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Wilfried A. Hary

STAR GATE – das Original: Die 2. Kompilation





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

STAR GATE – das Original:

 

Die 2. Kompilation

Wilfried A. Hary (Hrsg.)


Impressum:

Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie STAR GATE - das Original: Uwe Anton, Werner K. Giesa, Wilfried A. Hary, Frank Rehfeld.

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de.

ISSN 1860-1855


Diese Fassung basiert auf den Romanen 11 bis 20 der laufenden Serie!


© 2015 by HARY-PRODUCTION

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332-481150

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eMail: wah@HaryPro.de

 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und

Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.


Titelbild: Karl-Heinz R. Friedhoff

Coverhintergrund: Anistasius

Achtung: „STAR GATE - das Original“ ist eine eigenständige Serie, die nachweislich Jahre vor Serien ähnlichen Namens begann, wie sie im Fernsehen laufen oder liefen oder im Kino zu sehen sind oder waren! Daher der Zusatz „das Original“!

Vorwort


Die Serie STAR GATE – das Original existiert nun schon seit 1986(!). Einige Autoren sind daran beteiligt. Viele Leser genießen das Heftformat, in dem die Serie in erster Linie erscheint, aber es gibt nicht wenige Leser, die immer wieder auch nach einem umfangreichen Buchformat verlangen, vergleichbar etwa mit den Silberbänden der Perry-Rhodan-Serie.

Für diese haben wir nun nach der 1. Kompilation die 2. Kompilation geschaffen, basierend auf den Bänden 11 bis 20 der laufenden Serie! Dabei konzentrieren wir uns ausschließlich auf die span­nenden Texte und verzichten bewusst auf alle Zusätze, wie sie in den Heften und auch in den Taschenbüchern zu finden sind.

Die Autoren dieser 2. Kompilation sind (in der Reihenfolge ihrer Verwendung):

Kurt Carstens (= W. K. Giesa)

Michael Schmidt

Hermann Schladt

Miguel de Torres

Wilfried A. Hary


Die Kompilation beinhaltet die Romane:

11 »Das Transmitterinferno« Kurt Carstens (GB)

12 »Freie Seelen« Michael Schmidt (TG)

13 »Das MAFIA-Experiment« Hermann Schladt (GB)

14 »Planet der Götter« Kurt Carstens (AS)

15 »Der Schatz des Poseidon« Miguel de Torres (GB)

16 »Frascati mal zwei« Miguel de Torres (GB)

17 »Invasion der Kyphorer« Miguel de Torres (KF)

18 »Menschen unerwünscht« Wilfried Hary (ML)

19 »Der Clan der Rebellen« Wilfried Hary (ML)

20 »Unter fremder Sonne« Wilfried Hary (ML)


Viel Freude beim Lesen dieser immerhin 10(!) Bände umfassenden Kompilation!

Euer Wilfried A. Hary (Hrsg.)


1


Der Türcomputer spielte Jerry Bernstein das Holo-Bild eines Mannes zu, den er lieber nicht vor seiner Wohnungstür gesehen hätte. Aber der Mann war hartnäckig und schien Daumen und Summerknopf mit Kontaktkleber verbunden zu haben.

Jerry Bernstein, als Reporter für den Detroiter Großkonzern Mechanics Inc. tätig, schaltete sich über den Türcomputer in die Kommunikation ein.

»Ich pflege jeden dritten Vertreter zu erschießen. Zu Ihrer Information: Der zweite ist vor zehn Minuten gegangen. Ende der Durchsage.«

Pierre Vallon ließ nicht locker. Er raunte draußen Worte in die Sprechrillen des Computers: »Mach keinen Unsinn, Jerry. Ich muss mit dir sprechen. Sofort. Es ist verdammt dringend.«

»Himmel, nein«, murmelte Jerry für Vallon unhörbar. »Der Bursche fehlt mir hier gerade noch. Nun gut...«

Er wusste, dass Vallon nicht nachgeben würde. Und wenn er die ganze Nacht über draußen vor der Tür stand. Jerry traute ihm sogar zu, dass er die Geduld verlieren und den Türcomputer kurzschließen würde. Vallon war mit dem Einsatz seiner Mittel alles andere als zimperlich und er besaß verdammt viele Mittel.

