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Hartmut Wagner/Marc Tscheuschner

Das
Team Management
System

Der Weg zum Hochleistungsteam

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Das Rad der Arbeitsfunktionen, das Team Management Rad, das Modell der Linking Skills und das 16-Sektoren-Modell sind eingetragene Warenzeichen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Programmleitung: Ute Flockenhaus

Lektorat: Dr. Sonja Klug, www.buchbetreuung-klug.com

Umschlaggestaltung: +malsy Kommunikation und Gestaltung, Willich

©2014 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2008 erschienenen Buchtitel „TMS - Der Weg zum Hochleistungsteam“ von Hartmut Wagner und Marc Tscheuschner, ©2008 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

ISBN Buchausgabe: 978-3-89749-794-8

ISBN epub: 978-3-86200-947-3

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Inhalt

Vorwort von Charles Margerison und Dick McCann

Einführung

1. TeilTMS – Idee und Geschichte

1.1Wie das Team Management System entstanden ist

1.1.1Empirische Teamerfolgsforschung von Margerison und McCann

1.1.2Landkarte 1 – Arbeitsanforderungen für erfolgreiche Teams

1.1.3Landkarte 2 – Arbeitspräferenzen und Teamrollen

1.1.4Das Team als Unternehmen im Unternehmen

1.1.5Die Autoren des TMS

2. TeilModelle und Instrumente des TMS

2.1Das Modell der Arbeitsfunktionen

2.1.1Überblick

2.1.2Die acht Arbeitsfunktionen in der Praxis

2.1.3Zentral wichtige Arbeitsfunktionen in einzelnen Berufen

2.2Arbeitspräferenzen und Teamrollen

2.2.1Die Entwicklung der Arbeitspräferenzskalen

2.2.2Die Entwicklung des Team Management Rades

2.2.3Die Teamrollen

2.3Das Team Management Profil

2.3.1Der Team Management Profil Fragebogen

2.3.2Aufbau und Erstellung des Team Management Profils

2.3.3Abgrenzung gegenüber anderen Persönlichkeitsprofilen

2.4Linking Skills – die Kräfte im Team bündeln

2.4.1Dreh- und Angelpunkt für hohe Teamleistung

2.4.2Menschen verbinden (People Linking Skills)

2.4.3Aufgaben verbinden (Task Linking Skills)

2.4.4Zentrale Führungsfunktion (Leadership Linking Skills)

2.5Die TMS-Forschung

2.5.1Wissenschaftliche Fundierung

2.5.2Reliabilität: interne Konsistenz

2.5.3Konstruktvalidität

2.5.4Kontextvalidität

2.5.5Normierung

2.5.6Das Team Management Profil (TMP)

2.5.7Stabilität der Teamrollen und Arbeitspräferenzen

3. TeilTMS praktisch

3.1Persönliche Entwicklung und Personalentwicklung

3.1.1Selbstmanagement

3.1.2Coaching – Beratung – Supervision

3.1.3Berufliche Entwicklung

3.1.4Existenzgründung

3.1.5Mitarbeiterführung

3.1.6Führungskräfteentwicklung – Management Development

3.1.7Bewerberauswahl und Teamergänzung

3.1.8Talent-Management

3.2Teamentwicklung

3.2.1Von der Gruppendynamik zur Teamdynamik

3.2.2Team-Leadership und Projektleitung

3.2.3Zusammenstellen von Teams

3.2.4Teamanalyse

3.2.5Teamoptimierung

3.2.6Team-Kooperation und Kommunikation

3.2.7Hochleistungsteams

3.2.8Interkulturelles Management

3.2.9Teamintegration (Team-Workshops)

3.3Organisationsentwicklung

3.3.1Einführung

3.3.2Organisationsanalyse

3.3.3Strategische Ausrichtung

3.3.4Change-Management

3.3.5Projektmanagement

3.3.6Kooperation zwischen Teams und Bereichen

3.3.7Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

3.3.8Zyklisches Denken »rund ums Rad«

4. TeilMehr über das Team Management System

4.1Qualifizierung zur Arbeit mit TMS

4.1.1Leitlinien

4.1.2Akkreditierung

4.2Weitere TMS-Profile

4.2.1Das QO2 Opportunity Orientation-Profil

4.2.2Window on Work Values

4.2.3Das Linking Skills-Profil und das Team Performance-Profil

Anhang

TMS weltweit

Ethische Richtlinien

Literatur

Über die Autoren

Vorwort

Mit großer Freude stellen wir dieses Buch vor, mit dem unsere Forschungen zur Teamarbeit dem deutschsprachigen Leser zugänglich gemacht werden. Hartmut Wagner erhielt im Jahr 1992 die Akkreditierung, um unsere Arbeit zu nutzen. Er ist seitdem der Master Trainer und Berater des Team Management Systems (TMS) in Deutschland. Marc Tscheuschner arbeitet seit Jahren eng mit ihm zusammen, um sich für Teamarbeit in deutschen Organisationen und Unternehmen einzusetzen. Er übernimmt im Jahr 2007 die Leitung des TMS-Zentrums der deutschsprachigen Länder.

Unsere Partnerschaft als Forscher und Autoren begann im Jahr 1982. Wir trafen uns an der University of Queensland in Australien. Charles war dort zum Professor für Management berufen worden, nachdem er an der Cranfield University gearbeitet hatte. Dick war nach Brisbane zurückgekehrt, um dort als Berater zu arbeiten, nachdem er mehrere Jahre bei BP Chemicals in London und an der Universität in Sydney gearbeitet hatte.

Wir interessierten uns beide für Teamarbeit und suchten Antworten auf die Frage, warum einige Teams gut zusammenarbeiteten und hervorragende Ergebnisse erzielten, während andere scheiterten, obwohl die Qualifikation und die Fähigkeiten der Teammitglieder in beiden Fällen gleich war. Daraus entstand eine Partnerschaft, die jetzt seit 25 Jahren währt und uns noch immer stark verbindet.

Team Management Rad

Das Herzstück unserer Arbeit sind das Modell der Arbeitsfunktionen und das Team Management Rad. Wir entwickelten diese beiden Modelle zu einem frühen Zeitpunkt unserer Zusammenarbeit. Ich erinnere mich lebhaft an jenen Novembertag in Brisbane, als wir die beiden Räder auf einem Whiteboard aufgezeichnet und uns über die Terminologie geeinigt hatten. Genau in diesem Augenblick schlug ein kraftvoller Blitz aus einem dunkelgrünen Himmel, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag – für uns ein klares »Aha«-Signal.

