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Nr. 71

 

Die goldene Riesin

 

von Peter Terrid

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, durch das Tor zum Anderswo verlassen.

Anderswo – das ist Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, die lebend zu erreichen den wenigsten Reisenden vergönnt ist.

Mythor hat es jedenfalls mit Hilfe von Zahda, der Zaubermutter, geschafft. Er ist unversehrt nach Vanga gelangt, wo er schon von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wird.

Während der Sohn des Kometen mit seinen Gefährten inzwischen die Insel Gavanque, wo er im Krieg der Hexen eine Schlüsselrolle spielte, verlassen hat und neuen Abenteuern entgegenzieht, wenden wir uns wieder dem Geschehen auf Gorgan zu. Dort beschäftigt uns das Schicksal Luxons.

Luxon oder Arruf, wie er sich wieder nennt, ist als Leibwächter des Prinzen Iugon in dessen Hochzeitszug unterwegs nach Hadam. Doch der Weg ist lang und gefahrvoll. Luxon, dessen eine Hand sich in der Gewalt eines Pfänders befindet, muss gegen sich selbst kämpfen. Außerdem trifft er auf DIE GOLDENE RIESIN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Arruf alias Luxon – Der wahre Shallad als prinzlicher Leibwächter.

Iugon – Ein Prinz auf dem Weg zu seiner Vermählung.

Dryhon – Ein hinterhältiger Magier.

Berberi – Königin von Erron.

Secubo – Ein Meister der feinen Küche.

Heter – Die goldene Riesin erwartet neue Opfer.

1.

 

Schwer lagerte dunkles Gewölk über der Stadt. Der Abend war heraufgezogen; die Zeit war gekommen, die Ereignisse des Tages zu bedenken.

Dunkel wie der nächtliche Himmel und ebenso schwerlastend wie die gewittrigen Wolken über der Stadt drückten die Sorgen auf dem Gemüt des Mannes, der eine karge Mahlzeit einnahm.

Der Silberne war finsteren Sinnes. Gamhed, Kriegsherr in der Ewigen Stadt Logghard, hatte wenig Grund, eine glatte Stirn zu zeigen. Probleme gab es, wohin er auch blicken mochte.

Abgeriegelt war die Ewige Stadt. Der Zugang war versperrt, zu Land durch die Krieger des Shallad Hadamur, auf dem Meer durch die Flotte des Herrschers. Keine Maus schien durchschlüpfen zu können.

»Vier Monate«, flüsterte der Mann.

Gamhed stand auf, ging schweren Schrittes hinaus auf den Balkon. In der Ferne verglomm der letzte Rest des Tageslichts. In den Straßen Logghards wurden die Fackeln angesteckt. Aus zahlreichen Fenstern fiel warmer Lichtschein auf die Straßen – aber es gab auch viele Fensterhöhlen, die leer und blind blieben.

Vier Monde waren vergangen, seit der falsche Luxon gestorben war. Eine lange Zeitspanne im Kampf um eine belagerte Stadt.

Schlimmer noch als Kampfgetümmel und der Anblick immer gefährlicheren Kriegsgeräts war der Fraß von innen. Die Verzweiflung griff langsam nach den Logghardern. Nicht nur die dort Geborenen ließen den Mut sinken, auch die anderen, die in der Ewigen Stadt lebten, verfielen der Trübsal. Die Gedanken wurden immer zweifelnder, und dieser Fraß verbreitete sich mit großer Geschwindigkeit.

»Was tun?«

Gamhed stützte den Kopf in die abgewinkelte Rechte. Er trug schwer an der Verantwortung für Logghard und die Bewohner der Ewigen Stadt. Je länger sich Logghard hielt, dem Ansturm der Truppen des Shallad Hadamur trotzte, um so härter und grausamer würde die Strafe ausfallen, wenn Hadamurs Truppen die Stadt stürmten und schleiften.

Gamhed konnte sie sehen.

In weitem Ring umgürteten die Zelte die Stadt, und in diesen Stunden loderten allenthalben die Lagerfeuer auf, so zahlreich, dass allein durch ihren Anblick der Mut der Verteidiger sank.

