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Nr. 2887

 

Tagebuch des Widerstands

 

Die Stunde der Fehl-Uhr – der Schläfer erwacht

 

Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. ODYSSEUS

2. RAS TSCHUBAI

3. ODYSSEUS

4. RAS TSCHUBAI

5. RAS TSCHUBAI

6. RAS TSCHUBAI

7. RAS TSCHUBAI

8. RAS TSCHUBAI

9. RAS TSCHUBAI

10. RAS TSCHUBAI

11. RAS TSCHUBAI/CUUMORG

12. RAS TSCHUBAI

13. RAS TSCHUBAI

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Hantelraumer der Tiuphoren

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Im Jahr 1522 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) befindet sich Perry Rhodan fernab der heimatlichen Milchstraße in der Galaxis Orpleyd. Dort liegt die Ursprungswelt der Tiuphoren, eines Volkes, das unendliches Leid über viele Welten gebracht hat, ehe der ominöse »Ruf der Sammlung« sie dorthin zurückbeorderte.

In Orpleyd muss Perry Rhodan erkennen, dass die Galaxis seltsamen, nicht vorhersehbaren Zeitabläufen unterliegt – manchmal vergeht die Zeit innerhalb der Sterneninsel langsamer als im restlichen Universum. Zudem herrschen dort die Gyanli nicht nur über die Tiuphoren – sie arbeiten auch auf ein nebelhaftes Ziel hin.

Allmählich kristallisiert sich für Rhodan die Vermutung heraus, dass aus Orpleyd eine Materiesenke entstehen soll – eine Entwicklungsstufe, von der gemeinhin angenommen wird, sie liege zwischen jener der Superintelligenzen und der der Chaotarchen. Ein Name taucht dabei auf: KOSH, das Lot.

Von alldem weiß die Mannschaft der RAS TSCHUBAI noch wenig, die ebenfalls nach Orpleyd geflogen ist, um Perry Rhodan zu retten. Ehe es dazu kommt, fällt das Schiff allerdings in die Hände der Gyanli. Col Tschubai aber führt akribisch das TAGEBUCH DES WIDERSTANDS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Col Tschubai – Der Nachfahre eines legendären Teleporters entdeckt seine Chroniken als Medium.

Perry Rhodan – Der Unsterbliche agiert in Maske.

Attilar Leccore – Der Gestaltwandler muss in vorderster Front eingreifen.

Sichu Dorksteiger – Die Chefwissenschaftlerin arbeitet an einer Fehl-Uhr.

1.

ODYSSEUS:

Das trojanische Pferd

 

»An sich ist so eine Frage unerhört!«, ereiferte sich Duxaluk, nach Jurukaos Tod der Kommandierende der fünf an Bord befindlichen Wuutuloxo. Sein gedrungener, würfelförmiger Körper erbebte, die beiden Gelenke seines rechten Armes knackten laut, als stünde trockenes Holz kurz vor dem Bruch. »Aber ich werde sie schlichtweg ignorieren, Terraner Perry Rhodan aus einer weit, weit entfernten Galaxis. Du kennst dich mit unseren Gepflogenheiten eben nicht sonderlich aus.«

Zweitmechanikerin Kaadnin riss den nach vorne gewölbten Mund, der oben wie unten in einem starken roten Schneidezahn endete, weit auf und ließ ihn mit einem scharfen Geräusch zuschnappen. Ein Ausdruck ihrer starken Missbilligung. Wehe einem menschlichen Handgelenk, das dazwischengeriete ... »Wenn ich daran erinnern darf, wir haben dieses Schiff hier umgerüstet.«

»Selbstverständlich«, sagte Rhodan und hob die Hände, die leeren Flächen zu den nicht mehr als einmeterundvierzig messenden kantigen, vierbeinigen Geschöpfen gerichtet. Er hoffte, dass sie diese Geste als Beschwichtigung interpretierten.

»Deshalb ...« Er kam wieder nicht weiter. Seine ursprüngliche Frage hatte gelautet, ob die Wuutuloxo in der Lage wären, das Identifikationssignal der ODYSSEUS und das scheinbare äußere Erscheinungsbild dahingehend zu manipulieren, dass sie sich in die RAS TSCHUBAI schmuggeln könnte.

