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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2156

 

Stimme des Propheten

 

Die Weissagung der Herreach – ein Volk steht vor dem Untergang

 

von Susan Schwartz

 

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Auf den von Menschen bewohnten Planeten der Milchstraße schreibt man den März des Jahres 1312 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem März 4899 alter Zeitrechnung. Nach erbitterten Kämpfen konnte die bedrohende Situation für die Terraner und ihre Verbündeten beseitigt werden. In absehbarer Zeit ist keine Vernichtung der Erde und anderer Welten zu befürchten.

Am Sternenfenster, dem unglaublichen Durchgangstor zum feindlichen Reich Tradom, haben Terraner, Arkoniden und Posbis die Oberhand über die gegnerischen Flotten gewinnen können. Das Tor, mit dessen Hilfe man die Entfernung von unvorstellbaren 388 Millionen Lichtjahren praktisch in Nullzeit überwinden kann, ist nun in der Hand der Milchstraßenbewohner.

Während terranische und arkonidische Schiffe im Reich Tradom selbst operieren, um mehr über die Hintergründe der Invasion herauszufinden, entwickeln sich die Dinge in der Galaxis selbst weiter. Vor allem im Solsystem scheint sich ein neues Problem anzubahnen. Es artikuliert sich in der STIMME DES PROPHETEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Träger der Haut interessiert sich für das Schicksal der Herreach.

Monkey – Der Oxtorner stattet dem Planeten Trokan einen unverhofften Besuch ab.

Viorel Zagi – Der Philosoph hat eine ganz spezielle prophetische Eingebung.

Presto Go – Die Oberste Künderin sucht eine neue Zukunft für ihr Volk.

1.

Traum und Wahrheit

 

Rot glühend ging die Sonne am Horizont auf. Ihr grelles Licht vertrieb die Schatten der Nacht und heizte die dünne Luft in den oberen Schichten in kurzer Zeit auf. Luftwirbel entstanden in den Tälern aus den Fallwinden der Gebirge, Turbulenzen bildeten sich, als sich die heiße obere Luftschicht und die eisige Luft des Bodens vermischten, und der erste Sturm des Tages fiel über die einfachen, aus gebrannten Ziegeln errichteten Bauernhäuser her, rüttelte an Fenstern und Türen, pfiff durch jede noch so kleine Ritze. Die genügsamen Loort drängten sich in den Ställen zusammen und lauschten mit aufgeklappten großen Ohren auf das Vorüberziehen des Sturms.

Wer seine frisch bestellten Felder nicht rechtzeitig gesichert hatte, hatte nun das Nachsehen: Der Wind riss alles mit sich, was zu locker und leicht war, häufte Erdreich und Kiesel zu Dünen auf und wirbelte das gerade gewachsene, noch nicht fest genug verwurzelte Bloom-Korn und das Thunam-Kraut mit sich herum.

Die Sonne stieg langsam höher; allmählich glichen sich die verschiedenen Wärme- und Kälteschichten einander an, und die Temperatur pegelte sich auf dem erträglichen Niveau von etwa acht Grad ein. Der Wind ließ nach, doch es gab keinen Grund, aufzuatmen. Ein leises Zittern und Schwanken des Bodens zeigte ein rasch herannahendes Erdbeben an, ausgelöst durch eine tektonische Verschiebung, die aufgrund der regen Vulkantätigkeiten zustande kam.

Die sieben Städte wurden weitgehend von den Erschütterungen verschont, sie verfügten über Gravitationsprojektoren mit Hypertropzapfern, um die Vorgänge in der Planetenkruste einzudämmen. Künstliche Magmaseen in der Nähe der aktivsten Vulkane sorgten für einen Ausgleich der Druckverhältnisse.

