cover.jpg

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img1.jpg

 

Nr. 2413

 

Das Genetische Magazin

 

Ein entscheidender Ort – zwei Kolonnen-Anatomen im Wettstreit

 

Arndt Ellmer

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

img2.jpg

 

Im Frühjahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Menschheit vor der größten Bedrohung ihrer Geschichte: Die Terminale Kolonne TRAITOR hat die Milchstraße besetzt und alle bewohnten Planeten unter ihre Kontrolle gebracht.

Die gigantische Raumflotte steht im Dienst der sogenannten Chaotarchen. Deren Ziel ist, die Ressourcen der Milchstraße auszubeuten, um die Existenz der Negasphäre in Hangay abzusichern: einem Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden.

Perry Rhodan ist mit dem Spezialraumschiff JULES VERNE über 20 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit der Milchstraße gereist, die damals Phariske-Erigon hieß, um die Menschheit in der Gegenwart zu retten. Atlan begibt sich indessen auf eine gefährliche Fahrt nach Hangay, an den Brennpunkt des Geschehens.

Innerhalb der Kolonne steigern sich aber ebenfalls die Aktivitäten: beispielsweise an Bord der Skapalm-Bark DERUFUS – sie birgt DAS GENETISCHE MAGAZIN …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Cav – Eine Mikro-Bestie entwickelt sich auf einzigartige Weise.

Sheymor Merquin – Der Kolonnen-Anatom kennt seinen Feind ganz genau.

Pharoib Inssino – Er sucht nach dem Geheimnis der zwei Gehirne.

Mairn Thuin – Die Anatomin zeichnet sich durch ein abstoßendes Äußeres und einen anziehenden Duft aus.

Roi Danton – Der »Bestien-Experte« soll sich als Trumpf im Machtpoker der DERUFUS erweisen.

1.

 

Stechender Schmerz riss Rorian Omokra aus dem Schlaf. Die rechte Schulter glühte wie unter starker Hitze, ein untrügliches Zeichen für den schnell voranschreitenden Wucherungsprozess der Geschwulst. Dort, wo das bösartige Gewebe die feinen Nervenfasern angriff und zerstörte, tat es höllisch weh.

»Licht an!«, flüsterte er und erschrak vor seiner eigenen Stimme, die sich über Nacht ebenfalls verändert hatte. Sie erinnerte ihn an berstendes Glas.

Ein milchig trübes Gelblicht breitete sich an den Wänden aus, ließ sie großflächig leuchten. An jedem früheren Tag hätte die Farbe Omokra beruhigt, nicht jedoch an diesem. Etwas in seiner Wahrnehmung hatte sich verändert – über Nacht, ohne Anzeichen. War das der Wendepunkt, der jeden seiner Art irgendwann einholte, dem keiner von ihnen entkommen konnte?

Der Kolonnen-Anatom wälzte sich auf die linke Seite. Seine Beine krochen umher wie eigenständige Lebewesen auf der Suche nach festem Untergrund. Mühsam kam endlich sein ganzer Körper hoch. Von der Schulter stach der Schmerz bis unter die Schädeldecke, als wollten sich die Nerven ein letztes Mal aufbäumen und sich gegen das Unwiderrufliche wehren. Der Lamellenpanzer seines Körpers gab ein Kreischen von sich, das Omokra an das Geschrei von fehlerhaften Mikro-Bestien erinnerte, wenn die Roboter sie in den Konverter warfen.

»Gib mir meine Werte!«, flüsterte er krächzend, an den Servo seiner Unterkunft gewandt.

Das Ritual wiederholte sich jeden Morgen. Ein Holoschirm flammte auf und zeigte mehrere Messkurven, die der Kolonnen-Anatom sofort als seine eigenen erkannte. Sie zeigten kritische Werte an wie noch nie.

Dann sprach die Automatenstimme. »Dein Zustand ist bedenklich, Hoch-Medokogh. Du solltest dich bald einer umfassenden Operation unterziehen.«

Rorian Omokra hörte kaum hin. Er spürte den Boden unter sich, stemmte sich an der Wand hoch. Schwankend blieb er stehen, taumelte nach bangen Atemzügen zum Geländer, das den Schlaf- vom Sanitärbereich trennte. Er stützte sich mit den Händen ab, starrte erneut auf das Hologramm und begriff in diesem Augenblick, dass es so weit war – keine Vermutung mehr, kein Gedankenspiel, sondern die harte Realität, die Hochphase im Leben eines jeden Kolonnen-Anatomen.