»Okay, öffnen«, wies Jerry den Computer resignierend an.

Er erwartete Vallon in seinem kleinen kombinierten Wohn-Schlaf-Arbeitszimmer. Zu einer etwas komfortableren Wohnung als dieser in den oberen Etagen eines Wohnhochhauses reichte sein bescheidenes Einkommen nicht. Er hatte sich auf einen Langzeitvertrag mit Mechanics Inc. eingelassen, um ein wenig finanzielle Absicherung und vor allem Sicherheit vor seinen Gläubigern zu haben; aber dafür musste er sich mit einer miserablen Honorierung seiner Arbeit abfinden. Er bereute den Vertrag längst und hoffte immer noch, eines Tages die Superstory verfassen zu können, damit er sich aus dem Vertrag freikaufen und sich selbständig machen konnte.

Aber er wusste, dass er ohne finanzielle Absicherung keine Chance hatte. Als freier Reporter musste er schon mehr als Spitzenklasse sein, um existieren zu können. Und er musste ständig auf der Hut sein, nicht ›abgeschossen‹ zu werden - und das unter Umständen durchaus im wörtlichen Sinne.

Vallon nickte Bernstein knapp zu und nahm unaufgefordert Platz. Er hatte sich nicht verändert. Der stechende Blick, die über der Nasenwurzel fast zusammengewachsenen Brauen, der Bauchansatz, der vom maßgeschneiderten Anzug nur teilweise kaschiert wurde - aber wer Vallon dick nannte, musste sich hüten, ihn zu unterschätzen. Wenn es darauf ankam, war er schnell wie eine Quecksilberkugel.

Jerry hatte nie genau erfahren können, womit Vallon seine Milliönchen verdiente. Er wusste nur, dass Vallon in Drogengeschäfte verwickelt war. Manchmal trafen sie sich im Lucky Dreams, einem heruntergekommenen Lokal, in dem sich hauptsächlich die Unterwelt herumtrieb. Zuweilen holte Jerry sich von Vallon Informationen, wenn er an einer bestimmten Story arbeitete.

Aber das Vallon aus freien Stücken zu ihm kam, hatte es noch nie gegeben.

Er war auch nicht unfroh darüber. Wo er sich beruflich aufhielt, um Informationen zu erlangen, war eine Sache. Wer ihn privat aufsuchte, eine andere und für die beiden Klatschbasen in den Appartements rechts und links war es ein gefundenes Fressen, wenn sie entdeckten, dass Bernstein Umgang mit Unterweltlern hatte.

Der Reporter verzog das Gesicht.

»Was willst du, Pierre?«, erkundigte er sich.

»Geld«, sagte Vallon trocken. »Es dürften so um die Zwanzigtausend sein.«

Jerry schnappte nach Luft.

»Aber sonst geht's dir noch blendend, ja? Wenn du Zwanzigtausend brauchst, geh zur Bank. Ich bin keine Verleihanstalt.«

»Willst du mich auf den Arm nehmen, Jerry?«, fragte Vallon ruhig. In seinen Augen funkelte es seltsam. »Du schuldest mir zwanzigtausend Einheiten und die möchte ich jetzt mitnehmen. Ich habe auch meine Verpflichtungen und muss Leute bezahlen. Irgendwann hat auch meine Engelsgeduld einmal ein Ende und das jetzt. Her mit dem Geld.«

»Pierre, du bist verrückt«, sagte Bernstein fassungslos. »Wie käme ich dazu, dir Zwanzigtausend zu schulden?«

»Tja, das ist so eine Frage«, sagte Vallon dumpf. Er rieb die Handflächen gegeneinander. »Du willst dich nicht mehr erinnern. Das kann ich gut verstehen. Zwanzigtausend sind für einen Mann in deiner Position viel Geld.«

»Du sagst es. Und ich kann mich nicht erinnern, mir von dir gerade diese Summe ausgeborgt zu haben. Ich glaube, du willst mich verkaspern oder mir einen Schrecken einjagen. Das ist dir gelungen. Was noch?«

»Jerry Bernstein«, sagte Vallon leise. »Du enttäuschst mich. Bis heute hatte ich dich immer für ehrlich gehalten und ich habe extra zwei Monate gewartet, damit du Zeit hattest, das Geld aufzutreiben. Ich will dich ja schließlich nicht mit Gewalt ruinieren. Aber jetzt ist Zahltag, alter Freund.«

Jerry war fassungslos.

