Tobias Eick

Die Welt erklären

Die Geschichte der National Geographic Society

Impressum und Abbildungsverzeichnis

Vorwort

1.

Die Geburt eines Jahrhundertprojekts

2.

Licht und Schatten in den Anfangsjahren des National Geographic Magazines

3.

Bell und Grosvenor übernehmen das sinkende Schiff

4.

Gilbert Grosvenors steiniger Aufstieg

5.

Fast an der Spitze angekommen

6.

Lasst Bilder sprechen

7.

Zeiten des Umbruchs auf dem Weg zum Erfolg

8.

Der Wettlauf zum Nordpol

9.

Archäologen, Juden und sterbende Genies

10.

Familienbetrieb

11.

Die Chandler-Affäre

12.

Zehn goldene Jahre

13.

Melville tritt ab, Payne trumpft auf

14.

Wieder ein Grosvenor in der Krise

15.

Eine neue Ära

Impressum und Abbildungsverzeichnis

ISBN 978-3-86408-172-9 (epub)

Lektorat: Mark Lederer

Titelbild: flickr.com, francisco.j.gonzalez (Lizenz: CC BY 2.0)

© Vergangenheitsverlag, 2014 – www.vergangenheitsverlag.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net

Abb. 1: Der Cosmos Club im Herzen von Washington, D.C., zwischen 1921 und 1922 (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 2: Der Cosmos Club zwischen 1980 und 2006 (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 3: Major John Wesley Powell, Gründer des Cosmos Clubs, zählte auch zu den Gründungsmitgliedern der National Geographic Society (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 4: Adolphus Washington Greely, oberster US-Funkoffizier, war bei der Gründung der National Geographic Society ebenfalls anwesend (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb 5: Das National Geographic Magazine wurde ab 1896 als „Illustrated Monthly“ für 25 Cents in den USA verkauft (flickr.com, Lizenz: CC BY 2.0).

Abb. 6: Alexander Graham Bell sollte das Präsidentenamt der National Geographic Society nach dem Tod Gardiner Greene Hubbards übernehmen (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 7: Alexander Graham Bells Ehefrau Mabel Hubbard Bell in späteren Jahren, ca. 1917 (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 8: Gilbert H. Grosvenor sollte der erste Herausgeber des National Geographic Magazines werden (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 9: Nur wenige Tage bevor Melville Bell Grosvenor zur Welt kam, Elsie Mays und Gilbert Grosvenors erster Sohn, kam der 25. Präsident der USA, William McKinley, nach einem Attentat ums Leben. Ihm folgte Vizepräsident Theodore Roosevelt (Foto) ins Amt (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 10: Die Hubbard Hall unweit des Weißen Hauses war im Jahr 1903 der erste richtige Hauptsitz der Gesellschaft (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 11: Nachdem Bell im Jahre 1903 als Präsident der National Geographic Society zurücktrat, widmete er sich in Kanada Flugexperimenten: U. a. beobachteten er und seine Assistenten den Flug eines Drachen, dessen Grundstruktur auf Tetraedern basierte (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 12: Willis L. Moore, Chef des amerikanischen Weather Bureaus wird Bells Nachfolger als Präsident (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 13: Der spätere US-Präsident William Howard Taft gehörte zu den Autoren des National Geographic Magazines (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 14: Die Hubbard-Medaille wird seit 1906 von der National Geographic Society verliehen (Robert Lawton, Lizenz: CC BY-SA 2.5).

Abb. 15: Polarforscher Admiral Robert E. Peary (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 16: Polarforscher Frederick A. Cook (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 17: Robert E. Peary an Bord seines Forschungsschiffes Roosevelt 6. April 1909 (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 18: Der Afroamerikaner Matthew Henson war Pearys langjähriger Freund und Begleiter auf Forschungsreisen (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 19: Gelbe Umrahmung, Eichenblatt-Borte und Lorbeerkranz – das Cover des National Geographic Magazines wurde Anfang des 20. Jahrhunderts grunderneuert (flickr.com, Robert Huffstutter, Lizenz: CC BY 2.0).

Abb. 20: Auch nach über 100 Jahren ist ein gelber Rahmen Merkmal einer jeden National Geographic-Ausgabe (flickr.com, Lizenz: CC BY 2.0).