Der Servo zeigte ihm die Veränderungen seines Körpers im Vergleich zum Vortag. Der Tumor in der rechten Schulter war deutlich gewachsen, an den Stimmbändern hatten sich mehrere Dutzend kleine Knoten gebildet. In seinem Bauch, hinter den Lamellen Drei bis Fünf, wuchs eine Geschwulst, die der Servo auf die nächsten drei Tage zu einem faustgroßen Gebilde hochrechnete.

Wie jeder Kolonnen-Anatom war er stolz darauf, endlich das Alter zu erreichen, das seinem Können mehr abverlangte als das ganze bisherige Leben. Ein wenig war er stolz darauf, diese Phase erst in der Position als Hoch-Medokogh zu erleben und nicht schon viel früher. Frühere Selbstzweifel schrumpften zur Bedeutungslosigkeit.

Omokra hangelte sich am Geländer entlang zur Rampe. Sechs Schritte führte sie abwärts bis zum Niveau des Sanitärbereichs.

»Du benötigst ein Prallfeld, das deinen Körper stützt«, drang die Stimme des Servos wie von weit her an seine Ohren.

Der Hoch-Medokogh blieb stehen. Mühsam hob er die Hände, trommelte mit den Krallen gegen die empfindlichen Nervenfasern um die Ohrmuscheln. »Bitte wiederhole deine Worte.«

Er hörte es noch immer undeutlich. Der stechende Schmerz von der Schulter bis in den Kopf störte die Nervenbahnen des Gehörs. Möglicherweise half warmes Wasser.

Er instruierte den Servo. Um ihn entstand das Prallfeld, hob ihn sanft vom Boden und stellte ihn weiter hinten unter dem Konglomerat aus unterschiedlich großen Parabolschüsseln ab. Die Panzer-Brause trat in Aktion. Dieses Mal berieselte sie ausschließlich seinen Kopf, massierte die Blut- und Nervenbahnen, die sich wie pulsierende, zuckende Kabel unter der graugelben Haut bewegten.

Nach einer Weile fühlte Omokra sich besser. Sein Gehör normalisierte sich, aus dem dumpfen Brummen wurde ein deutlich akzentuiertes Plätschern des Wassers.

»So ist gut! Mach weiter damit!«, wies er den Servo an. Rorian Omokra wollte den neuen Tag nicht mit einem Handikap beginnen.

 

*

 

An diesem Morgen spielte Zeit für den Hoch-Medokogh keine Rolle. War es das erste Mal in seinem Leben? Er erinnerte sich nicht so genau. Das Leben eines Kolonnen-Anatomen verlief in streng geordneten und gezeiteten Bahnen. Anders ließen sich die Anforderungen TRAITORS nicht mit den eigenen Fähigkeiten unter eine Anatomar-Kappe bringen. Ohne das Korsett aus Zeitvorgaben hätte die Skapalm-Bark längst nicht jene Erfolge erzielt, die in den Augen der Progress-Wahrer ihre Existenz rechtfertigten – Erfolge, auf die Omokra stolz war.

Bei der DERUFUS handelte es sich nicht um irgendeine Skapalm-Bark. In zentralen Bereichen glich sie keinem anderen der zahlreichen Medoschiffe innerhalb der Terminalen Kolonne. Die DERUFUS war eine Experimental- und Magazineinheit. Ohne sie hätte es vielleicht keine Mikro-Bestien gegeben – das Spezialgebiet der DERUFUS.

Wieder taumelte der Hoch-Medokogh. Ohne das Prallfeld wäre er gegen die Wand des Wohnbereichs gekippt, der sich am vorderen Ende seiner Unterkunft erstreckte. Der Lamellenpanzer schepperte trotzdem, der Lärm ließ ihn fast taub werden. Ein Teil des Erfolgs der Wassermassage war dahin.

Am liebsten wäre Omokra umgekehrt, um die Prozedur zu wiederholen. Er ließ es bleiben, es gab Wichtigeres in seinen Gedanken. Sie hakten sich an dem einen Punkt fest, der ihm in letzter Konsequenz vor Augen führte, in welchem Zustand er sich befand.

