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Nr. 59

 

Irrfahrt durch die Düsterzone

 

von Hans Kneifel

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Logghard, siebter Fixpunkt des Lichtboten und Ewige Stadt, hat auch am 250. Jahrestag der Belagerung allem standgehalten, was die Kräfte der Finsternis in einem wahren Massenangriff gegen die Bastion der Lichtwelt ins Feld führten. Somit haben die Streiter des Lichtes auf Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt, trotz des Debakels von Dhuannin und anderer Niederlagen gegen die vordringenden Heere der Caer eine gute Chance, sich auch weiterhin zu behaupten.

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held nach seinem Vorstoß in die Schattenzone die nördliche Hälfte der Welt durch das Tor zum Anderswo verlassen.

Während Mythor inzwischen seine Abenteuer in Vanga, der vom weiblichen Geschlecht beherrschten Südhälfte der Welt, besteht, ist Luxon in Logghard geblieben, um seine Ansprüche als rechtmäßiger Shallad gegen Hadamur, den Usurpator, durchzusetzen.

Doch die Dinge laufen für Luxon nicht allzu gut. Auch wenn er dem Henker entronnen ist, der in Hadam auf ihn wartete, so lauern weiterhin tödliche Gefahren auf ihn bei der IRRFAHRT DURCH DIE DÜSTERZONE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Luxon – Der Sohn des rechtmäßigen Shallad als Handelsware.

Necron – Der Alleshändler auf dem Weg durch die Düsterzone.

Miesel – Einer von Necrons Handelspartnern.

Lazuli – Ein Hexer der Düsterzone.

Achar – Ein Rachedämon.

1.

 

»Herrscht die Finsternis – dann erwarte das Licht.

Blendet Schönheit deine Augen – dann erschrickst du bald über das Grässliche.

Will ein Freund dir den Weg weisen – glaube ihm nicht; der Weg führt dich ins Verderben.

Alles ist Lüge. Nichts ist richtig. Glaube nichts, vertraue niemandem.

Sonst ist dein Leben kurz. Hier, in der Düsterzone, lügen selbst die Sprichworte.«

Lebensregeln der Düsterleute

 

*

 

Necron, der Alleshändler, fuhr mit seinem Schrein durch eine Landschaft aus tausend gefährlichen Zufälligkeiten. Er wollte sich mit Miesel, dem Fledderer, weit vor dem Treibenden Land treffen.

»Schneller, meine Grauen!«, rief er vom Kutschbock. »Und scheut nicht vor den Flammenbäumen!«

Dumpfes Wiehern antwortete ihm. Obwohl die Pferde viele Schrecknisse der Düsterzone kannten und längst nicht mehr fürchteten, brauchten sie nicht nur die Zügel, die Peitsche und das Futter, sondern auch den Klang seiner Stimme. Gerade jetzt, als aus dem grauen, mit Gelb gestreiften Nebel die fadenartigen Stämme, Äste und Ästchenverzweigungen der Bäume auftauchten, sprach er mit den sechs Tieren. Sie zogen zuverlässig und in einem langsamen Trab den Wagen durch das Gelände. Jetzt rollte der Schrein auf den Rädern mit den breiten, geriffelten Felgen, aber später würde Necron die Kufen brauchen.

Der Alleshändler war in Eile. Aber wenn er in halsbrecherischem Galopp durch das Gebiet raste, würde er noch langsamer zum Ziel kommen. Also war Eile sinnlos. Bedächtigkeit zeichnete jeden Bewohner und Besucher aus, der in der Düsterzone der Nordwelt Gorgan überleben konnte.

Necron verachtete die Welt jenseits der Düsterzone.

In der Normalen Welt – diese Bezeichnung galt bei den Düsterleuten fast als Beschimpfung – fühlte er sich wohl. Hier wurde er nicht nur stündlich herausgefordert. Hier brauchte er seine Augen und seinen Verstand, die Waffen nicht seltener als seine Fähigkeit, Blendwerk und Trug zu durchschauen und mit seinem Wagen voller kostbarer Handelsware sein Ziel heil zu erreichen.

