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Nr. 2835

 

Die Purpur-Teufe

 

Perry Rhodan in einer sterbenden Galaxis – im System der Erinnerung

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

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Auf der Erde schreibt man das Jahr 1518 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Menschen haben mit der Liga Freier Terraner ein großes Sternenreich in der Milchstraße errichtet; sie leben in Frieden mit den meisten bekannten Zivilisationen.

Doch wirklich frei ist niemand. Die Milchstraße wird vom Atopischen Tribunal kontrolliert. Dessen Vertreter behaupten, nur seine Herrschaft verhindere den Untergang – den Weltenbrand – der gesamten Galaxis.

Perry Rhodan hat es unfreiwillig in die tiefste Vergangenheit gerissen, wo er Zeuge der Invasion der kriegerischen Tiuphoren und des Untergangs alter galaktischer Hochkulturen wird. Als die Tiuphoren auch die Zivilisation der Laren auszulöschen drohen, beschließt er zu helfen, schließlich weiß er, dass die Laren den furchtbaren Völkermord bis in die Gegenwart hinein überlebt haben müssen. Er benötigt dazu DIE PURPUR-TEUFE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner entscheidet sich, die Laren zu retten.

Gucky – Der Mausbiber entscheidet sich, einem speziellen Laren auf die Füße zu treten.

Pauntes Deshgii – Der Archivar entscheidet sich zu bleiben.

Marrnym Plesherr – Der Archivar entscheidet sich zu gehen.

1.

Gucky

 

Der Mausbiber schwebte hoch oben und blickte auf eine Stadt und eine Welt hinab, die es schon bald nicht mehr geben würde.

Er meinte, die Zerstörungen zu erahnen. Explosionen, Rauchwolken, vernarbtes und zerstörtes Land. Vernichteter Wald, in Trümmer liegende Häuser. Aufplatzender Boden und Risse, so tief, dass flüssiges Feuer hochdrang, das lange im Untergrund gebändigt gewesen war und sich nun seinen Weg bahnte.

Untergang. Apokalypse ...

Gucky schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Noch war es nicht so weit. Vielleicht gab es Hoffnung. Vielleicht konnte er ein Wunder bewerkstelligen.

Zuallererst hing es von ihm ab. Er musste den Flüchtigen einfangen und unschädlich machen.

Die Sonne ging unter. Immer breiter wurden die Schatten, und in den Schatten breitete sich neue Helligkeit aus, die von unzähligen der typischen Lampenstreifen Noulars gefüttert wurde. Gucky scherte sich nicht darum. Er verließ sich ohnedies auf seinen telepathischen Lauschsinn.

Irgendwo unter ihm befand sich ein Tiuphore. Der Feind. Er besaß wichtige Informationen über das Raumschiff der Proto-Hetosten, die LARHATOON.

Er musste aufgehalten werden. Andernfalls würden alle Tiuphoren dieser Galaxis die energetische Kennung der LARHATOON erfahren, das Schiff erbarmungslos jagen, aufbringen und in ihrem Sinne nutzen. Das durfte nicht geschehen.

Chuccoy Xunn hatte bloß einen Vorsprung von wenigen Minuten, aber er war schwierig aufzuspüren: Seine Kriegsbrünne schirmte ihn weitgehend ab, und wann immer umherziehende Honhooten in der Nähe waren, blockierten sie Guckys mentale Fähigkeiten.

Gucky spürte, wie sein Gegner zusehends erstarkte. Er verwuchs allmählich mit seinem Kriegsornat und gewann an logisch-kalter Intelligenz. Er wurde inhörig. Seine Gedanken, die den Schutz der Brünne durchdrangen, beschäftigten sich mit Kampfskulpturen, Kampftänzen, Kampfmimik, Kampfimprovisation. Er war wie ein multibegabter Künstler, der seine Intelligenz und seine maschinell verstärkten Kräfte um diese Lust an einer ... einer schönen Auseinandersetzung drapierte.

Gucky zeichnete die rudimentäre Spur des Tiuphoren nach. Er markierte jene Orte, an denen er ihn gespürt hatte, und versuchte, die Richtung zu erahnen, auf die Chuccoy Xunn zusteuerte.

Sein Gegner schlug Haken und wich jenen Gebieten aus, in denen larische Einheiten präsent waren. Er schien ganz genau zu wissen, was zu tun war.