Irgendwie musste Vallon plötzlich merken, dass die Bestürzung und Ahnungslosigkeit des Reporters echt war. Kaum merklich beugte er sich vor.

»Du weißt es wirklich nicht mehr?«

»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Bernstein verzweifelt.

Vallon pfiff durch die Zähne. »Dann bist du ja noch heißer, als ich dachte«, murmelte er. »Verdammt, ich hätte Dreißigtausend verlangen sollen...«

Jerry straffte sich.

»Entweder redest du jetzt Klartext, oder du fliegst raus. Es ist spät und ich habe noch einiges zu tun.«

»Oh, du machst Heimarbeit? Oder haben sie dir deinen Schreibtisch bei Mechanics weggenommen?«

»Pierre...«, drängte Jerry ungeduldig.

»Nun gut. Du scheinst tatsächlich nichts mehr zu wissen. Vor etwa zwei Monaten kamst du ins Lucky Dreams und batest um meine Hilfe. Die Mechanics-Leute waren hinter dir her und du wolltest dich nach Europa absetzen, nach Rheinstadt. Offenbar bist du wohl über etwas gestolpert, das die Flibo-Leute interessieren könnte. Ich habe dich nicht gefragt, was es war, ich habe dir geholfen. Ein anderer Pass, ein Flugticket, alles recht hübsch unauffällig, damit dir nichts passieren kann.«

»Aber ich bin nie in Rheinstadt gewesen«, protestierte der Reporter.

»Das«, meinte Vallon, »ist deine Sache. Okay, sie haben dich erwischt. Aber trotzdem sind da die Dienstleistungen, die ich für dich erbrachte und dafür habe ich auch erst einmal Geld vorlegen müssen. Du verstehst sicher. Man kann nicht alles allein machen, sondern braucht eben auch Helfer. Und dieser ganze Spaß kostet dich einschließlich meiner Gewinnspanne eben Zwanzigtausend.«

»Du musst verrückt sein«, keuchte Bernstein entgeistert.

»Du wiederholst dich, Jerry. Das lässt nicht gerade auf den umfangreichen Wortschatz schließen, den ein guter Reporter eigentlich beherrschen sollte. Ich will die Zwanzigtausend. Das ist übrigens ein Freundschaftspreis.«

»Verrate mir bei Gelegenheit auch mal, woher ich das Geld nehmen soll, ja? Bei meinem niedrigen Gehalt kann ich froh sein, wenn ich gerade meine Kredite und die Steuern bezahlen kann! Und von den Zweitausend, die ich mir noch an angespart hatte, sind auf diese Weise auch Tausendfünfhundert verschwunden. Meine Bank kann sich die Abbuchung absolut nicht erklären, niemand weiß, wohin das Geld geflossen ist.«

Vallon fasste sich an die Stirn.

»Ach ja«, sagte er überrascht. »Das hatte ich ja ganz vergessen. Oh, Jerry, das tut mir leid. Die Fünfzehnhundert hatte ich damals ja schon von dir bekommen. Gut, dann sind es jetzt eben noch Neunzehntausend.«

»Sag mal, kannst du nicht rechnen oder ich?«, fauchte Bernstein.

»Vergiss nicht die Zinsen, alter Junge«, murmelte Vallon, als sei es ihm äußerst unangenehm, darüber sprechen zu müssen.