Als Berater eines Herrschers in der Normalen Welt würde er es zu gewaltigen Ehren gebracht haben. Aber er wollte die Düsterzone nicht verlassen.

Der kaum erkennbare Weg wand sich zwischen den ersten Stämmen der Flammenbäume hindurch. Der Wegweiser des Irrsinns hatte in eine andere Richtung gedeutet, aber Necron fiel nicht darauf herein. Er kannte die Route durch den Nebel. Aus den Wurzeln der dünnen Bäume züngelten dünne Blitze und zielten nach den Hufen der Pferde. Sie zuckten und schlugen winzige Löcher in die dahinwirbelnden Speichen der Räder. Feuerschein lief in ringförmigen Wellen die Stämme aufwärts und erlosch an den Gabelungen der Äste. Zwischen den lodernden Bäumen verdichtete sich der Nebel.

Necron lachte kurz und ließ übermütig die Peitsche mit den beiden Schnüren knallen. Ein Knall ertönte über den Köpfen der zwei Laufpferde, der andere weit hinter dem Schrein. Schon seit einer Stunde hatte sich nichts verändert, war keine Illusion über ihn gekommen und hatte versucht, seine Sinne zu verwirren.

»Gorgan ist ein Albtraum«, sang Necron vor sich hin und spitzte seine Lippen. Sein fröhliches Pfeifen schien die Pferde zu beruhigen. Sie stellten ihre Ohren auf und hoben die Köpfe, als ob ein Stall in der Nähe wäre.

Im Land der Bizarren und Abstrusen war alles möglich.

Das Unerwartete stellte die Regel dar. Am Tag herrschte diffuses Licht. Aber auch plötzliche Dunkelheiten traten auf. Ebenso oft oder ebenso selten erschienen grelle Helligkeiten, aber niemals sah man die Sonne. Ununterbrochen änderten sich Licht und Formen, veränderten sich Aussehen und Bedeutung aller Dinge. Nur wenige Menschen vermochten sich in diesem Wirbel zurechtzufinden. Einer von ihnen war Necron. Er war einer der besten Männer der Düsterzone. Ein hervorragender Händler, der wegen seiner Ware niemals Schwierigkeiten hatte. Tatsächlich handelte er mit allem, was man sich denken konnte. Seine Kenntnis der Magie war beträchtlich, auch wenn es bessere Magier im Land östlich von Prinz Odams Reich gab. Aber nicht einmal die Feuerbäume konnten ihn schrecken.

Feuerbäume spürten nämlich mit den winzigen Knoten in den Endstücken der feinen Ästchen, ob sich ein Lebewesen vor ihnen fürchtete. Dann erst, wenn sie sicher waren, töteten sie ihn mit den knisternden Blitzen. Bodenmaden, weiß und von Schleim bedeckt, fraßen den Körper langsam auf, und ihre Ausscheidungen düngten die flachen Wurzeln der Feuerbäume. Jetzt aber, als das Sechsergespann mit dem magisch verzierten Schrein durch den Wald und den wogenden Nebel rollte und rasselte, schickten sie ihre Blitze nur durch die Dunkelheit, die sich wieder einmal herabsenkte. Noch immer pfiff Necron fröhlich vor sich hin.

Miesel, der Fledderer, würde nicht lange warten.

Eine Nachricht, auf ein Stück Fledermausflügel geschrieben, hatte Necron unterwegs erreicht. Darauf war zu lesen gewesen, in Miesels merkwürdiger Silben- und Symbolschrift:

Habe bestes Ware. Tauschen möglich und großes Wert für dich Necron. Musst bringen viel gut Waren, ja?

Wenn Miesel so etwas schrieb, dann wusste er, warum.

Die Blitze der Feuerbäume beleuchteten schwach den nebelbedeckten Pfad. Zwischen den Stämmen krochen schwefliggelbe Streifen heran. Der Nebel in mehreren Schichten wurde so dick, dass nur noch die Köpfe der beiden Leitpferde herausragten. Necron hatte die neuen grauen Pferde ganz hinten eingespannt, als drittes Paar. So spürten sie seine Nähe besser und waren nicht störrisch oder furchtsam.

