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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2311

 

Die Explosive Kraft

 

Er erweitert den Horizont seines Volkes – und entdeckt ein dunkles Geheimnis

 

Leo Lukas

 

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Auf der Erde und den Planeten der Milchstraße schreibt man das Jahr 1344 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem Jahr 4931 alter Zeitrechnung. Die friedfertige Phase des letzten Jahrzehnts wird jäh zerstört, als TRAITOR die Galaxis heimsucht, ein Heerwurm der Chaosmächte.

Den Terranern gelingt es zwar, den Chaos-Stützpunkt zu vernichten, der vor dem Solsystem errichtet wurde, doch damit stellen sie die Ausnahme dar. Überall in der Milchstraße entstehen Kolonnen-Forts, agieren die Söldner des Chaos.

Einer der wenigen Orte, zu denen TRAITOR keinen Zugang findet, ist die Charon-Wolke in der Nähe des Milchstraßenzentrums. Doch auch die Galaktiker schaffen nicht den Weg in dieses geheimnisvolle Territorium. Jeder Kontaktversuch mit den Charonii blieb bisher erfolglos, selbst der Einsatz des Psi-Korresponders Marc London erwies sich nicht als der ersehnte Durchbruch. Im Innern der Wolke erwacht indessen DIE EXPLOSIVE KRAFT …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Kempo Doll’Arym – Die Träume des Charonii erfüllen sich – doch er bezahlt einen hohen Preis.

Auhara Mey’Deran – Kempos Jugendliebe wird zu seiner wichtigsten Mitstreiterin.

Sheerdurn – Der alte Strukturflieger ist bereit, sich für seine Heimat zu opfern.

Marc London – Der Psi-Korresponder wagt es, Atlan die Stirn zu bieten.

1.

Der letzte Flug der CELOWEZ

 

Seine Mutter starb.

Kempo Doll’Arym stand drei Schritte entfernt. Doch er konnte ihr nicht helfen, genauso wenig wie sein Vater oder sonst jemand in der Zentrale.

Sreda schrie gellend, wand sich in Agonie. Der Struktursturm verbrannte sie von innen heraus, verzehrte ihre parapsychischen Fähigkeiten. Zerstörte ihren Geist.

Seine Mutter rang mit dem Tode, und Kempo konnte nichts dagegen tun. Nicht einmal ihre Hand halten – zu panisch schlug sie um sich.

Bis die Stimme versiegte, die Augen brachen.

Kempo biss seine Lippen blutig. Kämpfte dagegen an, sich von Trauer übermannen zu lassen. Nicht jetzt. Später.

Falls es ein Später gab.

Unter äußerster Anstrengung konsolidierten die letzten einsatzfähigen Crewmitglieder der CELOWEZ das Strukturauge. Längst verstärkten Yllay Hor’Boran und jene Prüfer, die noch bei Bewusstsein waren, den Psi-Block.

An ein geregeltes Fortkommen im Gestöber oder gar einen Linearflug war nicht mehr zu denken. Es ging ums nackte Überleben.

Ausläufer des Sturms deformierten die winzige Stabilzone, die sie vor den entfesselten Urgewalten schützte. Besonders heftige Turbulenzen schlugen durch. Schon nahm der Rumpf der Dolbe Schaden …

Ein weiterer Pilot verschied qualvoll. Zwei fielen in Ohnmacht.

Kempo spürte, wie die Kräfte des verbliebenen Kollektivs ermatteten. Wie die hyperphysikalischen Wirbel die Hülle der CELOWEZ aufscheuerten.

An mehr und mehr Stellen. Die in seine Brille eingeblendeten Status-Anzeigen des Schiffs blinkten grellrot.

»Yllay! Danoit!«, brüllte er. »Ihr schafft es nicht allein. Nehmt Auhara, die Kadetten und mich mit in den Verbund!« Seine Ausbilderin schüttelte energisch den Kopf; Schweißtropfen stoben. »Vergiss es, Doll’Arym!«

»Wir sind frisch. Alle wissen, dass ich der Charonii mit der stärksten Pilotenkraft seit Generationen bin.«

»Ha! Wer sagt mir, dass du diesen Sturm nicht überhaupt erst gerufen hast?«

Der Schock traf Kempo wie ein eiskalter Guss. Deshalb weigerte sie sich, auf seine Talente zurückzugreifen. Sie verdächtigte ihn, unbewusst die dritte Gabe einzusetzen.

Die Explosive Kraft.