»Damit wir uns ganz klar verstehen, Pierre«, sagte Jerry entschlossen. »Ich schulde dir nichts und du verschwindest am besten jetzt.«

»Ich hatte dich bisher immer für ehrlich gehalten«, sagte Vallon traurig. »Nun gut, Jerry. Ich gebe zu, ich habe dich unterschätzt. Hoffentlich unterschätzt du mich nicht auch.«

»Soll das eine Drohung sein?«

»Weißt du, ich drohe nicht«, sagtet Vallon ruhig. »Das habe ich nicht nötig. Nur wer machtlos ist, droht. Ich handle. Bis bald, mein Freund.«

Er erhob sich und ging.

Jerry Bernstein starrte die geschlossene Tür an. Er war nachdenklich geworden.

Irgend etwas stimmte hier nicht. Er kannte den Dealer seit geraumer Zeit und er wusste, dass er eigentlich keine unbegründeten Forderungen stellte. Vallon hatte seine eigene Gangsterehre. Aber andererseits konnte sich Jerry nicht daran erinnern, jemals mit Vallon über zwanzigtausend Einheiten verhandelt zu haben, gleichgültig wofür.

Zwanzigtausend!

Er konnte froh sein, wenn er im Monat Zweitausend einnahm!

Er überlegte, ob er die Werkspolizei einschalten sollte, ließ es dann aber. Erst wollte er selbst Klarheit haben.


*


Einen Tag später wünschte er sich, den Sicherheitsdienst doch informiert zu haben.

Er hatte Spätdienst.

William P. Newton, seinem Chef in der Redaktion, war es völlig gleichgültig, wann seine Mitarbeiter ihren Dienst verrichteten. Hauptsache, sie brachten Knüller. Da konnte man auch schon mal ein Auge zudrücken, wenn jemand drei Stunden weniger machte, denn diese drei Stunden würden sich mit Sicherheit anderweitig wieder einspielen und wenn Außendienst angesagt war, ließ sich ohnehin nichts aufrechnen.

Jerry hatte seine Außendienstrecherchen ein wenig eingeschränkt. Innerhalb des riesigen Werksgeländes von Mechanics Inc. hatte er genug zu tun und in der Regel machte er nur noch Schreibtischarbeit - sich irgendwelche Dinge aus den Fingern saugend, oder die Reportagen von Kollegen überarbeiten. Zunehmend mehr wurde er auf Dinge angesetzt, die ihm überhaupt nicht lagen.

Aber er konnte es sich nicht aussuchen. Newton war der Boss und wenn Newton ihn an den Schreibtisch setzte, saß er eben am Schreibtisch, statt über das Gelände zu strolchen und berichtenswerte Neuigkeiten aufzuschnappen.

Bernstein zog es vor, nachts zu arbeiten. Er kam um neunzehn Uhr, klemmte sich an seinen Schreibtisch, hielt sich an die Arbeitsanweisungen seines Chefs und verabschiedete sich um ein oder drei Uhr nachts wieder.

Falls er nicht Überstunden machte, die ihm keiner bezahlte.

Sein Büro lag im Verwaltungshochhaus innerhalb der Sicherheitszone, seine Wohnung außerhalb in der Wohnstadt Detroit, in der die meisten der für Mechanics Inc. arbeitenden Menschen untergebracht waren. Nur jene, die mit direkten Geheimprojekten zu tun hatten - und davon gab es einige tausend - sowie die Sicherheitstruppen hatten ihre Wohnungen innerhalb des Sicherheitsbereiches auf dem gigantischen Firmengelände. Allein die Sicherheitszone von Mechanics Inc. mit allen Verwaltungs-, Forschungs- und Produktionsanlagen war so groß wie eine Millionenstadt des vorigen Jahrhunderts.

Detroit war durch Mechanics Inc. zu einem Koloss geworden. Daran änderten auch die ausgedehnten Grünerholungszonen nicht viel. Bernstein hätte viel dafür gegeben, irgendwo weitab auf freiem Land zu leben, in einem kleinen, romantischen Dorf, hundert Meilen von Detroit entfernt, oder oben in den kanadischen Wäldern - die Sonnenküsten Kaliforniens und Floridas waren als Wohnland unerschwinglich teuer und ansonsten von sonnenhungrigen Touristen überlaufen - wobei halb Florida inzwischen ohnehin ein Weltraumbahnhof war, der an Bedeutung auf dem amerikanischen Doppelkontinent nur noch vom Mechanics-Spaceport übertroffen wurde.