Wäre doch nur ein Lebenszeichen von Luxon zu bekommen gewesen. Die Loggharder wären damit zufrieden gewesen, hätten sie sichere Kunde über den Verbleib des Mannes bekommen, der als rechtmäßiger Shallad angesehen wurde.

Überall, in allen Teilen des Riesenreichs, das sich Hadamur zu Unrecht angeeignet hatte, schwärmten die Späher des Silbernen umher, suchten sie nach Menschen, denen Luxon begegnet war.

Buruna gehörte zu diesen Spähern. Zusammen mit Lamir von der Lerchenkehle war sie gen Osten gereist, auf der Suche nach Luxon. Von beiden fehlte die Kunde ebenso wie von vielen anderen.

Kalathee hatte sich durch einen Boten bei Gamhed gemeldet. Sie sei als Büßerin unterwegs, werde sich der Sache Luxons annehmen. Was davon zu halten war, vermochte Gamhed nicht zu sagen.

Ein Seufzer entrang sich der Brust des Mannes.

Hinter ihm erklang ein Geräusch. Der Schaft eines Speeres, hart auf den steinernen Boden gestoßen.

»Tritt ein!«, sagte Gamhed. Schrittgeräusche näherten sich langsam.

Der Silberne sah hinaus auf die Stadt. Wie lange würde sich Logghard halten können? Tage noch? Wochen?

Gamhed drehte sich herum. Ein Mann war eingetreten, die Kleidung staubig, das Gesicht von Müdigkeit gezeichnet. Quer über die Stirn lief eine dünne, gerade erst verheilte Wunde.

»Du bist durch den Belagerungsring geschlüpft?«, fragte Gamhed den Mann. Er wies mit einer Handbewegung auf den Sessel.

Der Mann blieb stehen.

»Hrobon sendet mich«, berichtete er mit leiser Stimme. Er war zum Umfallen müde.

»Wo ist Hrobon jetzt? Noch einmal – nimm Platz!«

Erst nach dieser lauten Aufforderung sank der Bote entkräftet auf den Sessel. Bei einer heftigen Bewegung riss die Stirnwunde ein wenig auf. Ein Blutfaden sickerte über die Stirn.

»Bei Odam, dem Prinzen der Düsternis«, vermeldete der Bote. »Er lässt dich grüßen – es geht ihm gut.«

Gamhed neigte den Kopf.

»Hrobon lässt dir melden«, fuhr der Bote fort, während Gamhed ihm aus einem Krug klares Wasser in einen Becher einschenkte – Wein war kostbar geworden in Logghard – und dem Boten darreichte, »dass er eine Spur des Shallad gefunden zu haben glaubt.«

Der Bote unterbrach sich, um den Trank hinunterzustürzen. Danach klang seine Stimme klarer.

»Was weiß man über Luxon?«

»Viel ist es nicht«, sagte der Bote des Heymal. »Hrobon hat herausgefunden, dass irgendwelche Leute, sehr üble Menschen, Luxon wie eine Ware verhandelt und verkauft haben. Die Spur verliert sich in der Düsterzone.«

Gamhed stieß eine halblaute Verwünschung aus.

»Hrobon lässt dir weiter sagen, dass er die volle Unterstützung Odams hat und mit seiner Hilfe die Nachforschungen weitertreiben will. Sobald er neue Erkenntnisse gefunden hat, wird er dich durch Boten unterrichten.«

»War es schwierig, die Sperre zu überwinden?«

Der Bote lächelte verhalten.

»Ja und nein«, sagte er. »Es hängt davon ab, wie schlau und geschickt die Maus ist, die durchschlüpfen will.«

Gamhed erwiderte das Lächeln.

»Lass dir zu essen geben und ruhe dich aus. Wenn du erwacht bist und dich gestärkt hast, dann suche mich bitte auf. Ich brauche auch Kenntnisse über die Belagerung.«

Der Bote stand auf, verneigte sich höflich und zog sich dann zurück.

Gamhed war wieder allein.