Der noch vor wenigen Augenblicken tobende Kampf im Lichfahnesystem war zur Ruhe gekommen. Es stand außer Frage, dass der stolze terranische Riesenraumer mit seinem Durchmesser von gut gut 3500 Meter in die Gewalt der Gyanli geraten war. Viele Hangartore waren geöffnet, und gyane Schiffe schleusten ein. Wie Bienen, die nach erfolgreicher Pollensuche in den Stock zurückkehrten und ihre Ausbeute ablieferten.

Für Rhodan ein unvorstellbarer Albtraum.

Doch es gab keine Zeit für Schrecken oder gar Paralyse.

Es bot sich endlich die Gelegenheit, etwas zu unternehmen! Vermutlich würde es die einzige bleiben. Deshalb Rhodans Frage, ob es möglich wäre ...? Denn die ODYSSEUS war ursprünglich eine zweihundert Meter messende Tiuphorenjacht, eine Sichel mit einem neu hinzugekommenen, achtzig Meter langen »Griff« – die Verschalung des neuen Triebwerks, das Rhodan »Leaper« genannt hatte.

Deshalb, weil ihr gut darin seid, so hatte Rhodan nun erläutern wollen, bevor er rüde unterbrochen worden war, habe ich diese Frage überhaupt zu stellen gewagt. Die Wuutuloxo verstanden sich auf ihr Handwerk. Vom technischen Stand her waren sie ungefähr gleichauf mit den Terranern – da ein bisschen besser, dort ein bisschen schlechter. Die Um- und Aufrüstung der ODYSSEUS war wirklich gelungen.

Aber wie ein Schiff der Gyanli, der Herrscher der Vereisten Galaxis Orpleyd, sah die ODYSSEUS trotzdem nicht aus. Nicht einmal auf den zweiten Blick. Deren Schiffe ähnelten optisch eher U-Booten mit zwei Türmen.

Vor allem brannte Rhodan die Zeit auf den Nägeln, die Einschleusung konnte jeden Moment beendet sein. Er musste sich sofort etwas einfallen lassen – und die Wuutuloxo die Idee in die Tat umsetzen.

»Papperlapapp«, so zumindest interpretierte Rhodan das Geräusch, das Duxaluk schnarrend hervorstieß, »das sollte zu bewerkstelligen sein, wir Techniker des Mechanischen Ordens haben bereits ganz andere Herausforderungen bewältigt.« Er wandte sich an seine vier Begleiter. »Richtig?«

»Richtig!«, lautete die ein wenig krächzend klingende, dennoch schmetternde Antwort im Chor.

»Schön«, mischte sich Attilar Leccore ein. »Aber ist das auch eine gute Idee?« Er hob die Hand, um Rhodan zu bremsen. »Ja, ich weiß, was dich bewegt. Genauso wie mich. Die RAS TSCHUBAI hat sich auf diese Reise gemacht, um dich zu retten. Was bedeutet, dass unsere Leute daran glauben, dass du und Pey-Ceyan auf irgendeine Weise überlebt habt. Gewiss, sie haben keine Spiralgalaxis aufsteigen sehen, aber dennoch ist es eine kühne und sehr gewagte These ohne den Hauch eines Beweises. Nicht mehr als ein irrwitziger Glaube, weil keiner dich loslassen wollte. Das hat genügt, dieses ungeheure Risiko auf sich zu nehmen, obwohl die Wahrscheinlichkeit sehr hoch war, dass es vergeblich wäre.«

»Richtig«, bestätigte der Terraner. »Ich werde deshalb nicht tatenlos dabei zusehen, dass dieses Schiff in fremden Händen ist – und die gesamte Besatzung, annähernd 35.000 Personen, der gyanen Willkür ausgeliefert sind oder sogar ...« Er vollendete den Satz nicht, konnte es nicht aussprechen. Allein die Vorstellung ließ alles in ihm im Frost erstarren. Er musste ohnehin schon mit den Verlusten der Raumschlacht fertig werden, darunter die vollständige Vernichtung des MARS-Raumers RALPH SIKERON, die er als ohnmächtiger Zuschauer live miterlebt hatte. Vor allem, weil sich die RALPH SIKERON nicht mehr im Kampf befunden hatte, sondern während der Flucht vom Mutterschiff zerstört worden war. Die grausame Statuierung eines Exempels gegen einen Herausforderer, der bereits auf dem Rückzug gewesen war.

