cover
Caspar de Fries

Pontiac - Teil 1

Aufstand der Indianer





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Prolog

Name: Caspar de Fries

Buchautor und Schriftsteller

Zitat:  Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben

 

Texte und Bildmaterialien:

Caspar de Fries

Alle Rechte vorbehalten

Tag der Veröffentlichung: 26.06.2015

 

 

 

Vorwort

Mitte des 18. Jahrhunderts entfachte ein jahrelanger Konflikt zwischen den Briten, Franzosen und Indianern im Norden von Amerika. Kernpunkt war der Streit um die Kolonial-Herrschaft von Nordamerika, ein Teil vom heutigen Kanada. Dort lebten französische Siedler. Ursprung aus Europa, wohnhaft in Akadien, ein französisches Kolonialgebiet, das im äußersten Teil von Nordost-Nord-Amerika lag. Frankreich verlor letztlich diesen Teil seiner Kolonie in Nordamerika, was den Briten zwar gebietsmäßig reichte, der britischen Tradition gegenüber aber nicht Genüge getan wurde. Sie pochten darauf, dass die Akadier einen Treueeid auf ihren König Georg III schwörten. Diesem allgemeinen Aufruf ignorierte die Mehrzahl der französischen Siedler.

Daraufhin passierte eine für die Zeit ungewöhnliche und brutale Deportation einiger Tausend Akadier in die englischen Gebiete um Maine. Man nahm keine Rücksicht auf verwandtschaftliche Beziehungen, sondern zwang die Menschen einen unglaublichen Marsch in die für sie bereitgehaltenen Gebiete durchzuführen.

Einige zum Kampf bereite Siedler und Milizionäre unter der Führung von Leutnant Jean Martin flohen in die nahen Wälder und kämpften von dort aus dem Verborgenen gegen die Engländer.

Fast parallel dazu vereinigte ein Indianerhäuptling namens Pontiac vom Stamm der „Ottawa“ mehrere Indianerstämme, um gegen die Briten einen bis jetzt noch nicht bekannten Guerillakrieg über mehrere Jahre zu führen. Pontiac, eigentlich indianisch Obwandiyag, ausgesprochen bwon-diac, wurde nahe des Maumee-River im heutigen Gebiet von Detroit geboren. Sein Vater gehörte dem Stamm der Ottawa an, seine Mutter war eine Anishiabe. Durch diese verwandtschaftlichen Beziehungen konnte er als Häuptling 1755 die Ottawa, Anishiabe und Potwatomi zu einem losen Bündnis bewegen. Im Franzosen-und Indianerkrieg gegen die Briten feilte er an einer neuen Guerillatechnik, die deutlich die Verwundbarkeit europäischer Truppen in bewaldeten und bergigen Regionen der Apalachen aufzeigte. Dabei half ihm die Weitsicht von Leutnant Jean Martin, der eines Tages mit seinen 200 Männern den Indianern gegenüber stand. Es entstand eine ungewöhnliche Freundschaft.

Pontiac war ohne Zweifel eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der nordamerikanischen Indianer. Er war weitblickend genug, um die tödliche Bedrohung für die Lebensweise und Kultur der Indianer durch die Expansion der britischen Kolonien nach Westen zu erkennen und tatkräftig genug, um den Kampf gegen deren militärische Übermacht aufzunehmen. Mit der weitgehenden Einigung der notorisch zerstrittenen Stämme vollbrachte er eine erstaunliche Leistung; im Kampf erwies er sich als hervorragender Führer, der auch den disziplinierten und gut bewaffneten britischen Truppen gewachsen war.

Gespannte Lage

Im Herbst 1754 zeigte der sogenannte Indian Summer sich von seiner besten Seite. Die Natur entfaltete eine Fülle der schönsten Farben, vom rotbraun bis hin zu strahlendem Gelb, von Dunkelbraun bis Lila. Die Sonne strahlte noch einmal die breite Schönheit der Herbstwälder an und ließ die farbigen Blätter leuchten. Dabei glitzerten die feuchten Perlen des vergangenen Sprühregens und ließen ein Spinnnetz in seiner ganzen architektonischen Kunst sichtbar werden.