»Traue nie dem Dunkel, vergiss die Sonne, und das Leben wird wild und voller Abenteuer ...«, sang Necron. Er hatte eine weit tragende, wohlklingende Stimme. Er war überhaupt ein gutaussehender Bursche, dessen Gesicht zwei Ausdrücke hatte, mit denen er ebenso erfolgreich hausierte wie mit seiner Ware.

Klug, besonnen und scharfäugig, das war eine seiner Masken. Die zweite bedeutete: gutmütig, listig, stets zu einem Scherz aufgelegt und bereit, ein großes Glas oder einen Becher ganz auszuleeren. Aber wenn er auf dem Bock saß und sein Gefährt lenkte, trug sein Gesicht einen anderen, dritten Ausdruck.

»Nun denn ...«, sang er, dann brach sein Summen und Trällern ab.

Der funkelnde und blitzende Wald wich zu beiden Seiten des gewundenen Pfades zurück. Die Blitze, von denen der graue Nebel hellgrau und der gelbe Nebel golden gemacht wurde, wurden seltener und zuckten in der Ferne. Der Weg selbst bestand nur noch aus einer harten Spur im weichen Boden. Bis zum Treibenden Land war es nicht mehr sehr weit, aber einmal eine falsche Abzweigung genommen, weil ein Trugbild ihn narrte, und aus einem Tag Fahrt wurde ein halber Mond der Irrfahrten.

Necrons Ziel war zunächst der Treffpunkt, an dem er sich immer wieder mit Miesel traf, seit langen Jahren.

Auch für Miesel, der nicht zu Unrecht »der Fledderer« hieß, stellte Necron ein unlösbares Rätsel dar.

Er war keine schaurige Gestalt, die der Düsterzone entsprungen war. Über seine Herkunft hatte Necron niemals ein Wort verloren, aber jedermann wusste genau, dass er auf keinen Fall aus der Düsterzone stammte.

Er war sechs Fuß groß, von blasser Hautfarbe, mit einem kantigen und schmalen Gesicht, dessen Züge weder hart noch weich zu nennen waren. Fünfunddreißig Sommer etwa zählte er, seine Hände waren schlank und gepflegt, seine Finger konnten die Werkzeuge eines Künstlers sein, und auf unbegreifliche Art war Necron auch ein Künstler. Jedermann, der in dieser Zone lange überlebte, war ein Künstler. So wie er eigensinnig darauf beharrte, stets sechs graue Pferde vor seinem Schrein gespannt zu haben, so trug er auch stets eine langärmelige Jacke aus wertvollem schwarzem Samt und einen breiten Gurt, in dem zwölf ausgewogene Wurfmesser steckten. Er war mit diesen handlichen Waffen so sicher wie kein zweiter in diesem Land.

Eines der vorderen Pferde wieherte grell auf.

Sofort erwachten Argwohn, Gespanntheit und Wachsamkeit. Seine Hand zuckte herunter, schlug den Saum der Jacke zur Seite und lockerte blitzschnell nacheinander drei der Messer. Der Boden, eben noch dunkel und von kriechendem Gestrüpp bedeckt, veränderte sich plötzlich. Der Nebel riss nicht auf, aber vor dem Gespann erstreckte sich ein breiter Streifen sonnenheller Landschaft. Aus den bleichen Pilzen wurden prächtige Blüten. Die Äste der Gewächse, die wie Vogelscheuchen oder knochige Geister aussahen, erhielten weißgelbe Rinde, und an den Ästchen bewegten sich hellgrüne Blätter in einem warmen, wohlriechenden Wind. Der helle Streifen wanderte auf die sechs grauen Pferde zu, zog sich wieder zurück und tastete sich auf den See zu, der seitlich des Weges auftauchte. Und auch der Weg änderte jäh seinen Charakter. Er bestand plötzlich aus kleinen, hellen Kieseln.