Der Bote hatte ihn nicht sehr beruhigen können. Die Sorgen blieben, und die wenigen Kenntnisse über Luxon konnte man den Menschen in Logghard schwerlich als meinungsstärkendes Kraftfutter anbieten, wenn allenthalben der Belagerungsgürtel enger und enger gezogen wurde.

 

*

 

Secubo hielt sich im Hintergrund. Er wollte abwarten, wie sich der Abend entwickelte.

Seine Gedanken kreisten um drei Dinge. Zum einen beschäftigte er sich mit dem köstlichen Edelstein, den er gefunden und im Aufbau von Königin Berberis Diromo verborgen hatte.

Das zweite Problem war die Sorge, wie das von ihm kunstreich hergestellte Mahl an diesem Abend ankommen würde – Königin Berberi hatte durch Arruf den Prinzen Iugon zum Mahl einladen lassen. Secubos Künste hatten also ihre Nagelprobe vor sich.

Das dritte Problem war eben dieser Bursche Arruf, der sich bei der Königin einige Freiheiten herausgenommen hatte, ohne dafür um seinen dunkelhaarigen Kopf kürzer gemacht worden zu sein.

Nicht, dass sich der Koch der Könige um so weltliche Dinge wie die Sinnenlust seiner Herrscherin bekümmert hätte – mochte Berberi auf ihren Pfuhl zerren, nach wem immer ihr auch der Sinn stand, wenn sie nur nicht in Secubos Küche auftauchte.

Aber Secubo war der einzige, der die neue Affäre mit Arruf zufällig entdeckt hatte – und solche Mitwisserschaft konnte leicht das Leben kosten. Secubo aber, nun als Edelsteinbesitzer ein wohlhabender Mann, hing sehr an seinem Leben. Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Edelsteins gedachte er dieses künftige Leben angenehm und üppig zu gestalten. Einstweilen war Secubo mit seinen Sorgen allein. Seine Gehilfen waren mit Vorbereitungsarbeiten beschäftigt, während Secubo das Festzelt überprüfte, in dem der feierliche Empfang stattfinden sollte.

Das Gefolge der Königin Berberi war bestens gerüstet für solche Ereignisse. Nicht nur, dass Berberi in Gestalt Secubos den besten aller Köche beschäftigte, sie hatte auch alles mitführen lassen, was zu einer standesgemäßen Lebensführung gehörte.

Reichlich waren Polster und Kissen auf dem Boden verteilt worden, auf einem langen Tisch glänzten blankpolierte Trinkgefäße. Secubo sah sich noch einmal prüfend um.

Der Abend würde ein Erfolg werden, da war sich Secubo sicher – an ihm jedenfalls sollte es nicht liegen, wenn Ays und Erronen nicht zu den besten Freunden wurden.

Einer von Secubos Gehilfen huschte in das Festzelt. Secubo bekam den Schlingel, der sich sofort verdrücken wollte, zu fassen. Der Atem des Burschen roch nach Wein – nach gutem Wein, wie Secubo sachkundig feststellte.

»Wenn ich einen von euch an den Amphoren erwische«, sagte Secubo streng und sah dem Frechling in die Augen, »werde ich ihm die Haut abziehen lassen. Hast du das begriffen?«

Der Sünder nickte hastig.

»Dann sag es deinen nichtsnutzigen Freunden.«

Secubo ließ den Lehrling los, der eilig das Weite suchte. Es war ein Kreuz mit diesen Lehrlingen – immerzu naschten oder stibitzten sie.

»Alles vorbereitet?«

Secubo schrak hoch.

Königin Berberi hatte das Zelt betreten. Sie sah hinreißend schön aus, und natürlich hielt sich in ihrer Begleitung der Schwarzbart auf, der auf den Namen Arruf hörte und sich einige handgreifliche Freiheiten bei der Königin erlaubt hatte. Während Berberi erkennbare Zufriedenheit ausstrahlte, machte Arruf ein mürrisches Gesicht. Gefiel ihm die Königin etwa nicht?

»Es steht bestens«, behauptete Secubo. »Die Gäste können erscheinen.«

»Sie sind bereits unterwegs«, wusste Arruf zu berichten.