Dennoch blieb Trokan ein unruhiger, unwirtlicher Planet, der lediglich in der schmalen, leidlich fruchtbaren Äquatorialzone bewohnt war. Hier waren auch die großen Herden der antilopenartigen Pflanzenfresser zu finden, die zweimal im Jahr zur Jagd freigegeben waren; sie bildeten die größte Tiergruppe, sowohl von der Anzahl her als auch von der Körpergröße. Nennenswerte Raubtiere gab es nicht, nur Kleinräuber, die in Rudeln in Erdlöchern lebten und sich von flügellosen, käferartigen Insekten und kleinen Nagern ernährten.

Die Loort waren vor knapp zwei Jahrzehnten eingeführt worden, um den Speiseplan aufzuwerten und für mehr Abwechslung zu sorgen. Sie hatten sich den klimatischen Verhältnissen schnell angepasst; nur an die furchtbaren Stürme und Erdbeben konnten sie sich nicht gewöhnen. Sie brüllten ihre Angst hinaus, als der zitternde Boden sich unter ihren Klauen verschob und stellenweise Wellen warf.

 

Oriel Lei

 

»Heute ist es wieder einmal besonders schlimm«, bemerkte Siorel Hani, während sie eine umgestürzte Kommode aufrichtete, obwohl die Erschütterungen noch nicht vorbei waren und das Möbelstück erneut gefährlich ins Schwanken geriet.

»Schalte das Trivid an zur morgendlichen Gebetsrunde!«, forderte sie ihren Bruder Oriel Lei auf.

Es war ein tägliches Ritual, das kaum ein Herreach versäumte. Über den lokalen Trivid-Sender waren sie alle miteinander vereint, wenn der Cleros sich am Rand des mit gelben, schwefelhaltigen Steinen gepflasterten Tempelplatzes versammelte und unter der Führung der Obersten Künderin Presto Go das Morgengebet sprach.

Der Tempelplatz besaß einen Durchmesser von viereinhalb Kilometern und befand sich im Zentrum der Hauptstadt Moond. In der Mitte des nach wie vor streng abgeriegelten Platzes erhob sich der mächtige Pilzdom zu 33 Metern Höhe, ohne sichtbare Fugen oder Öffnungen. In einem geostationären Orbit über dem Platz waren mehrere Plattformen mit Transformkanonen stationiert; die Geschützbatterien sowie die Projektoren für den sich über den Platz wölbenden, blau leuchtenden Paratronschirm waren hingegen im Boden versenkt.

Die Herreach störten diese Sicherheitsvorkehrungen und die damit verbundene Zutrittsbeschränkung nicht; man wusste nie, wer plötzlich durch den Pilzdom käme, auch wenn es hieß, die Brücke in die Unendlichkeit sei beschädigt. Presto Go machte sich ohnehin keine Illusionen, dass sie der LFT einfach wieder die Tür weisen konnte, solange der Pilzdom existierte. Daher ließ sie sich den ständigen Aufenthalt der LFT gut bezahlen – mit technischen Dienstleistungen und Maschinen und einem monatlichen »Pachtzins«, was der Bevölkerung zugute kam und die Autarkie sicherte, ohne dass man ein Steuersystem einführen musste.

Die Herreach waren nicht gesellig, sie lebten sehr zurückgezogen auf ihrem Planeten, duldeten keinen Tourismus und unternahmen keine Ausflüge ins All, nicht einmal zu den terranischen Nachbarn. Man hatte sich inzwischen einigermaßen an die terranische Technik gewöhnt, aber sie bestimmte noch nicht den ganzen Alltag und kam nicht überall zum Einsatz.

Presto Go bevorzugte den »behutsamen« Fortschritt mit einer allmählichen Annäherung an die »moderne Zeit«. Die Herreach sollten sich weiterentwickeln, aber dabei nicht ihre Identität und vor allem Souveränität verlieren.

