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Nr. 2927

 

Vorstoß des Multimutanten

 

Die Mächte der Milchstraße gegen einen Spross – ein Psi-Begabter gibt den Ausschlag

 

Leo Lukas

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog: Welch ein Trio!

1. Hier spricht der Tamaron

2. Das Leichenfeld

3. Die Springer

4. Die Geheimwaffe

5. Die Eruption

6. Eine Welt namens Verderben

7. Annäherungen

8. Check

9. Ende einer Freischicht

10. Der Höllenritt

11. Irritationen

12. Erinnerungen an die Zukunft

13. Der Endkampf

Epilog: Der Absturz

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Leichter Kreuzer der PECTOR-Klasse

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Gut dreitausend Jahre in der Zukunft: Perry Rhodans Vision, die Milchstraße in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, lebt nach wie vor. Der Mann von der Erde, der einst die Menschen zu den Sternen führte, möchte endlich Frieden in der Galaxis haben.

Unterschwellig herrschen immer noch Konflikte zwischen den großen Sternenreichen, aber man arbeitet meist zusammen. Das gilt nicht nur für die von Menschen bewohnten Planeten und Monde. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Besucher aus anderen Galaxien erreichen derzeit die Milchstraße – sie suchen Kontakt zu den Menschen und ihren Verbündeten. Gegenwärtig hält sich Rhodan zudem im Goldenen Reich der Thoogondu auf. Von ihrer Galaxis Sevcooris aus wollen diese eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen.

In der Milchstraße sind mittlerweile die Gemeni aktiv geworden. Ihre Raumschiffe werden als »Spross« bezeichnet, sowohl die Schiffe als auch ihre Besatzung scheinen auf pflanzlicher Basis zu leben.

Angeblich wollen sie die Galaxis im Auftrag einer Superintelligenz gegen feindselige Kräfte sichern. Aber ist das tatsächlich so? Oder gibt es andere Gründe? Antworten liefern könnte der VORSTOSS DES MULTIMUTANTEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Reginald Bull – Der Liga-Kommissar dringt in unbekannte Regionen vor.

Toio Zindher – Die Vitaltelepathin untersucht den Spross KYLLDIN.

Korin Anderlei – Die Sonderbeauftragte der LFG provoziert leidenschaftlich gerne.

Paeril Shewkett und Tuparin Kelkan – Der Para-Analyst und die Transmitterspezialistin gehen gemeinsam in einen Hochrisikoeinsatz.

Assan-Assoul – Der tefrodische Multimutant ist Vetris-Molauds gefährlichste Waffe.

Ich sehe diese entsetzlichen Weiten des Weltalls, die mich einschließen. Und ich finde mich gefesselt an einem Winkel dieses gewaltigen Raums, ohne dass ich weiß, warum ich an diesen Ort und nicht vielmehr an einen anderen gestellt bin. [...]

Ich sehe überall nur Unendlichkeiten. Sie schließen mich ein wie ein Atom, wie einen Schatten, der nur einen unwiederbringlichen Augenblick lang dauert.

(Blaise Pascal, ca. 1650 AZ)

 

 

Prolog

Welch ein Trio!

 

In der zweiten und dritten Novemberwoche des Jahres 1551 Neuer Galaktischer Zeitrechnung spitzten sich die Ereignisse im Kugelsternhaufen Thantur-Lok rapide zu.

Dabei trafen drei sehr mächtige Männer aufeinander. Drei Männer, die jeder für sich Geschichte geschrieben hatten – und die zwar vieles verband, aber noch mehr trennte.

Beispielsweise gehörten sie alle zum äußerst exklusiven Zirkel jener Personen, deren Alterungsprozess seit geraumer Zeit durch einen Zellschwingungsaktivator gestoppt wurde. Rein körperlich gesehen, waren sie 37, 59 und 91 Standardjahre alt.

Allerdings fiel dieser Unterschied äußerlich nicht ins Gewicht, dank der allgemein hohen Lebenserwartung sowie der Segnungen von Kosmetik und plastischer Chirurgie. Dabei war der biologisch Jüngste bereits vor rund drei Jahrtausenden geboren worden ...

Der geneigten Leserschaft mag auffallen, dass wir solchen Zahlen mehr Bedeutung zumessen, als einer flüssigen Erzählung dienlich ist. Aber die Mitglieder unseres Hauses haben sich nun mal zum Ziel gesetzt, die Geschichte der Zellaktivatorträger und sonstigen relativ Unsterblichen detailreich niederzuschreiben.

