my_cover_image

Hansestadt

WISMAR

Nicole Hollatz

REISEFÜHRER

image

image

image

Studenten der Hochschule Wismar

Titelbild: Krämerstraße

Die Autorin: Nicole Hollatz, Wirtschaftsjuristin, lebt und arbeitet als freie Journalistin in Wismar.

Die Informationen in diesem Reiseführer wurden gewissenhaft recherchiert und geprüft. Gleichwohl sind inhaltliche und sachliche Fehler nicht restlos ausgeschlossen. Verlag und Autorin übernehmen deshalb im Sinne der Produkthaftung keine Garantie.

Die Deutsche Natonalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

1. Auflage 2009

© Hinstorff Verlag GmbH, Rostock 2009
Lagerstraße 7, 18055 Rostock | Telefon: 0381/4969-0
www.hinstorff.de

Herstellung: Hinstorff Verlag GmbH
Lektor: Dr. Florian Ostrop
ISBN 978-3-356-01308-5
eISBN 978-3-356-01624-6

Liebe Leserin, lieber Leser, wie hat Ihnen die Lektüre gefallen? Wir freuen uns über Ihre Bewertung im Internet!

INHALT

Stadtplan

ERSTER ÜBERBLICK

Leben, wo andere Urlaub machen …

Stadtportrait in Zahlen

VOM EINST ZUM JETZT

Geschichtliches

Berühmte Wismarer

Wismar heute

STADTRUNDGÄNGE

Zentrum

Das Gotische Viertel

Sakrale Zeugen der Vergangenheit

Auf den Spuren der Kaufleute

WAS SIE SONST NOCH WISSEN SOLLTEN

JÄHRLICHE HÖHEPUNKTE

TAGESPROGRAMM

In Wismar

In der Umgebung

SERVICE

Nützliche Internetadressen

Übernachtung

Restaurants

Cafés

Kneipen, Kino und mehr …

Theater

Liniennetzplan des öffentlichen Nahverkehrs

image

image

Am Timmendorfer Strand auf der Insel Poel

ERSTER ÜBERBLICK

Leben, wo andere Urlaub machen …

… so beschreiben die Einheimischen Wismar. Und damit haben sie recht. Jedes Jahr kommen rund 200 000 Touristen, gut vier Mal so viele Menschen, wie Wismar Einwohner hat. Tendenz steigend.

image

Für eine Anfahrt auf dem Wasser bietet Wismars Hafen gute Voraussetzungen. Auch Wohnmobile finden hier einen Stellplatz in unmittelbarer Nähe zur Altstadt.

Der Charakter der traditionsreichen Stadt liegt zwischen dem angenehmen Charme einer überschaubaren Kommune und dem weltoffenen Flair eines Ostseehafens. Wismar entstand um 1229 entlang der Handelswege nach Hamburg, Lübeck und Rostock sowie in den skandinavischen Raum und stieg im Mittelalter zu einem angesehenen Mitglied der mächtigen Hanse auf.

Geografisch gesehen liegt die Stadt an der Südspitze einer durch die Inseln Poel und Lieps geschützten Bucht der Ostsee. Sie ist eingebettet in das Grün der umliegenden reizvollen Natur, das Blau der Ostsee mit einer Spur Gelb – dem des Küstensandes. Die Wismarbucht gilt als beliebtes Segelrevier, der stadteigene Badestrand ist nur 3 km vom Zentrum entfernt.

Wismar ist ein herausragendes Beispiel mecklenburgischer Backsteingotik. Seit Jahrhunderten begrüßen weithin sichtbare Kirchen die Besucher, die sich von See oder zu Lande nähern. Die Kirchenschiffe verbinden imposante Größe mit der handfesten Eleganz von Backstein und symbolisierten einst Reichtum und Macht. Der Stadtkern mit seinen mehr als 300 Einzeldenkmalen und einem über Jahrhunderte hinweg bewahrten mittelalterlichen Grundriss steht auf der Welterbeliste der UNESCO.

