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Knubbels erste Flugstunde

Sandra Melcher

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2018 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Lektorat: Melanie Wittmann

Cover: Heike Georgi

Alle Rechte vorbehalten.

Erstauflage 2018

Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de

ISBN: 978-3-86196-743-9 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-189-3 - E-Book

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Inhalt

Kapitel 1.

Kapitel 2.

Kapitel 3.

Kapitel 4.

Kapitel 5.

Kapitel 6.

Kapitel 7.

Kapitel 8.

Kapitel 9.

Kapitel 10.

Kapitel 11.

Kapitel 12.

Kapitel 13.

Kapitel 14.

Kapitel 15.

Kapitel 16.

Kapitel 17.

Kapitel 18.

Kapitel 19.

Kapitel 20.

Die Autorin

*

Kapitel 1.

„Du schaffst das ganz bestimmt. Jeder kleine Engel muss da mal durch“, spricht Knubbel sich selbst Mut zu. Missmutig schaut ihm sein Spiegelbild entgegen. Seine schokoladenbraunen Locken stehen ihm vom Kopf ab. Er hat gar nicht erst versucht, sie zu bändigen. Entschlossen blickt er seinen himmelblauen Augen und seinem trotzigen Gesichtsausdruck entgegen. „Ich schaffe das. Ich schaffe das. Ich ...“

„Knubbel, was machst du denn so lange im Badezimmer?“, unterbricht ihn seine Mama.

„Heiliger Gewitterzwerg“, ruft Knubbel und greift sich erschrocken an sein Engelherz. „Ich komme ja schon. Ich muss nur meine Hose zubekommen“, antwortet Knubbel schnell und hört Mama die Treppe nach unten gehen. Er wirft sich rasch die Träger seiner neuen Latzhose über die Schultern. Kritisch betrachtet er sein Spiegelbild. „Egal, wie der heutige Tag ausgeht. Einer Sache bin ich mir sicher: Niemals wieder lasse ich mich von Rosa beim Einkaufen beraten“, verspricht Knubbel seinem Spiegelbild.

„Knubbel, beeile dich, Rosa wird gleich da sein und dich zur Schule abholen“, ruft seine Mama nun aus der Küche.

Knubbel eilt die Treppe nach unten. Seine Mama, ein großer Engel mit kurzen rötlichen Locken und einem violetten Kleid, steht in der Küche und packt ihm gerade sein Mittagessen in die Schultasche. Heute haben die Engel nämlich erst mittags Unterricht. In der Küche riecht es nach frisch gebackenen Regenbogenkeksen.

„Ich habe noch etwas für dich“, sagt Mama geheimnisvoll und eilt die Treppe nach oben.

Die Gelegenheit lässt sich Knubbel natürlich nicht entgehen. Er zieht einen Stuhl unter den Küchenschrank, in dem Mama die Kekse versteckt, und klettert hinauf. Vorsichtig stellt er sich auf die Zehenspitzen und streckt sich zur obersten Schranktür. Krümel, seine Wolke, beobachtet ihn aus sicherer Entfernung. Natürlich weiß Krümel ganz genau, was gleich passiert.

Knubbels Finger sind nur noch ein kleines Stück von der großen Schachtel mit frisch gebackenen Keksen entfernt. Gerade als er danach greifen möchte, kippelt der Stuhl und er schaut nach unten. Ein großer Fehler! Sein Herz beginnt, wie verrückt zu schlagen, ihm wird schwindelig und er verliert das Gleichgewicht.

„Oh nein!“, ruft Knubbel, als der Stuhl kippt. Schnell kneift er die Augen zusammen. Die Schachtel mit den Keksen hält er fest umschlungen. Der erwartete Aufprall bleibt jedoch aus. Überrascht spürt er den weichen, flauschigen Untergrund. Vorsichtig öffnet er erst ein Auge und schielt zu der Kekspackung. Erleichtert öffnet er auch das andere Auge. „Puh, Engel sei Dank!“, atmet Knubbel auf, seine Kekse haben den Sturz überstanden.

Krümel rollt mit den Augen und schüttelt seinen tollpatschigen Freund unsanft ab. Nicht nur Knubbel landet auf dem Küchenfußboden, sondern auch viele Kekskrümel, die Knubbel irgendwann mal beim Fliegen auf Krümel verteilt hat. Knubbel rappelt sich schnell auf. Genau in dem Moment, als er die Schachtel mit Keksen in seiner Schultasche versteckt, hört er Mama die Treppe herunterkommen.

Als sie den umgekippten Stuhl entdeckt, fragt sie den kleinen Engel: „Knubbel, hast du etwa schon wieder Kekse in deine Schultasche geschmuggelt?“ Bevor Knubbel antworten kann, entdeckt sie die Kekskrümel auf dem Fußboden. „Knubbel ...“, beginnt Mama streng, doch er unterbricht sie.

„Das war Krümel, er hat sich geschüttelt“, ruft er anklagend.

Mama schaut zwischen Knubbel und Krümel hin und her. Ihr Blick bleibt an der Wolke hängen. „Du hast Schüttelverbot im Haus, das weißt du sehr wohl.“

Knubbel schaut verlegen auf den Boden, als Krümel ihn böse anfunkelt.

„Und du“, hört er seine Mama sagen, „sollst keine Kekse beim Fliegen auf der Wolke essen. Das ist gefährlich und du könntest dich verschlucken!“

Als Krümel daraufhin Knubbel die Zunge herausstreckt, ist sein schlechtes Gewissen verschwunden. Mama reicht ihm versöhnlich seine Schultasche mit den versteckten Keksen und Knubbel hängt sie sich um. Engel tragen ihre Schultasche an der Seite, weil sie auf dem Rücken zwei wunderschöne Flügel haben. Diese schimmern in unterschiedlichen Farben, je nachdem, wie die Sonne oder der Mond auf sie treffen. Natürlich sind die Flügel nicht knallpink oder giftgrün. Sie gleichen vielmehr einem blassen Regenbogen, der sich langsam am Himmel auflöst.

„Knubbel, bist du so weit? Wir müssen los, sonst kommen wir zu spät.“ Rosa fliegt plappernd in die Küche. Knubbels beste Freundin lächelt ihnen von ihrer Wolke Pinsel aus strahlend entgegen. Sie trägt einen türkisfarbenen Rock mit bunten Regenbogentropfen darauf und ein weißes T-Shirt. Der Rock ist selbst genäht, und zwar aus Regenbogenstoff. Mit diesem näht Rosa am liebsten.

„Was hat sie denn auf dem Kopf?“, wundert sich Knubbel.

„Hallo Rosa. Deine neue Haarfarbe gefällt mir“, begrüßt Knubbels Mama den kleinen Engel.

„Danke, Isabell“, sagt Rosa und steckt sich eine lila Strähne hinters Ohr. „Ehrlich gesagt ist beim Zaubern irgendetwas schiefgegangen“, grinst sie und rückt ihr türkisfarbenes Haarband wieder an die richtige Stelle. „Bereit?“, fragt Rosa dann an Knubbel gerichtet, der noch immer neben seiner Wolke steht.

Mama macht einen Schritt auf ihn zu und gibt ihm zum Abschied ein Küsschen. Knubbel wischt sich mit dem Handrücken über die Wange. Seine Wolke kichert verräterisch.

„Bis heute Nachmittag, Isabell!“, ruft Rosa zum Abschied und fliegt nach draußen.