Da und dort geschahen sonderbare Dinge. Roboter drehten durch, kühn geschwungene Antigrav-Wasseraquädukte brachen in sich zusammen, zwei Gleiter schmierten ab. All diese Katastrophen lenkten die Laren ab und banden ihre Kräfte anderweitig.

»Indoktrinatoren«, sagte Gucky zu sich selbst. »Er hat die verfluchten Mikromaschinen offenbar bereits vor längerer Zeit ausgestreut und nun erst aktiviert.«

Er nahm einen weiteren Impuls wahr, gebildet aus dieser typischen Mischung von Lust und kühler Berechnung. Es war bloß ein Gedankenfetzen, der Freude am Verfolgungsspiel ausdrückte.

Dieser eine Gedanken-Bruchteil führte Gucky endlich auf die richtige Fährte. Die Spur, die sich nun erstmals verfolgen ließ, wies in Richtung Pelymar-Nanhé, einem Raumhafen, der etwa hundert Kilometer entfernt war.

Doch die Information kam zu spät. Es war, als wollte sie der Tiuphore verhöhnen und ihnen sagen: »Seht her, ihr habt das Beste aufgeboten, das diese Welt zu bieten hat. Und dennoch entkomme ich euch. Ich allein besiege die Laren!«

Gucky gab weiter, was er in Erfahrung gebracht hatte, während er Pelymar-Nanhé mit Höchstgeschwindigkeit seines Anzugs entgegenstrebte.

Er wusste, dass er spät dran war. Doch er durfte nicht nachlassen. Zu viel stand auf dem Spiel.

Er erhielt Nachricht, dass auf dem Hafen mehrere Schiffe zugleich die Startfreigabe erhalten hatten, bevor sich die Laren zu einer Sperre hatten entschließen können. Darunter war ein Sternenpendel gewesen, das außerplanmäßig startete.

2.

Perry Rhodan,

Minuten zuvor

 

Das würde ich nicht dulden! Ich wusste, dass ich schwerlich etwas gegen den Untergang der Ersten Larenzivilisation unternehmen konnte. Aber diesen einen Kampf würde ich gewinnen.

»Damit ist alles vorbei«, sagte die Helaar und kaute nervös auf ihrer Unterlippe.

Wir betraten eine Einsatzzentrale, die im Ostflügel ihres Regierungspalastes angesiedelt war. Es roch stechend scharf nach Sandelholz.

»Nein, Maan-Moohemi«, sagte ich entschieden. »Vielleicht erwischt Gucky den Tiuphoren, bevor Chuccoy Xunn starten kann. Und selbst falls er es nicht schafft, haben wir immer noch eine Chance.«

»Was sollten wir denn tun? Ich bin ...«

Die Helaar schwieg. Sie wollte nicht aussprechen, was ich längst wusste: Sie war von der Situation überfordert.

»Wir wissen nicht, womit Chuccoy Xunn flüchten wird. Aber wenn er eines eurer Schiffe gekapert hat und nun für die Flucht nutzt, können wir ihm mit der TATJANA MICHALOWNA hinterher. Die Beschleunigungswerte meines Raumers sind besser als die aller Schiffe auf diesem Planeten. Darüber hinaus könnten wir seinen Funk- und Ortungsverkehr stören. Er darf und wird uns nicht entkommen.«

»Dein Schiff parkt immer noch im Orbit um Tometoor.«

»Es kann binnen Minuten hier sein, wenn du die notwendigen Freigaben erteilst und alle Behinderungen durch eure Wachflotte beseitigst. Bitte, Helaar!«

Sie überlegte. Sie schwankte zwischen Misstrauen, Angst und Hoffnung, während ich jenen Bericht von Gucky hereinbekam, der mir genau das bestätigte, was ich befürchtet hatte: Der Tiuphore entkam.

Letztlich entschied sie sich dafür, mir zu vertrauen. Es war nicht nur diese Nachricht von meinem kleinen Freund. Wahrscheinlich dachte sie auch daran, dass wir alles unternommen hatten, um Eludnor-Shya und seine Enkelin Hyo-Moohemi zu befreien. Der alte Mann war zwar nach der Rettung an den Folgen seiner Entführung gestorben, aber das Mädchen befand sich in körperlich guter Verfassung.