Abb. 21: Die National Geographic Society entdeckte 1908 das Themengebiet der Archäologie fürs Magazin und finanzierte u. a. ein Projekt von Yale-Assistenzprofessor Hiram Bingham (Foto) in Machu Picchu (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 22: Richard E. Byrd hält vor 6.000 Anwesenden am 23. Juni 1926 auf einem Festbankett eine Rede. Er und sein Copilot Floyd Bennett wurden von der National Geographic Society als erste Menschen, die den nördlichsten Punkt der Welt im Flugzeug erreichten, geehrt. US-Präsident Calvin Coolidge verlieh ihnen an jenem Abend die Hubbard-Medaille. (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 23: (v. li. n. re.) Dr. John Oliver La Gorce, Vizepräsident der Gesellschaft; Georges-Marie Haardt, Forscher; Gilbert H. Grosvenor, Präsident der Gesellschaft und Maynard Owen Williams, Korrespondent der Gesellschaft (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Abb. 24: Die fünfte Generation des Familienunternehmens: Gil Grosvenor in späteren Jahren (flickr.com, David, Lizenz: CC BY 2.0).

Abb. 25: 1963 entsteht mitten im Herzen von Washington, D. C., der Bau eines neuen Hauptsitzes der National Geographic Society. Architekt Edward Durell Stone entwarf diesen Turm aus weißem Marmor (www.loc.gov, no known restrictions on publication).

Vorwort

Ist es sinnvoll Wissen über die Welt, die uns umgibt, zu mehren? Diese Frage stellten sich vor genau 125 Jahren die Begründer einer der größten gemeinnützigen Organisationen unserer Zeit, der National Geographic Society.

Heute bezweifelt dieses Vorhaben niemand mehr – längst ist es zu einer eigenen Marke in Forschung, Wissensvermittlung und anspruchsvoller Unterhaltung geworden.

Seit 1890 hat die NGS mehr als 9.600 Forschungsprojekte unterstützt, die nachhaltig das Verständnis unserer Umwelt beeinflusst haben, ganz getreu nach ihrem erklärten Ziel: Die Menschen sollen inspiriert werden, sich um ihren Planeten zu kümmern!

Mehr als neun Millionen Mitglieder rund um den Erdball zeugen von der enormen Popularität dieses Grundgedankens. Ein guter Teil von ihnen zählt zu den Abonnenten des National Geographic Magazins, das in 39 Sprachen mit einer Gesamtauflage von rund acht Millionen Exemplaren herausgegeben wird.

Doch wie ist es den Akteuren gelungen, von 33 Gründungsmitgliedern in einem kleinen Club in Washington, D. C., zu einer multinationalen Unternehmung von diesem Ausmaß anzuwachsen? Von schwierigen Anfangszeiten, Rassismus, finanziellen Miseren und Machtspielen weiß diese Geschichte ebenso zu berichten wie von glorreichen Expeditionen, journalistischen Neuerungen und persönlichen Schicksalen der Protagonisten.

1. Die Geburt eines Jahrhundertprojekts

„Damit wir alle mehr über die Erde […] erfahren können.“

Washington, D. C., Vereinigte Staaten von Amerika, im Jahre 1888: Die Kapitulation der Nord-Virginia-Armee im Appomattox Court House beendete rund zwei Jahrzehnte zuvor den Sezessionskrieg, nachdem sich die amerikanische Gesellschaft wieder neu formieren musste.1 Die Erschließung des Wilden Westens und die Unterjochung der Indianer stand kurz vor ihrem traurigen Höhepunkt am Wounded Knee.2 Der in späteren Zeiten erfolgsverwöhnte Schriftsteller Jack London versuchte sich im Zuge der Goldfunde am Klondike River vergeblich als Goldsucher in Yukon.3 Die Demokraten konnten drei Jahre zuvor ihren größten Sieg gegenüber den viele Jahre politisch bestimmenden Republikanern verbuchen: Ihr Kandidat Grover Cleveland wurde überraschend per Direktwahl zum Präsidenten berufen.4 Ströme von europäischen Einwanderern suchten ihr Glück im Land der unbegrenzten Möglichkeiten und die zweite Welle der Industrialisierung war noch immer in vollem Gange. Wirtschaftlicher Aufschwung, technologischer Fortschritt, Gilded Age5, Landnahme – all dies waren wichtige Themen dieser Zeit. Und Washington, D. C., war Amerikas Zentrum der politischen Macht und Wissenschaft. Der Cosmos Club im Herzen verkörperte eine Sphäre von Einfluss, politischer Meinungsbildung und gesellschaftlichem Prestige. Sein Standort am Lafayette Square, schräg gegenüber vom Weißen Haus, war kein Zufall.

images

Abb. 1: Der Cosmos Club im Herzen von Washington, D. C., zwischen 1921 und 1922.

images

Abb. 2: Der Cosmos Club zwischen 1980 und 2006.