Er horchte in sich hinein. War es möglich …? Konnte es sein, dass er den mörderischen Sturm heraufbeschworen hatte?

Nein. Er bezähmte seine Emotionen mittels des inwendigen Gesangs.

»Du irrst dich. – Kommandant! Danoit, Vater! Gib den Befehl …«

Die Dolbe bockte. Langsam kippte Danoit Urt’Arym aus seinem Sessel, sackte leblos zu Boden.

Ihres Leitpiloten beraubt, ermüdeten die Strukturflieger umso rascher. Eine Frage von Sekunden …

Kempo sprang in den verwaisten Sessel seines Vaters, wies Auhara und die übrigen Kadetten an, ebenfalls freie Plätze einzunehmen.

»Das ist Meuterei!« Yllays Stimme überschlug sich.

»Nein. Unsere einzige Chance.«

Die Prüferin mühte sich, Danoits Ausfall wettzumachen. Aber sie war zu schwach, zu erschöpft.

Seinen aufgestauten Zorn kontrolliert nutzend, drängte Kempo sie in den Hintergrund und übernahm als neuer Epha-Pilot die mentale Führung des Kollektivs.

Auhara und die Kadetten unterstützten ihn. Mit schrecklicher Macht brandete der Struktursturm gegen sie an …

 

*

 

Große Sorge herrschte auf Aram Tachady.

Alle drei Pilotenstädte waren weiter ins Innere des Dubox-Systems verlegt worden. Denn die Grenze, jenseits deren das Strukturgestöber wallte, hatte sich durch den Hyperorkan einwärts verschoben.

Welch ein Monster, dachte Sheerdurn. Und ausgerechnet heute sind der Bengel, sein Mädchen und seine Eltern da draußen.

Sogar er, mit den kläglichen Überresten der Gaben, spürte den Aufruhr im lebensfeindlichen Äther rings um die Enklave. Es hätte der Nachrichtensender nicht bedurft, die vom »stärksten Sturm seit Jahrzehnten« sprachen.

Dutzende Strukturdolben kreuzten gemäß Flugplan in der betroffenen Region. Nach Schätzungen, die auf Erfahrungswerten beruhten, umfasste diese ein Gebiet von acht bis zehn Lichtjahren Durchmesser.

Sheerdurn versuchte die Erinnerung an den Tag zu verdrängen, da er selbst Opfer eines solchen Phänomens geworden war. Vergeblich sträubte er sich gegen die grauenvollen Bilder. Gegen den Horror, Mitglieder seiner Besatzung dahinwelken, buchstäblich verdorren zu sehen …

Vermutlich spielten sich jetzt, in diesem Augenblick, an Bord der Schiffe da draußen ähnliche Szenen ab. Falls sie nicht bereits von den titanischen Kräften zerrieben worden waren, in Stücke gerissen, binnen Sekunden zermalmt.

Sheerdurn betete zu Göttern, an die er nicht glaubte.

Volle zwanzig Stunden tobte der Orkan. Die Bewohner der Pilotenstadt bangten um ihre Angehörigen, lange, nicht enden wollende Zeit.

Dann trafen die ersten Dolben ein, schwer beschädigt, oft buchstäblich »auf den letzten Töpfen«.

Von einigen sollte man viele Wochen später erfahren, dass sie sich in andere bewohnte Systeme hatten retten können und dort repariert wurden. Doch mehr als ein Drittel der Schiffe kehrte nicht wieder heim.

Darunter die CELOWEZ.

 

*

 

Ein halbes Jahr nach dem Struktursturm fand in der Ken’Karawan-Halle des Messegeländes eine Gedenkfeier für die Verschollenen statt. Entgegen seinen Gewohnheiten nahm Sheerdurn daran teil. Obwohl er große Ansammlungen von Personen hasste, überwand er sich. Er wollte Kempo, Auhara und den anderen die letzte Ehre erweisen.

Ewig schade um den Bengel, dachte er, während der Chor eines der traditionellen, für die Nation Dubox typischen, getragenen Lieder intonierte. Also ist doch alles umsonst gewesen.

Dabei hatte er so sehr gehofft, sein Schützling würde einmal das Weltbild der Charonii erweitern. Ihm, ihm allein hätte Sheerdurn zugetraut, den vorherrschenden, engstirnigen Isolationismus zu überwinden.

»Wenn ich groß bin, fliege ich hinaus aus der Weltenwolke. Und dich, Alter, nehme ich mit.«

Tja. Daraus wurde nun wohl nichts.

