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Nr. 148

 

In den Klüften der Unterwelt

 

von Peter Terrid

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Die Entscheidungsschlacht zwischen den Heeren des Lichts und der Finsternis wurde abgebrochen. Der Lichtbote griff ein und verhinderte den Sieg der Dunkelmächte, indem er durch sein Erscheinen Vangor ins absolute Chaos stürzte und die Kräfte beider Seiten zersplitterte.

Viele starben bei den Katastrophen, die das Gesicht der Welt veränderten. Doch Mythor, der Sohn des Kometen, rettet sich hinüber in den Morgen einer neuen Zeit. Mythor hat einen Auftrag zu erfüllen. Denn bevor der Lichtbote Vangor verließ und zu anderen Welten weiterzog, forderte er den Sohn des Kometen auf, Ordnung in das herrschende Chaos zu bringen, Inseln des Lichts zu gründen und den Kampf gegen das Böse wiederaufzunehmen.

Aber als Mythor in der veränderten Welt erwacht, ist er seiner Erinnerung beraubt. An der Seite der jungen Ilfa, die ihn aus der Gefangenschaft einer Hexe befreite, findet sich unser Held unversehens in einen Strudel gefahrvoller Abenteuer hineingezogen.

Im Bestreben, seine Erinnerung zurückzugewinnen, schlägt Mythor den Weg eines Lichtkämpfers ein. Er wendet sich gegen Kalaun, den Herrn des Chaos, und gerät dabei prompt in Gefangenschaft. Mythors Helfer jedoch sammeln sich IN DEN KLÜFTEN DER UNTERWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Fryll – Ein »tapferer« Schrat.

Wroggo – Herrscher der Unterwelt.

Mythor – Der Lichtkämpfer misst sich mit den Priestern des Finstergotts.

Ilfa und Torcay – Mythors Gefährten.

Roar – Der Kruuk trifft wieder auf Mythor.

1.

 

»Später«, verkündete Emmil mit vollem Mund. »Jetzt nicht.«

»Eines Tages wirst du platzen«, prophezeite Nuriau boshaft. »Dein Leib wird immer mehr aufquellen, und du wirst eines jammervollen Todes sterben.«

Emmil sah ihn strahlend an. Fryll grinste in sich hinein. Nuriau erging sich wieder einmal in düsteren Prophezeiungen. Jeder wusste, dass sie so gut wie nie eintrafen, und das erklärte auch Emmils zufriedenes Gesicht. Jetzt konnte er sicher sein, dass er seine siebte Mahlzeit des Tages überleben würde – wahrscheinlich auch die anderen.

Fryll musterte seine Schar. Der Anblick der Gefährten war wenig dazu angetan, das ohnehin umdüsterte Gemüt des Schrats aufzuhellen. Eine fabelhafte Schar hatte er da beisammen – jeder einzelne ein Hasenfuß wie Fryll. Emmil, der rundliche Vielfraß, schien nur eines im Kopf zu haben – essen und essen und abermals essen, mitunter auch trinken. Seine ständigen Pausen, in denen er nach allem schnappte, was nur verschlingbar war für seinen allesverdauenden Magen, hielten die ganze Gruppe auf. Dafür beschleunigte er den Vormarsch, wenn es einmal einen Abhang hinunterging. Selten konnte sich Emmil dabei gerade auf den Beinen halten, meist purzelte und rollte er kopfüber hinunter und zwang die anderen, ihm mit weiten Sätzen zu folgen.

Nuriau nervte die Gruppe mit seinen unheilschwangeren Sprüchen. Auch wenn sie fast nie eintrafen, so legte sich sein ständiges Unheilgerede doch immer wieder auf die Gemüter.

Mit Voriber war es nicht besser. An allem und jedem hatte er etwas auszusetzen, ein wahrer Plagegeist. Auch jetzt schnitt er ein missmutiges Gesicht.