»Auf«, wie es in der Charta derer von Hoschpian heißt, »möglichst objektive Art, frei von Emotionen.«

Deshalb nehmen wir niemals Partei. Schon gar nicht, da die drei – nicht erst bei diesem Anlass – konkurrierende Männer und zugleich Würdenträger, wenn nicht Anführer der drei wichtigsten post-lemurischen Sternenstaaten waren.

Reginald Bull, der physisch Jüngste und doch eigentlich Älteste, repräsentierte die Liga Freier Galaktiker. Eine multikulturelle Föderation, die mehrere Tausend Sonnensysteme umfasste und seit über drei Jahrtausenden nahezu kontinuierlich existierte (wobei sie sich mehrmals unter wechselnden Namen hatte neu erfinden müssen).

Gaumarol da Bostich stand für das Imperium der Arkoniden. Jenes hatte die Westside der Milchstraße mehr als zwanzigtausend Jahre lang geprägt. Zum Berichtszeitraum war das Reich, das über 50.000 Welten beherrscht hatte, von einer stetig fortschreitenden Fragmentierung bedroht; von einem Niedergang, den Bostich mit allen, offenbar wirklich allen Mitteln aufzuhalten trachtete.

Vetris-Molaud schließlich regierte diktatorisch den faktisch jüngsten der erwähnten drei Sternenstaaten, das Neue Tamanium. Ideologisch berief er sich indes auf die Nachfolge der Lemurer, des »Großen Alten Volks«, der »Ersten Menschheit«, deren Zeitrechnung 56.400 v. Chr. einsetzte.

Als böte diese Konstellation nicht genügend Brisanz, hatten die drei mächtigen Männer persönlich untereinander etliche Rechnungen offen. Und hierbei reden wir über Verletzungen nicht bloß der diplomatischen Etikette ...

Anders ausgedrückt: Jeder hatte sehr gute Gründe, den beiden anderen nicht nur zu misstrauen, sondern sie von Herzen zu hassen.

Die drei waren also Feinde, im Falle von Bull und Bostich sogar Erzfeinde – und doch waren sie gezwungen, sich zu verbünden. Denn eine neue Partei war auf den Plan getreten, die das aktuell ohnedies labile Gefüge der heimatlichen Galaxis in den Grundfesten erschütterte.

Woher kam sie?

Aus dem Nichts.

Oder zumindest: fast.

 

*

 

Die bisher bekannten Schiffe dieser fremden Macht waren jeweils aus einem winzigen, mit freiem Auge kaum wahrnehmbaren Samenkorn entstanden.

Es handelte sich um Produkte einer exotischen Biotechnologie, wie sie den Milchstraßenvölkern, trotz ihrer langen Historie, zuvor nie begegnet war. Das leicht ovale Samenkorn durchmaß kaum zwei Millimeter, war schwach transparent und schimmerte dunkelblau.

Künstlich verbesserte Optiken oder beispielsweise die Scharfsicht von Halutern oder Swoon enthüllten unregelmäßige Aus- und Einbuchtungen sowie feinste Strukturen, die an eine leicht stilisierte Planetenoberfläche gemahnten. Insgesamt wirkte es wohl ungefährlich.

Aber was daraus wurde!

Sobald es der Person, die es auffand und in die Hand nahm, einen Tropfen Blut entzogen hatte, wuchs es. Jeden Standardtag verdoppelte es in etwa seine Größe, bis der Spross sich zu einem gewaltigen Raumschiff entwickelt hatte. Zu einem tiefblauen, eiförmigen Gebilde von sage und schreibe 4960 Metern Länge und, an der dicksten Stelle im hinteren Drittel, 3530 Metern Durchmesser. Diese Maße verhielten sich also in einer Relation von eins zu eins Komma vier.

Ja, werte Leserschaft, uns ist bewusst, dass wir schon wieder Daten anhäufen. Seid versichert, dass wir dies nicht aus Eitelkeit tun, um uns als Experten zu inszenieren.

Im Gegenteil. Wir berufen uns nicht primär auf eigene Wahrnehmung. Sondern auf jene Sekundärquellen, die uns vertrauenswürdig erscheinen – nicht zuletzt, weil sie den erwähnten drei Machtsystemen entstammen. Welche keinen anderen Grund hätten, einander zu bestätigen als jenen, dass es sich um objektiv nachvollziehbare Beobachtungen handelt.