Einer der Gründe, wieso wir mit unseren Modellen so erfolgreich sind, ist der, dass sie aus unseren eigenen praktischen Erfahrungen in der Arbeit mit Teams in einer Vielzahl von Industriezweigen weltweit entstanden sind. Statt psychologische Termini zu nutzen, um unsere Modelle und Konzepte zu erklären, haben wir eine Sprache und Worte gewählt, mit denen man sofort erkennt und versteht, dass sie praktische Relevanz für die Arbeit eines jeden Teams haben. Weiterhin haben wir von Beginn an sichergestellt, dass es sich im Hinblick auf die psychometrische Auswertung um robuste Modelle handelt. Wir verwandten einige Jahre darauf, die Skalen genau zu analysieren, Reliabilitäts- und Validitätsstudien durchzuführen und Normen zu entwickeln. Damit wollten wir von Beginn an sicherstellen, dass die Konzepte in ihrer Anwendung in allen Arbeitsbereichen verwandt werden konnten.

In den ersten Jahren hat Rod Davies mit uns als Psychometriker eng zusammengearbeitet. Er unterstützte uns dabei, das Profil der Arbeitsfunktionen und das Team Management Profil zu entwickeln. Er verstarb unerwartet im Jahr 2003 und wir vermissen ihn sehr. Das Forschungsprogramm unseres damals etablierten Institute of Team Management Studies ITMS führen wir seither kontinuierlich fort. Nikki Mead leitet es seit 1990 umsichtig und kompetent. Nick Wheeler ist seit 15 Jahren unser zentraler Software-Entwickler und betreut fortlaufend die neuen Entwicklungen und Software-Updates, von Apple Basic über C nach Delphi.

Globale Verbreitung

TMS ist inzwischen global vertreten. Mehr als eine Million Menschen haben an TMS-Workshops in der ganzen Welt teilgenommen, die von den inzwischen mehr als 10000 akkreditierten TMS-Trainern und Beratern durchgeführt wurden. Das Team Management Profil und das dafür verfügbare Kursmaterial steht jetzt in 16 Sprachen zur Verfügung, davon in 11 europäischen Sprachen. Unsere Kollegin Catherine Hick, Leiterin des TMS Development International Ltd. in York/GB, arbeitet seit 18 Jahren mit uns zusammen, damit unser Ideengut in ganz Europa Verbreitung findet. Seit kurzem sind wir auch in Japan und Südamerika präsent. Für Südamerika haben wir die lateinamerikanischen Varianten in Portugiesisch und Spanisch entwickelt. In unserem Ursprungsland Australien sind Bronwyn Loudoun und Chris Burton langjährige Mitglieder unseres Teams, die uns helfen, unsere Ideen in die asiatischen und pazifischen Regionen hineinzutragen.

Konflikte fordern uns als Problem in unserer menschlichen Rasse immer wieder heraus. Nur wenn wir Vielfalt verstehen und wertschätzen, können Gruppen von Menschen zusammenkommen, um große Taten zu vollbringen. Nur allzu häufig passiert es leider, dass Teams sich selbst zerstören, wenn die menschlichen Schwächen zum Vorschein kommen. Wir hoffen, dass die Leser bei der Lektüre viele Anregungen erhalten, mit ihren Mitarbeitern, Kollegen, Kunden und Menschen, die sie lieben, bessere Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten, wenn sie unsere Konzepte von Teamwork nutzen, die von Marc Tscheuschner und Hartmut Wagner in diesem Buch erläutert werden.

Inhalt des Buches

In dem Buch beschreiben Marc Tscheuschner und Hartmut Wagner zunächst das Modell der Arbeitsfunktionen, das Team Management Rad und das Linking Skills-Modell. Das sind die Kernkonzepte, die notwendig sind, um das Wesen von Teamarbeit und Arbeitspräferenzen zu verstehen. Der Hauptteil des Buchs schildert dann die konkreten Anwendungen der Modelle im Bereich der Persönlichkeits- und Personalentwicklung, der Teamentwicklung und der Organisationsentwicklung. Anhand vieler konkreter Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum erfahren Sie, wie Einzelpersonen, Teams und Organisationen das TMS nutzen. Einige Praxisbeispiele aus dem internationalen Umfeld werden ebenfalls beschrieben und zeigen Erfahrungen aus unserer internationalen Arbeit auf.

Und die Zukunft? Wir entwickeln unsere Ideen kontinuierlich für die Bereiche persönliche Entwicklung, Personal- und Teamentwicklung weiter, sowohl einzeln als auch gemeinsam. In den letzten Jahren hat Dick McCann sein Konzept einer Verhaltenspyramide für Arbeitsprozesse entwickelt, die drei Ebenen des Verhaltens bei der Arbeit beschreibt – Präferenzverhalten, Risikoverhalten und werteorientiertes Verhalten. Mit dieser Kenntnis ausgestattet können Führungskräfte verstehen, warum sich Mitarbeiter so verhalten, wie sie es tun. Das hilft ihnen, ihre Mitarbeiter und Teams effektiver zu führen, da sie ihre Bedürfnisse bei der Arbeit besser ansprechen können.

Charles Margerison hat ein Kommunikations- und Problemlösemodell entwickelt. Dieses gibt Gruppen eine effektive Struktur an die Hand, die sie nutzen können, um Lösungen für anstehende Probleme zu entwickeln. Sein Interesse gilt weiterhin wie bisher dem Action Learning und Lernprozessen am Arbeitsplatz.

Wir hoffen, dass das Team Management System in den folgenden Jahren weiterhin weltweit, und vor allem auch in Deutschland, intensiv genutzt wird. Wir sind Marc Tscheuschner und Hartmut Wagner dankbar dafür, dass sie dieses Buch veröffentlichen und damit einer weiteren Leserschaft den Zugang zu unseren Modellen, Konzepten und Instrumenten verschaffen.

Charles Margerison und Dick McCann
Brisbane, Juli 2007

Einführung

Kennen Sie das? Sie leiten ein Team und müssen ein wichtiges Projekt zum Erfolg zu bringen. Doch es läuft aus einem unersichtlichen Grund nicht rund. Hervorragende Ideen wurden entwickelt, doch der Prozess der Planung und Umsetzung gerät immer wieder ins Stocken.

Woran könnte es liegen? Sie suchen nach Erklärungen. Die individuellen Fähigkeiten und die Erfahrung der Teammitglieder erscheinen hoch. Alle sind Experten auf ihrem Gebiet. Doch bestimmte Aufgaben, die für die Planung und Umsetzung erforderlich sind, bleiben einfach liegen.

