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Nr. 2805

 

Para-Patrouille

 

Auf der geheimnisvollen Welt Zeedun – eine Hüterin der Zeiten bewährt sich

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

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Auf der Erde schreibt man den Herbst 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Menschen haben Teile der Milchstraße besiedelt, Tausende von Welten zählen sich zur Liga Freier Terraner. Man treibt Handel mit anderen Völkern der Milchstraße, es herrscht weitestgehend Frieden zwischen den Sternen.

Doch wirklich frei sind die Menschen nicht. Sie stehen unter der Herrschaft des Atopischen Tribunals. Die sogenannten Atopischen Richter behaupten, nur sie und ihre militärische Macht könnten den Frieden in der Milchstraße sichern.

Wollen Perry Rhodan und seine Gefährten gegen diese Macht vorgehen, müssen sie herausfinden, woher die Richter überhaupt kommen. Ihr Ursprung liegt in den Jenzeitigen Landen, in einer Region des Universums, über die bislang niemand etwas weiß.

Auf dem Weg dorthin kommt es zu einem Unfall, der Perry Rhodan in die Vergangenheit der Milchstraße verschlägt, mehr als 20 Millionen Jahre vor seiner Geburt. Dort formiert sich im heimatlichen Solsystem die PARA-PATROUILLE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner begleitet eine Keroutin.

Gucky – Der Ilt geht an die Grenzen seiner Kräfte.

Poxvorr Karrok – Der Tiuphore agiert im Feindesland.

Poungari – Die Keroutin wird zu einer Hüterin der Zeit.

Farye Sepheroa – Perry Rhodans Enkelin spürt Hass.

Gholdorodyn – Der Kelosker bastelt an seinem Kran.

1.

Das Epos des Kampfes, im Detail

 

Poxvorr Karrok setzte hart auf dem Boden auf, die Brünne fing die Wucht des Sturzes auf. Er feuerte. Er nutzte alle seine Waffensysteme, um die Verwirrung ringsum so groß wie möglich zu halten.

Die Laren waren überfordert, wie auch diese seltsamen und schwerfälligen Wesen, die sich selbst Kerouten nannten.

Das Conmentum erklärte im Zwiegespräch, welche die gefährlichsten Gegner waren, und sofort reagierte Poxvorr. In der Nähe des zentralen Gebäudes auf dem Platz, den sie für ihren Angriff ausgewählt hatten, standen etwa fünfzehn Laren beisammen, die sich bemühten, die Verteidigung zu organisieren. Er feuerte mit seinem Strahler auf sie, mit hoher Breitenwirkung, und testete erst einmal die Schutzvorrichtungen der Feinde.

Die Laren wurden durch Energieschirme geschützt, die sie und Teile des Gebäudes umfassten. Ein Punktbeschuss auf einzelne Laren zeitigte keinen Erfolg. Also musste er sie aus ihrem sicheren Winkel locken, sie in den offenen Kampf zwingen.

Er schoss auf eine Larin, die eben durch den kleinen Spielplatz im Zentrum der Stadt lief, und sie verging in einer Lohe. Es war ein Abschuss, der nicht zu seinen ruhmreichsten zählte, weil sie sich nicht wehrte. Aber: Sie hätte sich wehren können, wie die Waffe an ihrem Gürtel verraten hatte.

Die kreischenden Kinder, die auf einer Wasserrutsche standen oder saßen, ließ er in Ruhe. Sollten sie ruhig davonlaufen. Ihr Tod wäre dissonant gewesen und eines Tiuphorenkriegers nicht würdig.

Er ging über den Platz, kümmerte sich nicht um die Laren hinter ihm. Sie würden kommen, irgendwann.

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf ein Pärchen der Dunkelhäutigen, die beide mit Nadlern bewaffnet waren und unter einem Baum mit weit ausladenden Ästen standen. Sie wirkten stocksteif und starrten ihn an. Der Mann war ganz gewiss kein Krieger, wie dessen Körperhaltung verriet. In der larischen Gesellschaft wie in vielen anderen dieses lächerlichen Kodex von Phariske-Erigon nahm nur ein verschwindend geringer Teil der Bevölkerung an Auseinandersetzungen teil.

Die beiden verbargen sich hinter einem der haarigen Kerouten, der sich breitbeinig vor Poxvorr stellte und die beiden Krallenhände bedrohlich ausstreckte. Nein – mit einem dieser Kretauren würde er sich nicht auf eine physische Auseinandersetzung einlassen. Nicht in diesen Momenten!

Dieser Kampftanz musste ein rasches Ende finden, wollten die Tiuphoren ihr selbst gestecktes Ziel erreichen. An einem anderen Ort, zu einer anderen Gelegenheit wäre Poxvorr nur allzu gerne bereit gewesen, im Schutz der Brünne mit dem Kerouten zu ringen. Doch dies war nicht die Stunde persönlicher Ausweitung seiner Fähigkeiten, sondern es kam auf Effizienz und das Ziel ihres Einsatzes an.

Er schoss dem Kerouten ins linke Hinterbein, sodass er wegknickte und keine akute Gefahr mehr darstellte. Die beiden Laren dahinter, nun wieder ihres Schutzes beraubt, hoben abwehrend die Hände. Als könnten sie damit die Energien abwehren, die seine Waffe entfesselte.

Er tötete erst den Mann, dann die Frau und achtete darauf, dass die Laren jenseits des Schutzschirms sein langsames, methodisches Vorgehen genau sehen konnten. Diese beiden waren nur Köder, deren Tod er so aufbereitete, dass er damit der Psyche seiner Gegner einen Knacks versetzte.

Es funktionierte selbstverständlich.

Der Schutzschirm rings um die befehlsgebenden Laren öffnete sich, einige der Schwarzhäutigen brachen voll Wut daraus hervor. Sie stürmten auf Poxvorr zu, während einige andere sie vergebens zurückzuhalten versuchten.

»Dumm seid ihr!«, sagte Poxvorr, und nochmals: »Dumm!« Über Funk rief er nach Unterstützung. Nicht, dass er Hilfe benötigt hätte. Doch er wollte Kampfgefährten um sich haben, die bezeugten, dass er die Anführer der Laren gefangen genommen hatte.

»Tnoxa?«, rief er den Einsatzleiter, während die heranstürmenden Wesen das Feuer auf ihn eröffneten und das Kriegsornat die ersten Treffer wegstecken musste.

Nichts. Der Gleichaltrige antwortete nicht, obwohl sein Funkgerät auf Empfang geschaltet war.

Poxvorr fluchte. Er dirigierte zwei Leute einer nahen Vierergruppe zu sich, die eben mit der Jagd auf weitere Laren beschäftigt gewesen waren. Sie gehorchten seiner Anweisung und nahmen die heraneilende Larengruppe unter Beschuss.

Die Laren hatten zwar Kampferfahrung, trugen aber bloß mangelhafte Ausrüstung am Leib. Die schwachen Schutzschirme, deren Aggregate in Rückentornistern steckten, vermochten kaum, das Feuer eines einzelnen Tiuphoren abzuwehren.

Poxvorr verständigte sich mit den beiden Kampffreunden, gemeinsam eliminierten sie drei der Laren. Die anderen isolierten sie. Eine Larin interessierte ihn ganz besonders. Sie wirkte aufgeregt und nicht sonderlich gut ausgebildet, obwohl es den Anschein hatte, als gäbe sie in dieser Stadt die Anweisungen.

Ringsum ließ der Beschuss nach, nur noch wenige flüchtende, laut schreiende Laren waren zu sehen. Poxvorrs Einsatztrupp hatte den Platz geräumt und sein Zeitfenster nicht einmal zur Hälfte ausgenützt. Sehr gut.

Einige Laren zogen sich ins zentrale Gebäude zurück. Zweifelsohne würde bald Unterstützung anrücken. Poxvorr verschwendete keine Gedanken daran. Er hatte, was er brauchte.

»Tnoxa? Tnoxa Yaff?«

Wieder kam keine Antwort. Das Conmentum riet ihm, ein weiteres Mal zu rufen und zugleich mit jenem Kämpfer namens Shawarcc Rücksprache zu halten, der im eroberten Rayonenschiff etwa fünfzig Kilometer über ihnen das Kommando führte.

Das Kommunikationssignal Tnoxa Yaffs erlosch. Dessen Brünne war demnach zerstört worden. Und damit galt der Einsatzleiter als tot.

Einer der Kampfgefährten brachte die gefangen genommenen Laren näher heran. Er stieß sie vor sich her, schleuderte sie vor Poxvorr zu Boden. Das Kriegsbukett der anderen Tiuphoren war gut zu riechen. Sie alle dampften vor Lust und Gier, auch wenn dieser Einsatz nur einen überschaubaren Reiz hatte. Einzig das Risiko, inmitten eines vom Feind besetzten Gebietes aktiv zu werden, bescherte Poxvorr den einen oder anderen Moment der Freude.

»Die da nennt sich Rovshin-Aam«, sagte ein Kampfgefährte und deutete auf jene Frau, die er für die Anführerin der Laren gehalten hatte. »Sie nennt sich Bürgermeisterin dieser Stadt. Sie wird uns Auskunft geben.«

Oh ja, das würde sie. Diese Frau war schwach. Verwirrt. Unfähig, die Konsequenzen dessen zu begreifen, was eben geschah. Er durfte sie bloß nicht zum Nachdenken kommen lassen. Musste sie unter stetig steigenden Druck setzen.

»Ich habe eine einzige Frage, Frau: Wer und was sind die Hüter der Zeiten?«

Sie starrte ihn an, verständnislos. Dann gab sie Töne von sich, die hysterisch klangen und die ihren Körper in krampfartige Zustände versetzte.

Poxvorr schlug zu. Sachte und sorgfältig. Er wollte ihr Schmerz zufügen. So, dass sie wusste, in wessen Gewalt sie sich befand und dass ihre Lage nahezu aussichtslos war. So, dass sie nur einen einzigen Ausweg sehen würde: ihm die Wahrheit zu sagen.

Rovshin-Aam spuckte Blut, schüttelte ihren Kopf.

»Die Hüter der Zeiten«, wiederholte Poxvorr seine Frage, »wer und was sind sie?«

Ein Kampfgefährte zog die hochgetürmten Haare der Larin weit nach hinten. Ihre Kehle lag frei, Poxvorr ritzte sie leicht mit der Klinge seines Messers. Er presste seinen Kopf nahe an den ihren. Sie würde seine Kampfwut, seine Begierde, seine Freude an diesem Spiel fühlen. »Sag es mir endlich!«, brüllte er.

Rovshin-Aam zuckte zusammen, und mit der unwillkürlichen Bewegung drang das Messer tiefer in ihren Hals. Sie gab ein gurgelndes Geräusch von sich.

Dieser Blick in ihren Augen ... Sie war bereit, alles zu tun, was er von ihr verlangte.

»Die Hüter der Zeiten, Frau! Was ist ihr Geheimnis?«

»Sie ... sind die Ureinwohner dieses Planeten.« Sie deutete auf den schwer verletzten Kerouten, der sich bemühte, die Blutung an seinem Bein zu stillen. »Aber nur die wenigsten von ihnen ... tragen die Begabung in sich.«

Log sie, wollte sie Zeit gewinnen? Oder war an ihrer Behauptung etwas dran?

»Kümmert euch um sie!«, befahl er den beiden Kampfgefährten. »Ich will Sicherheit haben, dass sie die Wahrheit sagt.«

Die beiden machten eine Handbewegung, als Zeichen ihrer Ehrerbietung.

Seltsam. Er bekam Respekt von seinen Kameraden. So, als hätte es bloß der Inhörigkeit bedurft, um sich über sie allesamt zu schwingen und Befehlsgewalt auszuüben.

»Wir haben Tnoxa Yaff gefunden«, sagte ein Mitglied des Trupps über Funk. »Er hat dieses Leben hinter sich gelassen und ist ins Catiuphat gereist.«

Das war bedauerlich. Trotz seiner Jugend hatte Tnoxa die Kampfgefährten sicher und mit viel Übersicht angeführt. Es würde schwer sein, einen adäquaten Einsatzleiter zu bestimmen.

»Wie ist er umgekommen?«, hakte Poxvorr nach.

»Er wurde erschossen. Zerstrahlt, als er einigen der Eingeborenen nachstellte.«

»Ehrenhaft im Kampf also. Wir werden dies vermerken und niemals vergessen.« Er blickte auf das Chronometer. Sie hatten ihren Handlungsspielraum beinahe völlig ausgereizt. Bald mussten sie sich vom Boden Kerouts lösen und hoch zum eroberten Rayonenschiff schweben, wollten sie eine Chance zum Entkommen haben.

Etwas knackste, Poxvorr drehte sich um.

»Die Frau hat nichts mehr gesagt«, sagte einer der beiden Tiuphoren, die sich um die Bürgermeisterin gekümmert hatten. Ihr Leib zuckte, sie lag seltsam verkrümmt da. »Sie sagte die Wahrheit. Das bezeuge ich als Überreder.«

Poxvorr nickte ihm zu und nahm wieder den verletzten Ureingeborenen in Augenschein. »Es ist absurd! Diese primitiven und haarigen Geschöpfe sollen die Hüter der Zeiten sein und uns mehr Probleme bereiten als der gesamte Kodex?«

Der Keroute schwieg, fühlte sich wohl nicht angesprochen. Er kämpfte nach wie vor mit der Blutung an seinem Bein.

»Also schön. Dieses Wissen muss unbedingt an den Tomcca-Caradocc weitergeleitet werden. Ihr kehrt zurück an Bord des eroberten Schiffs und benachrichtigt Shawarcc. Er soll die Informationen per Funk an die TOIPOTAI schicken. Dann sucht ihr das Weite. Die Rayonen und die anderen Verteidiger des Mitraiasystems werden euch verfolgen. Ihr werdet alles aufbieten müssen, um ihnen zu entkommen.«

»Und du, Poxvorr?«

»Ich bleibe mit einigen Freiwilligen auf Kerout. Vielleicht bietet sich eine Möglichkeit, nach Zeedun zu gelangen und einen Brückenkopf für den Tomcca-Caradocc zu installieren. Ich bin mir sicher, dass er diese Welt angreifen wird, sobald er weiß, was es mit den Hütern der Zeiten auf sich hat.«

»Du bist der neue Einsatzleiter, Poxvorr. Du befiehlst.«

War er das denn wirklich? Tnoxa Yaff hatte ihn zu seinem Stellvertreter bestimmt, nachdem sie das Schiff der Motomuni erobert hatten, und er hatte ihm nach dem Wechsel in den Raumer der Rayonen diesen Platz bestätigt. Und nun, da der Kampfgefährte gestorben war, sollte er tatsächlich Tnoxa Yaffs Platz ausfüllen? Er, der er kaum Erfahrung hatte, weil er so spät zum wahren Brünnenträger geworden war?

»Ja, das tue ich. Es wird so ablaufen, wie ich es befehle. Setzt die übrig gebliebenen Indoktrinatoren ein, wenn ihr angegriffen werdet. Gebt alles! Bindet die Kräfte der Rayonen! Und sorgt dafür, dass dieser Funkspruch sein Ziel erreicht!«

Poxvorr schaltete den Allgemeinfunk des Kriegsornats zu. »Acht Freiwillige!«

Er erhielt rasch mehr als zwei Dutzend Meldungen. Allesamt gute und einsatzerfahrene Männer. Er überließ es der Brünne, die besten acht auszuwählen. Alle anderen Tiuphoren entließ er. Sie würden rasch an Bord des eroberten Rayonenschiffes zurückkehren.

Poxvorr beobachtete die Starts ihrer Brünnen. Sie erfolgten mit der üblichen Präzision. Über mehrere Quadratkilometer verteilt, schossen Tiuphoren in den Äther, von ihm gelenkt, von ihm mit Anweisungen versorgt, nachdem sie Laren und die eingeborenen Kerouten erbarmungslos verfolgt und getötet hatten.

Sie gehorchten ihm allein. Dieses Gefühl der Macht war berauschend. Poxvorr hoffte, dass er bald mehr davon genießen durfte.

Seine acht Begleiter sammelten sich rings um ihn. Er sah vernarbte, einsatzbereite Kämpfer, die zu allem bereit waren. »Wir ziehen uns vorerst aus der Stadt zurück!«, sagte er. »Aber wir bleiben in der Nähe, warten ab und beobachten, wie die Feinde weiter vorgehen. Ich bin mir sicher, dass wir bald wieder in die Schlacht ziehen dürfen. Dieser Tanz ist längst nicht zu Ende.«

Sie stimmten gemeinsam ein kurzes Kriegsgedicht an, das an die Verheißungen des Catiuphats erinnerte. An das Jenseitige, das sie erwartete, sollten sie dieses Abenteuer nicht überleben.

Sie setzten sich in Bewegung. Diese Welt bot viele Möglichkeiten, viele Verstecke. Ausgestreute Spionsonden und Indoktrinatoren, die sie zurückließen, würden sie über das weitere Vorgehen der Laren informieren.

Poxvorr winkte seinen Leuten, ihm zu folgen, hin zum Fluss. Sie folgten bereitwillig, niemand machte ihm seinen Rang als neuer Einsatzleiter streitig.

Es war ein erhebendes Gefühl, das nur von der Freude über den eben siegreich beendeten Kampf übertroffen wurde.

2.

Totengeleit

 

Perry Rhodan konnte nicht anders: Die Tiuphoren waren für ihn Killer. Immer wieder in seiner Biografie war er ähnlichen Wesen wie ihnen begegnet, aber selten hatten sie eine derartige Abscheu in ihm hervorgerufen. Vielleicht war es diese Vermischung aus spirituellen, blutrünstigen, kunstsinnigen und brutalen Ansichten und Verhaltensweisen, die ihm das Kriegervolk so unsympathisch machte.

Es erwies sich auch bei dem überraschenden Angriff auf die Bewohner der Erde dieses Zeitalters: Die Tiuphoren gebärdeten sich einerseits wie die Wilden – und andererseits wohnten ihrem Angriff eine beinahe tänzerische Anmut und eine erschreckende Zielgerichtetheit inne. Sie nutzten Angst und Schrecken, die sie verbreiteten, um einzelne Larengruppen voneinander zu trennen und sich nacheinander vorzunehmen, gestaffelt nach Gefährlichkeit und Kampfbereitschaft.

Die Tiuphoren agierten dabei vorwiegend als Einzelkämpfer und rotteten sich nur dann zusammen, wenn und solange wie einer von ihnen in die Defensive geriet. Kaum war die Gefahr beseitigt, trennten sie sich wieder voneinander, um neuerlich allein loszuziehen.

Egal, was Rhodan unternahm – er würde die hoffnungslos überforderten Laren nicht retten können. Sie waren zu schlecht organisiert. Er musste sich darauf konzentrieren, einzelne Bewohner der Stadt zu beschützen.

Die Bürgermeisterin vielleicht? – Nein. Sie befand sich hinter einem Schutzschirm in Sicherheit.

Also Oupeg und Poungari. Der ältere Keroute hatte seine Tochter gepackt und eilte auf allen vieren davon, mit einer Geschwindigkeit, die Rhodan ihm niemals zugetraut hätte. Wenn Rhodan keine Zeit verlor, konnte er sie vielleicht mittels seiner Traktorstrahlen unterstützen – die fremdartigen, einerseits so friedvollen und andererseits ungemein wehrhaften Bewohner der Erde hatten es in seinen Augen verdient.

Oupeg ging der Konfrontation mit einem der Tiuphoren nicht aus dem Weg, rammte ihn mit dem Kopf, sodass der völlig überraschte Kämpfer zehn oder mehr Meter weit beiseitegeschleudert wurde.

Der Feind rappelte sich rasch wieder hoch. Unversehrt, nur ein wenig betäubt von der Wucht.

Oupeg geriet ins Visier mehrerer Invasoren, die den Vorfall sehr wohl beobachtet hatten. Drei Tiuphoren verfolgten Oupeg und seine Tochter.

»Farye!«

Seine Enkelin wusste augenblicklich, was er von ihr verlangte. Er bemerkte es nicht ohne Stolz. Im Schutz des Deflektorschirms schoss sie auf einen der Fremden, während sich Rhodan den beiden anderen zuwandte und ebenfalls das Feuer eröffnete.

Die Schutzanzüge der Tiuphoren waren nicht leicht zu knacken. Vielleicht mit konzentriertem Punktbeschuss. Doch dafür blieb keine Zeit.

Die Feinde ließen sich ablenken. Gingen in Deckung oder sahen sich nach ihren neuen Gegnern um. Die Deflektoren verbargen Faryes und Rhodans Anwesenheit im normaloptischen Bereich.

Wo war Gholdorodyn geblieben? – Rhodan entdeckte den Kelosker hoch über ihnen, nach wie vor mit dem Kran in Form einer metergroßen Kugel im Schlepptau. Er betrachtete die Auseinandersetzung mit einer Gleichgültigkeit, die Rhodan wütend machte. Doch gegen das Gemüt des Keloskers kam er nicht an. Er würde ihn zu keiner Handlung bewegen können, die er nicht einsah.

Rhodan hatte Oupeg fast eingeholt. Längst lag das Zentrum der Larenstadt Larinvhar hinter ihnen. Sie näherten sich einer Parklandschaft, in die vereinzelt mehrgeschossige Holzgebäude eingestreut worden waren. Etliche brannten, eines brach gerade in Zeitlupentempo in sich zusammen.

Rhodan durfte sich nicht ablenken lassen. Er packte Oupeg mit den Traktorstrahlen und ...

Er ahnte die Gefahr mehr, als er sie wirklich wahrnahm: Ein Tiuphore feuerte auf die beiden Kerouten, Vater und Tochter. Rhodan sah, wie sich Oupeg in die Schusslinie warf, um seine Tochter zu schützen; eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit angesichts der Möglichkeiten einer modernen Strahlwaffe. Doch was wusste er schon über die Fähigkeiten der Kerouten? Über ihre vermeintliche Psi-Begabung. Was, wenn der Ältere die Geschehnisse vorausahnen konnte?

Oupeg opferte sich. Er gab sein Leben für ein anderes.

Als Rhodan die beiden Kerouten endlich fixiert hatte und mithilfe des SERUNS davonschleppte, so weit wie möglich fort vom Ort des Kampfes, bewegte sich der alte Hirte kaum mehr. Er flüsterte der deutlich kleineren Poungari etwas zu – und sackte dann in sich zusammen.

Sie schrie. Es klang erbärmlich, traurig, markerschütternd. Rhodan war sich fast sicher, nie zuvor etwas ähnlich Herzzerreißendes gehört zu haben.

Rhodan flog weiter, über den Fluss hinweg, Richtung Norden. Farye holte irgendwann auf und schoss neben ihm dahin, für eine Minute oder länger. Sein SERUN maß eine erhöhte Stressrate an. Dieser Vorfall nahm seine Enkelin weitaus mehr mit, als sie zu erkennen geben wollte.

Oder steckte mehr dahinter?

Er landete, nachdem er glaubte, mögliche Verfolger abgeschüttelt zu haben. Seine Sensoren erfassten keine Signale, die auf Aktivitäten der Tiuphoren in ihrer Nähe schließen ließen. Die Invasoren kümmerten sich nicht weiter um sie.

Unweit ihres Landeplatzes befand sich ein Schuppen, dahinter breiteten sich Weideflächen für Couphen aus, jene schafsähnlichen Chalicotherien, die für die Kerouten so etwas wie Haus- oder Nutztiere zu sein schienen.

Rhodan schaffte den Schwerverletzten – oder Toten? – mithilfe der Traktorstrahlen in das an drei Seiten geschlossene Gebäude und legte ihn ins Heu. Es stank erbärmlich, in einem nahe gelegenen Pferch hüpften einige Jungtiere hin und her.

Er desaktivierte die Tarnung, zeigte der jungen, völlig reglosen vor sich hin starrenden Frau seine offenen Hände und sagte: »Ich will helfen.«

Für mehr war nicht Zeit, nicht jetzt. Er zog einen Fühler aus dem Multikom-Armband und stach Oupeg damit ins Fell.

Farye achtete auf Poungari und stellte sich an ihre Seite. Der Schock der Kerouten-Frau war groß, ihre Reaktionen nicht vorhersehbar. Seine Enkelin tat gut daran, mit ihr zu reden, sie über ihr Entsetzen hinweg zu leiten und ihr zu erklären, was geschehen war.

Rhodan betrachtete die schreckliche Wunde in Oupegs Rücken. Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, dass dieses Wesen, das noch schwach atmete, keine Überlebenschance hatte. Der Schuss des Tiuphoren hatte einen Großteil seines Leibes und seiner Innereien weggebrannt.

»Ihr habt ... uns beobachtet, nicht wahr?«, brachte Oupeg zu Rhodans Überraschung hervor. »Seitdem wir ... Herde hinter uns gelassen haben.«

»Ja. Aber sei ruhig jetzt und ...«

»... Firmamenteltern werden sich um meine ... Schmerzen kümmern. Keine Sorge.« Oupeg langte nach seiner Rechten. Die Klauen tätschelten Rhodans Hand mit einer ungeahnten Sanftheit. »Bist kein Lare. Aber bist ein Firmamentfahrer. Kommst von weit her.«

»Ja.« Die Vitalwerte des Kerouten erloschen. Es war ein Wunder, dass er noch reden konnte.

»Ich fühle es. Hab's immer gefühlt. Diese ... Besonderheit. Wollte mit Poungari nie darüber reden. Hielt es nicht für wichtig, denn wichtig ist ausschließlich die Heimat, und Kräulchen wollte weg. Die Heimat allein zählt, stimmt's?«

»Ja. Sei ruhig jetzt.« Der SERUN unternahm letzte Anstrengungen, das Leben des Kerouten festzuhalten, ehe es dem Körper endgültig entschlüpfte. Eine Sonde kroch aus dem Multikom, legte sich auf die haarige Brust des Kerouten, rasierte eine Stelle ab und versenkte sich dann in dessen Fleisch, um Adrenalin durch seinen Körper zu jagen. Große Mengen davon. Mehr, als ein Mensch auf einmal zu ertragen vermochte.

»Fühlt sich gut an«, sagte Oupeg nach nur wenigen Sekunden. »Ich fühle mich stark.« Die Kiefer lockerten sich, eine geschwollene, blaue Zunge kam in dem riesigen Mund zum Vorschein. »Aber das ändert nichts, stimmt's?«

»Nein. Es tut mir leid.«

Wie oft hatte er diesen Satz schon gesagt? Wie viele Wesen waren in seinen Armen gestorben, obwohl er zu helfen versucht hatte – oder weil er zu helfen versucht hatte?

»Wie ist es in deiner Heimat, Fremder?« Riesige, blutunterlaufene Augen starrten ihn an. Sie wirkten furchterregend und dennoch sanft.

»Ich heiße Perry Rhodan. Meine Heimat ähnelt deiner eigenen sehr.«

»Wann bist du das letzte Mal barfuß durchs Gras gelaufen, hast Wasser aus dem Fluss getrunken und hast dich von dem ernährt, was die Natur dir schenkt?«