Warum wir, die Mitglieder eines uralten Hauses, uns dieses Themas so intensiv annehmen, fragt ihr?

Nun, die Sprosse ... Man kannte übrigens in jenen Novembertagen drei von ihnen; sehr ähnliche, überaus komplexe Strukturen.

Sie waren just in den Einflussbereichen der erwähnten drei Sternenreiche aufgetreten: ein Spross bei den Terranern, ein anderer bei den Tefrodern und ein dritter bei den Arkoniden in deren Urheimat, dem Kugelsternhaufen Thantur-Lok, den andere Kataloge als M 13 verzeichneten.

Um nochmals abzuschweifen: Eine Frage, die sich damals alle Funktionsträger stellten, lautete natürlich: Wer sagt, dass nicht noch viel mehr dieser Samenkörner ausgestreut worden sind? Samen, die nur darauf warten, ebenfalls erweckt zu werden?

Zum Zeitpunkt, von dem wir berichten, wusste niemand genug, um darauf eine Antwort geben zu können.

Immerhin stand ein Aspekt schon damals fest. Jeder der drei Sprosse, jedes dieser wie durch ein Wunder entstandenen Gigantraumschiffe, offerierte den Bewohnern der betroffenen Welten Geschenke, wertvoller als alles, was diese Zivilisationen je hervor gebracht hatten.

Neue Chancen. Ewiges Leben. Fortwährende Jugend.

Und zwar nicht nur für einige wenige Auserwählte einer Superintelligenz, sondern für viele – Hunderte, womöglich Tausende. Jeder sollte eine Chance haben, sich um diese Gunst zu bewerben.

Ihr versteht allmählich, wieso wir unser Augenmerk besonders diesen, definitiv sensationellen Vorkommnissen widmeten?

 

*

 

Die Verheißungen der Sprosse YETO, SHINAE und KYLLDIN stellten eine große Herausforderung für unser Haus dar.

Nicht selten hat man uns vorgeworfen, uns auf Perry Rhodan konzentriert und die anderen Zellaktivatorträger vernachlässigt zu haben. Es stimmt, viele dieser Persönlichkeiten erschienen uns vordem weniger bedeutsam.

Wer erinnert sich noch an Namen wie Mahana-Kul, Gevoreny Tatstun, Hendrik Vouner, Tathos von Abessos, Nos Vigeland, Balton Wyt ...?

Außer uns: niemand.

Und zu Recht, oder etwa nicht? Sie haben ebenso wenig nachhaltigen Eindruck hinterlassen wie Herthigo Aden, Runeme Shilter, Gavelin-Aat, Matur Penetschky oder Shalmon Kirte Dabrifa. Und etliche andere.

In ihren Regionalchroniken werden einige davon gewürdigt, immer noch. So soll es sein. Sie mögen viel geleistet haben, aber wenig Großes, Bleibendes.

Das ist auch völlig verständlich. Nicht jede Person, die das Geschenk der biologischen Unsterblichkeit erhalten hat, erweist sich dem gewachsen.

Ganz normal und logisch: Manche kommen damit zurecht, andere nicht. Einige missbrauchen die Gabe, bis hin zu üblen Verbrechen.

Letztlich gibt es immer solche und solche, egal vor welchem Hintergrund. Unser Haus wertet nicht. Es dokumentiert.

Seit die Sprosse aufgetreten sind, hat sich alles verändert. Alles. In der Milchstraße, und vermutlich weit darüber hinaus.

(Aus: Hoschpians unautorisierte Chronik des 16. Jahrhunderts NGZ)

1.

Hier spricht der Tamaron

 

Korin Anderlei sah sich einmal mehr in der Zentrale der RIBALD CORELLO um, als wollte sie alles kontrollieren und sondieren, obwohl sie längst alle Details kannte.

Sämtliche Missionsstationen waren mindestens doppelt besetzt. Ein Zeichen dafür, dass die Schiffsführung erhöhte Bereitschaft angeordnet hatte.

Das wunderte Korin nicht. Reginald Bull und seine Ehefrau – von der nur die wenigsten wussten, dass es sich um die Mutantin und ehemalige tefrodische Spezialagentin Toio Zindher handelte – befanden sich an Bord des Sprosses KYLLDIN. Dieser stand, wie ein kurzer Blick auf die Holoanzeigen ergab, nach wie vor am Rand des Systems der Sonne Girom.