Jean Martin gehörte als Leutnant den französischen Grenztruppen im Fort Beauséjour auf dem Isthmus von Chignecto, unmittelbar nordöstlich des Grenzflusses Missaguash im heutigen Kanada an. Er saß am Fluss auf einem kleinen Bootssteg, ließ dabei seine Beine baumeln und hatte seine Angel ausgeworfen, um für den Abend mit frischem Fisch durch den Offizierskoch Michel Gardier noch ein leckeres Abendmahl zaubern zu lassen.

Jean schaute über das Wasser und beobachtete am gegenüberliegenden Ufer einen englischen Grenzer, der wohl ein ähnliches Freizeitvergnügen wie Jean als sein Privileg betrachtete. Dieser Engländer gehörte anscheinend zum pendent ihres Forts, dem Fort Lawrence, was als englisches Bollwerk zu den Franzosen auf der anderen Flussseite erbaut wurde.Jean läge viel daran, wenn es einen dauerhaften Frieden in dieser Region gäbe. Doch das immer wiederkehrende Machtgehabe der Briten, mit der ständigen Drohung, die Franzosen ganz aus diesem Teil der Welt zu verjagen, spitzte sich immer weiter zu.

Das französische Fort sollte dem britischen Expansionsdrang einen Riegel vorschieben, um die französischen Restgebiete Akadiens vor britischer Einflussnahme sinnvoll zu schützen. Die vielen hier niedergelassenen akadischen Siedler wollten eigenständig und französisch unabhängig bleiben. Sie brauchten keine englische konservative Lebensweise, sondern sie wollten ohne Zwang ihre eigene Kultur und Lebensfreude beibehalten. In einigen Gebieten verlangten die Briten sogar einen Treueeid auf ihren König, was wie eine Backpfeife für einen mündigen Bürger galt. Was bildeten sich diese Leute nur ein, dass man freie Menschen mit so einem Zwang in eine neue Identifikation pressen möchte?

Jean Martin schüttelte mit dem Kopf. Was für eine verrückte Welt. Er wusste jetzt schon, dass er niemals auf den englischen Monarchen schwören würde, so etwas galt es zu bekämpfen, das wäre Verrat an der eigenen Überzeugung. Jean wusste bereits, dass dieser jetzige Zustand der ungewöhnlichen Ruhe nur zu einer Atempause gehörte, denn im englischen Fort zog man immer mehr Truppen zusammen, gegen die die wenigen Milizen der Franzosen keine große Chance hatten.

Nur, die Briten wussten nicht, mit wie vielen französischen Soldaten sie es letztlich im Fort Beauséjour zu tun hatten.Durch eine geschickte Verschleierungstaktik hatte man die nicht diensttuenden französischen Soldaten einzeln angewiesen, immer wieder das Fort zu verlassen und nach ein paar Stunden in größeren Gruppen zurückzukehren, um die Fernrohrgucker auf der anderen Flussseite zu irritieren. Bis jetzt hatte diese Strategie funktioniert.

Wenn die Briten wüssten, wie wenig Munition im Fort noch lagerte. Die Kanonen auf den Mauern des Forts zeigten in Richtung anderer Flussseite und sahen sehr bedrohlich aus, mehr aber auch nicht. Den Franzosen fehlten die nötigen Schießpulvervorräte, um die extradicken Kugeln in die Mauern des britischen Forts zu jagen. Die französische Besatzung pfiff aus den letzten Zügen, wartete auf dringenden Nachschub ihrer Versorgungsschiffe, die jedoch leider von den englischen Kriegsschiffen aufgebracht wurden. Jeder Soldat erhielt bereits abgezählte Kugeln für die Musketen. Wenn man sie jetzt angreifen würde, wäre das Fort mit seinen Milizionären in wenigen Stunden erledigt.

Jean Martin seufzte, hängte seine zwei gefangenen Lachse an eine Leine und stiefelte gedankenvoll zum Fort zurück. Er dachte: wie oft kann ich noch unbeschwert angeln gehen? War dieser ruhige Augenblick das letzte Mal? Er zuckte mit den Schultern und übergab seinen Fang dem Offizierskoch, der freudig begann, die zwei kapitalen Lachse für den Abend herzurichten.

Im ganzen Fort verbrachten noch etwa 60 aktive Soldaten ihren Dienst. Wenn man die freiwilligen Siedler aus den Dörfern dazurechnete, kam man vielleicht auf 300 einsatzbereite Kämpfer, die bereitstanden, dieser enormen Übermacht der Briten entgegenzutreten. Nur, bevor man diese Männer aus den verstreuten Anwesen durch einen Boten erreichte, wehte bereits die britische Flagge über dem Fort. Der leitende Major Chevalier de Gaston meinte jedes Mal: Nur durch eine List könnten wir die Engländer besiegen. Welche List? Es gab keine List! Mit Worten? Dabei strich er über seinen abstehenden Schnauzbart und schaute träumend in die Ferne.