Secubo nickte. Es wurde also Zeit, die letzten Vorbereitungen zu treffen.

Er verließ das Festzelt durch den hinteren Eingang. Dort standen die dickbauchigen Gefäße mit Öl und Wein. Noch waren die Siegel unverletzt – der Himmel allein mochte wissen, wie es die Lehrbuben immer wieder schafften, an den kostbaren Wein heranzukommen, ohne die Siegel zu verletzen. Fast bedauerte es Secubo, dass er in seiner Lehrzeit so brav gewesen war – offenbar waren ihm einige kluge Tricks entgangen.

Knapp zwanzig Schritte hinter dem Festzelt lag Secubos Reich, das Küchenzelt. Verlockende Düfte schlugen dem Koch entgegen, als er sein Zelt aufsuchte.

Ein rascher Rundblick – auch hier sah alles gut aus. Secubo rieb sich die Hände. Der Abend versprach ein voller Erfolg zu werden.

In der nächsten Stunde kam er nicht mehr dazu, die Hände zu reiben – es galt, die vorbereiteten Speisen und Getränke in das Festzelt zu schaffen. Vor allem die riesige Überraschungspastete erforderte ein Höchstmaß an Arbeit und Konzentration. Zu sechst schafften Secubo und seine Helfer das riesige Backwerk in das Zelt.

Die Reihen der Gäste füllten sich allmählich. Je nach Rang und Ansehen erschienen zuerst die minderen Gäste, die sich auf den hinteren Polsterreihen niederzulassen hatten. Die edleren Herrschaften tauchten später auf und ließen sich im mittleren Kissenring nieder. Im Brennpunkt des Runds stand der Thronsessel für die Königin, neben ihr der Ehrenplatz für Prinz Iugon.

Der innere Kreis der Gäste war für das unmittelbare Gefolge der Königin und die edelsten Begleiter des Prinzen bestimmt.

Es gab reichlich Raum zwischen den einzelnen Sitzgruppen. Dort sollten die Gehilfen des Kochs die Speisen anbieten, außerdem hatte die Königin auch an Kurzweil zur Unterhaltung ihrer Gäste gedacht.

Secubo blieb in der Nähe des Hintereingangs stehen. Von dort aus hatte er einen guten Überblick über das Geschehen.

Die ersten Gäste hatten es sich bequem gemacht. Noch tranken sie den Wein stark mit Wasser verdünnt, aber Secubo entging nicht, dass die Scherze, die dort gewechselt wurden, ein wenig ruppig und soldatisch zu werden begannen. Ein Fingerschnippen ließ den Schankbuben neben Secubo auftauchen.

»Nimm von der anderen Amphore«, bestimmte Secubo. »Der mit dem Siegel des Krötenkopfs.«

Dieser Wein war wohlschmeckend, aber nicht so feurig wie der, den die Krieger im Hintergrund herunterstürzten. Auf diese Burschen galt es ein waches Auge zu haben – womöglich fingen sie gar eine Keilerei mit den Ays an.

»Der Prinz wird binnen kurzem eintreffen?«

Secubo gab mit einem Nicken zu verstehen, dass er die Botschaft verstanden hatte, die Arruf ihm weitergegeben hatte. Der Ay trug den linken Arm an den Körper gepresst, als sei er gelähmt oder sonst wie behindert. Hatte ihm die Königin einen kräftigen Klaps auf diese zudringliche Linke gegeben?

»Ich werde Iugon entgegenreiten«, erklärte Arruf.

»Wann wirst du hier eintreffen mit deinem Herrn?«

Es konnte nichts schaden, wenn man diesem Mann mit seinem selbstsicheren Auftreten ab und an daran erinnerte, dass er dienstbar war wie Secubo auch.

»Iugon und ich werden in Stundenfrist vor deinen Schüsseln erscheinen, Koch. Hüte dich – Iugon besitzt eine feine Zunge.«

»Ich werde die Herausforderung annehmen«, versetzte Secubo mit einem feinen Lächeln.