Ein Tipp für autofahrende Tagesgäste:

Parken in der Altstadt wird dank vieler Einbahnstraßen und weniger Parkplätze zur unnötigen Nervensache und Benzinverschwendung. Besser die kostenfreien Parkplätze, beispielsweise am Hafen, nutzen. Von dort aus sind es nur 10 Minuten bis zum Marktplatz – ein lohnenswerter Weg!

image

Mitternachtseinkauf in der Krämerstraße. Die beliebte Bummelmeile ist Fußgängerzone.

image

Die Dimension der mittelalterlichen Kirchen Wismars (St. Nikolai, nächstes Foto: St. Georgen) hinterlässt beim Besucher tiefen Eindruck.

image

Stadtportrait in Zahlen

Fläche:

41,63 km2

Einwohner:

45 232

Bevölkerungsdichte:

1 087 je km2

Telefonvorwahl:

0049 (0)3841

Durchschnittliches Alter der Einwohner:

44 Jahre

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort Wismar:

16 794

Studenten an der Wismarer Hochschule:

4 776

Wohnungsbestand:

24 977

Wohnfläche je Einwohner:

34,0 m2

Personenkraftwagen:

20 652

Straßennetz:

152 km

Radwege:

25 km

Güterumschlag im Hafen Wismar:

3 817 000 t

Schiffsankünfte:

1 577

Betten und Schlafgelegenheiten in Beherbungsstätten:

1 486

Gästeübernachtungen

226 477

Durchschnittliche Verweildauer:

2,75 Tage

Zuschauer im Theater:

19 619

Besucher in den Museen:

30 200

Kinogänger:

103 500 (geschätzt)

Bibliotheksbenutzer:

5 695

Tierparkbesucher:

116 430

Quellen: Statistisches Landesamt Mecklenburg-Vorpommern/Kommunale Statistikstelle/Bundesagentur für Arbeit/Kraftfahrt-Bundesamt. Besucherzahlen etc. beziehen sich jeweils auf ein Jahr.

image

Häuser in der Bohrstraße

VOM EINST ZUM JETZT

Geschichtliches

Die Besiedlung geht auf slawische Ursprünge zurück. Bis zum Ende des 10. Jahrhunderts lebten nahe des heutigen Dorfes Mecklenburg – sieben Kilometer von Wismar entfernt – die slawischen Obotriten.

Wann genau die Stadt Wismar gegründet wurde, ist historisch nicht belegt. Eine Urkunde aus dem 12. Jahrhundert erwähnt einen„Wizmar Havn“ – einen Wismarer Hafen. Eine weitere von 1229 setzt das Stadtrecht voraus, sodass diese Jahreszahl mangels einer genaueren Angabe als Gründungsdatum gilt. Fest steht, dass die Stadt aus einer Kaufmannssiedlung im Gebiet der heutigen St. Nikolaikirche heraus gebaut wurde, so wie dies damals auch an anderen Orten üblich war. Die Stadtgründung geht vermutlich auf Heinrich Borwin I. zurück, den Fürsten von Mecklenburg und Sohn des Obotritenfürsten Pribislaw. Aus den Gebieten Holstein, Westfalen, Niedersachsen und der Mark Brandenburg stammten die ersten Siedler. Wismar bekam vor 1266 durch den mecklenburgischen Fürsten Heinrich I. das Lübische Recht verliehen, also das Stadtrecht der Reichsstadt Lübeck als eines der bedeutendsten in Deutschland, das von über 100 Städten im Ostseeraum übernommen wurde. Mit der Verleihung erhielt Wismar wichtige Befugnisse, zum Beispiel das Münzrecht.

image

Das Wassertor ist von den ursprünglich fünf Toren in der alten Stadtmauer erhalten geblieben. Heute beherbergt es einen maritimen Verein.

Bereits kurz nach der Stadtgründung, 1257, verlegte Fürst Heinrich I. seinen Wohnsitz nach Wismar. Gut 100 Jahre lang war Wismar Residenzstadt der Fürsten des Landes. Die Stadt wuchs in Etappen und intensiv. Bis 1238 wurde aus zuerst noch zwei Siedlungskernen ein Ballungszentrum, und durch den unverminderten Zuzug von Siedlern kam ab 1250 die „Neustadt“ als Flächenerweiterung im Gebiet des Kirchspiels St. Georgen hinzu. Damit erreichte Wismar seine bis ins 18. Jahrhundert gültige territoriale Ausdehnung. Um 1276 war die erste Siedlungsphase beendet. Eine alle Teile der Stadt umschließende Stadtmauer wurde 1276 begonnen und erst im 15. Jahrhundert beendet. Reste dieser Mauer – einige Teile haben die Jahrhunderte unbeschadet überdauert, andere wurden nach historischer Vorlage neu gebaut – begrenzen auch heute noch die Altstadt. Um 1300 sollen bereits 5 000 Menschen in Wismar gelebt haben.