Jean konnte diesem Mann kein Vertrauen entgegen bringen. Dieser Major lebte nur vom militärischen Erfolg. Ohne brauchbare Ergebnisse zusammen mit der Ordensauszeichnung durfte er seiner Familie nicht gegenüberzutreten, um in den familiären Analen positiv erwähnt zu werden. Eine Niederlage käme einer Schande gleich, also blieb noch ein ehrenhafter Tod. Doch sollen wir alle nur wegen nicht erreichter Siege hier vor die Hunde gehen? Nein, dafür wollte Jean noch sorgen. Hier werden keine Männer sinnlos geopfert. Dann lieber einen heimlichen Abgang mit einem Kampf aus dem Verborgenen.

Nicht weit von hier, saß auf einem hohen Felsplateau im nördlichen New Brunswick, der letzten Region der Akadier, ein junger Indianer mit Namen Pontiac, der bereits früh zum Häuptling der Ottawa gewählt wurde. Mit viel Geschick und bemerkenswerter Diplomatie schaffte er es immer wieder, sich aus den vielen Kämpfen der Franzosen gegen die Briten herauszuhalten. Doch er wusste, dass dieser jetzige Zustand des Ausweichens keine Lösung des allgegenwärtigen Problems sein würde. Pontiac schaute einem Steinadler zu, wie er mit seinen weiten Schwingen große Kreise am Himmel zog, um nach zu jagender Beute Ausschau zu halten.

Pontiac genoss die wilde Schönheit der Natur mit seinen wunderschönen Farben des Indian Summer, der in diesem Jahr sich besonders ausdrucksvoll entfaltete.Pontiac wollte mit dem weisen „Rat der Alten“ über das gegenwärtige Problem sprechen. Er wusste, irgendwann werden sie uns als Volk des Landes auffordern, sich für eine Konfliktpartei zu entscheiden. Können wir uns dann noch heraushalten? Bisher waren es immer die Briten, die ihre abgeschlossenen Verträge nicht einhielten. Dann blieben nur noch die Franzosen als Partner übrig, die jetzt schon als der mögliche Verlierer dastanden.

Wir brauchen indianische Verbündete, Stämme die uns den Rücken stärken. Wir, als Volk der „Ottawa“ sind nicht stark genug, lange gegen die Briten zu kämpfen. Ihre Waffen und ihre vielen Soldaten stellen ein unüberwindbares Hindernis für uns. Ich sollte mal mit meinen Verwandten, den „Anishinabe“ und den „Potawatomi“ sprechen, vielleicht wissen sie eine Lösung?

Die Potawatomi lebten auf der großen Halbinsel des heutigen Michigans, der Bundesstaat mit der längsten Südwasserküste. Ihr Jagdgebiet erstreckte sich bis über die gesamte Door-Halbinsel, am westlichen Ufer des Michigan-Sees, heute eine Halbinsel des Bundesstaates Wisconsin. Als Anwohner der riesigen Binnenseen nutzten sie, wie alle anderen indigenen Völker, das Kanu.

Pontiac und zwanzig seiner Krieger überquerten mit vier großen Kanus den Lake Huron, um den nördlichsten Punkt der Oberen Halbinsel und der Wassersstraße zum Lake Michigan zu erreichen. Hier lebten die Hauptfamilien mit Häuptling und „Rat der Alten“ in einem großen Dorf. Häuptling Washee, zu dt.: Schwan, stand am Ufer des Lake Huron und erwartete den Besuch seiner entfernten Verwandten.Er konnte sich bereits vorstellen, welche Gründe sein Cousin Pontiac bewegte, den weiten Weg über den See zu wagen, der durch seine widrigen Winde und gefährlichen Unterwasserstrudel ein sehr gewagtes Unternehmen vorgab.

Pontiac verließ als erster das vordere Kanu, ging langsam auf seinen Cousin Washee zu, schaute ihn sehr ernst an und begrüßte ihn durch den doppelten Griff an den Unterarmen. Erst dann verließen seine Krieger aus Respekt vor dem Häuptling die Kanus und zogen sie zum Ufer herauf.