Maan-Moohemi winkte mit der Hand, ein Adjutant gab Anweisungen weiter. Eine Holovid-Wand des Raumes erwachte zum Leben, und ich bekam Bilder aus verschiedenen Teilen der Stadt Sydaaneys zu sehen. Solche, die Chaos und Zerstörung zeigten. Einen ersten Vorgeschmack darauf, was der Stadt blühte.

Ein Lare drückte mir einen Funkempfänger in die Hand, der einem Schmuckstück ähnelte. Augenblicklich kam der Kontakt zur TATJANA MICHALOWNA zustande. Das Bild der Holoverbindung, vor die Wand projiziert, baute sich hingegen nur zögerlich auf.

»Perry, endlich!«, sagte Oscar Dhu, der Kommandant. »Wir wussten nicht ...«

»Keine Zeit, Oberstleutnant. Ich habe einen Auftrag für dich. Eine Jagd.«

Der Mann war sofort bei der Sache. Dafür schätzte ich ihn und setzte ihn gerne an vorderster Front ein.

»Ziel?«, fragte er.

»Ein einzelner Tiuphore an Bord eines Larenschiffes mit folgendem Fluchtkurs ...«

Mithilfe eines Adjutanten gab ich alle erforderlichen Informationen weiter und schloss dann: »Du arbeitest unter Einsatz aller notwendigen Mittel, Oberstleutnant.«

»Verstanden.« Er zögerte kaum merklich, ehe er nickte.

Dhu wusste ganz genau, welche Überwindung es mich kostete, den Tod eines Feindes anzuordnen. Doch in diesem Fall half bloß Konsequenz.

Gucky traf wenige Minuten später bei uns ein, gleich darauf Farye Sepheroa. Maan-Moohemi hatte sie herbeischaffen lassen.

Ich wollte meine Enkelin in den Arm nehmen und ihr zeigen, wie froh ich war, sie heil und gesund wiederzusehen. Sie wehrte meine Umarmung ab, hauchte mir aber zumindest einen Kuss auf die Wange. Unser ambivalentes Verhältnis hatte nur wenig Besserung erfahren. Der Einsatz und die nervlichen Belastungen der letzten Tage hatten uns zwar näher zusammengebracht, doch immer noch waren wir keine Familie.

Ich würde ein anderes Mal über diese Dinge nachdenken. Gegenwärtig verfolgte ich die Jagd der TATJANA MICHALOWNA.

Wir bekamen zeitverzögert Bilder übermittelt, die aus meinem Schiff stammten. Sie zeigten nur Bruchteile dessen, wozu ein Schlachtkreuzer der MARS-Klasse imstande war. Die Laren durften nicht alles sehen und wissen, was mit der Technik aus ihrer Zukunft zusammenhing.

Wir warteten und bangten. Verfolgten, wie sich die TATJANA MICHALOWNA an die Fersen des wesentlich kleineren Sternenpendels heftete. Wie der Kreuzer problemlos aufholte und das Opfer dieser Jagd mit einer Vielzahl an Störimpulsen bombardierte, sodass es keinen Funkspruch mehr absetzen konnte.

Ich hörte eine Unterhaltung mit, die Dhu mit dem Tiuphoren führte. Der weigerte sich zu kapitulieren, flog Ausweichmanöver, wehrte sich gegen den Zugriff der TATJANA MICHALOWNA. Zu keinem Augenblick war er bereit aufzugeben. Stattdessen brabbelte er übles Zeugs daher, das dem Sendungseifer der Tiuphoren entsprach.

Ich wusste, dass der Glaube an das Catiuphat sehr wohl einen realen Hintergrund besaß und er die Krieger dieses Volkes ungemein stärkte. Und dennoch war es in meinen Augen ein pseudoreligiöser Wahn, in den sich Wesen wie Chuccoy Xunn hineinsteigerten.

Oberstleutnant Dhu gab eine letzte Warnung ab, dann feuerte er. Er schoss das Sternenpendel schrottreif. Erst, als er Vollzug meldete und bekannt gab, dass das Wrack nun bereitstünde, um von larischen Soldaten geentert und untersucht zu werden, atmeten wir kollektiv auf.

»Gut so!«, sagte Gucky voll Inbrunst. Auch ich konnte und wollte meine Erleichterung nicht verbergen.