Seit der Gründung im Jahre 1878 von John Wesley Powell und seinen Geschäftspartnern6 verschrieb sich der Privatclub der Förderung seiner Mitglieder in Wissenschaft, Literatur und Kunst. Im Laufe der Zeit avancierte er zum Treffpunkt der geistigen Elite der US-Hauptstadt für Gespräche, Zigarren und Tratsch.7 So verwundert es wenig, dass gerade der Tagungsraum dieses Clubs mit seinem schweren, runden Mahagonitisch zehn Jahre nach seiner Eröffnung als Schauplatz eines historischen Ereignisses gewählt wurde:

„Sie sind eingeladen, an einer Versammlung teilzunehmen, die im Tagungsraum des Cosmos Club am Freitag, den 13. Januar um acht Uhr abends stattfindet. Es besteht die Absicht darüber nachzudenken, ob es sinnvoll ist, eine Gesellschaft zur Förderung und Verbreitung geografischen Wissens zu gründen.“8

Dem formellen Ton des Einladungstextes vom 10. Januar 1888 angemessen, folgten dieser Aufforderung drei Tage später 33 Männer in dunklen Anzügen und schwarzen Krawatten. Noch heute ist eine strenge Kleiderordnung für den Zutritt in den Club von Nöten. An diesem, der Legende nach feuchtkalten, von Nebelschwaden durchzogenen Abend, zählten prominente Namen zu den Auserwählten: einer von ihnen war Gardiner Greene Hubbard, der Schwiegervater von Alexander Graham Bell und spätere Mitbegründer der Bell Telephone Company. Er galt als einer der wirtschaftlich einflussreichsten Männer dieser Zeit.9 Schon lange hegte der groß gewachsene Mann mit den braunen Augen und dem dichten Vollbart eine Vorliebe für die Wissenschaft und unterstützte sie rege. Geboren in Boston, absolvierte Hubbard das Dartmouth College und studierte später Jura an der Harvard University. Auch Major John Wesley Powell, ein Veteran des amerikanischen Bürgerkrieges und Gründer des Cosmos Clubs, zählte zu den Gründungsmitgliedern. Powell unternahm bereits erste Bootsexpeditionen über den Colorado-River und erforschte den Grand Canyon.10

images

Abb. 3: Major John Wesley Powell, Gründer des Cosmos Clubs, zählte auch zu den Gründungsmitgliedern der National Geographic Society.

Ebenfalls anwesend war Adolphus Washington Greely, der oberste US-Funkoffizier.

Greely führte von 1881 bis 1884 die erste US-amerikanische Polarexpedition in die Arktis an – im Alter von 37 Jahren und ohne jegliche Erfahrung.11

images

Abb. 4: Adolphus Washington Greely, oberster US-Funkoffizier, war bei der Gründung der National Geographic Society ebenfalls anwesend.

Beinahe hätte er dies mit seinem Leben bezahlt, wie 18 Personen seines ursprünglich 25 Mann starken Abenteurerteams. Doch der spätere Flottillenadmiral George W. Melville bewahrte ihn durch eine Rettungsaktion vor dem Tod.12 Melville saß an jenem Tag Greely in einem der schweren Ledersessel des Cosmos Clubs gegenüber, ebenso wie der Forschungsreisende George Kennan, der eine Entfernung von fast 9000 Kilometern mit Hunden, Pferden und Rentieren durch Sibirien zurückgelegt hatte.13 Der Alaska-Erforscher William Healey Dall, der Arzt und Naturwissenschaftler Clinton Hart Merriam, der Geograf Henry Gannett und weitere hochangesehene Persönlichkeiten, darunter Geographen, Entdecker, Naturwissenschaftler, Militärs, Geologen, Meteorologen, Bankiers und Ingenieure stießen zu dem vornehmen Kreis hinzu.14 All jene Anwesenden überzeugte das Vorhaben. Da zu dieser Zeit an keiner Universität des Landes Geografie als eigenständige Disziplin studiert werden konnte, oblag geografische Bildung nur einzelnen, interessierten Spezialisten. Eine Öffentlichkeit musste erst geschaffen werden.