Stolpersteine in der Teamarbeit

Seit mehr als 20 Jahren beschäftigen sich Charles Margerison und Dick McCann mit der Frage, was Teams erfolgreich macht und welche Stolpersteine immer wieder auftauchen. Sie wollten der Sache auf den Grund gehen und starteten umfangreiche Interviewreihen und Feldforschungen. Aus dieser empirischen Teamerfolgsforschung entwickelten sie das Team Management System (TMS). Es war ihr Ehrgeiz, dass ihre Forschungsarbeiten nicht im Elfenbeinturm blieben, sondern Führungskräften, Teammitgliedern und Beratern eine echte Hilfe für ihre Arbeit bringen sollten. So publizierten sie die Ergebnisse ihrer Forschung in Fachzeitschriften und stellten sie, wie im Vorwort beschrieben, als einprägsame visuelle Arbeitsmodelle dar. In den vier Teilen des Buches werden diese Modelle, Konzepte, Instrumente und Anwendungsbereiche des TMS für Sie lebendig werden.

Erster Teil

Im ersten Teil erfahren Sie, wie es zur Entwicklung des Team Management Systems kam, worin eine gute Teamfunktionalität besteht und welche Bedeutung die Arbeitspräferenzen aller Mitarbeiter im Team haben.

Zweiter Teil

Im zweiten Teil lernen Sie die Modelle und Instrumente des TMS genauer kennen und reflektieren diese für Ihren Arbeitsbereich und Ihr Team. Sie erfahren, was das Team Management Profil für Sie leisten kann. Sie hören mehr über den Forschungsansatz, die wissenschaftlichen Gütekriterien und die Brauchbarkeit der Ergebnisse der TMS-Forschung für Ihre Arbeit.

Dritter Teil

Umfangreiche Praxisbeispiele und zahlreiche Anregungen zur Arbeit mit dem TMS erhalten Sie im dritten Teil. Die Einsatzbereiche sind vielfältig: vom Einsatz in der persönlichen und Personalentwicklung über Teams bis hin zum Einsatz in Organisationen.

Vierter Teil

Im letzten Teil erfahren Sie schließlich, wie Sie sich als TMS-Trainer und Berater qualifizieren können. Ein Überblick über andere verfügbare TMS-Modelle und Profile sowie über wichtige Ansprechpartner weltweit runden das Buch ab.

Mit diesem Buch erhalten Sie einen Zugang zu einer Philosophie, zu Strategien und Instrumenten moderner Teamführung und zur Entwicklung von Hochleistungsteams. Als Manager und Führungskraft jeder Ebene, als Human-Resource-Manager, als Berater, Trainer, Coach, Moderator und Mediator oder auch als Mitglied eines Teams erfahren Sie, was Sie tun können, damit Teamarbeit gelingt. Die Praxisfälle machen deutlich, was Sie vermeiden sollten – und was Sie tun können, damit Ihr Team wieder effizient, effektiv und kooperativ arbeitet. Sie erfahren, wie Sie Teams ausgewogen zusammensetzen können und kompetent leiten. Und Sie erkennen, wie Sie Ihre persönlichen Arbeitspräferenzen als Stärken verstehen und vielfältig nutzen können.

Wir hoffen, Sie mit diesem Buch in der Wahrnehmung Ihrer Führungsaufgaben und bei Ihrer Arbeit in und mit Teams und Organisationen jeglicher Art unterstützen zu können, und wünschen Ihnen viel Erfolg mit dem Team Management System.

Marc Tscheuschner und Hartmut Wagner
Freiburg, im Juli 2007

Das Team Management Rad, das Modell der Arbeitsfunktionen und das TMS-Logo sind geschützte Warenzeichen.

1. TEIL

TMS – Idee und Geschichte

1.1Wie das Team Management System entstanden ist

Das Team Management System (TMS) wurde von 1985 bis 1988 von Prof. Dr. Charles Margerison (England) und Dr. Dick McCann (Australien) entwickelt. Sie arbeiteten an der Queensland University in Brisbane in Australien und im Rahmen von Beratungsaufträgen bei großen Unternehmen. Keiner von beiden träumte damals davon, dass das TMS sich weltweit verbreiten würde und immer weitere Übersetzungen hinzukommen würden. Das TMS wird heute in über 80 Ländern eingesetzt.

Beide hatten jahrelang im Bereich der Managementberatung gearbeitet, und ihnen waren viele der Instrumente vertraut, die damals genutzt wurden. Ihnen wurde dabei klar, dass keines dieser Instrumentarien das Phänomen der Arbeitspräferenzen und der bevorzugten Verhaltensweisen im Bereich der Arbeit angemessen erfasste. Sie hatten großes Interesse daran, die Teamarbeit zu verbessern und Führungskräften und ihren Teams und Beratern dafür ein akkurates Feedback zur Verfügung zu stellen. Das spornte sie an, ein System zu entwickeln, das diese effektiv in ihrer Arbeit für die Unternehmen nutzen konnten.

Forschungsprogramm zur Zusammenarbeit von Teams

Sie beschäftigte zunächst vor allem die Frage, warum einige Teams sehr erfolgreich waren und andere wiederum versagten, obwohl die Fähigkeiten in beiden Arten von Teams die gleichen zu sein schienen. Einige Arbeitsgruppen schienen gut zusammenzuarbeiten und entwickelten Synergien, während andere sich zu torpedieren schienen. Sie wollten die Gründe dafür herausfinden. Das war der Anlass dafür, dass sie ihr Forschungsprogramm starteten.

Immer wieder stellten sie Führungskräften und Teams Fragen, um ihrem Erfolg oder Misserfolg auf die Spur zu kommen und die Arbeitsweise des Teamleiters und der Teammitglieder zu erkunden. Die Ergebnisse werteten sie im Institute of Team Management Studies (ITMS) in Brisbane systematisch aus, das die TMS-Arbeit von den Anfängen bis heute fortwährend begleitet und dokumentiert.

1.1.1Empirische Teamerfolgsforschung von Margerison und McCann

Dem Buch liegen die Ergebnisse dieser empirischen Forschung mit Führungskräften und Teams in Australien, Europa, den USA und Südostasien zugrunde. Die Forschungsarbeit wurde in den verschiedensten Wirtschafts- und Dienstleistungssektoren und Branchen durchgeführt. Das ITMS verfügt über eine Datenbasis von 151000 Führungskräften und Teammitgliedern, deren Aussagen und Daten anonymisiert in die Forschung eingingen (Stand 2003).