Der Tod war etwas Schreckliches. Doch wir standen vor dem Ausbruch eines Krieges, der eine ganze Galaxis erfassen würde – und der Gedanke daran, was die Tiuphoren anstellen würden, rückte mein Weltbild schnell wieder zurecht.

 

*

 

Eine Stunde später wurde die TATJANA MICHALOWNA in einen Orbit um Noular geleitet. Immer noch misstraute man uns, mehrere Schiffe der Laren blieben in unmittelbarer Nähe des terranischen Kreuzers.

Ich nahm es hin. Die Helaar musste Stärke demonstrieren, selbst wenn sie wusste, dass unsere neu gewonnenen Verbündeten dem Waffenpotenzial meines Schiffs ohnedies nichts entgegenzusetzen hatten.

»Das Reich der Laren wurde angegriffen«, sagte Maan-Moohemi leise, nicht zum ersten Mal.

Sie blickte auf eine Bildergalerie, die die Schrecken im Tetaarosystem versinnbildlichte, Tausende Lichtjahre von unserem Standort entfernt. Tiuphoren hatten aus dem Verborgenen heraus auf der Welt Amnoul für Unruhe gesorgt. Anschließend waren kleinere Schiffseinheiten gegen die wenigen bewaffneten Raumforts im System vorgegangen und hatten sich anschließend um Kasernen und Bodentruppen der Laren auf Amnoul gekümmert.

Ich betrachtete erschüttert das Bildmaterial. Es zeigte Tod und Vernichtung. Ein Morden, das eiskalt und seziermesserscharf in Szene gesetzt worden war.

Dieser Überfall war ein erster Hinweis an die Helaar. Die Tiuphoren ließen sie wissen, was ihr Volk erwartete.

»Es gab Entführungen«, sagte die Frau mit gepresster Stimme. Sie betastete nervös ihr sorgfältig drapiertes Haar. »Mehr als dreißig Laren wurden verschleppt. Militärs, Strategen, politische Führer, einige lokale Berühmtheiten und zwei Künstler, die über das Tetaarosystem hinaus bekannt sind.«

»Ich habe dir erzählt, was die Tiuphoren mit ihren Opfern anstellen.« Es fiel mir unendlich schwer, über diese Dinge zu sprechen.

»Ja. Sie stecken sie in dieses Sextadim-Banner und zwingen sie in eine Art geistige Gefangenschaft, die niemals endet.«

Wir schwiegen, widmeten uns weiteren Berichten von Amnoul. Ich versuchte, die Quintessenz des tiuphorischen Vorgehens zu erfassen. Die Überfälle ähnelten einander vage, wurden aber doch immer wieder auf eine andere Art und Weise ausgeführt. Und erneut stieß ich auf dieses schreckliche Wort, das die Tiuphoren so gerne in den Mund nahmen: Kriegskünstler.

Sie erdachten die Dramaturgie eines Überfalls und setzten sie mit einem gewissen Hang zur Improvisation um. So jedenfalls stellten es unsere Feinde dar. Ich hingegen sah unbegründete Brutalität und blanken Sadismus.

»Was soll ich bloß tun?«, fragte Maan-Moohemi verzweifelt.

»Retten, was zu retten ist«, antwortete Gucky, der neben mir stand und an einem Gemüse-Konzentratriegel knabberte.

»Meine Analysten beschäftigen sich mit den technischen Möglichkeiten der Tiuphoren. Noch wollen sie mir keine Antworten liefern. Aber ich ahne, was sie mir mitteilen wollen. Und zwar, dass wir unseren Feinden hoffnungslos unterlegen sind. Dass wir nicht den Hauch einer Chance haben, ihnen Verluste beizubringen oder sie gar aufzuhalten.«

»Wir könnten vielleicht helfen«, sagte ich zögernd.

»Ihr habt viel getan und mir gezeigt, was ihr zu leisten imstande seid. Doch mit einem einzelnen Raumschiff werdet selbst ihr nichts gegen die Flotten der Tiuphoren ausrichten.«

»Natürlich nicht. Aber wir haben ein wesentlich größeres Schiff in der Hinterhand. Und vielleicht können wir die Möglichkeit schaffen, eure Heimatwelt zu ... zu verbergen.«

Maan-Moohemi gab ein keuchendes Geräusch von sich, das ihre Art des Lachens war. Es klang gequält und mutlos. »Ich traue dir ja viel zu, Perry Rhodan, aber das nicht.«

»Wie stellst du dir das vor?«, fragte nun auch Gucky. »Ich ahne, was du vorhast, aber das ist in der Kürze der Zeit nicht zu machen. Zumal wir ja auch noch dieses kleine Problem mit den Proto-Hetosten haben ...«

»Was ist mit Hascannar-Baan geschehen?«, fragte ich Maan-Moohemi.