Rhodan war überzeugt, dass es auch bereits im Inneren des Riesenraumers tödliche Verluste gegeben hatte. Die Übernahme war keinesfalls ohne Gegenwehr abgelaufen, das lag nicht in der Mentalität der Menschen – und der meisten ihrer Verbündeten.

Vielleicht genügte es den Gyanli, die überlebenden Kriegsgefangenen für ihre »Zwecke« zu missbrauchen – zunächst. Doch die Gefangenen würden nicht mehr als rechtlose Sklaven sein, weiterhin stets den Tod vor Augen, sollten die Herrscher es sich aus der Laune eines Augenblicks heraus anders überlegen und sie für nutzlos befinden.

»Damit könnte ich niemals leben«, fügte er leise hinzu. »Ich kann es vielleicht nicht verhindern, wie bei der RALPH SIKERON, aber ich muss es wenigstens versuchen.«

»Geht mir ebenso«, bekräftigte die Larin und schüttelte die dicken, kupferroten Korkenzieherhaare. »Und ich sehe ebenfalls keine andere Möglichkeit, als sich an Bord zu schleichen und von innen her zu agieren.«

»Ich widerspreche euch ja gar nicht«, versicherte der Gestaltwandler. »Wir können kaum mit Wattebällchen auf unser eigenes Schiff schießen – und irgendwohin zu fliegen, um mit einer größeren Streitmacht wiederzukommen, ist durch die bisherigen Erfahrungen ausgeschlossen. Wir stünden vor derselben Situation – ein Beschuss ist ausgeschlossen. Die Gyanli haben strategisch schnell erkannt, dass der Zugewinn des Riesenraumers sinnvoller ist als sich auf einen langen Kampf einzulassen. Uns geht es nicht anders, wir wollen das Fernschiff zurück. Doch gleich mit dem ganzen Schiff einschleusen?«

»Ihr könntet mit Raumanzügen hinfliegen und artig anklopfen«, meinte Duxaluk dazu. »Höflichkeit kommt bestimmt gut bei euren künftigen Gastgebern an.«

»So!« Zweitmechanikerin Kaadnin, die einen Tornister mit ihrer Handhabe – Werkzeugen und anderen nützlichen Dingen – auf dem Rücken trug, stemmte die zweigliedrigen Arme knackend in die Seite und reckte den Kopf in Leccores Richtung. »Du bezweifelst, dass wir technisch dazu in der Lage sind, den Feind zu täuschen?«

»Nein, aber ...«

»Stimmt etwas nicht mit eurem Gehör? Müssen wir uns wiederholen? Wir haben die Frage vorhin schon beantwortet! Wir lassen uns das nicht entgehen und sind dabei!«, bekräftigte diesmal Uuluk als Sprecher für die anderen. »Der Mechanische Orden kämpft gegen die Tyrannei. Wir sind Verbündete. Wir können nicht zulassen, dass solch ein Machtmittel in den Händen der Despoten bleibt. Das ziehen wir jetzt gemeinsam durch!«

Zweitmechanikerin Kaadnin wippte heftig mit dem ledrigen, grünlich braunen, unsymmetrisch mit Stacheln besetzten flachen Kopf. Ihre von einem Hornkranz umgebenen tiefschwarzen Augen glänzten stark. »Dank der neuen Ausrüstung schaffen wir das mit Leichtigkeit«, behauptete sie. »Jedoch benötigen wir für die weitere Strategie so rasch wie möglich einige weitere Auskünfte über deine RAS TSCHUBAI, Perry Rhodan.«

»Rasch – und ob!«, rief Duxaluk. »Solange die Gyanli ihren Sieg feiern, die neue Strategie planen, mit ihren Schiffen beschäftigt sind, ist das unsere Chance. Dieser unaufmerksame Moment vergeht allzu schnell!«

Perry Rhodan musste kurz lächeln, so erleichtert war er, dass seine Verbündeten ihm auch weiterhin beistehen würden. Obwohl in ihm immer noch alles verkrampft war und sein Herz nur dank des Zellaktivators einen erzwungenen regelmäßigen Schlag hatte, wagte er zaghaften Optimismus.