Bernstein stellte seinen Bodengleiter auf dem Großparkplatz ab, verriegelte ihn sorgfältig, um dann zum großen Portal der Personenschleuse hinüberzugehen, als neben ihm die Seitenscheibe des Gleiters zerplatzte. Sekunden später wurde ein daumennagelgroßes Loch in den Kunststoff der Türschale gestanzt.

Bernstein ließ sich instinktiv fallen. Da, wo er gerade noch gestanden hatte, bildete sich mit hässlichem Knacken ein weiteres Loch, etwa in Herzhöhe.

Der Reporter robbte so schnell wie noch nie in seinem Leben zur vorderen Fahrzeugkante und hechtete um den Bodengleiter herum in Deckung. Es knackte wieder und wieder.

Die Schussdetonationen selbst waren nicht zu hören. Der Killer benutzte Schalldämpfung.

Bernstein schob sich hinter der Verglasung hoch und versuchte, durch zwei Scheiben zu erkennen, von wo genau auf ihn geschossen wurde. Kaum hatte er den Kopf gehoben, flog ein Projektil durch beide Scheiben und verfehlte ihn nur um Zentimeter.

Da ergriff er die Flucht. In Sichtdeckung seines Gleiters wieselte er davon, zwischen anderen abgestellten Fahrzeugen hindurch, die ebenfalls von Geschossen getroffen wurden. Schließlich erreichte er eine Rufsäule, riss die Halbtür auf und schlug mit der Faust blindlings auf den SOS-Schalter. Augenblicklich wurde Vibrationsalarm in Tätigkeit gesetzt.

Jerry zog die Hand zurück und ließ sich fallen. Die Verglasung splitterte und ein weiterer Schuss traf den Schalter, den er gerade noch betätigt hatte.

»Verdammt«, keuchte der Reporter. Der unheimliche Mordschütze, der es auf ihn abgesehen hatte, konnte doch nicht überall zugleich sein! Wo steckte der Kerl, dass er Jerry selbst hier noch im Sichtfeld hatte?

Der Reporter robbte weiter.

Übergangslos hörte der Beschuss auf, als Vibrationsalarm das Nahen von Polizeigleitern ankündigte. Mit dem Betätigen des Alarms hatte die Rufsäule selbsttätig Peilzeichen gegeben. Drüben, vom Sicherheitsbereich her, fegten zwei schwere Maschinen heran.

Jerry Bernstein atmete tief durch, aber er wagte erst, sich wieder zu erheben, als die Uniformierten bei ihm waren.

Er war noch nie so froh wie jetzt über das Erscheinen von Mechanics-Sicherheitsbeamten gewesen, gleich welcher Abteilung sie angehörten. Und er wusste, dass er nur höllisch knapp mit dem Leben davongekommen war.


*


Er wusste jetzt, dass Vallon keinen Scherz gemacht hatte. An der Sache war mehr dran, als es zunächst den Anschein hatte. Denn sonst hätte Vallon ihm nicht den Killer auf den Hals geschickt.

Die Männer der Werkspolizei hatten die Umgebung abgesucht und dort, wo der Killer anfänglich gesteckt haben musste, eine leere Zigarettenschachtel gefunden, dazu zwei Patronenhülsen. Fingerabdrücke gab es keine. Für Bernstein war es klar, dass Vallon nicht selbst geschossen hatte. Vallon rauchte nicht.

Aber die Aktion genau einen Tag nach der Geldforderung war eindeutig Vallons Handschrift. Es war eine Warnung: Bezahle, oder es geht dir ans Leben. Bernstein war sicher, dass der Killer ihn jederzeit hätte töten können, wenn er es gewollt hätte.

Bernstein beantragte einen Schocker. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass das Attentat wiederholt wurde. Die Waffe wurde ihm allerdings nicht genehmigt.