Als Prunkstück eines Schrats konnte auch Mirger nicht gelten. Zwar war er der größte und kräftigste weit und breit mit seinen vier Fuß und zwei Handbreit Körpergröße, aber er traute sich nicht, seine Kraft richtig einzusetzen. Stattdessen widmete er sich – wie auch jetzt – seiner großen Pfeife. Die Waldgeister allein wussten, was für Kräuter er hineinzustopfen pflegte – meist roch es scheußlich, nicht selten war irgendein Zauberkraut in die Mischung geraten und verursachte die aberwitzigsten Zwischenfälle. Mit Schaudern dachte Fryll an jene Nacht, in der Mirger ein Kraut verpafft hatte, das die Bäume in weitem Umkreis zum Singen gebracht hatte. Ein derartiges Geheule hatte man noch nie gehört, und an Schlaf war nicht zu denken gewesen.

Blieb noch Lomik, der in etwa Frylls Statur hatte, dazu rote Haare und ein überbordendes Temperament. Leider schlug sich diese Lebhaftigkeit meist nur in einer nervenzermahlenden Geschwätzigkeit nieder; wenn es ernst wurde, nutzte Lomik sein Temperament zu atemberaubenden Absetzbewegungen. Er war zweifelsfrei der flinkste Flieher weit und breit.

Auch Fryll, Anführer dieser seltsamen Heldenbrigade, fühlte sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Ringsum lauerten Gefahren, und es gab niemanden, der den Schraten hätte zu Hilfe kommen können. Ganz im Gegenteil – sie hatten sich vorgenommen, ganz gegen ihre Gewohnheit, einem anderen mit Mut und Tatkraft zu helfen. Völlig freiwillig war dieses Unternehmen jedoch nicht – die Krause Tildi hatte der Entschlusskraft der Schrate kräftig nachgeholfen.

»Unheimlich ist es hier«, murmelte Lomik.

»Wieso?«, fragte Emmil zurück. »Es schmeckt doch hervorragend. Wollt ihr auch etwas?«

Dass er zu teilen bereit war, zeigte an, dass der gröbste Hunger gestillt war – ein Appetit, der einem Rudel Raubtiere Ehre gemacht hätte. Für Emmil war es nur ein Zwischenimbiss.

Fryll stieß einen Seufzer aus.

Er wusste, dass die kleine Expedition mit jedem Tag tiefer in die Gefahren hineinmarschierte. Hinterwald hatten sie längst hinter sich gelassen, das Gebiet des Finsterwaldes war durchquert. Die Landschaft, durch die sich die wackeren Sieben jetzt vorwärts arbeiteten, wurde Schattenwald genannt.

Man konnte diesen Landstrich getrost zum inneren Herrschaftsbereich des Herrn des Chaos rechnen; der Schattenwald war sein Land, und wehe dem, der sich erfrechte, darin ohne seine Erlaubnis herumzustreifen.

»Genug jetzt!«, bestimmte Fryll. Die Rolle des Anführers behagte ihm gar nicht, wurde doch von ihm erwartet, dass er sich durch Umsicht und Tapferkeit auszeichnete. Das aber waren Eigenschaften, die bei den Schraten nicht eben üppig ausgeprägt waren.

Die anderen sechs stellten ihre Tätigkeiten ein. Fryll warf noch einen Blick auf den morschen Baumstamm, neben dem Mirger geruht hatte. Der Rauch seiner Pfeife hatte aus dem fauligen Holz eine Reihe prachtvoller Blüten treiben lassen. Schade, dass sie zu nichts nutze waren, kämpfen konnte man damit jedenfalls nicht.

»Ich gehe voran«, entschied Fryll. »Mirger, du bleibst an meiner Seite.«

Gehorsam stapfte Mirger neben Fryll durch das dichte Unterholz. Es war nicht leicht, vorwärts zu kommen, jeder Schritt musste freigeräumt werden, nur ab und zu fanden die Schrate einen ausgetretenen Pfad, auf dem sie ein wenig leichter ausschreiten konnten.

»Was mag das für ein Tier gewesen sein?«, fragte Fryll, als sie wenig später einen Wildwechsel erreichten. Die Bahn, die das unbekannte Tier, wohl auf dem Weg zu einer Wasserstelle, ins Unterholz getrampelt hatte, war breit genug, dass drei Schrate nebeneinander gehen konnten.