Teamarbeit im Cockpit

Margerison und McCann interviewten zum Beispiel in den frühen 80er-Jahren mehr als 500 Crews von Australian Airlines (heute Qantas) mit dem Ziel, die Teamarbeit im Cockpit und mit allen Beteiligten hocheffektiv zu machen und für jeden Flug die höchste Sicherheit zu gewährleisten. Für diese Crews ist es absolut wichtig, dass sie vom ersten Planungstreffen an, im Kontakt mit den verschiedenen Fluglotsen unterwegs bis zur Landung und zur Abschlussbesprechung ausgezeichnet als vor Ort zusammenarbeitende Teams und virtuelle Teams kooperieren. Qantas führt seither unangefochten das Ranking der sichersten Fluglinien weltweit an, wie aus der im Internet von der Fachzeitschrift der Zivil-Luftfahrt »Aero International« publizierten Unfallstatistik hervorgeht (www.aerointernational.de/Unfallstatistik).

In den Headquarters von Hewlett Packard (HP) in Palo Alto (USA) berieten Margerison und McCann zusammen mit anderen Beratern die Unternehmensleitung in der frühen Phase der langfristigen strategischen Unternehmensentwicklung. Das Ziel von HP war bereits damals, das innovativste IT-Unternehmen weltweit zu werden. Was braucht es, um hehre Unternehmensziele und Leitlinien mit Leben zu füllen und umzusetzen? Ein wichtiges Ergebnis der ersten Erhebungen von Margerison und McCann bei Hewlett Packard war: Bereits damals existierte dort ein gegenüber anderen Unternehmen höheres Potenzial an Mitarbeitern im Bereich »Forschung und Entwicklung« mit der Hauptrollenpräferenz »Kreativer Innovator« (23 Prozent, n = 132). Es wurde bewusst, dass die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens nicht nur mit Leitlinien, sondern vor allem mit der Motivation und Energie engagierter Mitarbeiter gestaltet wird. Der Schlüssel dazu: das Wissen um die Arbeitspräferenzen als Antriebsfeld für die intrinsische Motivation.

Empirische Teamerfolgsforschung

Die Crews von Qantas, die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von HP, australische Regierungsbehörden, die Hong Kong Bank und BP Exploration waren die ersten Unternehmen, bei denen Margerison und McCann ihre empirische Teamerfolgsforschung durchführten. Immer wieder waren sie überrascht, wie vielfältig und divergierend die Aussagen zu den Erfolgsfaktoren waren. Und alle Teams schienen fest davon überzeugt zu sein, dass das von ihnen benannte Erfolgskriterium das wichtigste war. Hier eine repräsentative Zusammenfassung der Aussagen in ihrer zunächst zusammenhanglos anmutenden Form:

Warum ist Ihr Team erfolgreich?

Wir konzipieren innovative Ideen marktgerecht.

Wir verkaufen Produkte und Dienstleistungen erfolgreich.

Wir entwickeln Planungen und Konzepte schlüssig.

Unser Team ist in der Lage, konsequent hohe Leistungen zu erbringen.

Wir halten unsere Qualität durch fortwährende Überprüfung auf hohem Niveau.

Unser Team sichert Standards und Werte im Team und Unternehmen.

Kollegen und Kunden werden durch uns gut informiert und beraten.

Unser Team ist in der Lage, sich selbst und andere effektiv zu organisieren.

Eine Logik war zunächst nicht erkennbar, aber in bestimmten Abteilungen kamen bestimmte Nennungen häufiger vor. So benannten zum Beispiel Mitarbeiter von Marketing-Teams »Innovieren« und »Promoten« als wichtigste Faktoren. Teams im Produktionsbereich hielten »Organisieren« und »Umsetzen« für wichtig. Im Bereich der Arbeitssicherheit wurde dem »Überwachen« und dem »Stabilisieren« viel Gewicht beigemessen. Im Sales-Bereich betonte man die Bedeutung von »Promoten« und »Umsetzen«.

Diese Interviews, ihre Diskussion und Auswertung ermöglichten es Margerison und McCann nach und nach, acht Arbeitsfunktionen (Types of Work) zu identifizieren, von denen alle Befragten länder-, unternehmens- und teamübergreifend sagten, dass sie einen wichtigen Beitrag zu effektiver Teamarbeit leisteten. Besondere Aufmerksamkeit wurde auch dem Verbinden der Arbeitsfunktionen in Teams gewidmet. Man fand heraus, dass das »Verbinden« eine besondere Funktion war, die als Bündel von Führungs- und Sozialkompetenzen zu betrachten war.

1.1.2Landkarte 1 – Arbeitsanforderungen für erfolgreiche Teams

Steuerrad

Damit war eine erste Landkarte geschaffen, die die zentral wichtigen Arbeitsanforderungen einfach und universal abbildete, die von erfolgreichen Teams wahrgenommen wurden. Erfolgreiche Führungskräfte sagten, das sei ihr »Steuerrad«, um ihr Boot zielgerichtet in Fahrt zu halten. Effizienz entstehe dann, wenn sie alle Arbeitsfunktionen im Blick behielten. Falls nicht, hätte das Team blinde Flecken und Aussetzer. Für bestimmte Abteilungen und Bereiche gäbe es zwar Schwerpunkt-Funktionen, aber Misserfolg und mangelnde Effizienz wären die Folge, wenn auch nur ein Arbeitsfunktionsbereich vergessen würde.

Bei ihrer Arbeit mit Teams im Bereich der Ölindustrie, in Banken, Regierungsbehörden anderer Länder, in Produktionsfirmen, in der Werbe- und in anderen Branchen wurde die empirische Validität der Arbeitsfunktionen überprüft.

Das Modell der Arbeitsfunktionen wie auch die weiteren Modelle entstanden somit aus einer Vielzahl von Gesprächen und Interviews mit Führungskräften und Teammitgliedern, die zu ihren konkreten Arbeitsprozessen Aussagen machten. Die Autoren hörten genau zu, wie diese Menschen ihre eigene Praxis beschrieben – und spitzten vor allem die Ohren, wenn es um erfolgreiche Teamprozesse ging. Das Ergebnis kann als grundlegendes Modell für erfolgreiche Arbeitsprozesse und gute Teamfunktionalität gesehen werden. Das Modell spiegelt die »Realität« des alltäglichen Arbeitslebens und die Sprache der Arbeit gut wider. Es wird in Kapitel 2.1 näher beschrieben.

