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Nr. 6

 

Carusos Maske

 

Anschlag auf Olymp – die Welt der Freihändler wird bedroht

 

Susan Schwartz

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Dr. Preptons Trauma

2. Eine Aufgabe

3. Heimlicher Besuch

4. Orgien, Orgien!

5. Auf ein Wort

6. Acht Tage zuvor

7. Bewerbung mit Nebenwirkungen

8. Der Traum des Ashton Prepton

9. Das Chaos der Zeit

10. Taumel durch die Zeit

11. Ein Vario dreht durch

12. Der Traum zerplatzt

13. Rückkehr

14. Rückkehr in die Normalität

Lesermagazin

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

1500 Jahre nach dem Aufbruch ins All hat sich die Menschheit über die Milchstraße ausgebreitet. Doch die Bewohner vieler Welten fühlen sich der Erde nicht mehr verbunden – mit der Antiterranischen Koalition planen sie einen Bruderkrieg.

Perry Rhodan ruft den Fall Laurin aus und lässt das Sonnensystem hinter einem Zeitschirm verbergen. Der große Krieg wird verhindert.

Es stellt sich aber heraus, dass in der Milchstraße ein weiterer Konflikt herrscht, womöglich seit vielen Jahren und vor den Augen der Menschen verborgen. Uralte Mächte sind auf verschiedenen Planeten aktiv, sie bedrohen nicht nur die Erde, sondern auch die Welten der Antiterranischen Koalition.

Um mehr über seine Gegner herauszufinden, forscht Rhodan auf Olymp nach. Der Planet ist ein Brennpunkt der Verschwörung – die Drahtzieher verbergen sich hinter CARUSOS MASKE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Großadministrator geht auf einen Maskenball.

Gucky – Der Mausbiber plündert das Büfett.

Takayo Sukurai – Rhodans Leibwächterin entwickelt ungeahnte Talente.

Ashton Prepton – Der Hyperphysiker versteht die Welt nicht mehr.

Klemens Caruso – Der Regierungsbeamte treibt ein doppeltes Spiel.

1.

Dr. Preptons Trauma

7. November 3430

 

»Doktor Prepton? Hören Sie mir zu?«

Seine Finger spielten mit einem schimmernden Haarband aus Seide, das er als Erinnerung ständig bei sich trug. Leandra hatte ihn damals gebeten, es aus ihrem Blondschopf zu ziehen, weil sie den Wind in den Haaren spüren wollte.

Es war eine sanfte Brise gewesen, die noch einmal milde Wärme brachte, in den letzten Tagen des Spätsommers. Nelly, Karel und Jori tobten über die Hügel, spielten Fangen, zerstritten sich und vertrugen sich wieder. Die Eltern saßen auf der Picknickdecke, zwischen den Resten, vollgekrümelten Tellern und halb geleerten Bechern.

Ashton schob das letzte Stück Kuchen in den Mund und hielt das Band hoch. »Dasch behalte ich alsch Pfand«, nuschelte er und steckte es in die Tasche.

Am nächsten Tag schon musste er wieder nach Olymp. Aber nicht mehr so lange wie die vorigen Male, hieß es. Seine Arbeit war fast zu Ende, und danach würde er drei Monate frei- und Zeit haben für seine Familie. So war es vereinbart. Darauf freute sich das Paar und hoffte, dass es nicht wieder zu einer Verschiebung kam.

Die drei Sprösslinge konnten das noch nicht so recht erfassen. Sie behaupteten zwar, sich zu freuen, hatten es aber im nächsten Moment vergessen – es lag zu weit in der Zukunft. Außerdem hatte Ashton nicht immer seine Versprechen gehalten.

»Hm?«, machte er geistesabwesend.

»Haben Sie meine Frage verstanden?«

»Verzeihung, ich habe nicht aufgepasst. Was wollten Sie wissen?«

»Welchen Tag wir heute haben.«

Ashton Prepton zog verärgert die Brauen zusammen. »Schauen Sie doch auf die Anzeige, dann sehen Sie es.«

Dr. Bijou Woolgarden lächelte unerschütterlich. Sie hatte große Geduld. »Ich wollte es gern von Ihnen wissen.«

Prepton zuckte die Achseln. »Wenn schon.« Er beugte sich vor. »Wenn Sie es genau wissen wollen, es ist ein früher Tag, viel zu früh! Ich wünschte, er wäre spät. So spät, dass ich es nicht mehr weiß.«

»Ich helfe Ihnen dabei. Wir haben den siebten November. Und es ist Sonntag.«

»Was spielt das für eine Rolle?« Prepton stand auf und ging zum Fenster.

Fahlgelbes Licht fiel vom Himmel auf den sterbenden Park herunter. Die letzten hartnäckigen Blätter rieselten zu Boden. Roboter waren unablässig damit beschäftigt, die Wege zu räumen und die Büsche einzupacken.

»Der Winter kommt«, murmelte er.

»Sie wissen, dass wir jede Sitzung so beginnen«, fuhr Dr. Woolgarden fort. Sie war eine kompetente Frau, das wollte Prepton ihr gar nicht aberkennen.

Man sah ihr den Beruf nicht an, sie hätte genauso gut in einer Rechtskanzlei oder für ein Modemagazin arbeiten können. Anders als die meisten Ärzte trug sie keinen weißen Kittel, sondern ein gut sitzendes, dunkelgrünes Kostüm und Schuhe mit hohen Absätzen. Ihre hochgesteckten Haare waren blond wie ... wie ... Er wischte den Gedanken mit einer heftigen Geste beiseite. Aber sie war schon über fünfzig, zehn Jahre älter als er. Sie kehrte deshalb gern ein mütterliches Gebaren heraus, und das konnte er überhaupt nicht leiden.

»Ja doch«, murmelte er.

»Es dient der Orientierung. Der Verankerung in der Realwelt. Sie können sich dabei sammeln und auf das Gespräch vorbereiten.«

Er fuhr zu ihr herum. »Worauf? Dass wir es wieder und wieder durchkauen? Und ich den Schmerz immer von Neuem erleben muss?«

»Die Routine ist wichtig, Doktor Prepton, das wissen Sie genau. Wir wollen nicht jedes Mal von vorn anfangen.«

»Aber was ändert das denn? Was bringt es?« Er stürmte zum Arbeitstisch und warf in einer fegenden Bewegung alles zu Boden, was sich darauf befand. Fotos von Woolgardens Familie, Auszeichnungen, die Statue einer hässlichen Bulldogge, die schon einige Stürze mitgemacht hatte und trotzdem nicht kaputtging. »Sie sind tot!«, brüllte er. »Der Herbst dort draußen ist falsch, das hier ist Olymp, nicht Terra! Ich weiß nicht, ob es wirklich Herbst und nicht nur eine Simulation von Ihnen ist, weil wir kalendarisch November haben. Aber das ändert nichts daran, dass ich hier bin und nicht dort. Ich hätte dort sein sollen! Bei ihnen!«

»Also schön.« Dr. Woolgarden betätigte einen Schalter, und gleich darauf kam ein Medoroboter hereingeschwebt. »Die Sitzung ist beendet. Gehen Sie mit dem Medo, er wird Ihnen ein Mittel zur Beruhigung geben.«

»Was?« Prepton hielt inne. »Aber die Stunde ist noch nicht vorbei! Ich habe ein Anrecht auf eine Stunde!«

»Sie sind zu unbeherrscht, und wir hatten darüber gesprochen, was in dem Fall geschieht. Ich kann Ihnen nur helfen, wenn Sie aktiv mitarbeiten. Also: Gehen Sie jetzt, nehmen Sie Ihr Medikament«

»Ich habe ein Recht darauf, unbeherrscht zu sein!«, schrie er. »Himmel noch mal, es ist gerade mal eine Woche her! Ich trauere!«

»So weit sind Sie noch lange nicht«, widersprach die Psychiaterin. »Im Augenblick sind Sie, um es populärwissenschaftlich auszudrücken, einfach nur durchgedreht.«

»Und Sie auch gleich, wenn ich Ihnen den Hals umdrehe!«

»Genug!« Sie erhob sich hinter dem Schreibtisch, um ihren weiteren Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Sie müssen mich jetzt verlassen, Doktor Prepton. Wenn Sie sich körperlich abreagieren wollen, gehen Sie in die Fitnessabteilung und melden Sie sich zur Schreitherapie oder zum Punching an. Anschließend nehmen Sie Ihr Medikament und schlafen durch bis morgen früh. Dann probieren wir es noch einmal.«

Tränen rannen über das Gesicht des Terraners. »Ich konnte sie nicht einmal bestatten«, schluchzte er. »Weil nichts mehr da ist ...«

»Erzählen Sie mir morgen davon. Für heute ist es genug. Und nun – verlassen Sie mich.« Sie wies zur Tür.

Prepton drehte sich fügsam um und trottete mit hängenden Schultern hinter dem Roboter hinaus.

 

*

 

»Doktor Woolgarden, jemand von der Regierung möchte Sie sprechen«, meldete das Vorzimmer.

Die Leiterin der Jossipowa-Nervenklinik in Trade City runzelte die Stirn. »Hatte ich einen Termin?«

Statt einer Antwort glitt die Tür beiseite, und ein Mann trat ein, der ihr völlig unbekannt war. Er mochte Mitte fünfzig sein, leicht übergewichtig, keine einsachtzig groß. Sein Aussehen passte eher zu einem Angestellten der untersten Ebene, als Datensammler oder Buchhalter. Er trug allerdings einen schwarzen Anzug und nahm soeben einen Hut ab, der vermutlich zur Kaschierung seines deutlich zurückgehenden Haaransatzes diente. Der Anzug, das Auftreten – ja, es mochte ein Regierungsbeamter sein, irgendwie wirkten die alle gleich. Vermutlich lernten sie Auftritt und Bewegung als Erstes.

»Nein, wir haben keinen Termin«, sagte er freundlich. »Verzeihen Sie mein unhöfliches Eindringen.« Seine Stimme klang genauso farblos, wie es seine Erscheinung war. Er zeigte seinen Dienstausweis und stellte sich vor. »Mein Name ist Klemens Caruso. Ich bitte Sie um Verzeihung wegen dieser unerwarteten Störung, ich werde Sie nicht lange aufhalten.« Er wies auf den Patientenstuhl gegenüber dem Arbeitstisch. »Darf ich ...?«

»Bitte.« Die Psychiaterin, die gerade ihre Sachen aufgehoben und wieder geordnet aufgestellt hatte, wies auf den freien Platz, ging um den Tisch und nahm in ihrem Chefsessel Platz. »Was kann ich für Sie tun?« Sie konnte ihn nicht einfach abweisen, aber sie würde ihm keinesfalls etwas zu trinken anbieten.

»Es ist eine ... nun, prekäre Angelegenheit, über die ich Sie um Verschwiegenheit bitten muss«, antwortete Caruso.

»Geht es etwa um den Kaiser?«

»Oh, aber nein, seine Kaiserliche Hoheit erfreut sich wie stets bester Gesundheit.« Caruso lächelte unverbindlich. »Es handelt sich um einen Ihrer Patienten, dessen Hilfe benötigt wird.«

Woolgarden hatte keine Ahnung, wen er damit meinen konnte. »Wer mag das wohl sein? Soweit ich weiß, befinden sich derzeit keine Regierungsmitglieder bei uns in Behandlung.«

»Es geht um Doktor Ashton Prepton.«

»Was? Ausgeschlossen!«, rief die Psychiaterin. »Doktor Prepton hat nach der Explosion des Solsystems am dreißigsten Oktober einen schweren Nervenzusammenbruch erlitten. Er hat selbst zugestimmt, stationär behandelt zu werden, weil er stark suizidgefährdet ist. Wir haben in den vergangenen Tagen so gut wie keinen Fortschritt erzielt – was nicht ungewöhnlich ist in der Kürze der Zeit. Doktor Prepton benötigt mindestens ein halbes Jahr, bis er wieder arbeitsfähig ist – wobei ich nach bisheriger Diagnose eher von einem Jahr ausgehe.«

Caruso lächelte ungebrochen, und Woolgarden fragte sich verärgert, ob er einst dasselbe Fach wie sie studiert hatte. »So lange können wir leider nicht warten«, sagte er ruhig, fast sanft.

So farblos war seine Stimme gar nicht, stellte sie nun fest. Eigentlich sogar recht angenehm.

»Ach ja? Geht Olymp sonst unter?«

»Das könnte geschehen. Im übertragenen Sinne natürlich.« Caruso hob beschwichtigend die Hände. »Lassen Sie es mich ein wenig erläutern. Doktor Prepton ist Hyperphysiker mit ausgezeichneten Fähigkeiten. Als einer der wenigen Zivilisten arbeitete er beim Bau eines Zentraltransmitters sowie einer Sonnenzapfstation am Nordpol mit. Ein absoluter Spezialist.«

Das wiederum hatte die Leiterin der Nervenklinik nicht gewusst – lediglich von Preptons Fach, in dem er promoviert hatte. Aber diese Dinge wurden ja stets geheim gehalten. Olymp war im Aufschwung, Trade City hatte derzeit 800.000 Einwohner – geplant waren aber schon in wenigen Jahren an die 50 Millionen.

Um das zu ermöglichen, wurde ein unterirdisches Verkehrsnetz angelegt, das sich bereits gegenwärtig zu einem riesigen Labyrinth entwickelte. Oberirdisch war noch mehr im Bau: An der Peripherie, rund um einen 600-Meter-Giganttransmitter, wurden zwölf gleichfalls riesige Landefelder – Ringhafen I bis XII – angelegt. Ein Transmitterhafen, der rekordverdächtig war.