 

*

 

Der Terraner konzentrierte sich mit Unterstützung von Attilar Leccore auf seine Erinnerungen. Ein eidetisches Gedächtnis wie das Atlans wäre von Vorteil gewesen, er hätte die Informationen wie von einem Datenblatt heruntergerasselt.

Aber so mussten sie sich auf das Notwendigste beschränken.

Das Wichtigste konnten sie ohnehin mühelos abrufen: Die Semitronik ANANSI. Das Hauptdeck 19 mit dem Ogygia-Habitat, einer Parklandschaft im Zentrum und darum angeordnet der Hangarbereich für 36 Leichte Kreuzer und 264 Space-Jets. Die Antriebe und vor allem der Hypertrans-Progressor. Nicht zuletzt die Zentralkugel mit Deck 16-01, wo sich der COMMAND-Level befand, und Deck 16-02, der GALERIE-Level, die Gänge und Peripherieräume. Ebenfalls auf Deck 16-01 befanden sich 110 Suspensions-Alkoven zum Schutz der Zentralebesatzung während des Hypertrans-Fluges.

»Aber davon werden wir uns erst einmal fernhalten«, schloss Rhodan schließlich. »Die Zentrale ist sicherlich vollständig besetzt worden und wird von den Gyanli auf höchster Stufe abgesichert und bewacht.«

»Aber was werden wir dann tun?«, fragte der Anführer der Wuutuloxo und wirkte nun doch ein wenig irritiert.

»Reingehen, uns umsehen, den Widerstand suchen«, lautete prompt die Antwort. Seine Jahrtausende lange Erfahrung würde Rhodan hierbei unterstützen, so eine Situation machte er nicht zum ersten Mal durch.

»Klingt reichlich warzig«, sagte Uuluk.

»Simpel«, übersetzte Duxaluk. Er klopfte sich mit der dreifingrigen, feingliedrigen Hand gegen den Schädel. »Warzen kriegen schon die Allerkleinsten.«

»So ist es auch«, bestätigte Rhodan seinen Plan. »Das Schiff ist riesig, selbst mit den 35.000 Personen ist es nicht vollgestopft. Es gibt Tausende Versteckmöglichkeiten vor den Gyanli, vor allem in der Übernahmephase. Bis sie die vollständige Kontrolle über das Schiff haben, hat der Widerstand längst diverse verborgene, abgeschirmte Zellen angelegt und kann von dort aus operieren.«

»Aber das ist doch auch unser Problem. Wie wollen wir sie finden?«, wollte die Larin wissen.

»Mit deiner Hilfe.« Rhodan nickte ihr zu. »Und mit meiner Erfahrung und meinem Gespür, wo wir Verbündete finden könnten. Es gibt bestimmte Orte, die sich für Menschen anbieten, die sogar als still vereinbart gelten. Ich kenne sie genauso wie das Militär, das den Widerstand organisieren wird. Damit fangen wir an.«

»Eine Frage zu ANANSI«, meldete sich Buutaluk zu Wort. Die Wuutuloxo hatten keinen für Rhodan erkennbaren Geschlechtsdimorphismus, dennoch wusste er, dass es sich bei ihm um einen Mann handelte, denn bei den männlichen Namen wurde grundsätzlich ein -luk angehängt. »Wenn die Semitronik übernommen wurde, kann sie dich und den Widerstand überall im Schiff aufspüren. Und uns, sobald unsere Daten ausgewertet werden und man festgestellt hat, dass wir keine Knacklitsch sind.«

Pey-Ceyan warf einen fragenden Blick zu Leccore, der grinste. »Kakerlaken«, sagte er.