»Ich habe ihn vertröstet und gebeten, auf ein weiteres Gespräch mit mir zu warten. Ich muss gestehen, dass ich ihm nicht mehr sonderlich vertraue. Es zeugt nicht von guten Manieren, einen Verhandlungspartner zu erpressen und ihn zu bedrohen, so, wie er es mit mir getan hat.«

»Auch Hascannar-Baan steht gehörig unter Druck«, nahm ich den Proto-Hetosten ungewollt in Schutz. »Aber er ist in Wahrheit nicht der Mann, dem dein Interesse gelten sollte.«

»Sondern?« Die Helaar horchte interessiert auf.

Ich wollte antworten, als mich die Bitte um ein weiteres Gespräch von der TATJANA MICHALOWNA erreichte. Maan-Moohemi erteilte mir mit einer Handbewegung ihre Erlaubnis, ich ging auf Funkkontakt.

»Wir haben Besuch erhalten«, sagte Oberstleutnant Dhu leise. »Einen, mit dem ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet habe.«

»Warum tust du so geheimnisvoll, Oberstleutnant?«

»Ich möchte dich bitten, an Bord zu kommen.«

Er nannte einen Namen, und ich verstand. Ich musste zurück zur TATJANA MICHALOWNA. Sofort.

 

*

 

Ein Sternenpendel brachte uns zum MARS-Kreuzer. Eine Delegation der Laren ging mit an Bord.

Dhus Stellvertreter, der Akone tan Fayard, nahm die Gäste in Empfang und führte sie durchs Schiff. Ich kannte seine stark ausgeprägten diplomatischen Begabungen und wusste, dass er den Ur-Laren bloß unverfängliche, aber dennoch beeindruckende Informationen liefern würde.

»Wo ist er?«, fragte ich Dhu und ging vorneweg Richtung Zentrale. »Warum wurde er hierher geschafft? Wer ist bloß auf die idiotische Idee gekommen, ein derartiges Risiko einzugehen?«

»Es war ANANSI selbst. Der Rechner meinte, es wäre notwendig, dass du dich mit ihm unterhältst.«

»Er wurde mit dem Kran hierher versetzt und mit einem Winker ausgestattet?«

»Ja. Mit einem, den er selbst nicht ablegen kann. Hätte er einen Fluchtversuch unternommen, hätte er jederzeit zurückgeholt werden können. Gholdorodyn hat für die Sicherheit dieses Systems garantiert.«

Dhu blieb vor einem Schott stehen, das von zwei TARAS bewacht wurde. Ein Terraner der Bordsicherheit beaufsichtigte über mehrere Holos den Gefangenen. Jede Bewegung, jeder Atemzug, jedes zu laute Geräusch wurde registriert und bewertet.

Ich holte tief Atem, nickte dem Oberstleutnant zu und trat vor das Schott. Die bedrohlich wirkenden TARAS machten für mein Empfinden nur zögerlich Platz.

Ich ging unserem Gast entgegen. Avestry-Pasik streckte mir in einer typisch menschlichen Geste die Hand zur Begrüßung entgegen.

 

*

 

»Was verschafft uns die Ehre?«, fragte ich.

Ich benötigte ein wenig Zeit. Ich wollte mir einen Eindruck verschaffen und verstehen, warum der Anführer der Proto-Hetosten das Gespräch mit mir suchte, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt.

»Ich habe meine Meinung geändert«, sagte Avestry-Pasik knapp.

»Inwiefern?« Ich traute diesem Mann nicht. Keinen Millimeter weit. Er hatte betrogen und gelogen und würde sprichwörtlich alles tun, um mich zu übervorteilen.

Er drehte sich überraschend von mir weg und ging einige Schritte durch den Raum. Avestry-Pasik legte eine Nervosität an den Tag, die ich bei ihm nie zuvor wahrgenommen hatte.

