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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Kiss me and smile for me

Wenn du der Schmied bist …

Der Fetzenmensch

Wer ist dieser Mann?

Nur du und ich kennen die Wahrheit

Schlossbesichtigung

Ende eines Pilzes

In den Wäldern, in den Bergen

Anrufe beim Kommandanten

Mokkatassen, Aufbruch

Schöner Tag in Photon-City

Blutneid

»… mich sterben zu sehen.«

Hier bin ich schon einmal gestorben

Hoch die Hände, Ertruser!

Zukunftspläne

Leg los!

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

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Nr. 2391

 

Die Schwarze Zeit

 

In der Charon-Wolke wird Mysteriöses gebaut – eine neue Zeit wirft ihre Schatten

 

Wim Vandemaan

 

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Wir schreiben den Februar 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4933 alter Zeitrechnung: Die Erde und die anderen Planeten des Solsystems stehen seit Monaten unter Belagerung. Einheiten der Terminalen Kolonne TRAITOR haben das System abgeriegelt, die Menschen wiederum haben sich hinter den sogenannten TERRANOVA-Schirm zurückgezogen.

Damit sind die Terraner und ihr Heimatsystem die Einzigen, die sich massiv der Armada der Chaosmächte widersetzen. In einigen Verstecken der Milchstraße hält sich ebenfalls zäher Widerstand, vor allem im Kugelsternhaufen Omega Centauri und in der Charon-Wolke. Wenn die Bewohner der Galaxis aber eine Chance gegen TRAITOR haben wollen, müssen die Terraner unter Perry Rhodans Führung wirksam und nachhaltig gegen die Mächte des Chaos vorgehen.

Aus diesem Grund wird überall fieberhaft geforscht. Vor allem in der Charon-Wolke arbeiten Terraner, Arkoniden und Algorrian gemeinsam an neuen Erfindungen, die gegen TRAITOR wirken sollen. Doch dann erscheint DIE SCHWARZE ZEIT …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Viltur Milla – Ein Dummkopf spielt gern Akkordeon.

Malcom S. Daellian – Der »Geist in der Maschine« will nicht noch einmal sterben.

Le Anyante und Curcaryen Varantir – Die Algorrian bauen etwas, »das man nicht bauen darf«.

Julian Tifflor – Der Kommandant von Photon-City hört ein altes Lied.

Gloria Carely – Die Technikerin erledigt viele Aufgaben.

Kiss me and smile for me

2. Februar 1971 A. D.

Terra, New York

 

Die Frau stand ihm wehrlos ausgeliefert, die nackten Arme von Metallbändern an die Wand gefesselt, die Schultern preisgegeben, die Lippen leicht geöffnet.

Der gelbhäutige Glatzkopf grinste sardonisch. »Dale Arden, wie Ihr wisst, sind wir auf diesem Planeten fortschrittlicher als ihr Erdlinge. Der Grund unseres Erfolges ist, dass uns menschliche Züge wie Güte, Erbarmen oder Mitleid fehlen. Wir sind kalte, berechnende Wissenschaftler – und Ihr werdet eine von uns!«

Der Tyrann wies mit dem knochigen Finger auf die Frau. »Daher müsst Ihr Euch der Behandlung durch diese Enthumanisierungsmaschine unterziehen. Überlebt Ihr, werdet Ihr meine Frau.«

Man sah Dale Arden an, dass diese Aussicht sie nicht fröhlich stimmte.

Die Projektoren der Maschine waren bereits auf die schöne Frau gerichtet, als plötzlich einer der Schergen des Tyrannen die Prozedur unterbrach: »Euer Exzellenz! Seht hier im Raumographen! Unsere Stadt wird von Raumkreiseln angegriffen.«

Sofort vergaß der Tyrann seine Gefangene. Er erfasste die taktische Situation und kommandierte: »Lasst meine gesamte Luftflotte aufsteigen!«

Inzwischen griff Flash Gordon mit seiner Rakete furchtlos an. Flashs tödlicher Azetylenstrahl ließ das feindliche Schiff, einen der gefürchteten Raumkreisel, als rot glühende Masse geschmolzenen Metalls abstürzen. Ganz Mongo zitterte vor diesen Schiffen. Nicht so Flash Gordon. Ein zweiter Raumkreisel schmolz im Feuersturm seines Raketenantriebs! Jetzt aber griffen zwei weitere Schiffe an, auf ein Uhr und auf drei Uhr. Treffer schlugen ein.