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Abb. 1: Das Modell der Arbeitsfunktionen nach Margerison und McCann

1.1.3Landkarte 2 – Arbeitspräferenzen und Teamrollen

MBTI und das Rad der Arbeitsfunktionen

Einige Organisationen, mit denen Margerison und McCann arbeiteten, interessierten sich weiterhin für Verfahren, die messen konnten, wie einzelne Teammitglieder und Führungskräfte Arbeitsprozesse bevorzugt angingen. Die Autoren hielten daher Ausschau nach einem theoretischen Konzept, das dafür von Nutzen sein konnte. Sie stießen dabei auf C. G. Jung und den Myers-Briggs Typenindikator (heute: MBTI Assessment®). Diese Modelle nutzten sie in ihrer frühen Projektarbeit, um herauszufinden, ob sie geeignet waren, die Funktionen auf dem Rad der Arbeitsfunktionen mit den persönlichen Arbeitspräferenzen der Teammitglieder in Beziehung zu setzen. Viele Führungskräfte und Teammitglieder hielten die MBTI-Feedbacks für nützlich, aber die spezielle Verbindung zur Arbeitswelt wurde ihnen bei diesem Instrument nicht deutlich. Zwischen den ermittelten Ergebniszahlen des MBTI und dem Rad der Arbeitsfunktionen war keine Beziehung herstellbar. Forschungen haben inzwischen ergeben, dass Menschen sich bei der Arbeit und in der Freizeit bzw. im Privatbereich oft sehr verschieden verhalten (Kabanoff, 1980 und McCann/Mead, 2003d). Jemand, der kreativ und extrovertiert in der Arbeitswelt auftritt, kann zum Ausgleich zu Hause praktische und »ruhige« Tätigkeiten vorziehen, um die »Batterien aufzuladen«. Wer im Beruf gern strukturiert arbeitet, kann zu Hause eine flexible Organisation des häuslichen Alltags bevorzugen (siehe auch Kapitel 2.5).

Team Management Profil Fragebogen

Margerison und McCann entschieden sich daher, ein neues Instrument zur Messung von Arbeitspräferenzen zu entwickeln, das speziell auf die Welt der Arbeit und die Tätigkeiten im Team Bezug nehmen sollte, die auf dem Rad der Arbeitsfunktionen abgebildet waren. Das war die Basis für die Entwicklung des Team Management Profil Fragebogens (TMPF).

Der TMPF ermöglicht es Führungskräften, Projektleitern und Teammitgliedern oder Mitarbeitern, ihre Arbeitspräferenzen im Bereich der acht Arbeitsfunktionen zu identifizieren. Die Ergebnisse werden im Team Management Profil (TMP) in Grafik- und Textform zurückgemeldet und können in vielfältigen Beratungs- und Trainingskontexten genutzt werden, um die Effektivität und Arbeitszufriedenheit für Einzelne und Teams zu verbessern.

Die grafische Darstellung der drei ausgeprägtesten Arbeitspräferenzen erfolgt auf dem Team Management Rad, auf dem die Arbeitspräferenzen als Teamrollen ausgewiesen werden. Diese werden im Kapitel 2.2 näher beschrieben.

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Abb. 2: Das Team Management Rad nach Margerison und McCann

1.1.4Das Team als Unternehmen im Unternehmen

Peter Senge beschreibt in seinem Buch Die Fünfte Disziplin den notwendigen Quantensprung vom lernenden Mitarbeiter zum lernenden Team. Sein Resümee: »Der Einzelne kann unter Umständen unentwegt lernen, ohne dass das Unternehmen etwas lernt. Aber wenn Teams lernen, werden sie zum Mikrokosmos für das Lernen in der ganzen Organisation. Gewonnene Einsichten werden in die Tat umgesetzt.« Die Mitarbeiter lernen in solchen Teams, sich als Mit-Unternehmer zu begreifen. Gute Unternehmen wissen, wer ihr Kunde ist, welche Leistungen er von ihnen erwartet und wie man ihn von der eigenen Leistungsfähigkeit überzeugt. Wissen Sie das als Mitglied eines Projektteams von Ihrem Kunden?

Kristallisationskerne der Firmenkultur

Teams werden in der Zukunft in der »neuen Arbeitswelt« – so eine zentrale Aussage des Zukunftsforschers Matthias Horx – die »Kristallisationskerne einer neuen Firmenkultur« sein (Horx, 2000). Unausweichlich stehen damit folgende Fragen im Raum:

Wie sieht eine neue, zukunftsfähige Teamkultur aus?

Was müssen Führungskräfte, Unternehmensentwickler und Human-Resources-Verantwortliche tun, damit Teams als Kristallisationskern einer neuen Unternehmenskultur diese auch pro-aktiv erproben, aktiv gestalten und kraftvoll vorantreiben?

Wie werden Teams zu Motoren unternehmenskultureller Wertschöpfung?

Dieses Buch stellt ein praktikables System aus der Arbeitswelt für die Arbeitswelt vor. Exzellente Organisations- und Teamkultur entsteht nicht von allein. Lernen von den besten Teams ist angesagt:

Wie arbeiten erfolgreiche Teams?

Wie sind sie zusammengesetzt?

Wie werden sie geführt?

Wie arbeiten sie mit anderen Teams und Bereichen zusammen?

Die empirische Teamerfolgsforschung von Margerison und McCann liefert zu diesen Fragestellungen nicht nur akademisch interessante Ergebnisse, sondern auch eine Philosophie sowie praktisch und schnell umsetzbare Konzepte, Modelle und Instrumente.

ZUSAMMENFASSUNG

TMS ist die Abkürzung für das »Team Management System von Margerison und McCann«. Das TMS ist ein ganzheitlicher Ansatz für Personal-, Team- und Organisationsentwicklung. Es wurde von den Management-Experten und Teamerfolgsforschern Dr. Charles Margerison (England) und Dr. Dick McCann (Australien) in den 80er-Jahren entwickelt. Sie führten breit angelegte empirische (erfahrungsbezogene) Interviewreihen bei erfolgreichen und erfolglosen Teams in mehreren Ländern und Organisationen durch mit dem Ziel, Erfolgs- und Misserfolgskriterien für effektive Teamarbeit zu entdecken.

Erforscht wurden zwei Bereiche: wie eine effektive Teamfunktionalität aussieht und welche Bedeutung die Arbeitspräferenzen der Teammitglieder für den Erfolg haben. Das TMS ist somit das Ergebnis einer intensiven Teamerfolgsforschung. Es stellt Führungskräften und ihren Organisationen, Bereichen, Abteilungen und Teams empirisch erforschte Modelle, Analyse- und Entwicklungskonzepte sowie valide und reliable Instrumente für persönlichen Erfolg, Team- und Unternehmenserfolg zur Verfügung.