Ich erinnere mich nicht genau!

Es mussten die Schmerzen sein. Sie überstiegen die Grenze des Erträglichen, die er durch intensives Training immer weiter angehoben hatte. Sie beeinträchtigten sein Denkvermögen, und das ließ Panik in ihm aufsteigen. Er keuchte, spürte die winzigen Knoten an seinen Stimmbändern und schluckte hektisch, als könne er sie dadurch ablösen und der Verdauung zuführen.

»Es ist alles für den täglichen Rapport vorbereitet«, meldete der Servo. »Möchtest du zuvor noch etwas ausruhen?«

Ausruhen? Wie stellte sich der Automat das vor? Es gab kein Ausruhen in diesem unentwegt voranschreitenden Plan, der die Skapalm-Bark seit ewigen Zeiten lenkte und auch in Zukunft lenken würde. Die vielen Rädchen in dem großen Werk – 2500 Kolonnen-Anatomen in jeder Bark – funktionierten optimal, und wenn eines ausfiel, schob sich sofort ein anderes an seine Stelle.

»Ich habe genug geruht!«

Die Reihen der hängenden Kissen und gespannten Massagenetze sowie die schaukelnden Muldensessel verschwanden übergangslos aus seinem Blickfeld. Die Hologrammwelt der DERUFUS baute sich vor ihm auf, ein Wunderwerk räumlicher Darstellung in unterschiedlichen Farben, die ihm die achtkantige Bark von vorn bis hinten in jedem erforderlichen Detail zeigte.

Den Antriebssektoren in der Bug- und der Heckpyramide widmete er dabei selten Aufmerksamkeit. Dort taten Ganschkaren ihren Dienst, unauffällig und meist lautlos. Sie verstanden ihr Fach. Omokra hatte in den Logs der DERUFUS noch nie einen Hinweis auf schwere technische Probleme oder gar Defekte entdecken können. Die Technik der Kolonne funktionierte ebenso wie die Avoiden, die sie bedienten.

Das Interesse des Hoch-Medokoghs galt in erster Linie dem Mittelteil, wo sich bei Skapalm-Barken gewöhnlich die Sammelunterkünfte für die Besatzungsmitglieder der unterschiedlichen Völker befanden. In der DERUFUS fehlte dieses Modul. An seiner Stelle ruhte das Genetische Magazin, eine ausgedehnte Sektion mit Tausenden von Konservierungsplätzen, gerade genug, um einen reibungslosen Forschungsbetrieb aufrechtzuerhalten. Dort bewahrten die Kolonnen-Anatomen der DERUFUS die organischen Ergebnisse ihrer besser geglückten Experimente für eine spätere Verwendung auf.

»Die Katalognummer 1213UII764 steht kurz vor ihrer Vollendung«, informierte der Servo Omokra. »Willst du sie dir ansehen?«

»Vielleicht«, wich er aus. Es gab an diesem Morgen Wichtigeres für ihn. Die Geschwulst in der Schulter musste so schnell wie möglich beseitigt werden, ebenso die Knötchen an den Stimmbändern. Um Zeit zu sparen, wollte er beides gleichzeitig operieren und wie immer bei vollem Bewusstsein, lediglich unter örtlicher Betäubung.

Obwohl – bei der Geschwulst in der Schulter war es wohl besser, wenn er den Schmerz aushielt und das Verhalten der Nervenbahnen Stück für Stück analysierte.

»Die Bestie – einen kurzen Blick«, entschied er. »Beeil dich!«

In der Mitte des Hologramms bildete sich eine milchige Zone, die schneller wuchs, als ein Tumor es jemals vermocht hätte. Undeutlich entdeckte der Hoch-Medokogh dunkle Konturen in dem nebligen Feld.

»Deutlicher!«, verlangte er.

Der optische Weichzeichner versickerte im Nichts, die Konturen schälten sich fast blitzartig heraus. Rorian Omokra stockte der Atem. Einen Augenblick lang rechnete er tatsächlich damit, die dunkle Gestalt wolle sich aus ihrem Gefängnis befreien. Die Angaben von Größe und Gewicht taten ein Übriges, den Hoch-Medokogh an die Gefährlichkeit des Wesens glauben zu lassen.