Flash Gordon sprang auf und fasste sich an die Kehle. Er ächzte: »Gasstrahlen! I-Ich ersticke! Ich …« Seine Rakete erbebte und …

… die Tür ging auf. Seine Mutter trat ein und lächelte ihm zu.

Er legte das Heft zur Seite und schaute zu ihr hoch. »Hallo, Mum.«

»Was liest du denn da?«

»Ach, nichts.«

Sie beugte sich zur Liege, griff über ihn nach den Comic-Heften und blätterte darin. »Schon wieder diese alten Schmöker«, seufzte sie. »Woher hast du diesen Kram nur immer?«

»Ivys Dad hat sie als Kind gesammelt. Heute sind sie echte Raritäten. Er leiht sie mir, weil er weiß, dass ich gut damit umgehe.«

Seine Mutter gab ihm die Hefte zurück und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Du weißt, dass Daddy es gar nicht gerne sieht, wenn du diese Lügenmärchen liest.«

Der Junge nickte. Sein Vater galt als einer der berühmtesten Strafverteidiger der Ostküste. Für ihn war es eine längst ausgemachte Sache, dass sein Sohn eines Tages Jura studieren und die Kanzlei übernehmen würde. Stumm packte der Junge die »Flash Gordon«-Hefte zusammen.

Seine Mutter sagte leise: »Es ist doch alles nicht wahr, was in diesen Heftchen steht. Nur Träume.« Immerhin lächelte sie dazu, als hätte sie selbst einmal Träume gehabt.

Der Junge stand auf, packte die Hefte weg, ging ins Wohnzimmer und setzte sich dort auf die breite Fensterbank. Es war spät am Nachmittag, klirrend kalt. Der Atlantik lag da wie eine polierte Scheibe Eis. Vater würde erst spät am Abend aus seinem Büro in der Stadt zurück nach Long Island kommen.

Neben ihm lag ein Stapel neuerer TIME-Magazine von 1971, auf den Titelbildern unter anderem die hübsche Ali MacGraw aus der Love Story, ein Gefängnis und zwei Männer mit Priesterkragen.

Er saß und schaute hinaus ins Blaue. Er bemerkte ein Flugzeug, das vom John-F.-Kennedy-Flughafen her gestartet sein musste. Die Maschine stieg noch.

Der Junge kniff die Augen zusammen. Es war eine DC-7Cs, wobei er das »7Cs« wie »Seven Seas« gesprochen dachte. Die 7Cs waren als die ersten Verkehrsflugzeug in der Lage, den Atlantik in beiden Richtungen nonstop zu überqueren.

Wenige Minuten später war die Seven Seas in den Himmel getaucht. Der Junge schnalzte mit der Zunge, als er das nächste Flugzeug sah. Es war eine brandneue Douglas DC-9 der Trans World Airlines, strahlend weiß, mit am Heck angebrachten Triebwerken und einem T-förmigen Höhen- und Seitenleitwerk. Der Junge sah auch diesem Flugzeug nach, wie es auf seiner unsichtbaren Route in die oberen Regionen der Welt vordrang.

Er schloss die Augen und stellte sich vor, wie die DC-9 überhaupt nie mehr aufhören würde zu steigen, wie sie weiter und weiter in den Himmel vorstieß und endlich Richtung Mond verschwand, als wäre es die Rakete von Dr. Zarkov mit Flash Gordon und Dale Arden an Bord, die zum Planeten Mongo flog.

Mit Flash Gordon, Dale Arden und ihm. Näher betrachtet konnte man vielleicht sogar auf Flash verzichten … er war ja da, ein junger Astronaut. Jemand wie der berühmte Captain Flipper. Oder Dr. Manoli. Oder Rhodan, der in seiner Rakete ohne Raumanzug um den Mond geflogen war.

Als er die Augen wieder öffnete, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Die ersten Lichter von Manhattan leuchteten, dann Hunderte, dann Tausende. Manhattan, die Stadt aus Licht, ging auf wie eine neue Milchstraße, ein Sternenmeer, zum Greifen nah.

Plötzlich erschrak er. Mist. Doppelmist. Wie hatte er das vergessen können? Er schaute zur Uhr und lief zur Musiktruhe. Dort stellte er das Radio an und suchte seinen Lieblingssender.