Der Pilzdom hatte nur mehr symbolische Bedeutung. Ihr Schöpfergott war schon lange nicht mehr dort, Ash-kaban Kummerog hieß er mittlerweile, der »Schöpfer, der nunmehr gegangen ist«. Kummerog hatte sie für immer verlassen und sie gezwungen, selbst die Verantwortung zu übernehmen, was nichts daran änderte, dass das Volk der Herreach unmittelbar von ihm abstammte und tatsächlich von ihm erschaffen worden war. Deshalb hielten die Herreach nach wie vor an ihrem Glauben fest, wenngleich in abgewandelter Form. Doch war es tröstlich zu wissen, von wem man abstammte und dass die Aufgabe der Herreach in Zukunft vielleicht eine besondere sein würde. Mit der Zeit kamen sogar einige Herreach zu der Überzeugung, dass ihre Welt Trokan seit dem Zusammenbruch des Zeitrafferfeldes nur ein vorübergehender Aufenthaltsort war und ihre Bestimmung anderswo lag.

Nach wie vor waren die Herreach nicht für den Wechsel von Tag und Nacht geschaffen, das Sonnenlicht blendete die lang geschlitzten, grün leuchtenden Augen, und in der Nacht waren sie ohne technische Hilfsmittel absolut blind und der Erfrierungsgefahr ausgesetzt. Sie konnten es nicht verstehen, dass dieser extreme Wechsel innerhalb so weniger Stunden für die Terraner ganz normal war; diese schienen es sogar zu genießen und erfreuten sich an Sonnenauf- und -untergängen. Für die Herreach kam dies jedes Mal einer Umweltkatastrophe gleich und hätte ohne die technische Hilfestellung der Nachbarn des blauen Planeten längst zum Untergang geführt.

Das Morgengebet entsprach nicht der üblichen Gebetstrance, sondern war ein Moment der stillen Einkehr, zur Vorbereitung auf den kommenden Tag. Presto Go erinnerte ihr Volk jeden Tag aufs Neue daran, wer die Herreach waren. Nach einer kurzen Ansprache mit täglich wechselndem Thema – manchmal ging es um die Gegenwart, manchmal um die historische Vergangenheit –, folgten einige Minuten der Meditation, die mit einem melodiösen Gesang, zumeist ohne Worte, abgeschlossen wurde.

Danach begann das Tagwerk, das für die meisten der etwa 145 Millionen Herreach aus der Viehzucht, Bestellung der kargen Äcker oder dem einfachen Handwerk wie Ziegelbrennen bestand.

 

*

 

Oriel Lei und seine Schwester Siorel Hani kannten kein anderes Leben, Sie waren zufrieden damit, so, wie nahezu jeder Herreach mit seinem Dasein einverstanden war. Trotz der großen Veränderung waren sie ausgeglichen wie eh und je, gaben sich nie launisch oder emotional überschwänglich.

Die Geschwister kauerten sich auf die Matten vor dem Trivid und warteten auf das Erscheinen Presto Gos, als diese auch schon, pünktlich wie stets, in die Mitte des großen Kreises trat. Die Oberste Künderin war schon legendär, ihr Charisma ungebrochen. Sie überragte die um sie kauernden Clerea und Mahner, da sie als Einzige stehen blieb. Das leuchtende Gelb ihrer Kutte mit dem blauen Oval auf der Rückseite war Ausdruck eines tröstlichen Symbols, ähnlich der gelben Sonne, als Lebensspender, als absolutes Zentrum.

»Das Licht«, begann sie, »schauet das Licht, den allumfassenden Kreis aus Licht, Zentrum allen Seins. Schaut auf mich, denn ich bin das Licht und ihr seid nichts ohne mich!«

»Aber ... das ist doch falsch ...«, murmelte Oriel Lei. »Was redet sie da?« Verunsichert schaute er zu seiner Schwester, doch diese hing geradezu mit den Augen an der Obersten Künderin und wiederholte mit flüsternder Stimme, was diese predigte.

Das beruhigte Oriel Lei keineswegs. »Schwester, was ist mit dir? Dies ist keine Gebetstrance, du weißt genau, dass sie auf die Entfernung über das Trivid nicht funktioniert. Komm zu dir, Siorel Hani!«

Dennoch geschah etwas, das auch die Zuschauer vor dem Trivid in den Bann schlug. Presto Gos Gestalt war plötzlich von einer grell strahlenden Aura umgeben, die sich langsam ausbreitete. Sie hob die Arme und wiederholte ihre Worte mit euphorischer Stimme.