Pontiac und Washee waren im gleichen Alter. Schon als Kinder tollten sie in der Wildnis herum, während ihre Eltern als Verwandte sich gegenseitig besuchten.

„Pontiac, dein ernstes Gesicht sagt mir, dass wir schwierigen Zeiten entgegensehen. Wie kann ich dir helfen?“

„Washee, du kennst die Zusammenhänge zwischen der Feindschaft der Franzosen und den Briten. Man will mich und mein Volk zwingen, zu einer dieser Parteien Stellung zu nehmen und auf ihrer Seite zu kämpfen. Die Engländer sind sehr stark, gut bewaffnet, aber sehr unbeweglich und sprechen mit gespaltener Zunge. Sie brechen ihre Verträge, machen neue Versprechungen und halten uns hin.

Die Franzosen sind sehr schwach, schlecht ausgerüstet und werden alleine in kurzer Zeit einen Krieg gegen die Briten verlieren. Wenn wir als Ottawa mit den Franzosen gegen die Engländer kämpfen, können wir nur mit einer List etwas bewegen. Im offenen Kampf stirbt unser Volk. Washee, ich biete dir, deinem Volk, den Potawatomi und den Anishiabe eine Allianz an. Ich werde noch mit ihnen sprechen. Zusammen haben wir so viele Krieger, dass wir zusammen mit den Franzosen eine echte Möglichkeit haben zu bestehen. Was hältst du davon?“

„Pontiac, ich werde darüber nachdenken und anschließend deinen Vorschlag mit dem „Rat der Alten“ besprechen. Ich denke morgen wissen wir mehr.“

Inzwischen erreichten die Männer das Hauptdorf der Potawatomi und wurden freundlich mit viel Respekt begrüßt. Man setzte sich an das große Ratsfeuer, reichte eine frisch gestopfte und dampfende Pfeife herum und hörte den weitreichenden Neuigkeiten der Besucher zu. Wie immer zog sich so ein Besuchsritual bis tief in die Nacht herein. Während dieser Zeit servierte man zu essen und zu trinken, scherzte, lachte und ließ es sich gut gehen.

Der „Rat der Alten“ stimmte dem Vorschlag von Pontiac nur dann zu, wenn der „Rat der Alten“ aus dem Lager der Anishinabe der Allianz der drei Stämme vertraute.

Pontiac und seine Krieger überquerten mit ihren Kanus die enge Wasserstraße zwischen dem Lake Huron und dem Lake Michigan. Sie fuhren an der dortigen Küste entlang, bis sie den schmalen Durchlass zu einer weiten und sehr geschützten Bucht erreichten. Schon die dortige Größe des Indianerdorfes und die geschmückten Häuptlingszelte zeigten den Wohlstand dieses Stammes.Ein Signalhorn kündigte ihre Ankunft an. Viele Kinder rannten zum Ufer und erwarteten lärmend den Besuch.

Pontiac wurde von den Kindern umringt, bewundert und mit Fragen bestürmt. Man kannte ihn aus anderen Besuchen, denn Pontiacs Mutter war eine Anishinabe und mit vielen hier aus dem Dorf verwandt. Er beantwortete geduldig ihre Fragen, strich lächelnd dem einen oder anderen über den Kopf.Verfolgt von seinen Kriegern erreichte er die Mitte des Dorfes und begrüßte Häuptling Uduelet, ein Bruder von Pontiacs Mutter, der sich bereits dachte, was Pontiac bewegte. Er nickte und meinte zu Pontiac:

„Wir wissen bereits um die gespannte Lage zwischen dir, den Franzosen und den Engländern. Ich sehe dir an, dass du kämpfen musst, ob du willst oder nicht. Was können wir für dich tun?“

„Ich komme gerade von unseren Verwandten, den Potawatomi. Ich warb um eine Allianz zwischen unseren Völkern. Gemeinsam wären wir eine starke Einheit. Man sagte mir, dass sie einer Zusammenarbeit zustimmen, wenn ihr als Anishinabe im Kampf gegen die Engländer mitwirkt. Kann ich mit euch rechnen?“

Der Häuptling schaute Pontiac lange und ernst an. Dann meinte er:

„Mein Sohn, es werden viele Männer sterben, auch welche von uns. Ich spreche heute noch mit dem „Rat der Alten“. Morgen früh kennst du unsere Antwort."