Bull und Zindher hatten sich entschlossen, an Bord des Sprosses zu gehen, um zu erkunden und bei der Evakuierung der Applikanten beim absehbaren Angriff auf den Spross evakuieren zu helfen. Dass Gaumarol da Bostich sie benutzte, um sich mittels eines Materietransmitters auf die KYLLDIN versetzen zu lassen, wohl um das halutische Invasionskommando persönlich zu unterstützen, hatten sie nicht gewusst.

Mehrere Missionsspezialisten der Zentralecrew sahen von ihren Pulten auf und betrachteten Korin Anderlei. Die meisten Mienen zeugten nicht gerade von Begeisterung über ihre Anwesenheit.

Souverän ignorierte Korin die Abneigung, die ihr entgegenschlug. Sie war daran gewöhnt, negative Emotionen auszulösen. Es gehörte zu ihrem Auftreten, zu ihrer Rolle, die sie von Herzen gerne kultivierte.

Die Hüften schwingend und extra kokett mit den Ohrringen klimpernd, schritt sie zum Kommandopodest. Korin war als Sonderbeauftragte des LFG-Residenten dazu autorisiert, sich jederzeit in der Zentrale aufzuhalten. Und das ließ sie die diensthabenden Crewmitglieder genüsslich spüren.

Duyyun Veyt, der Kommandant der RIBALD CORELLO, begrüßte Korin mit einer knapp angedeuteten Verneigung. Der Gataser machte keinen Hehl daraus, dass auch er es lieber gehabt hätte, sie wäre in ihrer Kabine geblieben.

»Ich hoffe, ich habe nichts versäumt?«, flötete Korin, bewusst aufgekratzt. »Wie schlägt sich mein Schützling?«

Damit spielte sie darauf an, dass sie ganz offiziell Reginald Bull zugeteilt worden war. Ihr Auftrag lautete herauszufinden, inwieweit der biologisch unsterbliche Terraner durch die chaotarchische Prägung seines Zellaktivators in seinen Handlungen beeinflusst wurde.

»Es geht momentan ziemlich rund in der KYLLDIN«, antwortete Veyt. Seine Stimme drang nicht aus dem von blauem Pelz umrahmten Mund im unteren Halsbereich, sondern aus einem Oktav-Vocoder, den er auf der Brust trug. Untereinander verständigten sich die Jülziish vorwiegend im Ultraschallbereich. »Heftige Kampfhandlungen. Wir bekommen allerdings nur Bruchstücke davon mit. Die Funkverbindung setzt immer wieder aus.«

»Wegen des HEI-Feldes?«

Der Schiffskommandant bejahte.

 

*

 

Im Bereich des Hyperenergie-Irritationsfelds, das den Spross umgab, versagte höherenergetische Technik, also neben Paratronschirmen, Traktorstrahlen und Hypertastern auch moderne Waffensysteme. Etliche Aggregate mit fünfdimensionalen Anteilen wurden teilweise empfindlich gestört.

Je näher man einem Spross kam, desto unzuverlässiger wurden Gerätschaften – umso mehr, je hochtechnischer sie waren. Zwar vermittelten sie scheinbar seriöse Messwerte, aber die Angaben des einen Geräts widersprachen denen des anderen, selbst wenn sie vom exakt selben Typ waren. Auch bei Wiederholungen variierten sie nicht selten bei einem einzigen Messgerät.

Nahm man etwa elektromagnetische und hyperenergetische Strahlungsspektren auf, lagen die Intensitätsmaxima bei jeder Messung bei völlig unterschiedlichen Frequenzen. Selbst die Form der Spektren konnte differieren.

Abtaststrahlen ergaben Oberflächenprofile, die beim einen hochporös waren, beim anderen glatt wie eine Lackschicht. Gravitometer deuteten in zufälliger Streuung auf jede mögliche Dichte hin, zwischen der einer nahezu massiven Stahlkugel und jener eines heliumgefüllten Ballons.

Meist war es unmöglich, zu besseren Erkenntnissen zu gelangen, als die natürlichen Sinne sie lieferten. Somit war auch auf die SERUNS, die Bull und Zindher trugen, wenig bis kein Verlass.

»Aber unsere Leute befinden sich nicht in akuter Gefahr?«

»Ehrlich gesagt, wissen wir das nicht.«

 

*

 

Die Stimme des Gatasers klang gepresst, trotz des Oktav-Vocoders, der seine meist in Ultraschallbereichen angesiedelte Tonhöhe für menschliche Ohren verständlich machte.