Der Strukturfolger hielt eine in ihrer Schlichtheit ergreifende Rede. Dann erschien auf dem Holoschirm das feiste Gesicht Khal Pif’Derans, der vom Planeten Bocyn zugeschaltet wurde.

Wie immer salbaderte der Ratsherr endlos pathetisch. Liebe zur Heimat, gerade in Stunden des Leids, Stolz auf das Errungene und Dankbarkeit für die Opfer, niemals vergessen, für immer im Herzen bewahren …

Sheerdurn ballte die Hand in der Tasche. Er glaubte dem schleimigen Schwätzer kein Wort. Im Unterschied zu fast allen anderen Anwesenden wusste er, wozu Pif’Deran fähig war.

Elender Intrigant, gewissenloser!

Er wechselte einen Blick mit Kempos Tante Nedelja, die unweit von ihm am Rand der Menge stand. Sie schnitt eine Grimasse. Dann fasste sie sich ans linke Ohr, wo sie einen kleinen Funkempfänger trug.

Ihr Gesicht verzog sich weiter. Zu ungläubigem Staunen … und grenzenloser Freude.

»Der Junge!«, rief sie, lachend und weinend zugleich; ungeachtet der Leute, die sich, erbost über die Störung der Zeremonie, nach ihr umdrehten. »Kempo und Auhara – sie leben!«

 

*

 

So schnell es ihre alten Knochen erlaubten, rannten sie zum Pier.

Eine Dolbe kam hereingeschwebt. Den Zeichen am Bug zufolge gehörte sie zur Nation Jil.

»Sieh an. Jileenos«, sagte Sheerdurn. »Seltene Gäste.«

Nedelja fand jenen Cousin, der am Raumhafen Dienst tat und sie verständigt hatte. »Ist es wahr? Sie sind an Bord und wohlauf?«

»Die beiden, ja. Sreda hingegen hat’s erwischt. Und Danoit …« Er wiegte traurig den Kopf. »Bitte entschuldige mich; muss meinen Pflichten nachkommen.«

Die Strukturdolbe legte an. Das Summen ihrer Motoren erstarb, dann entfaltete sich eine Treppe, und die Passagierluke ging auf.

Kempo und Auhara schritten die Stufen herunter. Zwischen sich führten sie ein Wesen, das nur noch entfernte Ähnlichkeit mit Danoit Urt’Arym besaß. Halb schoben, halb trugen sie die verkrümmte, bibbernde, sabbernde Gestalt in der von Auswurf bekleckerten Pilotenmontur.

Sheerdurn schloss kurz die Augen. Gerade weil er derlei nicht zum ersten Mal sah, ertrug er den Anblick so schwer. Der Struktursturm hatte Kempos Vater zu einem Wrack gemacht – körperlich wie geistig. Sein Geist war unheilbar zerrüttet, seine Persönlichkeit fast vollständig ausgelöscht.

Im Vergleich zu ihm bin ich damals noch gut davongekommen, dachte Sheerdurn. Und auch wenn er das nie laut ausgesprochen hätte: Wahrscheinlich sind sogar die Toten besser dran.

Von den vierzig Strukturfliegern, die mit der CELOWEZ aufgebrochen waren, kamen neunundzwanzig zurück: acht Kadetten, drei ihrer Prüfer sowie achtzehn Mitglieder der Standardbesatzung.

Unter anderen Umständen hätten sich Sheerdurn und der Bengel köstlich darüber amüsiert, dass Kempo just während seiner eigenen Gedenkfeier auftauchte. So aber fiel die Begrüßung, bei aller Wiedersehensfreude, verhalten aus.

Auf einer Prallfeld-Rikscha transportierten sie Danoit zum Pilotenhospiz unweit der Siedlung Limmersach, wo die Großfamilie wohnte. Danach, in der Gemeinschaftsküche, erzählten Kempo und Auhara, wie es ihnen ergangen war.

 

*

 

Mit letzter Kraft hatten sie die Enklave rings um die planetenlose Sonne Sivial erreicht.

Dass die schwer angeschlagene CELOWEZ den Linearsprung überstanden hatte, war ein Wunder zu nennen. Beim Wiedereintritt in den Normalraum barst ihre Hülle an mehreren Stellen, und neunzig Prozent der Aggregate versagten endgültig. Irreparabel; nicht einmal im Wartungsdock einer Pilotenstadt wäre die Strukturdolbe wieder flottzukriegen gewesen, geschweige denn im freien, leeren Raum.