Die Hitparade lief bereits. Er drückte beide Daumen; mit Erfolg. Tatsächlich erklangen gerade die ersten Takte seines Lieblingsliedes, das den ersten Platz der Hitparade zurückerobert hatte. Julian drehte den Ton lauter und sang mit, was Peter, Paul & Mary in ihren sternenklaren Stimmen vortrugen:

»Oh, kiss me and smile for me;

Tell me that you’ll wait for me;

Hold me like you’ll never let me go.«

 

*

 

Seine Mutter schaute noch einmal zur Tür hinein. Die Musik war wieder zu laut. Aber als sie ihren Sohn mit Inbrunst singen sah, brachte sie es nicht übers Herz, ihn um Ruhe zu bitten.

Das Telefon in der Küche klingelte. Leise schloss sie die Tür, ging in die Küche und hob ab.

»Mrs. James Frederik Tifflor. Oh, du bist es, Ivy. Ja, Julian ist zu Hause. Er hört Musik. Ich hole ihn.«

Sie legte den Hörer ab und ging erneut ins Wohnzimmer. »Julian!«, rief sie. »Komm bitte einmal, es ist für dich. Ivy.«

Julian Tifflor stand auf und lief los.

Seine Mutter seufzte leise und schaute aus dem Fenster. Der Mond stand kalt und abweisend am Himmel wie eine Festung der Engel. Dorthin und darüber hinaus zog es ihren Sohn. Ihre Tochter Eileen, ein gutes Jahr jünger als Julian, war die geborene Realistin; Julian war der Träumer der Familie.

Aber war das nicht normal, in seinem Alter – er war gerade neun Jahre – und im Zeitalter der Raumfahrt, dass man vom Flug zu den Sternen träumte? Sie lächelte. Ihr Mann würde schon dafür sorgen, dass Julian mit beiden Beinen auf dem Boden der Erde blieb.

Sie schaute noch einmal zum Mond. So weit würde es ihr Sohn nicht bringen. Und sie hoffte sehr, dass er diese und die anderen Enttäuschungen, die das Leben mit sich bringt, verkraften würde.

Julian kam ins Wohnzimmer zurück. Das Telefongespräch musste ihn glücklich gestimmt haben, denn er sang laut sein Lieblingslied:

»I’m leavin’ on a jet plane,

Don’t know when I’ll be back again.

Oh babe, I hate to go!«

Wenn du der Schmied bist …

2. Dezember 1345 NGZ

Planet Jonathon, Photon-City

 

Es gab wieder einmal Ärger mit Aktakul da Urengoll, dem Ka’Marentis, das heißt dem Chefwissenschaftler des Arkonidischen Reiches.

Wir reiben uns aneinander auf, ärgerte sich Tifflor in Gedanken, als er aus dem Shuttle sprang, drei, vier Sätze durch den tosenden Regen machte und den Photon-Tower betrat. Wir machen uns lächerlich. Und wegen dieses Unsinns muss ich eine Sitzung mit dem Siedlerrat verlassen!

Aktakul hatte diesen Turm zur Residenz gewählt, wahrscheinlich, weil es in der Stadt an Trichtergebäuden mangelte. Das Rohmaterial der rasend schnell errichteten und wachsenden Stadt bestand vor allem aus Einzelmodulen von LFT-BOXEN. Die Stadt war eher ein Provisorium, ein überdimensionales Flüchtlingscamp als ein architektonisches Juwel.

Immer noch brodelte es in Tifflor.

Der Zorn ist ein schlechter Ratgeber, besann er sich auf seine Fähigkeiten als Shan. Vor Jahrhunderten hatte er die Upanishad studiert, jene Philosophie und Kampfkunst, die in der Mächtigkeitsballung der Superintelligenz ESTARTU entwickelt worden war. Gegenwärtig, lange nach dem Kult der Ewigen Krieger, lange nach Monos, war er einer der letzten Shans der Milchstraße. Vielleicht der letzte.

Er hatte selbst lange nicht mehr an die Upanishad gedacht. Aber seit er in die Charon-Wolke gezogen war, hatte er sich wieder auf diese Fähigkeiten besonnen. Warum? Stress? Weil der Krieg, den sie führten, Krieger brauchte?

Kurz bevor er Aktakuls Büro betrat, meditierte er Charlashad, die achte Stufe der Upanishad. Charlashad bedeutete über das Selbst hinaus und befähigte jeden Shan, sämtlichen Verlockungen und sexuellen Bedürfnissen zu widerstehen.