Das TMS ist seit 1985 auf dem Markt, im deutschsprachigen Bereich seit 1989. Das Modell und seine verschiedenen Anwendungsformen wurden und werden seitdem immer weiter entwickelt und durch weitere Modelle ergänzt. Das Team Management System wird heute in mehr als 80 Ländern eingesetzt und ist in vielen Sprachen verfügbar. International sind heute etwa 10 000 Personalentwickler, Trainer und Berater als TMS-Trainer und Berater akkreditiert, im deutschsprachigen Raum über 1000 (Stand 2007).

1.1.5Die Autoren des TMS

Die TMS-Philosophie, die Konzepte, Modelle und Instrumente wurden von Dr. Charles Margerison und Dr. Dick McCann entwickelt.

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Dr. Charles Margerison

Dr. Charles Margerison, *1940, Ph.D. in Educational Psychology, ist Mit-Entwickler und Partner des Team Management Systems. Er war Professor für Management an der University of Queensland in Australien und an der Cranfield School of Management in England. Er ist Autor von 10 Büchern und vielen Fachartikeln. Seine Erfahrungen umfassen die Gründung und Leitung des Verlags MCB University Press und die Tätigkeit als Berater für weltweit arbeitende Unternehmen, für Regierungsbehörden und das Erziehungswesen.

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Dr. Dick McCann

Dr. Dick McCann, *1943, Ph.D. der Ingenieurswissenschaften, ist Mit-Entwickler und Partner des Team Management Systems. Sein wissenschaftlicher Hintergrund sind die Naturwissenschaften, das Finanz- und Organisationswesen. Er arbeitete zu Beginn seiner Karriere fünf Jahre bei BP Chemicals in London und war danach Senior Research Fellow im Forschungsbereich Alternative Energien an der University of Sidney. Er ist Autor mehrerer Bücher und mit Charles Margerison Co-Autor vieler Bücher und Artikel zur Teamarbeit. Als Managing Director des Team Management Systems für die asiatisch-pazifische Region und Mitglied der Geschäftsleitung bei TMS Development International (GB) bereist er die Welt, um Unternehmen in Organisations- und Teamarbeitsfragen zu beraten.

2. TEIL

Modelle und Instrumente des TMS

2.1Das Modell der Arbeitsfunktionen

2.1.1Überblick

Jede Industrie, jeder Sport und jedes Land haben eine eigene Sprache. Die Computer-Industrie spricht in Bytes, RAM, ROM, MIPS und Nanosekunden. Golfer sprechen über Eagles, Bogeys, Birdies und Albatrosse. Und natürlich gibt es tausende verschiedener Sprachen in der ganzen Welt. Um effektiv und effizient mit Menschen zu sprechen, ist es wichtig, ihre Sprache zu verstehen. Ebenso ist es mit Teams. Um effektiv als Team miteinander zu kommunizieren und eine hohe Leistungsfähigkeit zu erreichen, müssen wir die Sprache der Teamarbeit verstehen.

Acht Arbeitsfunktionen

Margerison und McCann begannen ihre Forschungsarbeiten damit, Führungskräfte und Teammitglieder aller Bereiche verschiedener Unternehmen und Branchen in der ganzen Welt zu befragen, warum diese ihr Team eigentlich als »erfolgreich« oder eben »nicht erfolgreich« bezeichnen würden. Aus den zahlreichen Aussagen, die sie erhielten, formulierten sie Erfolgs- und Misserfolgskriterien. Sie fanden heraus, dass sich die für den Erfolg wichtigen Tätigkeiten zu acht Aufgabenbereichen bündeln ließen.

Wenn die in diesen acht Arbeitsfunktionen beschriebenen Tätigkeiten insgesamt von einem Team wahrgenommen werden und das Team seine Potenziale auf die Geschäftsziele effektiv bündeln kann (»Linking«), können sich Spitzen- und Hochleistungsteams entwickeln. Diese Arbeitsfunktionen sind somit alle wichtig für den Erfolg.

Erfolgreiche Teams nehmen neun zentrale Arbeitsfunktionen wahr. Die Schwerpunkte variieren je nach Anforderungsprofil für das Team, aber kein Bereich wird völlig vernachlässigt. Das Modell der Arbeitsfunktionen (Types of Work Model) stellt diese Arbeitsbereiche dar. Das Rad der Arbeitsfunktionen kann als Ordnungsmodell und Checkliste genutzt werden. Wenn auch nur eine Funktion unterrepräsentiert ist oder fehlt, entsteht eine Effizienzlücke. Das Rad »läuft nicht rund«.

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Abb. 3: Das Modell der Arbeitsfunktionen nach Margerison und McCann

Beraten

Informationen beschaffen und weitergeben

Innovieren

Neue Ideen hervorbringen und damit experimentieren

Promoten

Neue Möglichkeiten erkunden und andere davon überzeugen

Entwickeln

Neue Ideen auswählen und entwickeln

Organisieren

Praktikable Arbeitsweisen planen und festlegen

Umsetzen

Produkte und Dienstleistungen erstellen

Überwachen

Systeme und Ergebnisse auf Qualität kontrollieren und prüfen

Stabilisieren

Standards und Werte aufrechterhalten und sichern

Margerison und McCann fanden einen weiteren Faktor heraus, der psychometrisch gesehen allen acht Arbeitsfunktionen gemeinsam war, aber einer gesonderten Klassifizierung würdig schien, weil er eher einen Prozess als eine Aufgabe beschrieb. Sie nannten diesen Faktor Verbinden (Linking), weil er Tätigkeiten beschrieb, die dafür verantwortlich waren, die Arbeit des Teams zu koordinieren und zu integrieren. Das Linking wurde in die Mitte des Rades verlegt, um deutlich zu machen, dass es mit allen acht Arbeitsfunktionen in Beziehung steht.

Linking

Das Verbinden ist Dreh- und Angelpunkt des Rades. Hier ist die systemische »Führungszentrale« eines Teams. Die Führungskraft, der Projekt- oder Teamleiter achten aus einer »Meta-Perspektive« darauf, dass alle Bereiche wahrgenommen werden – alle Aufgabenbereiche müssen gut miteinander verbunden und vernetzt werden. In reifen Teams übernimmt jeder Mitverantwortung für das »Linking«.

Die Teamerfolgsforschung hat gezeigt, dass gegenüberliegende Faktoren geringe Korrelations-Koeffizienten aufweisen, während nebeneinander liegende Faktoren mittlere bis hohe Interkorrelationen zeigen, was die im Rad enthaltene Entwicklungslogik von Arbeitsprozessen bestätigt. Diese Faktoren sind wesentliche Arbeitsfunktionen oder Schlüsselaufgaben, die Teammitglieder erledigen müssen.