Ihnen blieb nur zu warten, bis die Sauerstoffvorräte in den intakten Segmenten des Schiffes aufgebraucht waren. Eine grausige Situation: Dem Struktursturm entronnen, sahen sie dennoch dem sicheren Verderben entgegen.

Und Danoit, ihr ehemaliger Epha-Pilot, schwebte lallend und zuckend durch die Schwerelosigkeit der Zentrale. Ständig musste er beaufsichtigt und daran gehindert werden, sich Verletzungen zuzufügen. Sie fütterten, wuschen, wickelten ihn wie ein Kleinkind …

Zwei Crewmitglieder ertrugen die Belastung nicht und begingen in ihren Kojen Selbstmord; sodass sie von da an elf Leichen an Bord hatten. Zu einer Raumbestattung vermochte sich niemand aufzuraffen – schon bald würde die ganze CELOWEZ ein einziger, mit Restfahrt dahintreibender Sarg sein.

Etliche, unter ihnen Yllay Hor’Boran, waren zwar bei geistiger Gesundheit geblieben. Doch hatten sie im Kampf gegen den Sturm ihre Pilotengaben eingebüßt. Depressiv, apathisch, wie paralysiert hingen sie in den Gurten, aßen nicht, tranken nicht, sprachen nicht. Die Luft begann schal zu schmecken. Hoffnungslosigkeit breitete sich aus wie giftiger Gestank.

Auch Kempo haderte mit sich und dem Schicksal. Was nützte ihm nun all sein Talent? Er spürte, dass der Sturm inzwischen abgeklungen war, ja. Zu spät. Davon hatten sie nichts mehr. Das Gestöber machte Funkverkehr unmöglich, und in der Sivial-Sphäre lebte niemand. Niemand außer ihnen – den Todgeweihten.

Er fragte sich und die wenigen Ansprechbaren, ob es nicht besser wäre, Schluss zu machen, bevor sie entweder durchdrehten oder letztlich qualvoll erstickten. Wenn man die spärliche Rest-Energie dazu verwendete, die Triebwerke zu sprengen, war binnen eines Lidschlags alles vorüber.

Ein schneller Abgang in Würde …

Auhara verwehrte sich strikt dagegen. »Strukturpiloten geben die Hoffnung niemals auf!«, appellierte sie an ihr gemeinsames Berufsethos. »Wir stehlen uns nicht feige davon, sondern strahlen das Notsignal aus, solange der Sender funktioniert.«

Hätte Kempo es auf eine Abstimmung ankommen lassen, sein Vorschlag hätte vermutlich eine Mehrheit gefunden. Aber Auhara blitzte ihn aus ihren hellgrauen Augen so forsch an, dass er klein beigab.

Sie warteten. Bewegten sich wenig. Atmeten flach. Dämmerten dahin.

Irgendwann schraken sie hoch, weil ein heftiger Stoß den zerfetzten Rumpf der CELOWEZ erschütterte. Im ersten Moment dachten sie, das Schiff bräche vollends auseinander.

Dann erkannten sie, dass eine andere Strukturdolbe angedockt hatte. Deren Annäherung hatten sie nicht bemerkt, da die Sensoren nicht mehr funktionierten.

Kempo fürchtete, einer Halluzination zu erliegen, einem Wunschtraum aufzusitzen. Erst als das Schott der Zentrale von außen geöffnet wurde, wagte er daran zu glauben, dass sie gerettet waren.

 

*

 

Auch die von Jil stammende XALAPU hatte im Struktursturm Blessuren erlitten, wiewohl vergleichsweise leichte. Sie war auf dem Heimflug weit vom Kurs abgekommen, hatte Sivial angesteuert, um Reparaturarbeiten auszuführen – und den Notruf der CELOWEZ empfangen.

Die Bewohner des Planeten Jileen und der zugehörigen drei Raumhabitate galten als besonders eigenbrötlerisch. Von allen Nationen beteiligten sie sich am wenigsten am interstellaren Austausch von Waren und Informationen. Zwar entsandten sie, um der Form Genüge zu tun, ebenfalls elf Delegierte zum Rat der Charonii auf Ijordan. Doch wurden diese nicht gewählt, sondern per Losentscheid bestimmt; nicht bewundert wie anderswo, sondern bedauert, weil sie das Jil-System verlassen mussten. »Volksnarren« nannte man sie. Im Ratshain ergriffen sie nie das Wort und stimmten grundsätzlich ungültig.