»Es muss ungeheuer groß gewesen sein, wie ein Pferd, oder noch größer.«

»Hm«, machte Fryll. Eine Waldbestie, die eine drei Schrate breite Bahn durchs Gehölz schlug, war ohne weiteres in der Lage, sieben Schrate zu verspeisen, falls man ihr in die Fänge geriet.

Die Entscheidung lag auf der Hand – entweder mühsames Fortkommen und leidliche Sicherheit, oder bequemes Wandern mit einer unbekannten Gefahr im Hintergrund.

Fryll warf einen Blick auf die Wueler, die um die Beine der Schrate wieselten, die meisten angeleint. Die Wueler reichten den Schraten bis an die Gürtel, mit ihren breiten, verhornten Vorderpranken konnten sie in Windeseile tiefe Löcher in den Boden graben, in denen sich auch die Schrate verstecken konnten. Da die Wueler dieser Tätigkeit mit unermüdlicher Emsigkeit nachgingen, konnten sie sogar regelrechte Tunnels durch den Boden wühlen. Im Gefahrenfall fanden die Schrate so ein sicheres Versteck vor ihren Feinden.

»Wir folgen dem Pfad«, entschied Fryll und packte sein Bündel fester. In der Rechten hielt er den knorrigen Stecken, dessen wulstiger Knauf über Frylls Schädeldach hinausragte. Er war Frylls wichtigste – genaugenommen die einzige – Waffe, falls es zum Kampf kam.

»Es wird ein Unglück geben«, orakelte Nuriau. »Ich spüre es ganz deutlich. Schlechte Vorzeichen, sage ich euch.«

»Halt den Mund«, fauchte ihn Fryll an. Er hatte genug an der eigenen Furchtsamkeit zu tragen, Nuriaus Angstmacherei machte alles nur noch viel schlimmer.

Dass es den anderen nicht besser erging als ihm selbst, merkte Fryll, als er sich ab und zu nach seinen Gefährten umwandte. In Wirklichkeit hielt er Ausschau, ob die furchtbare Bestie sich schon zeigte – und genau das gleiche taten die anderen auch. Ihre Mienen drückten ihre Befürchtungen deutlich aus.

»Reißt euch zusammen, ihr Hasenfüße«, schalt Fryll die Freunde und verfärbte sich ein wenig; die Ermahnung galt ebenso für ihn.

Die sieben marschierten weiter. Nuriau murmelte vor sich hin und stieß unheilschwangere Laute aus. Emmil, dessen Leben ein unablässiger Kampf gegen die imaginäre Gefahr des Hungertods war, musterte das Land ringsum mit den Augen eines Vielfraßes. Was immer er sah, überprüfte er in Gedanken darauf, wie es wohl schmecken würde. Ab und zu zupfte er beiläufig ein paar Beeren vom Geäst und stopfte sie in sich hinein – wahrscheinlich, um die Kiefermuskeln nicht zu entwöhnen.

Fryll warf einen Blick auf den Boden. Was er sah, ließ ihn noch furchtsamer werden. Deutlich war der Abdruck einer Tatze zu sehen. Sie war breit genug, um Frylls Leib damit zu bedecken, und was die kleinen Löcher im Boden an der Spitze des Abdrucks zu besagen hatten, war Fryll auch klar – Krallen, lang und spitz und mörderisch, wie geschaffen dafür, einem Schrat ... Fryll brach seine Gedanken ab, bevor er vor Angst ohnmächtig werden konnte.

Mirger sammelte unterwegs ein paar trockene Blätter vom Boden auf und stopfte damit seine Pfeife. Ein betäubender Geruch legte sich über den Pfad, und als Fryll sich noch einmal umwandte, sah er eine Heerschar großer roter Ameisen, die sich dem Zug der Schrate angeschlossen hatten. Gleichzeitig tauchte ein Schwarm Vögel auf, der den Ameisenzug als Einladung betrachtete und sich an dem reichlichen Nahrungsangebot gütlich tat. Damit nicht genug, zogen nun auch spitzschnäblige Raubvögel ihre Kreise über dem Zug der Schrate und machten Jagd auf die Insektenfresser.