Das Modell der Arbeitsfunktionen ist grundlegend, damit eine hohe Arbeitsleistung entsteht und gehalten wird. Es bietet eine gemeinsame Sprache an, mit der sich alle verständigen können.

Wenn in einem Team von »Beraten« gesprochen wird, ist damit allen klar, dass es nur darum geht, Informationen zusammenzutragen, nicht etwa bereits eine Auswahl unter geeigneten Ideen zu treffen (nach dem Modell der Arbeitsfunktionen wäre dies erst beim »Entwickeln« erforderlich). Viele erfolgreiche Projekte folgen dem natürlichen Verlauf des Modells im Uhrzeigersinn vom Beraten zum Stabilisieren.

2.1.2Die acht Arbeitsfunktionen in der Praxis

Beraten

Die schnelle Verfügbarkeit relevanter Information ist eine wichtige Basis für den Erfolg einer jeden Organisation. Fehlen wichtige Informationen zur anstehenden Arbeit, sind falsche Entscheidungen zu erwarten. Beraten heißt in diesem Modell und Kontext, Informationen einzuholen und weiterzugeben. Menschen, die sich in diesem Arbeitsbereich engagieren, erhalten Daten aus schriftlichen Berichten oder im Kontakt mit anderen und stellen sie zusammen, so dass sie für Entscheidungsfindungsprozesse genutzt werden können. Beraten heißt auch sicherzustellen, dass alle Kolleginnen und Kollegen über die für sie erforderlichen Informationen verfügen, um die bestmöglichen Entscheidungen treffen zu können.

Es gibt Menschen, die dieser Arbeitsfunktion viel Zeit widmen, um professionell arbeiten zu können oder andere professionell zu beraten, zum Beispiel Forscher, Rechtsanwälte, Ärzte, Informationsmanager, Buchhändler oder Mitarbeiter im Stab. Sie sammeln Daten, um sie an andere weiterzugeben, damit diese handeln können.

Informationsquellen nutzen

Je nach Aufgabe sind dafür geeignete Informationsquellen vom Team zu erkunden und zu nutzen: interne Datenbanken, Projekthandbücher, Erfahrungen von Experten in oder außerhalb der Organisation, Fortbildungsseminare, Konferenzen, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, das Intranet oder das weltweite Web. Alle können wichtige Informationen liefern. Dabei kann es darum gehen, Trends zu erkennen, Kennzahlen oder Daten für die Kosten-Nutzen-Berechnung zu liefern oder die Marktchancen für Produkte und Neuentwicklungen einschätzen zu können.

In einem professionellen Projektmanagement wird der Projektverantwortliche oder Projektleiter alle Informationen einholen, indem er die wichtigen und richtigen Fragen stellt. Und das Team gut informieren und fortlaufend informiert halten, zum Beispiel zu den Themen: Was sind die Ziele? Wer sind die Beteiligten? Was genau braucht der Kunde? Wie sind die Meilensteine terminiert? Was ist der Endtermin? Welche Kosten sind einzuhalten? Welche Ressourcen stehen zur Verfügung? In welcher Qualität soll geliefert werden?

Viele Projektteams erliegen der Versuchung, sich gleich ans Organisieren und Umsetzen zu begeben, bevor sie alle wichtigen Informationen eingeholt haben: Das bereichsübergreifende Projektteam eines deutschen Maschinenbauunternehmens plante vor einigen Jahren die unternehmensweite Einführung einer SAP/R3-Software und wurde von einer damit beauftragten Unternehmensberatung dabei begleitet. Das Projekt wurde von dieser minutiös geplant – Dauer und Kosten wurden von den externen Experten festgelegt. Im Kick-off-Meeting, bei dem sich die internen und externen Teammitglieder zum ersten Mal trafen, stellte ein junger Mitarbeiter des Unternehmens die Frage, ob die Projektverantwortlichen die ihm bekannten konzerninternen SAP/R3-Einführungserfahrungen mit eingebaut haben. Verlegenes Schweigen der externen Berater! Ein Telefonat in der Pause ergab, dass der Konzern über eine Gruppe von 120 SAP/R3-Beratern in Amerika verfügte, deren Know-how für das aktuelle Projekt zur Verfügung gestellt werden konnte. Diese Nachfrage bewirkte, dass das vorhandene Know-how in das laufende Projekt integriert wurde. Das Projekt wurde neu geplant und der Einsatz externer Berater reduziert, so dass das Projekt bei geringerem zeitlichem und finanziellem Aufwand abgeschlossen werden konnte.

Moderne Medien wie E-Mail, Instant Messaging, Internet-gestützte Team-Websites und Videokonferenzen erleichtern den schnellen und weltweiten Informationsfluss und werden zunehmend von virtuellen Teams genutzt.

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Innovieren

Beim Innovieren geht es um das Generieren neuer, kreativer Ideen – oft um das Ausdenken neuer Lösungswege für altbekannte Probleme. Bestehende Verfahren, Produkte und Prozesse werden in Frage gestellt.

Technologien und Verfahren veralten derart schnell, dass die Art und Weise, wie man etwas heute tut, schon morgen nicht mehr die beste sein könnte. Entsprechen die Verfahren nicht dem aktuellen Stand und werden nicht weiterentwickelt, so kann sich dies nachteilig auf die Kostenstrukturen auswirken. Oder die Leistungen liegen hinter denen eines Wettbewerbers zurück. Innovieren ist daher von größter Wichtigkeit für jedes Team. Es gibt immer einen Weg, etwas besser zu machen, wenn man sich nur die Zeit nimmt, neue Wege zu entdecken.

Veränderung von Industrien

Es können sich sogar ganze Industrien radikal verändern, so dass ein Geschäftsmodell plötzlich gar nicht mehr funktioniert. Schmerzlich musste dies die deutsche Traditionsmarke Agfa feststellen. Innerhalb weniger Jahre hat sich die Art und Weise, wie wir Fotos machen, radikal verändert. Digitale Kameras haben die alte analoge Technik der Kleinbildfotografie verdrängt. Die Feinmechanik der Kameras wich elektronischen Bauteilen, Filmmaterial weicht innerhalb weniger Jahre leistungsstarken CCD-Sensoren. Im Jahr 2006 gab es erstmals auf der Messe Photokina keine Innovationen mehr im Bereich analoger Kleinbildkameras. Die Traditionsmarke AgfaPhoto gehört zu den Unternehmen, die nicht ausreichend innovierten. Trotz einer starken Markenposition im Bereich Film und Foto konnte der Markt für digitale Fotografie nicht mit innovativen Produkten erschlossen werden. Im Jahr 2006 musste AgfaPhoto Insolvenz anmelden.