HANSEZEIT   Wann genau das große Wirtschaftsbündnis und Handelsnetz namens Hanse gegründet wurde, lässt sich nicht belegen, wohl aber, dass die damals junge Stadt Wismar an diesem Bündnis regen Anteil nahm. Die Handelswege des späten Mittelalters waren gefährlich, egal ob zu Wasser oder auf den staubigen Straßen. Deswegen schützten erst die Händler, dann die Städte sich durch Verträge gegenseitig. 1259 schlossen sich Rostock, Lübeck und Wismar zusammen, um gemeinsam gegen die Seeräuber Stärke zu demonstrieren. 1280 kamen Stralsund und Hamburg hinzu: Der Wendische Städtebund der Hanse entstand.

Wismar ist Bierstadt!

Bier war im Mittelalter eines der Hauptnahrungsmittel. Kindern ab 8 (!) Jahren gab man schon Bier, das damals allerdings um einiges dünner war als heute und im Zweifelsfalle auch sauberer als manch ein Wasser. Fünf Liter Bier sollen die Wismarer täglich im Durchschnitt getrunken haben – ob das stimmt? Vielleicht haben die 3000 schwedischen Soldaten, die später in Wismar stationiert waren, mitgeholfen, den Durchschnitt zu steigern. Es gab etwas über 180 Brauerein in der Stadt, Häuser mit Braurecht, die entweder für den eigenen Bedarf oder zum Verkauf brauen durften. Vor den Toren der Stadt sollen 130 Hopfengärten den Rohstoff geliefert haben. Das Bier wurde weithin exportiert, es gab sogar Städte, die den Import Wismarer Bieres untersagten oder mit hohen Zöllen belegten, weil es einfach besser war als das jeweils einheimische. Heute gibt es wieder eine aktive Brauerei, das Alte Brauhaus direkt am Hafen.

image

Am Lohberg lässt sich mit Blick auf den Hafen ein traditionell gebrautes Hausbier genießen.

Wismar kam durch Export zu Wohlstand. Wismarer Bier – es gab über 180 Brauereien in der Stadt – wurde vor allem nach Skandinavien exportiert, daneben auch Hopfen, Salz, Fisch und Getreide. Zeugnisse des wirtschaftlichen Erfolges sind die großen Kirchen, die den Heiligen Maria, Nikolaus und Georg geweiht sind. Allerdings brachen 1267, 1350 und 1377 verheerende Stadtbrände aus, denen viele Bürgerhäuser und auch das gotische Rathaus zum Opfer fielen. Danach wurde neu gebaut, statt der sonst oft vorherrschenden Holzhäuser nun Stein auf Stein. Die Pest machte vor den großen Stadtmauern nicht halt – in den Jahren 1350 und 1376 forderte sie in deren Innerem rund 12 000 Menschenleben. Politisch versuchte die Stadt (wie übrigens noch heute), ihre Unabhängigkeit gegenüber der Landesherrschaft auszubauen. Der führende Bürgermeister und seine Ratskollegen gingen dabei recht dreist vor. Als Heinrich I. im Nahen Osten in Gefangenschaft kam, ließen sie die Stadtmauer 1276 kurzerhand so errichten, dass Heinrichs Burg außerhalb Wismars lag. 1311 kam es zur militärischen Auseinandersetzung mit dem Landesherren, in der Wismar unterlag und seine gewonnenen Freiheiten aufgeben musste.

Immer wieder wurde Wismar in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt, in denen manches alte Bündnis nichts mehr zählte. Dabei heuerte der Rat gemeinsam mit Rostock im Krieg gegen Königin Margaretha von Dänemark sogar Freibeuter an, die durch „Kaperbriefe“ das Recht bekamen, dänische Schiffe zu überfallen, ohne dafür geächtet zu werden. Diese „Vitalienbrüder“ – ihren Namen verdanken sie wohl der Bezeichnung für Viktualien (Lebensmittel) – entwickelten sich unter der Losung „Gottes Freund, aller Welt Feind!“ zu waschechten Piraten mit Freibrief, denn sie sollten den Seehandel der mächtigen Hansestadt Lübeck, die sich mit Dänemark verbündet hatte, durch Kaperfahrten unterbinden und die Lebensmittelversorgung des schwedischen Stockholm aufrecht erhalten. Aus den Helfern im Krieg wurden gefürchtete Seeräuber in Friedenszeiten – denn auch nachdem ihre Unterstützung nicht mehr gebraucht wurde, ließen die Vitalienbrüder ihr einträgliches Geschäft nicht ruhen. Nachdem die Hanse den Krieg gegen Dänemark gewonnen hatte, kaperten die Seeräuber weiter. Der wohl berühmteste Pirat, Klaus Störtebeker, soll übrigens in Wismar gelebt haben.

image

Die „Wissemara“ ist der größte in Europa vorhandene Nachbau einer mittelalterlichen Kogge.