Das hörte sich verheißungsvoll an – vielleicht nahm Iugon Secubo mit nach Hadam. Secubo wünschte sich nichts sehnlicher – er musste nur vorher den kostbaren Edelstein wieder in seinen Besitz bringen, den er im Aufbau von Berberis Diromo versteckt hatte.

Langsam erschienen auch die höheren Offiziere aus Berberis Gefolge. Secubo ließ knuspriges Backwerk reichen, das er in heißem Fett gesotten hatte. Er wusste, dass die Süßigkeiten schwer im Magen lagen und einen guten Untergrund abgaben für das folgende Gelage, bei der manche Amphore geleert werden würde.

Bei den Offizieren erntete Secubo ersten Beifall, den er mit gelassenem Wohlwollen zur Kenntnis nahm.

»Was verbirgst du unter dem Linnen, Koch?«, rief einer der Krieger. Er deutete auf die Überraschungspastete.

»Das darf ich nicht verraten«, erwiderte Secubo.

Das Spiel, das sich daran entzündete, half Secubo, die Stunde des Wartens zu überstehen – er ließ sich nicht dazu hinreißen, auch nur ein Wort zuviel zu sagen, während die Offiziere ihn lockten und auch bedrohten, wenn er nicht auf der Stelle das Geheimnis lüftete.

Erst das Erscheinen der Königin beendete den Wortwechsel.

Hätte sich Secubo zu jener Unart hinreißen lassen, wie sie bei den grobsinnigen Kriegern üblich war, so hätte er beim Anblick Berberis laut gepfiffen.

Die Königin trug ein Goldgewirk, mit Edelsteinen und kostbaren Federn besetzt. Wären die Steine und die Federn nicht gewesen, hätte man das Kleid als eine Art Netz bezeichnen müssen – ein Netz für reichlich große Fische. Den Offizieren jedenfalls quollen beim Anblick ihrer verführerisch schönen Königin schier die Augen aus dem Kopf.

Dazu nahm Secubos geübte Nase wahr, dass sich die Königin mit einem Duftwasser gesalbt hatte, das selbst einer marmornen Statue ein Gefühl von Siedehitze hätte vermitteln müssen.

»Nehmt Platz!« Berberi forderte mit anmutiger Gebärde die Gäste zum Sitzen auf. Ein Teil der Offiziere musste förmlich angestoßen werden, um wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden, so benommen waren die Männer vom Anblick Berberis.

Wenn alle Töchter des Shallad Hadamur von solchem Liebreiz waren, wunderte es nicht, wenn er mit seiner Heiratspolitik solche Erfolge erzielte, überlegte sich Secubo. Berberi nahm eine Trinkschale auf und winkte Secubo heran.

Secubo füllte die flache Schale aus Ton mit wenig Wein. Der Duft des Getränks mischte sich mit dem von Berberis Salböl, und diese Mischung ließ Secubos Herz förmlich Purzelbäume schlagen. Schweiß trat auf seine Stirn. Berberi sah es, erkannte selbstverständlich die Ursache und lächelte verhalten.

Secubo war heilfroh, als er einen Schritt zurücktreten und nach Luft schnappen konnte.

2.

 

Einer der Lehrjungen fasste Secubo am Arm. »Sie sind eingetroffen.«

Secubo hatte verstanden. Prinz Iugon und sein Gefolge waren zum Mahl erschienen.

»Als erstes den Willkommenstrunk«, bestimmte Secubo. Er hatte sich dafür etwas Besonderes einfallen lassen – Würzwein, den er erhitzt und mit einem kräftigen Schnaps angereichert hatte.

Ein Ay-Krieger erschien und baute sich vor der Königin auf. Der Kerl stierte die Königin so augenquellend an, dass Secubo ihn am liebsten geohrfeigt hätte.

»Prinz Iugon von Ayland!«

Die Wachen am Eingang richteten die gefällten Speere auf. Secubo konnte nichts sehen, weil er ungünstig stand – aber er erkannte in den Gesichtern der Wachen einige Verwunderung.

Als erster erschien Arruf, der mit grimmigem Gesicht auf die Königin zutrat, dann zur Seite schwenkte und sich am Rand des Gelages aufbaute.