.

Das Handelsniveau nahm rasch zu, der Landhandel in das Binnenland und weiter gen Süden konnte sich aufgrund der natürlichen bzw. Landesgrenzen jedoch kaum entwickeln. Somit blieb der pommersche Anteil am hansischen Handel auf die Küstenregion und das Odermündungsgebiet beschränkt. Dennoch profitierten neben den See- auch die Binnenstädte von der Hanse, zumindest wenn sie an schiffbaren Gewässern lagen.

1370 versammelten sich in Stralsund die Delegierten von 23 Hansestädten, die sich 1367 in der Kölner Konföderation gegen Dänemark zusammengeschlossen hatten. Unter König Waldemar IV. Atterdag hatte Dänemark eine Vormachtstellung im Ostseeraum errungen, die den Handelsinteressen der Hansestädte gefährlich schien. Verbündet mit Holstein, Schweden und einigen norddeutschen Territorien gelang es ihnen, Dänemark zu besiegen. Kopenhagen wurde erobert und zerstört, dänische Küstenorte verwüstet und das dänische Schonen mit seinen Handelsniederlassungen am Sund in Besitz genommen. König Waldemar suchte bei Kaiser Karl IV. Hilfe. Die Bemühungen blieben erfolglos, und der dänische Reichsrat schloss schließlich Frieden mit der Hanse, der am 24. Mai 1370 offiziell in Stralsund besiegelt wurde. Dänemark musste der Hanse weitgehende Handelsvorrechte einräumen, die wichtigsten Festungen auf Schonen verpfänden und das Mitspracherecht der Hanse bei der nächsten Königswahl akzeptieren. Damit hatte der Städtebund einen Territorialstaat in die Knie gezwungen. Der Stralsunder Friede stellt einen der Höhepunkte der hansischen Außenpolitik dar und bildet eine Zäsur, nach der sich die Hanse von einer Kaufmanns- zu einer Städtehanse entwickelte.

Mit ihrer Wirtschaftskraft wuchs auch die Forderung der pommerschen Hansestädte nach Autonomie, die sie erfolgreich gegen herzogliche Hoheitsansprüche behaupteten. Sie erreichten die Münzhoheit, erhoben den Zoll und lösten ihre Verpflichtungen den Stadtherren gegenüber mit einmaligen bzw. jährlichen pauschalen Zahlungen ab. Erst im 15. Jahrhundert sollte es den Herzögen gelingen, Macht zurückzugewinnen.

Territoriale Zersplitterung und Aufkommen der Stände