»Sollten wir dann nicht allmählich erwägen, ein Rettungskommando in Marsch zu setzen?«

»Nein. Reginald Bull hat ausdrücklich befohlen, dass wir nur auf einen deklarierten Notruf reagieren dürfen. Immerhin ist er quasi Ehrengast des Sprosses KYLLDIN und steht daher unter dessen Schutz.«

»Schon klar. Aber wie viel ist das wert, während darin Bostich und seine Haluter wüten?«

Duyyun Veyt setzte zu einer Erwiderung an, kam jedoch nicht dazu.

»Ortung! Soeben materialisiert eine gewaltige Flotte!«, unterbrach ihn ein überraschter Ausruf.

»Auf den Schirm!«

»Bitte sehr, bitte gleich ...«

Im Hauptholo wurde abgebildet, dass ein beachtlicher Verband von tefrodischen Schlachtschiffen aus dem Linearraum stürzte. Dazu gehörten, wie Korin Anderlei den eingeblendeten Daten entnahm, nicht weniger als 25 Kugelraumer der rund zwei Kilometer durchmessenden NEBERU-Klasse.

Und an der Spitze ...

»Einheit zweifelsfrei identifiziert als VOHRATA«, erklärte, nun wieder etwas leiser und gefasster, die Frau am Pult der Cheforterin. Nervös war sie immer noch, was sich daran zeigte, dass sie an ihren orangeroten, zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren nestelte.

»Das Flaggschiff von Vetris-Molaud«, stellte Korin fest, ehe ihr jemand anders zuvorkommen konnte. »Leitet die Nachricht sofort an Bull weiter! Er muss unbedingt wissen, dass der Tamaron ebenfalls vor Ort ist.«

»Wir tun unser Bestes. Aber ob wir Bull erreichen ...«

Sie schnaubte. »Verstanden. Am besten übernehme ich das selber, damit es auch klappt.«

 

*

 

Duyyun Veyt bemühte sich sehr, nicht unhöflich zu der Frau zu sein, die sich so aufdringlich neben ihn gestellt hatte.

Sie war untersetzt und selbst für terranische Verhältnisse füllig. Eine massige Person, die schamlos ihre Körperwucht benutzte, um sich in den Mittelpunkt des Geschehens zu drängen.

Die Spitze ihrer breiten Nase verzog sich bei jeder Mundbewegung in stets erneut kaum glaubhaften Winkeln. Zugleich flog der dichte, grünblau gefärbte Haarschopf in alle Richtungen, als wäre er elektrisch aufgeladen.

Offensichtlich fühlte Korin Anderlei sich pudelwohl dabei, ihn zu irritieren. Als hätte Veyt in dieser Krisensituation weitere Ablenkungen gebrauchen können!

Ansonsten überstürzten sich die Meldungen der Abteilung Funk und Ortung. Zaroia da Bargk, die Oberbefehlshaberin der arkonidischen Flotte von Girmomar, rief den Verband der Tefroder an und forderte eine Erklärung für das unangekündigte Eindringen in diesen Raumsektor.

Es antwortete kein Geringerer als Vetris-Molaud persönlich. »Ich bin hier auf Einladung Gaumarol da Bostichs.«

»Bostich hat keine Befehlsgewalt über unsere Sternenbaronie ...«

Der tefrodische Diktator schnitt ihr das Wort ab. »Wie ihr zu ihm steht, ist mir herzlich egal. Aber wir haben gemeinsame Ziele. Vergiss diplomatisches Geplänkel, dafür ist keine Zeit, ja? Ich bin auf eurer Seite, das muss fürs Erste genügen.«

Die Kommandantin der Streitkräfte von Girmomar schluckte sichtlich. Dann gab sie nach. »Was hast du vor?«

»Nichts Schlimmes. Wir möchten eine telemetrische Untersuchung des Sprosses KYLLDIN in die Wege leiten. Um Erkenntnisse zu gewinnen, die uns allen nützen.«

»Planst du einen militärischen Angriff?«

»Du hast mein Wort: nein. Ich bitte ganz formal um die Erlaubnis, Messungen durchführen zu dürfen.« Vetris-Molaud produzierte ein charmant-charismatisches Lächeln, das sogar Duyyun Veyt beinahe für ihn eingenommen hätte.

»Du traust dem Kerl doch nicht wirklich?«, zischte Korin Anderlei.

Veyt bedeutete ihr mit einer strikten Geste, sich nicht weiter einzumischen. »Erst einmal beobachten wir.«