Der „Rat der Alten“ stimmte dem gesamten Antrag zu, weil sich die indianischen Stämme auf Dauer nicht aus diesen Kriegen heraushalten konnten.Pontiac kehrte erleichtert und zufrieden mit seinen Kriegern zurück, um sich intensiv auf eine neue Situation einzustellen.

Die Weichen sind gestellt

Dichte Nebelschwaden zogen langsam über den morgendlichen Lake Huron. Immer wenn der unruhige Wind seine leichten Böen versandte, konnte man eine sehr große Armada indianischer Kanus ausmachen. Man hörte nur das leichte Plätschern der Stechpaddel, als sie im Gleichtakt mit viel Kraft durch das Wasser gezogen wurden. Etwa 300 ausgesuchte Krieger der Potawatomi und der Anishinabe bewegten sich schweigend auf das Gebiet der Ottawa zu. Im Schlepp zogen einige Kanus Kriegszelte, Waffen, Kleidung für den bevorstehenden Winter und Verpflegung für mehrere Wochen.

Die Krieger hatten sich mit ihren Unterhäuptlingen in Gruppen aufgeteilt, die dann in den bevorstehenden Auseinandersetzungen die Anweisungen von Häuptling Pontiac entgegen nehmen sollten. Sie wurden bereits erwartet, als ein Signalhorn das entsprechende Kriegsdorf über ihr Kommen unterrichtete. Man schulterte die leichten Kanus, die Waffen und die Verpflegung, um sie am Rand des eingerichteten Dorfes unter Zeltbahnen zu verstauen. Die mitgebrachten Kriegszelte bauten die Krieger in wenigen Augenblicken auf und richteten sich auf einen langen Aufenthalt ein.

Viele Lagerfeuer brannten, man stimmte sich gemeinsam auf eine kriegerische Zeit ein. Der Schamane tanzte im Kreis, sang alte indianische Weisen, wobei ständig seine Arme wie im Hilferuf zum Himmel gestreckt wurden. Die Krieger sprangen auf und bewegten sich im Rhythmus der großen Kriegstrommeln, die eine ständig widerkehrende Geräuschnuance wiedergaben, um die Krieger in einen Kriegstanz zur Extase begleiteten. Dabei schrien sie mit ihren kehligen Stimmen ihre Wünsche in den vom Vollmond hellerleuchteten Himmel.

Die Kriegsschreie gehörten zu einem bestimmten Ritus Jahrhunderte alter Kriegsgesänge. Immer schneller bewegten sich die Krieger im Kreis, niemand von ihnen verspürte jetzt eine Müdigkeit; die Augen weit aufgerissen, die Liedfolgen wurden schriller und schriller, der Schamane tanzte in der Mitte und ermunterte durch seinen wirbelnden Kreistanz die Krieger. Hier holten sie sich die Kraft für bevorstehende Aktionen. Vom Jenseits aus wollten sie ihren möglichen Nachkommen von dieser Zeit berichten, immer bereit, bis in den ehrenvollen Tod zu gehen. Ganz plötzlich stoppten die Kriegstrommeln und die Indianer sanken auf ihren Platz. Der große Geist würde sich ihrer annehmen, sie beschützen und ihnen die Kraft für große Geschehnisse geben. Sie waren zum Kampf bereit, ihr Häuptling Pontiac würde sie führen.

Einige Kilometer weiter stimmten sich die Briten auf die ersten überlegten Kampfhandlungen ein. In jeder Stunde des Tages jaulte eine der übergroßen Kanonenkugeln in die Mauern von Fort Beauséjour der Franzosen und riss dicke Gesteinsbrocken aus den Außenmauern. Einige der französischen Kanonen wurden dabei heruntergerissen. Ziel dieser Aktion sollte die Herausforderung zum Waffengang und die ständige Unruhe unter den französischen Soldaten sein.

Major Chevalier de Gaston stand am Wehrgang und schaute auf die Schäden, die diese Kanonen hinterlassen hatten. Er dachte: hätten wir doch nur diese Feuerkraft der Briten. Mit den wenigen Kugeln und dem fast verbrauchten Vorrat unseres Schießpulvers müssen wir uns zurückhalten.