3M (Motto: »Jeden Tag eine neue Idee«!) und Hewlett Packard (Motto: »Invent!«) haben einen legendären Ruf als innovative Unternehmen. Innovation braucht Freiräume, die den Mitarbeitern und ihren Teams einzuräumen sind. Stuart Crainer beschreibt in seinem Buch Die 75 besten Managemententscheidungen aller Zeiten die bahnbrechende 3M-Management-Entscheidung, all seinen Forschern zu erlauben, 15 Prozent ihrer Arbeitszeit eigenen Projekten zu widmen. Damit erhielten die Mitarbeiter Zeit und Freiheit für Kreativität – das Post-it ist ein Ergebnis unter vielen. Ähnliche innovative Freiräume gibt der Marktführer der Internet-Suchmaschinen Google seinen Mitarbeitern – mit dem Ergebnis immer neuer innovativer Dienste wie Google Earth.

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Promoten

Um andere Menschen für innovative Ideen zu gewinnen, um Produkte und Dienstleistungen »an den Mann« zu bringen, ist »Promoten« wichtig. Nur diejenigen, die es verstehen, ihre Ideen mit guten Argumenten und der notwendigen Überzeugungskraft vorzutragen, erhalten auch die erforderlichen Ressourcen, um ihre Ideen zu realisieren. Promoten ist daher sowohl innerhalb einer Organisation wichtig als auch gegenüber externen Kunden.

Promoten geschieht durch Kontaktaufnahme mit möglichen Interessenten und wichtigen Personen: Es gilt, diese anzusprechen, die Möglichkeiten des Produkts zu erklären, dieses zu präsentieren, für die vielfältigen Anwendungen zu interessieren oder gar zu begeistern. Viele Marktchancen gehen verloren, einfach weil sie anderen gar nicht oder schlecht »verkauft« werden – in der falschen Annahme, dass sich die Innovation von allein durchsetzt. Victor Hugo soll gesagt haben, dass jede Idee, deren Zeit gekommen ist, sich durchsetzen wird. Die Praxis widerspricht dem. Innovationen wollen intern, extern und informell promotet werden. Ein Marketingfachmann forderte einmal: Sie müssen »Ihre Lampe heraushängen«, damit man sie sieht.

Promoten ist wichtig, jedoch nicht jedermanns Sache im Team, da es das aktive Auf-andere-Zugehen erfordert. Das ist oft eine Schwäche in der Arbeit von Teams. Viele Vorstände haben uns ihre Enttäuschung darüber mitgeteilt, dass einige Teams unfähig seien, wirklich gute Ideen überzeugend zu präsentieren und sie verkaufsfördernd und gewinnbringend zu »promoten«.

Internes Promoten

Innovationen müssen oft zunächst intern promotet werden: im eigenen Team, beim eigenen Management, bei anderen internen Beteiligten, Multiplikatoren und Entscheidern (»Stakeholders«). Ein Projektteam, das für die Laufzeit des Projekts Mitarbeiter und Ressourcen braucht, muss seine Fortschritte bei den oft für mehrere Projekte zuständigen Verantwortlichen sichtbar machen, indem es seine Arbeit in Form von regelmäßigen Präsentationen promotet – andernfalls könnte es in Vergessenheit geraten und gegenüber anderen laufenden Projekten »hinten runterfallen«.

Einer IT-Abteilung einer Regierungsbehörde wurde mitgeteilt, dass ihr Budget für das folgende Jahr um 25 Prozent reduziert werden würde. Der Abteilungsleiter war enttäuscht, da dies zum einen bedeutete, dass er einen Mitarbeiter entlassen müsste, darüber hinaus eine von seiner Abteilung entwickelte Software erst ein Jahr später fertig gestellt würde. Er entschloss sich daraufhin, eine Präsentation zu erstellen, die die Pläne seiner Abteilung für das kommende Jahr erläuterte.

Daraufhin lud der Manager seine Vorgesetzten zu einer Informationssitzung ein und führte die neue Software – soweit sie schon fertig war – vor. Dadurch erhielten die Vorgesetzten einen ersten Eindruck von den Möglichkeiten, die sich eröffnen würden. Sie waren positiv überrascht und stoppten nicht nur die Kürzungen des Budgets, sondern erhöhten dieses sogar. Der Vorsitzende zum Abteilungsleiter: »Wir hatten keine Ahnung, was Ihre Abteilung macht, bevor wir Ihre Präsentation gesehen hatten«.

Die IT-Abteilung entschied, ein größeres Augenmerk darauf zu legen, dass jeder im Unternehmen regelmäßig erfahren sollte, welchen Wert die Abteilung erbringt. Sie führten einen kurzen monatlichen Newsletter und regelmäßige Informationsveranstaltungen für alle Mitarbeiter ein.

Externes Promoten

In der Regel denkt jeder beim Begriff Promoten an das »externe Promoten«, die Werbung mit den verschiedensten Medien – adressiert an Stammkunden und neu zu gewinnende Kunden, z.B. durch Kundenbesuche, Anrufe, Mailings, Produktbroschüren, Websites, Plakataktionen, Tage der offenen Tür, Rundfunk- und Fernsehwerbung. Die Wirkung dieser kostenintensiven Promotion-Aktionen ist imagebildend und kann die Marktpräsenz sichtbar machen und verankern.

Auch informelles Promoten ist effektiv. Wie viele Kaufentscheidungen fallen, weil Kunden über ein neues Produkt nebenbei im Freundeskreis berichten. Gleiches gilt für Teams im Unternehmen, die informell über Leistungen, Erfolge und auch Fehlschläge gegenüber Kollegen und Vorgesetzten erzählen und damit die Sichtbarkeit im Unternehmen erhöhen sowie Entscheidungen vorbereiten können.

Interne und externe Kunden überprüfen das Promoten im Hinblick auf Glaubwürdigkeit. Wenn mir eine TK-Anlage von einer Telekommunikationsfirma angepriesen und verkauft, jedoch verschwiegen wird, dass ich einige Monate auf den Anschluss warten muss, dann werde ich im Kreis meiner Bekannten und Kollegen eher negativ berichten und damit das Unternehmen und seine Produkte negativ promoten. Hier wird deutlich, dass auch das Promoten in die anderen Arbeitsfunktionen zu integrieren ist. Wenn ich mich als Kunde eines Unternehmens oder Teams »destabilisiert« fühle, weil der Service nicht das leistet, was das Promoten versprach, fehlt z.B. das Linking zwischen Promoten und Stabilisieren. Viele Unternehmen und Teams haben gerade an dieser Schnittstelle größere Defizite.

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