Der helle Streifen wanderte hin und her, und seine Grenze hob sich gestochen scharf von der Dunkelheit ab, die vor und hinter ihm herrschte.

Vor sich sah Necron etwas Schönes.

Also rechnete er automatisch damit, dass ein Extrem darauf wartete, den Wanderer hereinzulegen. Er schloss für wenige Momente seine Augen – das Gespann verfiel auf einen Schrei hin in schnellen Trab, aus dem bald ein Galopp wurde – und dachte an den Zauber der klaren Sicht. Er hatte ihn von Quida gekauft, und er hatte einen horrenden Preis dafür gezahlt.

Von irgendwoher kam eine Kraft, die ihn packte, seine Nerven und Adern mit einem berstenden Drang erfüllte. Er öffnete die Augen. Ihm war, als schösse ein gleißender Strahl aus jedem Augapfel, würde sich durch die Dunkelheit bohren und jeden Gegenstand, der in seinem Bereich lauerte, mit erschreckender Deutlichkeit zeigen. Necron stimmte ein lautloses Lachen an. Jenseits des lichterfüllten Streifens mit all seinen farbenfrohen Erscheinungen wartete das Fadentier.

Er kannte die Fadentiere. Sie waren an ihren Geburtsort gefesselt, aber nicht ihre Glieder. Ihre Glieder waren Hunderte von Fäden, die sich wie Schlangen nach allen Richtungen fortbewegten und alles an sich rissen, was sie ertasteten.

Genau hinter dem Weg, der auf die Brücke zuführte, auf der Brücke selbst und auch im See lauerte das riesige Fadentier. Es lauerte lautlos und noch unbeweglich. Noch einmal starrte Necron in die Richtung, sah die langen Fäden und zog am Zügel. Die Leitpferde zogen nach rechts, auf einen der Weichen Felsen zu. Fast sofort änderte sich das Geräusch der Hufe und Räder. Die Fracht im Schrein, in dem ovalen Aufbau, war mehr als nur kostbar – es handelte sich um Körper in verschiedenen Zustandsformen. Zur einen Hälfte waren es Körper von Abstrusen. Sie waren menschenähnlich. Die andere Hälfte seiner Fracht waren Tiere. Auch zwei Menschen aus Gorgan befanden sich in den Fächern, aus denen Kälte sickerte. Aber auch eine Vielzahl anderer Waren, eine jede ausgesucht wertvoll und entsprechend teuer, lagerte in den verschlossenen Vorratsbehältern des Schreins. Waffen und Gewürze gab es dort, magisches Gerät fehlte ebenso wenig wie versiegelte Krüge voll mit feurigem Wein. Die magischen Handelswaren setzte Necron, wenn es die Lage erforderte, zu seinem Schutz ein. Er dachte nicht daran, mit dem Fadentier zu kämpfen, denn mit einiger Sicherheit würde er dabei den Kürzeren ziehen.

»Die genaue Kenntnis der Gefahren schützt vor unliebsamen Überraschungen«, sagte er sich laut und lenkte die Pferde zwischen zwei der dunkelblau schimmernden Felsen hindurch.

Die Spitzen der Steine kippten hin und her. Knirschend bewegten sich die feinen Adern andersfarbigen Gesteins. Obwohl sich die Gestalt der weichen Felsmassen unaufhörlich veränderte, blieb die Oberfläche des Felsens hart und undurchdringlich. Man sagte, dass in den Steinen die Seelen von Gefangenen der Düsterzone steckten, die nach einem Spalt im Stein suchten, um zu entkommen und sich auf Wanderer stürzen zu können.

Dumpf hämmerten die Hufe auf weichen Boden. Zwischen kleinen Pilzen und weichen Schwämmen verrottete das Laub der Gewächse.

Necron wusste von diesem Weg, aber er kannte ihn nicht. Also ließ er seine Pferde langsamer werden und suchte in seiner Erinnerung nach einem einfachen Zauber, der ihn am Seeufer entlang zum Treffpunkt brachte. Der Treffpunkt selbst war eine winzige Zone, in der Sicherheit herrschte.