Es dauerte eine Weile, bis er zur Ruhe kam, sich neuerlich vor mir aufstellte und mit heiserer Stimme sagte: »Das jetzige Reich der Laren ist bereits verloren, Perry Rhodan. Die Larendämmerung hat längst begonnen. Wir müssen retten, was zu retten ist.«

»Woher diese plötzliche Erkenntnis, Avestry-Pasik?«

Er holte einen kleinen Datenträger aus der Tasche seiner Borduniform und reichte ihn mir. »Das hier hat ANANSI für dich in Zusammenarbeit mit Essien Zahng aufbereitet. Du findest hierin alles, was ich über die Tiuphoren erfahren habe. Hör und sieh es dir an.«

Ich nahm die Folie in die Hand, rieb die schützende Hülle ab und legte den Datenspeicher ins Lesegerät am Tisch. Er durchlief mehrfache Kontrollen. Ich war mir sicher, dass die Bordsicherheit den Proto-Hetosten gründlich untersucht und dabei die Folie gewiss nicht übersehen hatte. Aber ich wollte nicht das geringste Risiko eingehen. Nicht bei ihm.

Der Projektor sprang an. Er zeigte Bilder und Symbole aus der RAS TSCHUBAI.

ANANSIS Kindergesicht lächelte mir entgegen. »Ich nehme die Verantwortung für die Versetzung Avestry-Pasiks auf mich. Du findest im Anschluss Essien Zahngs und meinen Bericht zu den Visionen, die der Proto-Hetoste im Laufe der letzten Tage hatte. Was er dir zu erzählen hat, entspricht der Wahrheit ...«

 

*

 

Ich kehrte in den Regierungssitz Maan-Moohemis zurück und brachte Avestry-Pasik mit mir. Die Helaar empfing uns mit den üblichen Anzeichen von Misstrauen und Kühle, die ich bereits von ihr gewöhnt war. Ich erklärte ihr in aller Schnelle die Rolle des Proto-Hetosten und bemühte mich, ihr die Situation begreiflich zu machen.

»Ihr beide seid euch also einig. Und ihr wollt eine Welt des Larenreiches retten«, sagte sie, nachdem ich geendet hatte. »Mithilfe einer Maschinerie, die ... wie heißt sie nochmals?«

»Eine Purpur-Teufe, Helaar.«

»... mit einer Purpur-Teufe also, die einen Planeten räumlich und zeitlich versetzt.«

»So ist es.« Ich verschränkte die Hände vor der Brust, um eine Selbstsicherheit vorzutäuschen, die ich keinesfalls verspürte.

»Und welche, bitteschön?«, rief Maan-Moohemi mit plötzlicher, kaum gezügelter Wut. »Verlangt ihr von mir zu entscheiden, welche Welt ich auswählen soll? Meinen Heimatplaneten hier? Die am dichtesten besiedelte Welt? Oder Kaata, auf der mehr Forschung und Grundlagenarbeit als irgendwo sonst betrieben wird und auf der die klügsten Köpfe beheimatet sind?«

»Beruhige dich bitte, Helaar ...«

»Ich soll mich beruhigen, Terraner?«, unterbrach sie mich. »Bist du dir bewusst, welche Entscheidung du mir abverlangst?«

»Sie ist grausam. Vielleicht die schlimmste, die je ein Lare treffen musste.«

Die Helaar drehte sich beiseite, als wollte sie mich nicht mehr ansehen.

Avestry-Pasik trat unruhig von einem Bein aufs andere, während ich regungslos wartete.

»Ihr wollt nach Phariske-Erigon zurückreisen und dort eine dieser Purpur-Teufen auftreiben«, sagte Maan-Moohemi schließlich. »Wie wollt ihr sie hierher schaffen? Du sprachst davon, dass jede der sechs Purpur-Bojen eine zylindrische Form mit einer Höhe von fünfhundert Metern und einem ebensolchen Durchmesser hätte. Wo ist das Schiff, das für diesen Transport geeignet ist?«

»Die RAS TSCHUBAI und die LARHATOON werden gemeinsam reisen. Sie sind schneller als sämtliche anderen Schiffe beider Galaxien. Der SVE-Raumer kann sich darüber hinaus zur passenden Größe aufblähen, um die Purpur-Bojen in sich zu bergen.«

»Und du bist damit einverstanden, Proto-Hetoste?« Maan-Moohemi starrte ihren fernen Nachfahren an.

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