»Mach die Pfeife aus«, herrschte Fryll seinen Nachbarn an. »Du machst uns den ganzen Schattenwald rebellisch.«

Mirger murrte, aber er gehorchte. Der Baum, an dem er die Pfeife umständlich ausklopfte, fing sofort Feuer und schoss eine Reihe glitzernder Funken über den Weg. Wo diese Funken auf den Boden fielen, hüpften wenig später Frösche zurück ins Gebüsch.

»Sieh dir wenigstens an, was du in der Pfeife verbrennst«, schimpfte Fryll bei diesem Anblick.

»Pah«, machte Mirger. »Von dir lass ich mir nichts vorschreiben. Ich rauche, was mir passt.«

»Und wenn du uns alle damit gefährdest, wie? Was ist dann?«

»Gefährdest, ich? Du träumst wohl. Wenn hier einer für Gefahr sorgt, dann bist du es.«

Die beiden blieben stehen. Zufällig kreuzte der Wildwechsel eine Lichtung, wie geschaffen, um einen Streit auszufechten.

»Hört auf, euch zu zanken«, mahnte Nuriau und gab seiner Stimme einen salbungsvollen Ton. »Es wird unser aller Unglück sein, ich sehe es ganz deutlich.«

»Ich sehe nur, dass Mirger Rauchwolken in die Höhe pustet, die man Reitstunden weit sehen kann. Wenn finstere Mächte über uns hereinfallen, ist es ganz allein seine Schuld.«

»Du bist schuld, du hast dich von der Krausen Tildi dazu überreden lassen hierhinzugehen, und das haben wir nun davon. Wärst du damals ein wenig energischer gewesen, könnten wir uns jetzt irgendwo gemütlich ausruhen ...«

»... und essen«, warf Emmil ein; Fryll bedachte ihn mit einem wütenden Blick.

Fryll hob seinen Stock.

»Ich werde dich lehren, mir zu widersprechen«, drohte er.

»Pah!«, machte Mirger und hob die Fäuste.

»Da hast du!«, keifte Fryll. Er verwandelte den Zauberstab in eine lange grüne Schlange, deren Kopf Mirger entgegenzüngelte. Zu Frylls Überraschung ließ sich Mirger dadurch nicht beeindrucken. Er packte die Schlange an der Gurgel und drückte kräftig zu. Die Schlange verdrehte die Augen, streckte die Zunge heraus und ächzte.

»Hör auf!«, schrie Fryll. »Du machst ihn kaputt!«

»Lass du mir meine Pfeife, dann lass ich dir deinen Stock.«

Fryll verwandelte den Stab in eine langstielige Blume mit Stacheln. Mirger prallte zurück, er hatte sich gestochen. Die Blüte schnappte nach Luft, als Mirgers Griff sich lockerte.

Ehe sich Fryll versah, hatte Mirger seine Pfeife wieder in Brand gesetzt und pustete Fryll eine Rauchwolke ins Gesicht. Fryll hustete. Die Blume ließ schlagartig den Kopf hängen und verfärbte sich.

Fryll begann zu schniefen. Er ließ die Blume fallen, die sich auf dem Boden wieder in den Stab zurückverwandelte.

»Es ist grässlich«, schluchzte Fryll. »Dass wir miteinander streiten müssen. Wo ich dich doch so mag.«

Mirger, der von seinem magischen Rauch ebenfalls etwas abbekommen hatte, rieb sich die Augen und stimmte ein. Die anderen traten näher, und ehe sich's die Gruppe versah, saßen sechs der sieben schluchzend auf dem weichen Moos und bejammerten ihr furchtbares Schicksal.

»Es ist alles so namenlos traurig«, klagte Nuriau. »Wie grässlich, dass alles so grässlich für uns werden wird. Wir werden die Heimat niemals wiedersehen, elend in der Fremde umkommen.«

Feneikel, der wegen seiner erbarmungswürdigen Dürre hinter jedem Schilfhalm Deckung suchen konnte, zitterte vor Angst und Traurigkeit und machte wieder einmal seinem Spitznamen Skelett alle Ehre. Man konnte tatsächlich seine Knochen klappern hören.