»Ah.« Sie verstand. Eines der drei universellen Dinge.

Rhodan blieb bei der Sache. »Ja, das ist ein Risiko«, räumte er ein. »ANANSI hat jedoch drei Betreuer, die zugleich Wächter sind – und wenn sie vor der Übernahme noch handeln konnten, haben wir nichts zu befürchten. Davon gehe ich vorerst aus, da unser Raumer seit der Rückkehr zu der Sonne bewegungslos verharrt.«

Früher hätte ein Schiffsrechner die Selbstzerstörung initiiert. Heutzutage gab es bessere Lösungen. »Mehr dazu später«, fügte er hinzu.

»Das genügt auch vorerst, weitere diesbezügliche Erklärungen sollten in der Tat später folgen«, stimmte Duxaluk zu. »Konzentrieren wir uns auf die Zeitnot und die oberste Priorität – die Gyanli hereinzulegen.«

»Das wird ein wahres Vergnügen.« Reeroluk, der sich bisher zurückgehalten hatte, nickte in kurzen, abgehackten Bewegungen und stieß ein zugleich glucksendes wie kollerndes Geräusch aus. Rhodan interpretierte das Nicken diesmal im Gegensatz zu Kaadnins Verhalten vorher nicht als aggressive Geste, sondern in Verbindung mit dem Geräusch als vergnügtes Lachen.

»Also, legen wir los!«, bekräftigte Kaadnin.

Dann sangen sie zur Einstimmung alle gemeinsam ein Lied mit nur vier Strophen und auf Biegen und Brechen gereimt, dessen Wortlaut ziemlich derb, um nicht zu sagen deftig war und sich ausschließlich auf die Gyanli bezog.

 

*

 

Zusammen mit dem Linear-Nukleus-Meditator, dem neuen Bordgehirn, machten sich die Wuutuloxo an die Arbeit. Der Meditator unterschied sich deutlich von ANANSI, allein dadurch, dass er keinerlei Persönlichkeit hatte und nur nüchterne Fakten von sich gab. Sein vollständiger Name rührte daher, dass sein Kern dazu in der Lage war, im Linearraum Rechenoperationen durchzuführen. Dadurch war er zu überlichtschnellen Rechenoperationen in der Lage und es bestanden gute Chancen, dass sie schnell genug waren, bevor die Einschleusung der Schiffe beendet war.

Die einfachste Programmierung betraf die Mimikry nach dem Vorbild der Gyanlischiffe mit anschließender Aktivierung des Trugwerfers. Dabei handelte es sich um einen Hochleistungsprojektor, der um das Schiff das Abbild des nachgeahmten Raumers entstehen ließ – einschließlich aller Emissionen! Auftreffende Taststrahlen wurden so gelenkt, dass sie lediglich die täuschende Projektion aufnahmen und das scheinbar reale Bild an ihre Zentrale meldeten, ohne den tatsächlichen Korpus dahinter erreichen und erkennen zu können.

Gleichzeitig beschäftigten die Techniker sich damit, ein gyanes Kennsignal zu fingieren, das sie aus dem Wust an Daten, den sie während der Schlacht gesammelt hatten, generierten.

Während die Techniker und der Meditator beschäftigt waren, legte sich Perry Rhodan ein neues Aussehen zu. Mit seinen einsneundundachtzig Körperlänge fehlten ihm vierzig bis sechzig Zentimeter, um als Gyanli durchzugehen, aber mit entsprechenden Schuheinlagen ließen sich wenigstens ein paar Zentimeter herausholen, sodass er zumindest als »unterentwickelter« Gyanli durchgehen könnte. Er hatte sich mit der Auskunft »seltener Gendefekt« eine Ausrede zurechtgelegt, die hoffentlich einigermaßen das Misstrauen senkte. Der Ethoprinter würde ihm dabei behilflich sein, nicht nur die Sprache, sondern auch Gestik und Mimik korrekt auszuführen, was sicherlich dem Misstrauen entgegenwirkte.