Zwar stellte Aktakul keine Versuchung erotischer Art für ihn da. Gelegentlich stellte er sich aber vor, wie der kompakte, kahlköpfige Arkonide ihm die Rückseite präsentierte und er, Tifflor, ausholte zu einem wohltuenden, befreienden Tritt.

Charlashad …

Für den Bruchteil eines Augenblicks blitzte die Erinnerung an Tschomolungma auf, die erste Upanishad-Schule der Milchstraße, in der er zum Upanishad-Schüler und später zum Shan des Kriegerkultes ausgebildet worden war. Das stählerne Märchenschloss auf dem Mount Everest. Die Dashid-Kammer. Die Statue des Attar Panish Panishas … fast ein Jahrtausend her. Ich lebe in den Stromschnellen der Zeit …

Tifflor betrat das Büro und nickte Aktakul kurz zu. »Was liegt an? Ich habe eine Nachricht erhalten, dass die Ladung der AROCYS …«

»Die AROCYS ist ein Schiff des Kristallimperiums!«, unterbrach ihn Aktakul. »Damit untersteht es meinem Befehl! Als Ka’Marentis des Imperiums …« Aktakul da Urengoll stockte und rieb über die Tätowierung, die er an der rechten Schläfenseite trug. Das Tattoo in blau lumineszierender Farbe stellte einen Raubvogel dar.

Tifflor lächelte. »Fahr nur fort«, bat er.

Der Eisregen prasselte lautlos an das Glassitfenster, eine Botschaft vom Rauen Ozean. Das Tief hatte sich vom Foror-Golf aus ins Innere des Kontinents Intario vorgearbeitet und über Photon-City gelegt. Es hatte die Temperatur in der Stadt binnen weniger Minuten unter den Gefrierpunkt stürzen lassen.

Die Temperatur in Photon-City konnte mehrmals am Tag zwischen 30 Grad plus und 15 Grad minus schwanken; kaum ein Neu-Siedler bewegte sich ohne Klimaanzug in der Stadt. Nur einige Oxtorner und Ertruser genossen das hiesige Wetter.

Die Eisgraupen, die an das Glassit schlugen, waren beinahe faustgroß. Ganz Ol-Sholom war in Finsternis getaucht; Tifflor war sicher, dass sich kein Neu-Siedler mehr auf der Straße befand. Nur die Shuttles aus Panzertroplon glitten durch die Wetternacht wie mattgoldene Mammut-Würmer.

In einem Prallfeldterrarium summte eine Echoschnecke vor sich hin. Echoschnecken stammten von der Südküste des Kontinents Presor; einige Biologen hatten sie von einer Exkursion nach Intario gebracht, züchteten und handelten mit ihnen.

Tifflor lauschte einen Moment. Die Stimme der Schnecke klang hoch und dünn, aber die Melodie ihres Liedes war unverkennbar: Die Schnecke sang den Marsch der Imperatoren, die pompöse Staatshymne des Arkonidischen Imperiums.

»Sehr patriotisches Tier«, lobte Tifflor.

»Sie weiß nicht, was sie singt«, gab Aktakul zu. »Sie plappert nur die Worte nach.«

»Das ist doch die beste Voraussetzung für Patriotismus«, murmelte Tifflor.

Trotz des Eisregens über der Stadt war es innerhalb des Büros – innerhalb Aktakuls Thronsaales – so heiß, dass Aktakul in kurzen Hosen auf dem Sessel saß. Tifflor schwitzte. Der Klimagenerator erzeugte über dreißig Grad Celsius, Bedingungen wie auf der Kristallwelt.

Dabei war Aktakul da Urengoll gar kein gebürtiger Arkonide. Der Wissenschaftler saß auf einem Sessel mit ausladenden Armlehnen.

Er thront, dachte Tifflor, als er den Arkoniden betrachtete, der mit seinen 1,65 Metern fast 20 Zentimeter kleiner war als er selbst und dennoch wirkte wie Napoleon bei einer Audienz. Wie der Kaiser des Hyperraumes. Und etwas in der Art ist der geniale Kerl ja auch ohne Zweifel.

Aktakul da Urengoll hatte die Fracht der AROCYS auf dem Landefeld von Photon-City eingefroren – ohne jede Rücksprache mit ihm oder Daellian genommen zu haben. Die Ladung des arkonidischen Schiffes bestand aus Fertigungsautomaten, die in etlichen Forschungs- und Produktionsabteilungen der Stadt dringend erwartet wurden.