Einige Schattenvögel flogen über dem Gefährt hin und her. Sie witterten das Fleisch der bewegungslosen Tiere, die Necron auch als Brutkörper anbieten wollte. Aber immer wieder schlug Necron mit der langstieligen Peitsche nach den Dunkelheitsgespenstern, die durch den Nebel flogen. Der Ausläufer des taghellen Streifens zog sich von den Steinen zurück und huschte über den See.

Wegweiser des Wahnsinns oder Fingerzeige zum Tod nannten die Düsterleute diese Zeichen ihrer Welt. Am Tage konnte es oft dunkler sein als in der Nacht, nachts suchten überraschende Helligkeiten das Land heim. Pflanzen veränderten sich von Tag zu Tag, und immer wieder erschienen Tiere oder Bestien, die selbst Necron nicht kannte. Viele Trugbilder lösten einander ab. Meist war es unmöglich, zwischen Illusion und tödlicher Wirklichkeit zu unterscheiden.

Es war nicht so, dass Necron übersinnliche Fähigkeiten besaß. Aber er war klug und lernte schnell. Er hatte sich entschlossen, sein Leben in der Düsterzone zu führen. Also versuchte er, jede Einzelheit richtig zu deuten. Bald erkannte er einige Gesetzmäßigkeiten der Illusionen. Bis zu einem bestimmten Grad vermochte er zu erkennen, wann er ein Trugbild vor sich hatte, und in welchem Fall es sich um eine unveränderliche Wirklichkeit handelte.

Zahllos waren die gefährlichen Abenteuer, die er überstanden hatte. Sehr oft war er nur mit dem nackten Leben davongekommen. Aber aus jeder Todesgefahr hatte er gelernt. Damals, als Quida ihm noch den einen oder anderen Zauber verkauft hatte, erwarb er einige magische Fähigkeiten, mit deren Hilfe er besser zu überleben vermochte.

Der Zauber der klaren Sicht war ein solches Hilfsmittel.

Blendzauber, Lichte-das-Chaos-Zauber und Gewissheit im Misstrauen – das waren kleine, aber nützliche Hilfsmittel, über die Necron verfügte.

»Ich wähle«, sagte Necron laut und beruhigte mit der dunklen Stimme die Tiere, die dem Druck der Zügel folgten und den Schrein zwischen den ächzenden und knirschenden Steinriesen hindurchzogen, »die ›Gewissheit im Misstrauen‹. Sie wird mich am weitesten bringen.«

Eine freiwillig erfolgende Konzentrationsübung verringerte sein Wahrnehmungsvermögen. Es war, als schärfe sich sein Blick im Zentrum auf Kosten all dessen, was an den Rändern an Eindrücken auf ihn hereindrang. So verschwand vor seinem Blick der Nebel. Die Sicht klärte sich. Auch lösten sich vor seinem Auge Gewächse auf, der umgestürzte Baumriese auf dem Weg verschwand, und die letzte Helligkeit zitterte über die kleinen Wellen des Sees. Hinter den Körpern der hin und her huschenden kleinen Tiere zeigte sich ein Stück Seeufer. Necron lenkte seine Pferde dorthin. Wieder änderte sich das Geräusch der Räder. Sie knirschten jetzt über schmutzigen, grauen Sand.

Noch war es Tag.

Aber der Nebel und der undurchdringlich düstere Himmel zwischen der Schattenzone und dem Shalladad, dem Reich Hadamurs, änderten sich nicht. Nachts wurden die Nebel und die niedrige Wolkenschicht, der staubgraue Schleier, der über dem Land lag, dunkler und finsterer. Necron griff in die Tasche seiner Samtjacke. Als er die Stundenwurzel hervorzog, blieb das harte Holz am Saum der Tasche hängen. Mit einem hässlichen Knirschen riss die Naht auf. Necron fluchte erbittert – die Jacke aus schwarzem Samt war alt, das Gewebe war brüchig und speckig.

»Woher bekomme ich neuen Samt?«, schimpfte er. »Die lebenden Webstühle der Abstrusen sind abgestorben!«