Doch sollte die Institution keineswegs nur exklusiven Teilnehmern offen stehen, sondern vielmehr „auf einer breiten und liberalen Basis in Bezug auf die Bedingungen für die Mitgliedschaft“ organisiert sein.15

Jede geographisch interessierte Person konnte gegen eine Gebühr von 5 US-Dollar pro Jahr beitreten – nach Vorschlag eines Mitglieds und Annahme des Vorstands der Gesellschaft.16 Für Normalverdienende war dies nicht immer erschwinglich: Eine durchschnittliche Familie der Arbeiterklasse benötigte in den 1870er Jahren 520 bis 624 US-Dollar pro Jahr zum Leben, ein verheirateter Mann verdiente etwa 1,50 US-Dollar täglich.17 Dennoch, der liberale Grundgedanke zählte.

Ein neunköpfiger Ausschuss gab der Organisation kurze Zeit nach ihrer Gründung den Namen National Geographic Society. Er setzte Funktionäre ein und verabschiedete eine Satzung.

Den gelernten Juristen Gardiner Greene Hubbard ernannten die Beteiligten zum ersten Präsidenten18 – obwohl er kein Wissenschaftler sei und sich lediglich weitere Fortschritte der geografischen Forschung wünschte.19

Die Organisation umschloss Geografie als Wissenschaft bewusst weitläufig:

Das Themenspektrum sollte alle tierischen, pflanzlichen und mineralischen Belange zu Land, zu Wasser und in der Luft umfassen.

General Greely, als einem von vier ursprünglichen Vizepräsidenten, übertrug man das Feld der Geografie der Luft. Weitere Mitglieder wurden mit der Geografie des Landes, des Meeres und des Lebens betraut.20 Ein paar Jahre später wurden Vizepräsidenten für die Geografie der Kunst und kommerziellen Geografie herangezogen.

Die Aufgabe der Vizepräsidenten bestand darin, Redner für Lehrvorträge in den jeweiligen Gebieten zu gewinnen. Solche Dienste konnten zu Beginn ebenso wenig bezahlt werden wie reguläre Angestellte oder ein Büro der Organisation.21

Einmal im Jahr wählten die Mitglieder die ehrenamtlichen Verantwortlichen und änderten gegebenenfalls die Satzung.

Auf den Treffen der Gesellschaft wurden Vorträge gehört, Erkenntnisse ausgetauscht und Angelegenheiten der Organisation besprochen. Anfangs fanden sie recht unregelmäßig und an unterschiedlichen Orten statt: Das eine Mal trafen sich die Mitglieder im Smithsonian Institute, der Lincoln Hall oder der Columbian University, ein anderes Mal in der Builders Exchange Hall, der National Rifles Armory Hall oder dem Cosmos Club.

Trotz der unbeständigen Anfangszeit stand der Grundsatz der Gleichheit aller Interessierter von Beginn an klar und unumstößlich fest, wie Präsident Hubbard in seiner Antrittsrede darlegte:

„Durch meine Wahl zeigen Sie der Öffentlichkeit, dass die Mitgliedschaft in unserer Gesellschaft nicht nur auf professionelle Geografen beschränkt ist. Vielmehr bezieht sie all jene mit ein, die wie ich selbst, gezielte Forschungen anderer unterstützen und das so gewonnene Wissen unter den Menschen verbreiten wollen – damit wir alle mehr über die Erde, auf der wir leben, erfahren können.“22

2. Licht und Schatten in den Anfangsjahren des National Geographic Magazines

„Das Wort ‚Erde‘ […] erweckt in unserem Verstand die Idee eines riesigen

Globus, aufgehängt in einem leeren Raum – die eine Seite im Schatten, die andere gebadet in den Strahlen der Sonne.“23

Um das geografische Wissen vielen Menschen zugänglich zu machen, entschieden sich die Verantwortlichen für die schriftliche Veröffentlichung der Erkenntnisse ihrer Treffen und Debatten. Im Oktober von 1888, neun Monate nach Gründung der National Geographic Society, erschien erstmals die Zeitschrift, schlicht und einfach National Geographic Magazine benannt.24

Auch 125 Jahre später ist sie immer noch das Sprachrohr der Gesellschaft.

Die Erwähnung eines geplanten Journals erfolgte in der ursprünglichen Satzung nicht.25 Die erste Ausgabe war eine dünne, wissenschaftlich gehaltene Broschüre von 16 Seiten. Optisch und sprachlich hinkte das Blatt noch meilenweit dem heute weltbekannten Format aus Hochglanzfotos und mitreißender Berichterstattung hinterher. Nicht einmal der berühmte gelbe Rahmen zierte sein Cover.