»Man könnte sie genauso gut durch Topfpflanzen ersetzen«, hatte Sheerdurn einmal gespöttelt.

Seltsame Leute, die Jileenos, von Angehörigen anderer Nationen oft schief angesehen. Aber in Raumnot geratenen Strukturpiloten eilten auch sie selbstverständlich zu Hilfe.

Sie nahmen die Überlebenden an Bord. Im Einverständnis mit diesen bargen sie die noch verwendbaren Teile, dann versetzten sie der defekten Dolbe einen Impuls, sodass die CELOWEZ binnen einiger Wochen in der Sonne verglühen würde.

Auhara leitete eine kurze Totenandacht. Zu ausgelaugt, um weinen zu können, murmelten die Schiffbrüchigen Floskeln und Gebete an die Schutzherren, bevor sie, medizinisch versorgt, auf ihre Pritschen fielen und in einen unruhigen, von Alpträumen geplagten Schlaf. Die XALAPU setzte, sobald sie hinlänglich instand gesetzt war, ihre Reise fort. Mit großer Verspätung traf sie zwölf Tage später in der heimatlichen Pilotenstadt ein.

 

*

 

»Natürlich haben wir uns sofort um eine Passage nach Hause bemüht«, berichtete Kempo weiter. »Doch das gestaltete sich, ähem, nicht ganz einfach.«

»Kannst ruhig erwähnen, woran es lag, dass sie uns knallhart auflaufen ließen«, sagte Auhara feixend.

»Erzähl selbst.«

»Na schön. Es war meine Schuld.«

Sie hatte sich bemüßigt gefühlt, darauf zu pochen, dass sie die Tochter von Khal Pif’Deran war, dem Ratsherrn. Auhara hatte gehofft, man würde sie und ihre Begleiter deshalb bevorzugt behandeln.

Weit gefehlt. Die Jileenos hielten nichts von Privilegien; ganz im Gegenteil.

Im Jil-System gab es keinen Privatbesitz, kein Finanzkapital. Allen gehörte alles. Die Verfügungsgewalt über Ressourcen, vom Tretroller bis zur Strukturdolbe, konnte nur durch Beiträge zum Gemeinwohl errungen werden. Wer solche erbrachte, bekam gemäß einer uralten, hoch komplizierten Tabelle Punkte zugesprochen. Eine zweite, ebenso lange und detaillierte Liste gab Aufschluss darüber, wie viele Punkte zum Genuss welcher über die Grundversorgung hinausgehenden Einrichtungen berechtigten. Herkunft, Geschlecht, Abstammung wurden dezidiert nicht berücksichtigt.

Angesichts der unverschuldeten Notlage der Sturmopfer hätten die jileenischen Beamten vielleicht dennoch ein Auge zugedrückt und die Solidarität unter Strukturpiloten in den Vordergrund gestellt. Auharas Verweis auf ihren vermögenden, einflussreichen Vater jedoch ließ den Tabellatoren »das Gesicht einschlafen«.

»Von da an haben sie auf stur geschaltet«, seufzte Kempos Herzliebste, »und uns streng nach Vorschrift behandelt.«

»Soll heißen, wir mussten ganz schön schuften, bis wir die Punkte für den Flug nach Dubox beisammenhatten. Zumal mittelfristig keiner geplant war.« Der Bengel schmunzelte. »Hat uns nicht geschadet, denke ich. Ich habe als Gärtner gearbeitet, in den Gemüseplantagen, und sogar einige winzige Neuerungen durchgesetzt.«

»Sei nicht so bescheiden. – Er hat drei Preise für herausragende Leistungen im Dienst der Kommune gewonnen. Ohne diese Boni säßen wir heute noch dort fest.«

»War also dein ›Studienaufenthalt‹ bei den Bauernschädeln von Bocyn doch nicht ganz umsonst«, brummte Sheerdurn.

Kempo nickte. »Auch die anderen haben sich mächtig ins Zeug gelegt. Im Jil-System bleiben wollte niemand. Ich meine, man hat sich uns gegenüber durchaus korrekt und höflich verhalten, wir wurden keineswegs schikaniert. Aber die frugale Lebensweise der Jileenos … Puh. Gegen diese selbstgenügsamen Sparmeister sind unsere Landsleute ja regelrecht übermütig, aufgeschlossen und weltoffen!«