Die schwarzen Wolken verhängten den Ausblick auf den Wasoo und die Terrassen von Ol-Sholom. Da Urengoll schloss die roten Augen und lehnte sich zurück. »Ich weiß, was du sagen willst: Es gibt kein Kristallimperium mehr, also auch keinen Ka’Marentis. Aber wer so argumentiert, unterwirft sich der Logik TRAITORS. Faktisch mag das Imperium aufgehört haben zu existieren, aber staatsrechtlich ist es intakt.«

Tifflor lächelte säuerlich. »Zu gegebener Zeit unterhalte ich mich gerne mit dir über Staatsrecht, Staatsrechtsphilosophie und falls nötig sogar über den ganzen arkonidischen Adelszinnober. Und wenn dir an Titeln liegt, bitte: Sobald wir TRAITOR in den Arsch getreten haben, ernenne ich dich zum Grafen von Long Island. Oder zum Baron von Münchhausen.«

Aktakul da Urengoll winkte ab. »Diese Kompetenz hast du gar nicht. Die hat doch allenfalls dein Herr und Meister.«

»Meister Rhodan?«

Aktakul knurrte zustimmend. »Außerdem ist mir an Titeln nichts gelegen. Titel sind nur Narrenkappen, und sie beeindrucken nur Narren.«

Erstaunliche Einsichtsfähigkeit für einen Arkoniden – selbst wenn er nur Kolonialarkonide ist, dachte Tifflor. »Zurück zum Thema: Die Fertigungsautomaten der AROCYS sind für den Daellian-UltraTech-Komplex bestimmt. Jede Verzögerung …«

»Wer hat sie bestimmt?«, unterbrach ihn Aktakul. »Wer hat sie angefordert?«

Der Machtverlust macht ihm zu schaffen, erkannte Tifflor. Entmachtung kränkt nicht nur, sondern entblößt, macht verwundbar, häutet. Ich habe es oft genug selbst erlebt …

Aktakul da Urengoll hatte es zum Chefwissenschaftler des größten und ältesten Sternenstaates der Milchstraße gebracht. Urengoll, ein kompletter Planet im Zentralsystem der arkonidischen Zivilisation, war sein persönliches Lehen. Und was war er nun? Der Zöllner im Photon-Tower.

Tifflor atmete tief ein. »Daellian hat die Automaten erbeten. Und Imperator Bostich hat ihn autorisiert, solche Wünsche zu äußern. Solche Bestellungen aufzugeben. Solche Anweisungen zu geben – Aktakul, das ist doch alles nur ein Streit um Worte!«

Der Arkonide schwieg.

Tifflor setzte neu an: »Die Befugnisse sind meiner Meinung nach klar verteilt: Ich bin der Oberkommandierende unseres gemeinsamen Stützpunktes hier auf Jonathon. Du koordinierst die Forschungsarbeit in der Stadt. Hier ist deine Autorität unbestritten.«

Aktakul schien in sich hineinzulauschen. Wahrscheinlich konferiert er mit seinem Extrasinn, vermutete Tifflor. Diese arkonidische Form der beratenden Schizophrenie …

»Niemand bestreitet meine Autorität in Photon-City«, sagte Aktakul, »aber was ist mit Daellians UltraTech-Komplex, mit der TechFarm? So nennt ihr Terraner doch Daellians Bastelstube.«

Tifflor wusste, was Aktakul meinte: Seit dem 20. September 1345 arbeitete Daellian mit den Algorrian, die das Beiboot der TRAJAN etwa einhundert Kilometer nördlich von Photon-City abgesetzt hatte.

Die Farm war ein Spottname, den ein Terraner aufgebracht haben musste. Die Algorrian waren keine Humanoiden, sondern ähnelten vage den Zentauren der altirdischen Mythologie. Zentauren waren Hybridwesen aus einem menschlichen Oberkörper und einem Pferdeleib. Pferde kannte man auf vielen Welten, die von Terranern besiedelt worden waren: Immer wieder nahmen die Aussiedler Haustiere mit und exportierten sie in ihre neue Heimat. Pferde und ihre umweltangepassten Varianten gehörten zu den Exportschlagern der terranischen Gen-Industrie. Tifflor hatte auf Gatas selbst Blues auf ihnen reiten sehen.

Irgendwer musste es witzig gefunden haben, die Algorrian mit Pferden und die Pferde mit einer Farm zu assoziieren. Seitdem stand der Begriff.