Nur ein unspektakulärer, rotbrauner Umschlag schützte das Oktavformat mit seinen Abbildungen, Karten und wissenschaftlichen Texten.

Streng genommen erhielt der Leser in Artikel umgewandelte Lehrvorträge von Hubbard und Kollegen sowie eine Liste der 209 Mitglieder der Gesellschaft. Eine Bekanntmachung umriss die Ziele der Gesellschaft:

„Das Magazin wird Beiträge wie Erinnerungen, Essays, Notizen, Briefe oder Rezensionen mit Bezug zur Geografie enthalten. Da nicht beabsichtigt ist, die Zeitschrift einfach nur als ein Organ der Gesellschaft zu sehen, richtet sie sich an alle Personen, die an dem Fach Geografie Interesse besitzen. So hoffen wir, dass sie zu einem Forum des Austausches wird, geografische Forschungen anregt und beweist, dass sie ein nützliches Medium für die Veröffentlichung von Ergebnissen ist.“26

Schon die Erstausgabe ließ das Interesse der National Geographic Society erkennen, die Menschen über das Wetter, Naturkatastrophen und klimatische Veränderungen informieren zu wollen. Außerdem hatten die Mitglieder eine besondere Vorliebe für Autoren aus Regierungskreisen.

Der Kommandant des Naval Marine Meteorology Department Edward Everett Hayden, verfasste z. B. einen Bericht über den verheerenden „Großen Sturm“, der vom 11. bis 14. März 1888 die Ostküste der USA und Teile Kanadas heimsuchte.27 Mit meteorologischen Karten und Windpfeilen beschrieb er das Unwetter, das von der Chesapeake Bay bis nach Maine die telegrafische Infrastruktur und ganze Eisenbahnlinien lahm gelegt hatte.28

Ein eisiger Blizzard brachte gewaltige Schneemengen mit sich und schnitt Teile der Bevölkerung bis zu eine Woche von der Außenwelt ab.

Viele der etwa 400 verzeichneten Toten kostete die Kälte oder der Hunger das Leben. Mindestens 100 Menschen starben auf den mehr als 200 gestrandeten oder schiffbrüchigen Wasserfahrzeugen. In einem weniger nüchternen Abschnitt seines Artikels widmete sich Hayden den Strapazen, mit denen das New Yorker Lotsenboot Charles H. Marshall den todbringenden Sturm überstand. Diese Ausführung gab einen Vorgeschmack auf den später viel beachteten Stil des National Geographic Magazines bei dem nicht nur bloße Fakten dem Leser präsentiert werden. Vielmehr stand eine Berichterstattung mit erzählerischer Qualität im Vordergrund:

„Es war zwölf Seemeilen südöstlich vor dem Leuchtfeuer auf Sandy Hook, als der Sturm mit einer solchen Kraft auf das Boot prallte, dass es sich auf die Seite legte, aber sich unsicher wieder aufrichtete. [] Gegen acht Uhr war der Sturm zu einem Hurrikan angewachsen und das Schiff wurde auf einer entsetzlich tobenden See hin und her geworfen. [] Schwere Wellen brandeten über die Männer hinweg, und die Gefahr, in der sie sich befanden, können nur die begreifen, die es erlebten. Schnee und Regen fielen mit einer derartigen Wucht, dass man nicht in Windrichtungen blicken konnte.“29

Mittels der neutralen Erzählperspektive versetzte Hayden den Leser unmittelbar an Bord des Schiffes. Durch seine detailreichen Beschreibungen des Überlebenskampfes der Besatzung konnte der Leser sich in die dramatische Situation hineinversetzen. Aufgabe eines Autoren war es, Bilder in den Köpfen der Leser zu erzeugen. Immerhin lebten sie in einer Zeit, in der es noch fünf Jahre dauern sollte, bis Thomas Alva Edison sein Kinetoskop vorstellen würde30 – eine Art Schaukasten, in dem kurze Filme liefen. Auch das bildgebende Verfahren der Fotografie steckte noch in den Kinderschuhen. Erst 1826 hatte Joseph Nicéphore Nièpce mittels der Heliografie das mutmaßlich früheste Foto der Weltgeschichte angefertigt: ein Blick aus seinem Arbeitszimmer.31 Viele der Leser besaßen daher nur eine vage Vorstellung von den Abläufen auf See: