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Nr. 2834

 

Larendämmerung

 

Tiuphoren greifen an – und Perry Rhodan kämpft mit seinem Erzfeind

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

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Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen.

Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang – den Weltenbrand – der gesamten Galaxis.

Perry Rhodan hat es unfreiwillig in die tiefste Vergangenheit der Milchstraße gerissen, wo er Zeuge der Invasion der kriegerischen Tiuphoren und des Untergangs alter galaktischer Hochkulturen wird. Anders als der Terraner, der weiß, dass er an der Vergangenheit nichts ändern darf, plant eine Gruppe Laren aus der Gegenwart eine Veränderung der Zeitlinie, um ihr Stammvolk zu retten. Doch die Tiuphoren sind bereits am Werk. Sie bewirken die LARENDÄMMERUNG ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner muss sich mit Laren und Tiuphoren auseinandersetzen.

Gucky – Der Mausbiber findet Honhooten nervig.

Avestry-Pasik – Der Anführer der Proto-Hetosten durchlebt Wahn und Wirklichkeit.

Hascannar-Baan – Der Lare spricht die Wahrheit, wie er sie sieht.

Maan-Moohemi – Die Ur-Larin kämpft um den Weiterbestand ihres Volkes.

Da ist dieses Knurren, das keiner Übersetzung und keiner Sprache bedarf. Es reicht zu wissen, dass es endlosen Schmerz bedeutet.

Er stürzt in einen namenlosen Abgrund, vorbei an irrlichternden Bildern, hinab in die Eingeweide sonderbarer Geschöpfe, die ihrerseits in sich selbst verknotet sind und Wahnsinn speien.

Dies alles ergibt kaum oder nur wenig Sinn. Es ist eine Symphonie des Grauens, der geistigen Verwesung, des Nicht-Sterbens, durch die er rutscht.

Er weiß, dass er nun aufwachen muss, um dem Irrsinn und dem Wirrsinn zu entkommen. Doch dann fällt ihm ein, dass er gar nicht schläft, dass er gar nicht träumt. Dies alles hier ist Wahrheit.

Die schreckliche und unumstößliche Wahrheit.

 

 

1.

Die Tiuphoren

 

»Das alles ekelt mich an!«, sagte Chuccoy Xunn und spie aus.

Die Stadt war ein widerliches Konglomerat an Hütten, weitläufigen Wohn- und Lebensanlagen sowie vereinzelten Hochhäusern. An Zweckbauten und Freizeitsiedlungen, an gepflegten Parks und urtümlich belassenen Auen.

Am südlichen Horizont erhob sich ein Schwarm laut schimpfender Vögel aus riesigen Nistanlagen. Die Felsen, zwischen denen sie sich versteckt hatten, waren weiß und grau gesprenkelt. Helferroboter verrichteten ihr tägliches Werk. Sie krochen zwischen den Gesteinsbrocken umher und kümmerten sich um die zurückgelassene Brut, während die Eltern nach Nahrung suchten. Die tollpatschig dahinstolpernden Jungvögel ließen es sich gerne gefallen, von Parasiten befreit, gereinigt und auf Verletzungen untersucht zu werden.

Trontocc Ypper kümmerte sich nicht weiter um seinen jungen Gefolgsmann. Er wandte seine Aufmerksamkeit anderen Geschehnissen zu. Mehrere Laren flanierten am Ufer eines Gewässers, das sich keine hundert Meter westlich von ihnen erstreckte und Teil eines Ökoparks war.

Ihre Feinde klopften unter Anleitung eines langsam dahinstaksenden Roboters mit langen Stöcken gegen Bambusrohr. Hässliche Reptilien streckten daraufhin ihre hornhautüberzogenen Köpfe aus dem brackigen Wasser. Sie erzeugten Pfeiftöne in unterschiedlichen Höhen, die schnell zusammenfanden und eine sanft klingende Melodie ergaben.

Chuccoy bewegte sich unruhig neben ihm. »Dieser Geruch nach frischem Holz; nach Lehm, Erde, Wasser, Schlamm, Moder. All diese Natürlichkeit – sie macht mich krank.«

»Du wirst dich daran gewöhnen müssen.« Trontocc Ypper drehte sich im Kreis und suchte – wie so oft während der letzten Minuten – mithilfe des Kriegsornats die Umgebung nach auffälligen Energieströmungen ab. »Der wievielte Planeteneinsatz ist dies für dich?«

»Der sechste.«

»Und du bist immer noch nicht inhörig?«

»Es kommt. Ich fühle ein Ziehen in mir. Eine Sehnsucht nach ... nach ...«

»... etwas, das mit dir zusammenwachsen möchte, nicht wahr? Es ist, als würde dein Innerstes von etwas angezogen.«

»Ja.«

»Wir werden ihn in die Inhörigkeit treiben«, sagte Ccarlc Ohri, Trontoccs Stellvertreter. »Seht euch doch um! Diese widerwärtige Planetenstadt schreit geradewegs danach, nach allen Regeln der Kunst zerstört zu werden.«

Trontocc nickte und tauschte sich rasch mit seiner Brünne aus. Sie bemerkte nichts Auffälliges in unmittelbarer Umgebung. Die Laren wussten nach wie vor nichts von ihrer Anwesenheit. Sie blieben unsichtbar, bewegten sich unterhalb des Wahrnehmungshorizonts dieser schwächlichen Geschöpfe.

Trontocc gab sich dem angenehmen Gefühl der Zufriedenheit hin, das er stets im Einklang mit der Brünne genoss. Der bedauernswerte Chuccoy kannte dieses Gefühl noch nicht. Wenn er es bei diesem Planeteneinsatz nicht erlebte, würde er auf einen bedeutungslosen Posten in einem bedeutungslosen Sterngewerk abgeschoben werden. Dann war sein Leben als Krieger, als Kämpfer, als Eroberer vorbei.

»Nun?«, fragte Chuccoy ungeduldig. »Was ist nun mit dem Beginn des Einsatzes? Ich sehe Dunkelheit über dieser Stadt. Rauchwolken, die sich miteinander vereinen und über Ruinen tanzen, angeheizt von stetig neuen Explosionen.«

»Wir bereiten uns bestmöglich vor«, maßregelte ihn Trontocc. »Es geht nicht um reine Zerstörung, wie du wissen solltest. Die Eroberung einer Welt muss mit Maß und Ziel erfolgen. Die Kunst liegt darin, unbedeutende Faktoren zu eliminieren und das Fußvolk der Verteidiger zu irritieren, um sich allmählich ins Innere der gegnerischen Kommandostrukturen vorzuarbeiten. Es ist, als müsstest du die harte und bittere Schale einer Thagt-Nuss aufbeißen, um an die süßliche Hartfrucht zu gelangen.«

»Bei allem Respekt: Ich kenne diese schönen Reden und Vergleiche zur Genüge. Ich habe sie von allen Einsatzleitern zu hören bekommen, deren Gruppen ich bislang zugeteilt war.«

Er ist ungeduldig und nervös. Das Wissen, dass dieser Einsatz seine letzte Chance ist, die Inhörigkeit zu erlangen, macht ihn zum Unsicherheitsfaktor.

»Betrachte es als notwendige Wiederholung. Und finde dich damit ab, dass dein Wort in dieser Gruppe längst nicht so viel zählt wie das der anderen. Du magst ein talentierter Kriegskünstler sein, aber es fehlt dir neben der Inhörigkeit an notwendiger Reife, um meine und Ccarlcs Anweisungen hinterfragen zu dürfen.«

»Ich höre und verstehe«, sagte Chuccoy, ohne zu zögern. Er deutete ein respektvolles Augenverdrehen an.

Gut so. Der Junge wusste sich also doch zu beherrschen. Natürlich. Andernfalls wäre er ihm nicht bei diesem hochriskanten Kommandounternehmen auf Noular, der Zentralwelt der Laren, zugeteilt worden. Er hatte zweifellos gute Anlagen.

»Ccarlc?«

»Ja, Trontocc?«

»Du weißt, was du zu tun hast. Ich erwarte, dass du meinen Auftrag binnen sechs Planetenstunden erledigst.«

»Ich benötige bloß vier.«

Ccarlc war von jeher ein großspuriger Kerl gewesen. Doch er arbeitete gut und konsequent. Die anderen Mitglieder der Gruppe respektierten ihn, und das war bei einem Verbindungsmann zu Rangunteren stets entscheidend.

»Mach dich auf den Weg! Die Zeit läuft. Informiere mich, sobald du deine Aufgabe erledigt hast.«

»Und du, Trontocc?«

»Ich und Chuccoy sehen uns noch etwas um. Ich möchte mehr über diese Laren herausfinden. Wie sie denken. Ob sie tatsächlich wichtig genug sind, um einige von ihnen in ein Sextadim-Banner zu übernehmen. Bislang hatte ich nicht den Eindruck.«

»Ich verstehe.« Ccarlc verabschiedete sich von ihm mit einer kurzen Handberührung, auf Chuccoy achtete er nicht weiter. Die Ressentiments zwischen den beiden waren deutlich spürbar.

Auch dies war Teil der Kriegskunst: die Untergebenen bei Laune zu halten und dafür zu sorgen, dass sie einander nicht in einen Konkurrenzkampf verwickelten. Ihr Aggressionspotenzial durfte ausschließlich gegen den Feind gerichtet werden.

Ccarlc schwebte im Tarnschutz-Modus davon. Trontoccs Kriegsornat fühlte jenem seines Stellvertreters noch eine Weile nach, dann verlor sie das Interesse.

»Nun?«, fragte Chuccoy Xunn. »Wohin jetzt?«

»Ich denke, wir sollten einem der Geheimnisse der Laren auf die Spur kommen, bevor wir endgültig ein Urteil über sie fällen.«

»Du meinst ihr Verhältnis zu diesen sonderbaren Wandertieren?«

»Ja. Wie heißen sie gleich noch mal?«

»Honhooten.«

»Richtig. Folgen wir einer der Herden.« Trontocc tat so, als müsse er die Fühler seiner Ortungssysteme ausstrecken, um Honhooten ausfindig zu machen.

Dabei beschäftigte er sich seit ihrer Ankunft auf Noular mit diesen faszinierenden Tieren. Er suchte ihre Nähe. Die Honhooten hatten etwas Besonderes an sich. Etwas, dem sich Trontocc Ypper kaum zu entziehen vermochte.

 

*

 

Mit weiten, raumgreifenden Schritten zog sie dahin: eine Gruppe von etwa dreißig Honhooten. Einige Bullen stapften vorneweg. Dahinter kamen Weibchen, zwischen sich die Jungtiere, die sie mit kräftigen Schlägen ihrer beiden Rüssel davon abhielten, nach links oder rechts auszubrechen.

Trontocc sah minutenlang zu, abgekoppelt von der Brünne. Er wollte diese ganz besonderen Sinneseindrücke ohne Inhörigkeit auf sich wirken lassen.

Die Tiere wurden von einem Laren begleitet, der auf einem spinnenförmigen Roboter ritt. Er war der Schutzpatron der Herde und unternahm alles, um sie vor Unbilden zu bewahren.

Trontocc beobachtete den älteren Planetenbewohner mithilfe eines vors Kopfteil der Brünne gespiegelten Zoom-Felds. Der Schutzpatron kaute gemächlich an einer Art Draht, der aus seiner Brusttasche ragte. Womöglich ein Nahrungsergänzungsmittel.

»Was für widerliche Kreaturen!«, sagte Chuccoy.

»Ja.«

Die Honhooten bewegten sich bereits längere Zeit auf die Peripherie eines Raumhafens zu. Trontocc wartete gespannt darauf, was die dortige Aufsicht gegen den Tierauftrieb unternehmen und wie sich der Schutzpatron verhalten würde. Eben sprach der alte Lare in ein Funkfeld. Er tat es ohne Anzeichen von Aufgeregtheit. Seine Routine im Umgang mit den Riesentieren war ihm deutlich anzumerken.

»Wir könnten sie als Waffe einsetzen, diese Viecher.«

»Ruhig jetzt!« Dieser Chuccoy war in der Tat ein dummer, gefühlloser Störenfried.

Die Horde kreuzte eine Gleiterstrecke. Sie war eine der Hauptadern im städtischen Nahverkehr. Zu Boden und in einer Höhe von bis zu zweihundert Metern rasten zigarren- und diskusförmige Fahrzeuge dahin. Doch nun, da die Honhooten in aller Gemütsruhe daherstapften, kam der Verkehr zum Erliegen. Auch hoch oben in der Luft bewegte sich nichts mehr. Die Gleiter verharrten an Ort und Stelle oder wichen zur Seite hin aus, von einem zentralen Leitsystem gesteuert.

Der Schutzpatron der Herde sprach weiterhin via Funk. Ein zweites Akustikfeld war mittlerweile zugeschaltet, und Trontocc verstand rasch, warum. Denn nun, da die Herde die Gleiterstrecke gekreuzt hatte, näherte sie sich dem Raumhafen.

»Das ist Zat-Omnour«, sagte Chuccoy neben ihm wie auf Kommando. »Einer der wichtigsten Nahversorgungshäfen der Stadt mit starker infrastruktureller Verflechtung mit Regierungsstellen der Laren.«

Trontocc nickte. Sein jüngerer Begleiter wies Schwächen im Umgang mit den anderen Mitgliedern seiner Einsatzgruppe auf. Doch er hatte seine herausragenden analytischen Begabungen bereits bei der Annäherung auf Noular unter Beweis gestellt.

»Vermerke alle wichtigen Daten im Strukturplan!«, wies Tuccoy ihn an. »Je mehr wir über die logistischen Gegebenheiten in Sydaaneys wissen, desto besser.«

Er gab Befehle, ohne die Blicke von den Honhooten zu lassen. Diese Riesen bewirkten etwas in ihm. Sie weckten Erinnerungen, die es nie gegeben hatte und die nicht erlaubt waren.

»Die Laren sperren jeglichen Raumlandeverkehr in weitem Umfeld«, meldete Chuccoy. »Schiffe mit wertvollen Gütern werden umgeleitet, Personentransporter in eine Warteschleife gezwungen.«

»Du klingst erstaunt.«

»Es ist unverständlich, was diese Laren tun. Es geht doch bloß um Tiere! Um Viecher, die keinerlei Funktion haben. Die stumpfsinnig in Herden umhertrotten und mit einem Tabu belegt sind, wodurch sie nicht einmal als Fleischnahrung herhalten können.«

»So sind planetengebundene Wesen nun mal. Sie sind mit Gegebenheiten verbunden, die ihnen die Welt diktiert, von der sie sich nicht haben lösen können.«

»Sie müssen erlöst werden, so rasch wie möglich! Ich möchte diesem wahnsinnigen Treiben nicht länger zusehen.«

Die Bullen der Honhooten-Herde trampelten über ein äußeres Landefeld des Hafens Zat-Omnour. Ihr Heger, der Schutzpatron, der nach wie vor auf seinem Spinnenroboter saß, verhinderte, dass eines der jüngeren Tiere zur Seite hin ausbrach und sich einem geparkten Raumer näherte.

Der Jungbulle gab ein schnaufendes, empört klingendes Geräusch durch beide Rüssel von sich. Einige Muttertiere der Herde antworteten ihm mit resolutem Getröte. Das muskelstrotzende Geschöpf reihte sich gehorsam wieder in der Gruppe ein und trabte weiter.

»Sie sind so dumm, diese Laren«, sagte Chuccoy zum wiederholten Male. »Wie können sie bloß auf dieses Getier Rücksicht nehmen?«

»Die Honhooten bedeuten ihnen etwas.«

»Mir scheint fast, dass du Verständnis für unsere Feinde aufbringst, Einsatzleiter.«

»Für einen konzertierten Angriff müssen wir die Schwachstellen der Laren ausfindig machen. Und ihr Verhältnis zu diesen Wandertieren ist ganz gewiss etwas, das sie verwundbar macht.«

»Wäre es nicht ein witziger Zug, einige Honhooten-Paare zu entführen, sie an Bord eines Sterngewerks nachzuzüchten und Milliarden von ihnen auf Noular abzusetzen?«

»Ich verstehe nicht, was du damit bezwecken wolltest, Choccoy.«

»Alles würde mit einem Mal stillstehen auf dieser Welt.« Der junge Tiuphore lachte, als hätte er einen besonders guten Witz gemacht. »Die Laren würden gar nicht mehr dazu kommen, sich gegen uns zu wehren. Sie wären ausschließlich damit beschäftigt, die Honhooten zu hegen und zu pflegen. Wir hätten leichtes Spiel.«

Trontocc schnaufte laut und verächtlich. »Es würde einige Jahre dauern, eine ausreichend große Menge an Tieren heranzuzüchten. Jahre, die mit Warten und minderen Gefechtszügen verschwendet wären.« Er dachte kurz nach und ergänzte dann: »Wem wäre an einem leichten Spiel gelegen?«

»Was willst du damit sagen, Einsatzleiter?«

»Eine Auseinandersetzung, die über derartige Umstände geführt wird, entspricht nicht unseren Werten, nicht unserer Kultur.«

»Was würdest du stattdessen vorschlagen?«

»Ich würde alle Honhooten auf Noular schlachten und die Reaktion der Laren abwarten.«

»Eine nette Idee, Einsatzleiter.« Chuccoy Xunn schnalzte anerkennend. »Es würde sie in den Wahnsinn treiben. Ihre Wut ins Unermessliche steigern. Die Laren verstehen es nicht, mit Schmerz und Verlust umzugehen.«

»Und deshalb müssen sie erlöst werden.« Trontocc war nicht weiter an dem Gespräch interessiert. Sein junger Kampfgefährte würde sich in Gewaltphantasien verlieren wie die meisten Tiuphoren, die die Inhörigkeit noch nicht erlangt hatten. Ihnen fehlte das ausgleichende Element, das das Conmentum zu bieten hatte.

Die letzten Honhooten verließen das Gelände des Raumhafens. Hinter ihnen fuhren zweifach gestaffelte Schutzschirme hoch, Zat-Omnour war wieder abgeschirmt gegen alle äußeren Gefahren.

Glaubten die Laren zumindest. Denn Chuccoys und Trontoccs Kriegsornate hatten während der letzten Minuten Unmengen interessanter Daten abgezapft. Natürlich waren sie mit ihren eingeschränkten Möglichkeiten nicht an das Zentrum des hiesigen Rechengehirns herangekommen. Doch die Informationen, die ihnen nun zur Verfügung standen, würden ihnen ein mögliches späteres Eindringen in den Raumhafen deutlich erleichtern.

Die Rechnerstruktur, die in Zat-Omnour eingerichtet worden war, war vielversprechend, wie Trontocc nach einer ersten, oberflächlichen Analyse bemerkte. Sie arbeitete eng mit den Positroniken der larischen Regierung zusammen und diente als Redundanzknoten. Mit etwas Geschick mochten sich dort wichtige Informationen über die planetaren Verteidigungssysteme Noulars absaugen lassen.

»Was nun?«, fragte Chuccoy.

»Wir folgen den Honhooten weiterhin«, bestimmte Trontocc.

»Hast du noch immer nicht genug von den Viechern?«

»Du denkst nicht weit genug voraus, Chuccoy. Wo immer die Honhooten entlangziehen, öffnen sie uns die Zugänge zu sonst gesperrten Daten- und Informationsbereichen. Es wird buchstäblich alles unternommen, um den Honhooten ihr Nomadendasein zu erleichtern.«

»Ich verstehe.«

Chuccoy wirkte nachdenklich. Durchschaute ihn sein Begleiter? Ahnte der Jüngere, dass er log und einen ganz anderen Grund dafür hatte, in der Nähe der Honhooten bleiben zu wollen?

Er hasste wie alle Tiuphoren den Aufenthalt auf einem Planeten. Er vertrug es nicht, in den ewig weiten Himmel zu starren, nachgiebigen Boden unter den Füßen zu spüren und klimabedingten Witterungen ausgesetzt zu sein. Dies alles widersprach jedem einzelnen seiner Sinne, die auf das Leben in den Habitaten ausgerichtet waren, die die Tiuphoren Sterngewerke nannten.

Doch seit Trontocc die Honhooten verfolgte, verschoben sich seine Wertigkeiten.

Er fühlte sich geborgen in der Nähe dieser sonderbaren Viecher. Er mochte sie, auf eine völlig untiuphorische Art und Weise.

2.

Perry Rhodan

 

»Wir müssen reden.«

»Gerne, Helaar.« Ich richtete mich auf, trat der Larin entgegen und verbeugte mich. »Worüber sollen wir uns unterhalten? Über Gefahren, die deinem Volk drohen? Über falsche Freunde und solche, die es wirklich gut mit dem Volk der Laren meinen?«

Maan-Moohemi war groß, sie war schlank, sie hatte durchaus ein gewinnendes Wesen. Und sie verstand es zu schweigen. Sie starrte mich bloß an, musterte mich.

Die Herrscherin über das Reich der Ur-Laren trat sehr beherrscht auf. So, wie es Wesen taten, die es gewohnt waren, mit großer Macht umzugehen.

Ich versuchte einmal mehr, sie einzuschätzen. War sie von ihrer Macht korrumpiert worden? Lebte sie in einem Elfenbeinturm, oder erfüllte sie demütig die Pflichten ihrem Volk gegenüber? Musste ich sie achten – oder fürchten?

Sie trat beiseite und gab den Blick frei auf einen Mann in ihrer Begleitung, den das Alter gebeugt hatte. Ich kannte ihn bereits, sie hatte mir seinen Namen allerdings noch nicht genannt.

»Eludnor-Shya«, sagte sie knapp. »Mein Berater. Und dieser Mann hier ist ...«

»... Hascannar-Baan«, unterbrach ich sie.

»Ihr kennt euch folglich.«

»Selbstverständlich«, sagte der Proto-Hetoste. Er musterte mich kalt. »Dieser Terraner ist ein Feind. Einer, mit dem meine Kameraden und ich bereits öfter zu tun hatten.«

»Und wie äußert sich diese Feindschaft?«

Maan-Moohemi beobachtete uns beide, schätzte uns ab, kategorisierte uns in ihrem Wertesystem.

»Wir sind unterschiedlicher Ansicht, was den Umgang mit einem bestimmten Raumschiff betrifft«, blieb ich so vage wie möglich. »Außerdem hätten weder Hascannar-Baan noch ich an diesen ... Ort gelangen dürfen. Doch nun, da es geschehen ist, möchte ich dich bitten, mir zuzuhören, Helaar. Und mir zu glauben.«

»Glaube ist ein Luxus, der in Zeiten wie diesen keinen Platz hat. Ich suche nach Antworten. Ich muss mit Fakten arbeiten, um das Beste für mein Volk erreichen zu können.«

Nun, das klang aufrichtig. Maan-Moohemi nahm ihre Aufgabe ernst. Doch besaß sie auch Kompetenz? War sie ausreichend belastbar, um Verantwortung für die vielen Milliarden ihres Volkes zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, wie sie schwerer nicht sein konnten?

»Du weißt so gut wie ich, dass Tatsachen gedreht und gewendet werden können. Es gibt stets mehr als eine Wahrheit.«

»Du redest wie ein speichelleckerischer Diplomat.« Maan-Moohemi gab ein Geräusch von sich, das ich als Seufzer deutete. »Ich bin von viel zu vielen Leuten umgeben, die sich in meiner Gegenwart den Mund fusselig reden. Weil sie glauben, mein Gefallen damit zu finden. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht wahr, Eludnor-Shya?«

»Richtig.« Der alte Mann lächelte und beugte den Kopf vor seiner Helaar.