Innerhalb der Hanse traten die eigenen Interessen der Städte gegenüber der überregionalen Gemeinschaft in den Vordergrund. Im 17. Jahrhundert löste sich die Hanse schließlich auf. In stolzer Erinnerung an eine große Zeit trägt Wismar seit 1990 den offiziellen Beinamen Hansestadt.

SOZIALE UNRUHEN UND REFORMATION   Bier war, wie erwähnt, Wismars Exportschlager. 400 000 Liter wurden 1465 innerhalb der Stadtgrenzen gebraut. Die Braumeister wurden immer wohlhabender, so manches heute reich verzierte Giebelhaus beherbergte einst einen von ihnen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Brauherren festigte ihren führenden politischen Einfluss in der Stadt. Das störte eine andere ökonomisch aufstrebende Gruppe, die Handwerker. Unter Führung des gebildeten Wollenwebers Claus Jesup stürzten sie 1411 den Rat der Stadt. Fünf Jahre lang war Jesup Bürgermeister, bevor ihn der alte Rat wieder absetzen konnte. Einige Jahre später kommt dann die große Politik dem kleinen Wollenweber zu Hilfe. 1427 wurden die hanseatischen Kriegsschiffe, darunter auch solche aus Wismar, beim Krieg gegen Dänemark vernichtend geschlagen. Ein großer Verlust für die Stadt, denn dazu wurden hiesige Handelsschiffe durch die Dänen gekapert. Die Schuld wird dem Kommandeur der Wismarer Schiffe gegeben: Hinrich von Haren. Der Vorwurf – Verrat vor dem Feinde – kann historisch nicht belegt werden. Von Haren wird dennoch – ohne Prozess – zum Tode durch das Schwert verurteilt, im Oktober 1427 wird das Urteil auf dem Wismarer Marktplatz vollstreckt. Fast drei Wochen später wird auch der damalige Bürgermeister, Johannes Bantzekow, an gleicher Stelle hingerichtet. Claus Jesup wurde 1428 erneut Bürgermeister nach einem blutigen Handwerkeraufstand, diesmal allerdings nur für zwei Jahre. Der wieder eingesetzte alte Rat musste sich dem Landesfürsten beugen: Die Zeit der nach außen starken Hansestadt war vorbei.

image

Eine unscheinbare Tafel erinnert an die Hinrichtung eines Bürgermeisters und eines Ratsherren im 15. Jahrhundert.

Und innerhalb der Stadtmauern wurden zunehmend verrohte Sitten beklagt. Der erste Pfarrer von St. Marien hatte etliche „Beischläferinnen“ und eigene Kinder zu versorgen, in der Stadt lebten Glücksspiel, Trinker und Hurer. Die Geistlichkeit begegnete solch lasterhaftem Leben bekanntermaßen mit einem munteren Ablasshandel: Um die Seele von allen weltlichen Verfehlungen zu reinigen, genügte die Zahlung in die Kiste des Ablasshändlers. Buße, Reue oder Sühne schienen nicht mehr nötig. Die Lehre des Augustinermönchs Martin Luther, der engagiert gegen diese Praxis kämpfte, kam auch in Wismar an. Während sich die Mitglieder des Wendischen Städtetages dieser „neuen und gefährlichen Sekte und Lehre“ 1525 noch verweigerten, hielten sich Wismar und Stralsund bereits mit kritischen Äußerungen zurück.

In der Stadt selbst hatten die Bürger keine Scheu, ihre Meinung pro Luther kundzutun, wodurch sie den Unmut des Landesfürsten erregten. 1527 wurden die ersten lutheranischen Pfarrer in St. Georgen und St. Nikolai eingesetzt. Allerdings blieb die Stadt bis in die 1550er Jahre auch ein sicherer Hafen für die Altgläubigen. Diese eher langsame Entwicklung der Reformation resultierte aus der landfürstlichen Politik und ihrem damals großen Einfluss auf das lokale Geschehen.

SCHWEDENZEITDreißigjährige KriegFestung