»Für Personenschutz sind wir da, das wissen Sie doch. Und Mechanics Inc. lässt keinen ihrer Mitarbeiter schutzlos im Stich. Wozu also brauchen Sie einen Schocker? Oder können Sie uns einen begründeten Verdacht liefern, mit wem wir es bei dem Attentäter zu tun haben? Vielleicht mit jemanden, den wir nicht so schnell erfassen können?«

Bernstein schwieg. Er erwähnte Vallon nicht. Mit dem Mann musste doch zu reden sein. Was half es, wenn er ihn beschuldigte? Vallon hatte mit Sicherheit ein Alibi und er würde anschließend noch weniger gut auf Bernstein zu sprechen sein.

Erst einmal wollte der Reporter wissen, was wirklich los war.

Und dazu brauchte er Zeit.


*


Routineberichte über Überfälle auf offener Straße landeten normalerweise nicht auf dem Schreibtisch des Sicherheitschefs von Mechanics Inc. Anders war es schon, wenn es innere Sicherheitsfragen betraf.

Jemand im Einsatzleitungsbüro der uniformierten Werkspolizei las im Bericht den Namen Bernstein und erinnerte sich, dass eben dieser Jerry Bernstein vor ein paar Wochen einmal vorübergehend auf der Fahndungsliste des Sicherheitsdienstes gestanden hatte. Das Bild war sogar über TV gesendet worden. Nachdem die Aktion abgeblasen und Bernstein offiziell rehabilitiert wurde, war alles in Vergessenheit geraten.

Jetzt aber war dieser Bernstein schon wieder in etwas verwickelt.

Der zuständige Polizeioffizier leitete den Bericht weiter. In der nächst höheren Instanz war Bernstein auch kein Unbekannter mehr, dieser unscheinbare Reporter, dem man weniger zutraute, als er zustande brachte.

Ohne weitere Umwege wanderte die Akte direkt auf den Schreibtisch von Clint Fisher.

Der war wenig begeistert, von Bernstein in einem Polizeibericht zu lesen, anstatt in der Zeitung. »Geht das schon wieder los?«, murmelte er. »Was kocht der Junge denn jetzt wieder aus?«

Er forderte die Überwachungsberichte an.

Dass Jerry Bernstein unter Beobachtung stand, war dem Reporter selbst nicht einmal aufgefallen. Er wurde auch nicht direkt beschattet, aber Fisher konnte jederzeit erfahren, was Bernstein zu welchem Zeitpunkt getan hatte. Die lockere Überwachung war angeordnet worden, nachdem man Bernsteins Gedächtnis gelöscht hatte.

Mit seinem Wissen über das Star Gate-Projekt war er zu gefährlich geworden.

Cumbraith Jones, Fishers Assistentin, brachte die Unterlagen selbst. Fisher legte den entsprechenden Speicherchip ein und rief die Daten ab. Es gab Dinge, die er selbst über Sperrschaltung dem Mechanics-Computernetz nicht anvertraute und lieber separat abspeicherte.

Der Name Pierre Vallon fiel ihm auf.

Am vergangenen Tag hatte ein Mann namens Pierre Vallon den Reporter in seiner Wohnung aufgesucht. Der Name war vom Türcomputer abgefragt worden - unerlaubt, aber wirkungsvoll.

Der Name Pierre Vallon war dem Sicherheitschef unbekannt.

Er rief Daten am Zentralspeicher ab. Ein Pierre Vallon wurde auch nicht auf der Liste der erkannten Flibo- oder Dai-Mi-Su-Agenten geführt. Das musste nicht besagen, dass er nicht doch ein Agent eines gegnerischen Konzerns war, höchstens, dass man ihn noch nicht entlarvt hatte, um ihm danach gezielte Falschinformationen zuzuspielen. Das war zuweilen wirkungsvoller, als einen Agenten auszuschalten.

Das besorgten dann meist dessen eigene Leute, sobald sie merkten, hereingelegt worden zu sein.

Fisher forschte weiter. Cumbraith Jones war es dann, die fündig wurde.