Der Ethoprinter analysierte anhand der vom Meditator gespeicherten Daten Sprache und Verhalten von Lebewesen – ein perfektionierter und erweiterter Translator. Die Informationen wurden kodiert auf einer nur daumenkuppengroßen, hauchdünnen Folie ausgedruckt, die in den oberen Bereich des Nackens geklebt wurde, wo sie durch Anpassung der Hautfarbe praktisch unsichtbar wurde.

Hunderte neuronaler Kontaktstellen verbanden sich mit dem entsprechenden Gehirnbereich des Trägers. Das fühlte sich lediglich wie ein leichtes Kitzeln an und ermöglichte, sich unerkannt unter Fremdwesen zu bewegen, ohne sofort aufzufallen. Durch einen bioelektrischen Impuls des Ethoprinters wurde die neuronale Verbindung gekappt und die Folie wieder gelöst.

Attilar Leccore hatte bereits von mehreren Gyanli Template erstellt, in deren Identität er schlüpfen konnte. Nun übernahm er vorerst wieder die Rolle des Orthodox-Operators Yayl, bis er mit dem nächsten Fremdkontakt eine passendere Identität annehmen konnte.

Das war der einfache Teil – nun wurde es schwieriger. Pey-Ceyan war als Larin viel zu klein, um auch nur im Entferntesten als Gyanli durchzugehen. Bei den Wuutuloxo war die Maskierung ebenfalls völlig ausgeschlossen, allerdings gab es eine andere Lösung.

»Ihr werdet gegebenenfalls unsere Gefangenen sein«, sagte Rhodan. »Mit eurem bekannten Status als Rebellen wird man uns das abnehmen.«

»Ach so? Und warum werden wir dann wohl ausgerechnet durch die Gänge der RAS TSCHUBAI getrieben, die immerhin ein Fremdschiff ist?«, meldete Duxaluk Zweifel an.

»Es passt zu unserer Tarnung, dass wir im Spezialauftrag unterwegs sind«, stimmte Leccore dem Vorschlag zu. »Dazu wird uns bestimmt etwas einfallen.«

»Bleibe also nur ich«, stellte die Larin fest. Ihre großen smaragdgrünen Augen funkelten, und sie verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust.

»Da kommt man nun wirklich leicht drauf«, meinte Zweitmechanikerin Kaadnin. »Dich verkleiden wir als Roboter.«

»Als was?« Die gelben Lippen, ein starker Kontrast zu ihrer fast schwarzen Haut, wurden sehr schmal. »Das kann wohl nur ein Scherz sein! Das würde besser zu euch passen.«

»Mag sein, aber unsere Art ist in dieser Galaxis bekannt – deine nicht. Die finden sie in keiner Datenbank, und das ist immer verdächtig. Deshalb verkleiden wir dich als wuutuloxische semimechanische Reparatureinheit und staffieren dich mit passendem Werkzeug, Greifhandschuhen und derartigem aus, dass du wie ein Montageroboter, geeignet für kleine Einsätze in engen Umgebungen, daherkommst.«

»Ein Monti!«, warf Uuluk ein, und die gesamte Gruppe gab ein chaotisches Geräuschorchester von sich, was unschwer als »Lachsalve« interpretiert werden konnte.

Pey-Ceyan fand das gar nicht witzig, aber sie musste sich fügen.

»Du musst zugeben, es passt zu ihrem skurrilen Humor«, raunte Rhodan ihr zu, während Uuluk die Tombola programmierte. Hierbei handelte es sich um einen Generator von Werkzeugen, Waffen, Verkleidungen und allerlei sonstigen nützlichen Dingen. Die Tombola sah aus wie eine drei Meter hohe Litfaßsäule und bestand, wie die Schiffshülle auch, aus Luzidit. Alles, was nicht organisch war und nicht größer als sie selbst, konnte von ihr nach Vorgaben hergestellt werden. Manchmal wertete sie die Ausrüstungsgegenstände eigenständig ein wenig auf. Was meistens ein Segen war – aber nicht immer. So hatte Rhodan den Namen »Tombola« für das Gerät gewählt, weil es ihn an die rotierenden Trommeln erinnerte, in denen zur Zeit seiner Kindheit Lotterielose durchgemischt worden waren.