Oriel Lei spürte ein Vibrieren in sich. Er merkte plötzlich, dass er seine Augen nicht mehr von der immer stärker strahlenden Obersten Künderin wenden konnte, ertappte sich sogar dabei, dass er ebenfalls ihre flammende Rede wiederholte.

Aber er hatte Angst, wollte es nicht, wehrte sich dagegen. Er merkte, dass etwas Fremdes von ihm Besitz ergriff, seine Kräfte aus ihm saugte. Er wurde zur Gebetstrance gezwungen, obwohl er sich dagegen wehrte.

Oriel Lei nahm schon seit einiger Zeit nicht mehr an Gebetsrunden teil, weil sich jedes Mal etwas Unheimliches ereignete, was ihm Furcht einflößte. Es war vorgekommen, dass er erst nach Stunden wieder erwachte, völlig erschöpft und entkräftet, wobei er allerdings geglaubt hatte, längst wach zu sein. Und es geschah, dass andere Teilnehmer der Runde plötzlich wie in einer Art epileptischem Anfall zusammenbrachen oder in blinder Raserei über den Nachbarn herfielen.

Aggressionen waren den Herreach weitgehend fremd. Sie waren genügsame, bescheidene Wesen, die taten, was notwendig war, aber nicht nach höheren Zielen strebten.

Sie lebten friedlich miteinander und kamen völlig ohne Exekutive aus; Instanzen wie Polizei oder Gerichtsbarkeit waren ihnen völlig unbekannt. Es gab keine Hierarchien, keine ausufernden Gesetzesbücher. Jeder lebte, wie es ihm gefiel.

Niemand war gezwungen, Presto Go als Oberste Künderin anzuerkennen, doch sie war seit Jahrzehnten als Leitbild akzeptiert. Sich von ihr abzuwenden oder einen Nachfolger zu fordern wäre viel zu viel Aufwand gewesen. Es ging ihnen allen gleichermaßen gut; so etwas wie Neid kannte keiner.

Deshalb verstand Oriel Lei die sich häufenden unheimlichen Vorgänge der letzten Zeit nicht. Niemand konnte diese unvorhersehbaren Veränderungen richtig einschätzen, weder die Herrachischen Freiatmer, die auf dem Land aktiv waren, noch der Cleros in den sieben Städten. Einzig die Neuen Realisten schienen die Berichte vom ersten Moment an ernst zu nehmen und versuchten, das Rätsel wissenschaftlich zu lösen, ohne es als »momentane Strömung der Religion« abzutun.

Handelte es sich um eine Mutation? Es war gut möglich, dass die Kinder, die in die neue Tag-und-Nacht-Welt geboren wurden, verändert waren, was vielleicht erst Jahrzehnte später auffallen würde. Immerhin hatten die Herreach damals geglaubt, zum Aussterben verurteilt zu sein, nachdem es einige Zeit keinen Zyklus mehr gegeben hatte.

»Warum hast du Angst?«, fragte das Licht. Presto Go schien selbst über das Trivid zu spüren, dass ein Zweifler unter ihren Anhängern war. »Fürchte dich nicht, Kind, es ist alles in Ordnung.«

Der ganze Holoschirm war nunmehr mit dem Licht ausgefüllt. Oriel Lei konnte weder den Platz noch einen einzelnen Herreach mehr erkennen. Das von der Obersten Künderin ausströmende Licht überflutete den gesamten Tempelplatz, womöglich reichte es schon darüber hinaus.

Wurde es nicht schon heller vor dem Fenster? Oriel Lei sah es im Augenwinkel wie ein stakkatoartiges Blitzlicht. Unter Aufbringung aller Kräfte löste er den Blick vom Trivid und wandte den Kopf zur Seite, wo seine Schwester saß.