Eine Makro-Bestie! Keine wie die vielen anderen, die sie bisher erschaffen hatten. Diese hier würde mehr sein, wenn Kolonnen-Anatom Sheymor Merquin recht behielt.

»Danke! Das reicht!«

Hastig wandte er sich den übrigen Abteilungen des Genetischen Magazins zu. Die Neuigkeiten hielten sich in Grenzen. Seit dem Vortag hatten die Kolonnen-Anatomen der Skapalm-Bark keine sichtbaren Fortschritte erzielt.

Omokra widmete sich den Daten des Medostasis-Tresors. In der DERUFUS bildete er zusammen mit dem Paralog-Reprotron gewissermaßen das Heiligtum der Kolonnen-Anatomen. Im Tresor lagerten Urbilder. Böse Zungen innerhalb der Terminalen Kolonne behaupteten, einzig diese Tatsache rechtfertige die Existenz der DERUFUS. In allen anderen Bereichen sei sie wertlos.

Der Hoch-Medokogh wusste es besser. Aber er nahm es zum Anlass, sich ausschließlich selbst um den Tresor und seine Schätze zu kümmern. Die Medostasis-Sektion war Chefsache. Dreimal vergewisserte er sich, dass die Ganschkaren alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatten und es keine Überwachungslücke gab.

»Bereite Operationszentrum Sechs für mich vor«, instruierte er den Servo anschließend. Wenn die Genese der Makro-Bestie beendet war, wollte er wieder beschwerdefrei sein.

 

*

 

Für eine Funkbotschaft aus der Dienstburg CRULT ließ Rorian Omokra alles stehen und liegen. Das Skalpell glitt aus seiner Hand. Mit einem leichten Klaps schleuderte er den Schwenkarm mit der Mikrokamera zur Seite, die in seiner Wunde steckte. Blut spritzte auf die Armaturen, in deren silberner Oberfläche sich der Körper des Kolonnen-Anatomen spiegelte. Omokra musterte flüchtig die blutende Schulter, den leicht aufgequollenen Hals und den haarlosen Kopf. Die Augen lagen nicht so tief in den Höhlen wie gewohnt. Entdeckte er in dem Gesicht so etwas wie einen Ausdruck von Furcht?

Er wischte den Gedanken zur Seite, ließ sich von einem der Roboter ein weißes Tuch überwerfen. Betont würdevoll wandte er sich um. Aus einem Hologramm hinter dem Operationstisch starrte ein Mor’Daer auf ihn herab.

»Du blutest, Hoch-Medokogh!«

»Kein Grund zur Besorgnis. Was kann ich für Antakur von Bitveit tun?«

»Der Progress-Wahrer schickt dir folgende Botschaft: Der Dual Dantyren ist mit hoher Wahrscheinlichkeit vernichtet worden. Da er sich bewährt hat, soll ein neuer Dantyren geschaffen werden.«

»Ich habe verstanden und werde alles in die Wege leiten!« Er sah, wie der Mor’Daer aus CRULT das Gebiss entblößte, dann erlosch das Hologramm.

»Ein Dual getötet«, murmelte Omokra. Er wies den Medorobot auf der anderen Seite des Ensembles an, ihm ein blutstillendes Medikament zu injizieren. »Und dann auch noch Dantyren. Unglaublich!«

Die Erschaffung eines neuen Duals stellte keinen alltäglichen, aber dennoch einen normalen Vorgang dar. In diesem Fall ging es um eine einzigartige Kombination der Kolonne, einen Menschen und einen Mor’Daer.

Roi Danton und Yrendir.

Der Hoch-Medokogh bereitete entsprechende Anweisungen an die zuständigen Kolonnen-Anatome vor.

2.

 

Cav scharrte draußen an der Tür. Anfangs beachtete Sheymor Merquin es nicht.

Der Kolonnen-Anatom konzentrierte sich auf die Muster, die der Scanner lieferte. Jeden Winkel der Laborsektion tastete er ab. Er fand nichts. Die Reinigungsroboter hatten eine Sonderschicht eingelegt und jede Spur am Boden fein säuberlich beseitigt. Wer sie beauftragt hatte, wusste Merquin nur zu gut.