Jean Martin suchte seinen Vorgesetzten und fand ihn neben den letzten beiden einsatzfähigen Kanonen. Er meinte:

„Major de Gaston, wir haben noch sechs Kugeln und etwas Schießpulver für vielleicht vier Schuss. Geben Sie den Befehl, unsere letzte Möglichkeit einzusetzen, sonst schießen sie uns diese Kanonen auch noch von der Mauer. In wenigen Minuten wird die nächste Kugel erwartet.“

„Leutnant Martin, Sie wollen mir doch keine Vorschriften machen, wann ich einen Angriff zu führen habe und wann nicht. Wir verhalten uns ruhig und ignorieren einfach diesen Beschuss. Sie fordern uns heraus, wollen unsere Stärke testen. Nein, nein, Herr Leutnant, vor dem Frühjahr werden sie uns nicht angreifen, bis dahin sind wir vor den Briten sicher.“

„Major de Gaston, wenn der Fluss zugefroren ist, wird es für die Briten ein leichtes sein, uns zu überrennen. Und dieser Zustand wird dieses Jahr viel früher geschehen, weil sich auch der Indian Summer so früh gemeldet hat.“

„Leutnant Martin, ihre Voraussagungen entbehren sämtliches Verständnis für die Natur. Das sind Indianerregeln, den man so wie so nicht trauen kann. Gehen Sie wieder auf ihren Posten und vertrauen Sie einem langgedienten Soldaten.“

Kaum hatte Jean Martin die Wehrgänge verlassen, schlug ganz pünktlich eine 12-Pfünder-Kugel in den oberen Wehrbereich ein, riss riesige Löcher in die Wehrgänge und ließ nur noch eine der übriggebliebenen Kanonen an seinem Platz. Major de Gaston und die drei Wachen zerrissen durch die Kugel in viele Teile. Letzte Körperfetzen zeigten ihre bisherige Existenz. Ihre blutigen Reste verteilten sich auf vielen Teilen des zerstörten Wehrganges.

Jean Martin rannte zum zerstörten Wehrgang und blickte auf eine Menge menschlicher Überreste, die sich an den beschädigen Mauerresten verteilten. Traurig schaute er auf die Stelle, wo vor wenigen Minuten dem Major noch riet, die letzten Pulverreserven zu verschießen. Jetzt zeigte sich die traurige Antwort auf die bittere Vorhersage.

Jean Martin veranlasste sofort mit den letzten vier Kugeln und Pulverresten das britische Fort Lawrence zu beschießen. Die dicken 12-Pfünder zerschlugen im Gegenüber die vorderen Wehrgänge und hoben zwei Kanonen aus ihrer Befestigung.Wieder knallte eine schwere Kugel in die äußere Befestigung und sorgte für große Aufregung unter den Briten. 

Die Briten antworteten, konnten aber nicht verhindern, dass eine dritte französische Kugel eine der Kanonen im britischen Verteidigungsring zerstörte.Wieder antwortete eine britische Kanone und riss ein riesiges Loch in die Außenmauer zum Fluss.

„So Jungs, macht euch fertig“, rief Leutnant Jean Martin, „dies sind unsere letzten Grüße, die wir auf die andere Seite schicken können. Sattelt die Pferde, ladet alles auf, was uns im kalten Winter nützlich sein kann. Warme Kleidung, Zelte, Werkzeuge wie Äxte und Sägen, alle Ersatzmusketen und Messer. Wir werden einen Krieg aus den Wäldern führen müssen, oder wir gehen in eine brutale Gefangenschaft. Wenn ihr fertig seid, ruft uns zu, damit diese 12 Pfund noch einmal ein paar Briten kitzeln.“

Jean Martin kauerte hinter den Resten des Wehrgangs und schaute auf die andere Seite des Flusses, wo gerade die Briten mehrere Kanonen für einen Feuerüberfall luden.

„Wir haben alles gepackt, wir können uns verziehen.“

„Feuer“, rief Leutnant Jean Martin zum letzten Mal seinem Kanonier zu, der ihn freudig angrinste.

Sie kamen den britischen Kanonieren zuvor und donnerten die schwere Kugel in die Vorbereitungen der Briten. Es ertönte ein wildes Geschrei, man hörte laute Flüche mit dem Gewimmer vieler Verletzten, weil der Wind sich gedreht hatte und deutlich alle lauten Geräusche zu ihnen herüberschallen ließ. Die restlichen 52 französischen Milizionäre des Forts Beauséjour verließen die gewohnten Schutzmauern, um sich in den anliegenden Wäldern für die Briten unsichtbar zu machen.