»Die Wahrheit also.« Hascannar-Baan drängte sich in den Vordergrund, schob sich eng an die wesentlich größere und graziler gebaute Larin heran. »Wärt ihr denn imstande, die Tragweite dessen zu erfassen, was sich gerade eben auf Noular abspielt? Wärt ihr bereit, die unmöglichste aller Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, wenn ich von ihr erzähle?«

»Tu es nicht, Hascannar-Baan!«, warnte ich den Proto-Hetosten.

»Was soll er nicht tun?«, hakte Maan-Moohemi sofort ein.

»Er will mich davon abhalten, offen zu reden. So sind sie nun mal, die Terraner.«

»Du weißt, dass das nicht stimmt. Ich will Unglück verhindern. Ein Unglück, das du und Avestry-Pasik herbeiführen wollen.«

»Schluss jetzt!« Maan-Moohemi machte eine energische Handbewegung. »Hier wird nichts mehr verschwiegen, hier wird nicht weiter taktiert. Rede, wenn du etwas zu sagen hast, Hascannar-Baan.« Sie wandte sich dem Proto-Hetosten zu und blickte auf ihn hinab. »Ich habe das Ultimatum deines Stellvertreters nicht vergessen, kleiner Mann. An seine Drohung, meinen Regierungssitz zu zerstören, wenn du nicht binnen dreier Stunden an Bord der LARHATOON zurückgebracht wirst. Ich denke daran, während ich dir zuhöre.«

Ein Ultimatum also. Bei diesem Stellvertreter handelte es sich vermutlich um Ushyo-Taark, einen getreuen Handlanger Avestry-Pasiks und dieses Mannes, der mich mit so viel Verachtung musterte.

Ushyo-Taark würde seine Drohung wahrmachen, dessen war ich mir sicher. Ich kannte ihn ausreichend, um zu wissen, dass er mit Diplomatie nichts am Hut hatte und militärische Lösungen bevorzugte. Er würde, wenn er es für notwendig erachtete, die Möglichkeiten des SVE-Raumers LARHATOON nutzen und dessen überlegene Waffentechnologie einsetzen.

Diese Proto-Hetosten waren stur und taub und hatten während der letzten Monate einen Tunnelblick entwickelt, der mir Angst machte.

»Du bist mit dem Prinzip der Zeitreise vertraut, Helaar?«, fragte Hascannar-Baan.

»Tu es nicht!«, wiederholte ich meine Forderung. »Es würde alles zunichte mach...«

»Du schweigst, Perry Rhodan!« Maan-Moohemi schnitt mir das Wort ab, ohne sich von Hascannar-Baan abzuwenden. »Selbstverständlich kenne ich die gängigen Theorien zur Zeitenreise. An der Chronalen Universität wird viel und intensiv darüber diskutiert. Allerdings ist man unter Fachleuten der Meinung, dass der Energieaufwand für einen Sprung in die Vergangenheit zu groß ist. Viel zu groß. Die Zukunft ist unmöglich zu erreichen. Worauf willst du hinaus?«

Ich spürte Farye Sepheroa mit einem Mal neben mir. Meine Enkelin lehnte sich sachte gegen meine Schulter. Sie erkannte wie ich die Bedeutung dieser Sekunden. Hier geschah etwas, das womöglich das Schicksal mehrerer Galaxien beeinflusste.

Ein Seufzen ertönte.

Gucky erwachte, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt! Ich hätte mich zu ihm setzen und ihn befragen sollen, was geschehen war, hätte mich um ihn kümmern sollen. Doch die Helaar und Hascannar-Baan banden meine Aufmerksamkeit. Farye erkannte mein Dilemma. Sie trat zum Mausbiber, redete leise auf ihn ein und gab mir Zeichen, dass alles so weit in Ordnung sei.

»Die Fachleute irren«, meinte Hascannar-Baan zur selben Zeit. »Zeitreise ist möglich. Sie geschah, sie geschieht, und sie wird geschehen. Meine Begleiter und ich sind der beste Beweis dafür. Wir stammen aus der Zukunft.«

 

*

 

Es war ausgesprochen. Unwiderruflich. Damit war womöglich der Lauf der Geschichte verändert –