»Oh, wie traurig«, ließ sich Lomik hören. »Ich bin so voller Furcht, dass ich nicht einmal mehr weglaufen kann.«

Das Geheul der Schrate war herzerweichend, aber Emmil erreichte es nicht. Er allein war von dem Rauch nicht erreicht worden, und er nutzte die willkommene Rast, sich nach einem Happen umzusehen. Seit der letzten kleineren Mahlzeit war fast eine halbe Stunde vergangen, in Emmils Eingeweiden wütete der Hunger wie ein Waldbrand.

»Fleisch muss es sein«, murmelte Emmil. »Ein großer, saftiger Braten.«

Unternehmungslustig stampfte er im Unterholz herum. Er fand ein paar Beeren, die sehr angenehm schmeckten, aber auf der Zunge ein eigentümliches Gefühl hinterließen. Eine Handvoll Nüsse dazu – aber nirgendwo fand sich der rechte Braten. Allmählich überfiel auch Emmil eine tiefe Trauer. Er dachte daran, wie er bei einer knappen Mannslast Nahrungsmittel pro Tag würde elendiglich verhungern müssen, noch dazu, ohne sich beim Verhungern mit warmen Mahlzeiten trösten zu können, wie er es üblicherweise zu tun pflegte.

»Grauenvoll«, ächzte er erschüttert. »Hungern müssen, und dann nicht einmal etwas zu essen haben. Grässlich.«

Er kam an einen Platz, auf dem ein Sturm ein halbes Dutzend riesiger Bäume gefällt hatte. Der Wind hatte den Haufen mit einer dichten Lage von Blättern und Moos bedeckt, Sand und Erde hatten sich im Lauf der Zeit angehäuft und so eine gemütliche Höhlung geschaffen – der ideale Rastplatz für ein gemütliches Schläfchen und eine ausgiebige Mahlzeit.

Aus dem Innern der finsteren Höhle kam ein freundliches Brummen. War das vielleicht eine Einladung zum Essen?

Emmil trat näher, und der Gastgeber zeigte sich auch prompt.

Emmil stieß einen Schrei aus.

Es war eine Einladung zu einer Mahlzeit, aber nicht so, wie Emmil sich das vorgestellt hatte. Der Schrat sah nur riesige Pranken, gelbliche Augen, die aus Himmelshöhen auf ihn herabzustarren schienen. Was der Ausdruck dieser Augen zu bedeuten hatte, wusste Emmil sofort, und die Speichelfäden im weitgeöffneten, zahngespickten Maul der Bestie ließen keinen Zweifel mehr zu.

»Hilfe!«, schrie Emmil. »Helft mir – ich soll gefressen werden!«

Er wandte sich zur Flucht und stolperte in der Aufregung sofort über seine kurzen Beine. Kopfüber schoss er in das Unterholz. Die Bestie kam brummend näher, und Emmil versuchte sich so klein wie nur möglich zu machen, er rollte sich zusammen.

Eine grässliche Tatze wurde nach ihm ausgestreckt, eine Kralle hakte sich in den Gürtel seines Gewandes, und dann fühlte sich Emmil jäh angehoben. Mit einem Schlenkern beförderte das Untier Emmil ins nächste Gebüsch, kam wieder und setzte das grässliche Spiel fort. Emmil prallte gegen Baumstümpfe und Felsen, und er pries die Tatsache, dass ihn eine stattliche Polsterung vor allzu hartem Aufprall bewahrte.

Sein Kreischen und Jammern hallte durch den Schattenwald, aber niemand kam, dem Unglücklichen beizuspringen. Als Emmil für einen Herzschlag wieder Luft bekam, nahm er die Beine in die Hand und rannte los, was Beine und Lungen hergaben. Das Untier trabte gemütlich brummend hinter ihm her.

Seltsam, je länger Emmil lief, um so leichter fiel es ihm. Er wurde immer schneller und raste zurück zum Lagerplatz. Dort angekommen, fand er die Gefährten in Traurigkeit aufgelöst vor, einander umarmend und unter Tränen die ewige Freundschaft versichernd.

»Helft mir!«, kreischte Emmil. »Er ist hinter mir her.«

Die Schrate schraken hoch. Im nächsten Augenblick war das Untier da – riesig erschien es am Rand der Lichtung, dann ließ er sich auf allen vieren nieder und kam mit unglaublicher Geschwindigkeit herangetrabt.