Kaiser Anson Argyris wollte aus der Freihändlerwelt wohl die größte Handelszentrale der Galaxis machen. Wenigstens hatte Trade City selbst nur im Außenring Riesengebäude errichtet, Richtung Zentrum wurden sie indes immer niedriger, sodass ein richtiger »Altstadtkern« mit individuellen Baustilen entstand. Aber das durfte nicht täuschen – es ging in die Tiefe, statt in die Höhe.

»Nun, aber er war wohl kaum der Hauptverantwortliche, oder?«, bemerkte Woolgarden sarkastisch.

»Leider ist es etwas delikater«, erwiderte Caruso. »Doktor Prepton hat durch seinen ... hm ... Zusammenbruch seine Arbeit nicht mehr zu Ende führen können. Und das ausgerechnet in einem sehr kritischen Moment. Eines der Systeme ist instabil, was wir erst jetzt bemerkt haben – spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Nur ist es so, dass Doktor Prepton seinen Bereich gesichert hat, und zwar so gut, dass wir nicht in sein System hineinkommen, ohne Gefahr zu laufen, dass eine Selbstzerstörungssequenz ausgelöst wird.«

Woolgarden war beeindruckt. »Er hat es mit der Absicherung und Geheimhaltung sehr ernst genommen. Dann wollen Sie die Zugangsdaten von ihm haben?«

»Auch das wird nicht genügen. Es ist unter anderem ein Retinascan erforderlich.«

»Den können doch die Profis Ihrer Abteilung leicht fälschen.«

Caruso räusperte sich indigniert über diese Unverblümtheit. »Doktor Woolgarden, wir wollen ab hier nicht weiter ins Detail gehen, denn das betrifft eine Sicherheitsstufe, für die Sie keine Freigabe haben. Nehmen Sie es einfach als gegeben, dass Doktor Preptons Anwesenheit vor Ort zwingend erforderlich ist. Und das sehr bald. Um nicht zu sagen heute.«

»Dem widerspreche ich!«, sagte Woolgarden energisch. »Es gibt immer Notfallpläne für einen solchen Fall. Was hätten Sie denn getan, wenn er Suizid begangen hätte, anstatt sich in Behandlung zu begeben?«

»Für philosophische Hypothesen bin ich nicht zuständig«, versetzte Caruso gelassen. Er fühlte sich anscheinend so unendlich überlegen, dass er sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. »Seien Sie versichert, dass wir alle Möglichkeiten durchdacht und diese Variante als letzte Option gewählt haben. Die uns noch offenblieb, nachdem alles andere fehlgeschlagen ist. Darum werde ich nicht ohne Doktor Prepton von hier verschwinden.«

Woolgardens Miene verfinsterte sich. Sie hatte keine Lust mehr, ihre professionelle, unverbindlich freundliche Fassade aufrechtzuerhalten. Caruso war kein Patient. »Drohen Sie mir etwa?«

»Aber keineswegs, keineswegs!« Der Regierungsbeamte hob nun fast beschwörend die Hände. »Sie missverstehen mich. Vielleicht drücke ich mich etwas ungeschickt aus, denn ich muss gestehen, dass ich sehr besorgt bin – und nur sehr wenig Zeit zur Verfügung bekommen habe. Sie sehen also, wir müssen beide eine Lösung finden. Ich verstehe, dass Sie Ihren Patienten schützen wollen – ich jedoch möchte ganz Olymp schützen.«

Woolgarden musterte ihn. Welche Farbe hatten eigentlich seine Augen? Sie schienen grau zu sein, doch sie konnte sie nicht richtig erfassen, den direkten Blick nicht finden. Das irritierte sie zusehends.

»Wäre es vielleicht möglich, dass ich mit ihm reden könnte?«, fuhr Caruso fort.

»Tut mir leid, gerade heute ist er sehr aufgeregt und so gut wie nicht ansprechbar. Möglicherweise hat er auch bereits Medikamente bekommen.«

»Dann wenigstens sehen? Oder einen Versuch der Ansprache? Bitte schmettern Sie mich nicht ab, ich habe doch keine Wahl. Sie sollten auch mich verstehen. Wollen Sie wirklich eine Katastrophe verantworten, bei der unter Umständen unzählige Menschen ihr Leben lassen?«

So leicht gab sie nicht nach. »Woher weiß ich denn, dass Sie die Wahrheit sprechen?«