»Pharoib Inssino!«, zischte der Kolonnen-Anatom. »Als wenn du den Staub riechen könntest.«

Merquin hatte den Nanostaub absichtlich hauchdünn aufgetragen. Es hatte ausgereicht, damit er später genau erkennen konnte, wo Inssino sich während seiner Schicht überall aufgehalten hatte. Der einstige Weggefährte hatte die Manipulation dennoch bemerkt.

»Du bist gefährlicher, als ich dachte«, fuhr Merquin fort und wandte sich vom Terminal ab. Der Lamellenpanzer kreischte, als wolle er ihm damit seine Zustimmung kundtun.

Draußen scharrte Cav lauter, das Geräusch nervte den Kolonnen-Anatomen. Er schaltete den Scanner ab und ließ die Tür zur Seite gleiten. Da kauerte der Winzling, der ihm gerade mal bis zu den Knien reichte.

»Was willst du?«

Cav brummte unverständlich vor sich hin und scharrte weiter.

Die Mikro-Bestie vermochte sich nicht richtig zu artikulieren. Und Sheymor Merquin fragte sich zum ungezählten Mal, warum er sie eigentlich am Leben gelassen hatte. Sie war ein Zwerg ohne jeden Ansatz zur Strukturumwandlung, zudem geistig zurückgeblieben. Lediglich der Phänotyp hatte sich normal entwickelt – die einseitige Haltung hing mit der einseitigen Ausbildung des Gehirns zusammen.

Eine misslungene Kreatur – eine von vielen tausend oder zehntausend bei der Suche nach dem einen Erfolg. Generationen von Kolonnen-Anatomen der DERUFUS hatten ihr Leben damit verbracht, den entscheidenden Hinweis zu entdecken, um die Mikro-Bestien zu perfektionieren. Keinem war es bisher gelungen.

Sheymor Merquin empfand den Umstand als Schmach. Als derzeitiger Leiter der Mikro-Bestien-Forschung trug er die Verantwortung für das Projekt. Ihm unterstanden das Genetische Magazin und die angeschlossenen Experimentalsektoren. Längst zählte er die Jahre nicht mehr, die er zusammen mit Pharoib Inssino in der Skapalm-Bark verbrachte. Er führte keine separate Statistik darüber, ob er Tausende oder Zehntausende tauglicher Mikro-Bestien erschaffen hatte. Wenn eines dieser Geschöpfe den Brutsaal verließ, versuchte er, den Bioscanner zu hypnotisieren, den Erfolg wenigstens in Gedanken herbeizuzwingen.

Bisher ohne Erfolg.

Im Unterschied zu den Makro-Bestien, diesen vierarmigen Riesen aus der Retorte, fehlte den Mikro-Bestien ein Organ – das wichtigste überhaupt, wie Merquin wusste.

Sie besaßen kein Planhirn. Und das machte sie unberechenbar. Als effiziente Killer bildeten sie zwar eine wichtige Population innerhalb der Terminalen Kolonne, aber ihr destruktiver und oft anarchischer Charakter war ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor bei jedem Vorhaben, an dem sie beteiligt waren. Einmal losgelassen, verloren sie die Kontrolle über sich. Mehr als einmal hatten sie ganze Ebenen eines Schiffes oder eines Forts verwüstet.

Ein Planhirn hätte geholfen, diese Ausbrüche zu kontrollieren oder sogar zu verhindern.

Cav scharrte noch immer. Sheymor Merquin hatte endgültig genug von dem Geräusch.

»Komm herein!«, sagte er. »Es ist Zeit für dich!«

Die Mikro-Bestie ignorierte ihn. Sie wandte sich ab und streckte ihm den Hintern entgegen.

Der Kolonnen-Anatom griff ungeduldig zwischen die Lamellen seines Panzers und zog den schmalen Silberstift hervor. Mit einer Kralle der rechten Hand aktivierte er den Projektor. Um die Mikro-Bestie bildete sich ein bläulich schimmerndes Traktorfeld. Merquin transportierte sie durch den Tunnel hinüber in den Wohnbereich, wo ein geräumiger Käfig stand.

Cav schwebte hinein. Die Automatik schloss das Gitter und verriegelte es. Die Mikro-Bestie tat ihren Unwillen kund. Sie schlug mit den Fäusten gegen die Gitterstäbe, ohne etwas ausrichten zu können.