»Schwester ...«, stieß er keuchend hervor. »Irgendetwas geschieht mit uns. Eine große Gefahr ...«

»Aber nein«, antwortete Siorel Hani mit beruhigender Stimme. Immerhin schien sie wieder ansprechbar zu sein. »Es ist alles in Ordnung, Bruder. Erinnere dich an die Erzählungen von früher, als der Riese Schimbaa erschaffen wurde. Wir leben nun im Licht, unser Schöpfer hat uns im Stich gelassen, und alles hat sich verändert. Es konnte nicht ausbleiben, dass dies eines Tages geschehen würde. Wir erreichen nun die nächste Stufe unseres Daseins.«

»Woher willst du das wissen?«, fragte Oriel Lei verzweifelt. »Wir wissen nur, was in den Nachrichten kommt oder was in den Gebetsrunden mitgeteilt wird. Wie kannst du nur so sicher sein, dass wir die nächste Stufe erreichen?«

»Sieh mich an, Bruder!« Siorel Hani wandte ihm das Gesicht zu. Es schien nur noch von den riesigen Augen beherrscht zu sein, deren grünes Leuchten sich zusehends ausbreitete. Oriel Lei konnte hinter dem Leuchten kaum mehr das vertraute Antlitz seiner Schwester mit dem leicht schief stehenden Nas-Organ erkennen.

»Was ist mit dir?«, flüsterte er voller Schrecken. »Bist du das noch, Schwester, oder jemand anderer? Ich erkenne dich nicht wieder ...«

»Es ist wirklich alles in Ordnung, Bruder, warum machst du dir so viele Gedanken? Hast du Angst, dass sich die Welt weiterentwickelt? Es kann nicht immer alles bleiben, wie man es kennt. Sei nicht so verbohrt und engnasig! Es wird Zeit für die fortschrittliche Zukunft!«

»Es ist falsch ...«, jammerte Oriel Lei und hielt sich den gesenkten Kopf. Das Licht bereitete ihm zusehends Schmerzen, brannte sich glühend in sein Gehirn. »Das ist alles falsch ... Ich will das nicht ... ich will weg ...«

»Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin ja da, ich, deine Schwester. Sieh mich an und schau das Licht! Ich bin das Licht. Erkenne mich und bete mich an, denn du bist nichts ohne mich, doch alles, wenn du dich in mir badest. Sieh her!«

Oriel Lei konnte sich dem hypnotischen Zwang der Stimme nicht entziehen. Sein Herz begann heftig zu klopfen, seine Glieder zitterten, und er hatte das Gefühl, als würde sein übermäßig aufgeplustertes Nas-Organ gleich platzen. Gegen seinen Willen musste er den Kopf heben und seine Schwester anschauen. Obwohl das Licht grausam blendete, riss er die Augen weit auf, denn er sah das Licht, wahrhaftig das Licht, einen allumfassenden Kreis, in dessen Mitte ...

... das Böse wohnte. Auf den ersten Blick ein verwaschener schwarzer Fleck, doch schon nach kurzer Zeit konnte er klar sehen, und er schaute und erkannte, und ...

 

*

 

»Bruder, nun wird es wirklich Zeit, aufzustehen!«, rief Siorel Hani mahnend durch die offene Tür ins Schlafzimmer. »Das Morgengebet beginnt jeden Moment! Ich war schon im Stall und habe die Loort gefüttert, also steh endlich auf, du Faulpelz! Wir haben heute eine Menge zu tun.«

Als sie keine Antwort erhielt, schaute sie ins Zimmer. Oriel Lei lag wie zumeist seitlich zusammengerollt auf der Schlafmatte. Er rührte sich nicht.

»Bruder, was ist mit dir?«, fragte Siorel Hani besorgt. »Das ist doch sonst nicht deine Art! Bist du etwa krank? Oder willst du mich ärgern?«

Der letzte Satz diente nur ihrer eigenen Beruhigung, denn aus dem Alter, sich gegenseitig Streiche zu spielen, waren sie längst heraus. Beide wurden in diesem Jahr sechzig Jahre alt. Zwillingsgeburten waren bei den Herreach selten, aber sie kamen durchaus vor.