»Nun – wer sonst sollte ich sein, und was sollte ich vorhaben? Verstehen Sie mich nicht falsch, aber wenn ich etwas Unlauteres vorhätte, wäre ein unberechenbarer, nervlich stark belasteter Mensch sicherlich keine gute Wahl, denken Sie nicht?«

Woolgarden dachte sich gerade etwas sehr Unfeines, drückte sich aber gewählter aus. »Sie haben echte Probleme, die Sie mit gefeilter Rhetorik zu kaschieren versuchen.«

»In der Tat. Aus dem Grund bin ich auch selbst gekommen und habe keinen Mitarbeiter meines Ressorts geschickt.«

»Was dagegen, wenn ich Ihre Dienststelle anrufe? Oder am besten gleich im Innenministerium?«

»Sehr gern. Nur werden Sie keine Auskunft erhalten, weil ...«

»... strengste Geheimhaltung darüber herrscht, ich habe verstanden.«

Die Psychiaterin dachte nach. Vielleicht brachte das Prepton tatsächlich aus der Todesspirale heraus? Einen Versuch wäre es wert. Schlimmer konnte es fast nicht mehr werden mit ihm.

Sie gab sich einen Ruck. »Also schön – fünf Minuten. Aber nur in meinem Beisein.«

»Selbstverständlich! Ich danke Ihnen.« Klemens Caruso lächelte herzlich und stand auf. »Fünf Minuten, und dann bin ich auch schon wieder weg.«

»Ich dachte, Sie wollten nicht ohne Doktor Prepton gehen?«

»Sie haben recht. Ich bin sicher, er wird nur allzu bereit sein, mit mir zu gehen.«

»Dann sind Sie ein besserer Therapeut als ich.«

»Oh nein, das dürfen Sie nicht sagen! Ich habe keine Ahnung von Ihrer Arbeit. Nur, ich denke, ich habe genau das richtige Argument für Ihren Patienten, um ihn aus seiner Lethargie oder sogar dem Wunsch zur Selbstzerstörung herauszuholen.«

2.

Eine Aufgabe

 

Ashton Prepton saß still auf seinem Bett. Irgendetwas hatte er vorgehabt, aber er konnte sich nicht mehr daran erinnern. In der Ecke verharrte der Medoroboter. Wozu eigentlich? Prepton fühlte sich gesund. Nur ein wenig benommen. Wahrscheinlich das Mittel, das er geschluckt hatte, damit er nicht mehr so aufgeregt war.

Nachdenken sollte er, war das nicht der Plan gewesen? Oder doch ein Spaziergang? Im Augenblick fiel es ihm schwer, auch nur einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen. Immerhin, er fühlte sich ausnahmsweise einmal ausgeglichen.

Also doch schlafen legen, ohne Albträume? Das wäre mal etwas.

Die Tür ging auf, obwohl er niemanden zu sich gebeten hatte. Vielleicht das Essen? An Tagen wie diesem war ihm der Zutritt zum Speisesaal nicht gestattet. An Tagen wie diesem wollte er auch gar nicht dorthin.

»Doktor ... Woolgarden?«, fragte er mit schwerer Zunge. Er schüttelte den Kopf und blinzelte. In der Frühe wäre er aufgesprungen, um sie zu begrüßen, doch derzeit war er einfach zu träge dazu. In seinem Kopf war alles watteweich. Trotzdem bekam er noch mit, wer ihn da besuchte. »Machen wir doch weiter?«

»Nein, Doktor Prepton. Sie haben Besuch.«

Die Psychiaterin trat zur Seite, und da sah Prepton, dass noch jemand im Raum war. Ein mittelgroßer Mann mit Bauchansatz und schütterem Haar; genau so, wie Prepton in fünfzehn Jahren vermutlich auch aussah. Sollte das ein Scherz sein?

Der Mann trat auf Prepton zu, ergriff seine Hand und schüttelte sie. »Doktor Prepton! Ich freue mich, Sie wiederzusehen ... selbst unter diesen Umständen. Erinnern Sie sich an mich?«

Prepton hatte Schwierigkeiten, sein Gegenüber zu fixieren. »Nein ...«

»Aber ich bin es doch, Klemens Caruso! Wir haben uns bei der Betriebsfeier zur Einweihung des ersten Bauabschnitts kennengelernt. Und auch danach sind wir uns noch ein- oder zweimal begegnet. Fällt es Ihnen jetzt wieder ein?«

Nicht die Bohne. Trotzdem ... es war so ein Gefühl, dass ... »Ja ... Ich glaube, schon.«

Doch ja, stimmte, er kannte ihn. Dunkel erinnerte er sich. Das lag einfach am Medikament, dass alles so schwerfällig ging.