»Pierre Vallon ist ein Drogenhändler. Handelt mit Calonzon. Das alles lässt sich aber nicht beweisen, deshalb ist er noch auf freiem Fuß. Er versteht es immer wieder, sich polizeilichen Nachforschungen zu entziehen und sich bombenfeste Alibis zu beschaffen.«

Fisher lehnte sich im Drehsessel zurück und sah seine Assistentin nachdenklich an. »Also nur ein kleiner Gauner?«

Er gab sich mit seinem Nicken selbst die Antwort. Ein gegnerischer Agent hätte nach dem vorangegangenen Wirbel um Bernstein gewusst, dass dieser ein Geheimnis entschleiert hatte und seither unter gemäßigter Überwachung stand. Ein solcher Agent wäre niemals so dumm gewesen, sich selbst dadurch in Entdeckungsgefahr zu bringen, indem er den Überwachten in dessen Wohnung aufsuchte.

Sicher, das allein hätte noch nicht unbedingt ausgereicht, Verdacht zu erregen. Aber Besuch und Attentat... Vallon hätte bodenlos leichtsinnig sein müssen.

Cumbraith Jones schien die Gedanken ihres Chefs zu erraten.

»Mister Fisher, es muss nicht unbedingt ein Zusammenhang zwischen Vallons Besuch und dem Attentat auf Bernstein bestehen.«

Fisher nickte. Er erhob sich und trat bis dicht an die riesige Panoramascheibe, die ihm einen Blick über fast das gesamte Mechanics-Gelände gewährte - zumindest auf dieser Seite. Eine Weile sah der eigentlich mächtigste Mann des Konzerns hinaus in die Dunkelheit, die von den Leuchtkörpern erhellt wurde. Eine Million bunter Lichtflecken über eine unabsehbare Weite verteilt. Scheinwerferkegel, die sich hier und da durch die Nacht fraßen und bestimmte Punkte erhellten. Hin und her jagende Bodengleiter, Lastenfahrzeuge, Schweber... Und ganz, ganz weit entfernt, viele Meilen weit außerhalb der Stadt, die Leuchtfeuer des kombinierten Flug- und Weltraumhafens des Konzerns.

»Muss nicht, Cumbraith«, räumte Fisher ein. »Da haben Sie recht. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es so ist.«

Cumbraith Jones sah ihn erstaunt an und an ihrem Gesicht war abzulesen, was sie dachte: Ein Clint Fisher, der sich auf Gefühle verlässt? Dieser eiskalte Logiker, der bedenkenlos über Leichen geht, um seine Ziele zu erreichen? Wie ist das möglich?

Er fuhr herum.

»Es ist möglich und deshalb möchte ich mich persönlich mit diesem Pierre Vallon befassen. Es ist mir einfach zu wichtig. Setzen Sie einen Mann auf ihn an, Cumbraith. Wer von unseren Top-Leuten ist frei?«

»Chan...«, schlug Jones vor.

»Chan ist auf dem Mond und so schnell nicht zu erreichen. Wer noch?«

»Sabaldi, Sir.«

»Gut. Er soll sich um diesen Vallon kümmern. Ich will wissen, welche Rolle er spielt, was er mit Bernstein zu schaffen hat. Ich kann's nicht glauben, dass er nur ein einfacher kleiner Gangster ist.«

An Jansen dachte Fisher nicht mehr. An Jansen, Bernsteins Freund, den sie verhaftet hatten und der unter der Verhörmaschine gestorben war, weil Fisher ihn für den Mann hielt, der den Mikrochip mit Star-Gate-Daten besaß und an Flibo verkaufen wollte. Erst später hatte sich herausgestellt, dass Bernstein der richtige Mann gewesen war.

Bernstein, der plötzlich wieder eine Rolle zu spielen schien.

Aber Fehler verdrängte Clint Fisher grundsätzlich. Zugegeben: Er hatte selten genug die Möglichkeit, welche zu begehen.

Sonst wäre er nicht der mächtigste Mann von Mechanics Inc. geworden.

Mächtiger noch als der eigentliche Chef, Lino Frascati...