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Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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10.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2485

 

Hyperflackern

 

Kosmische Waffenbrüder am Grenzwall – sie versuchen den Durchbruch

 

Arndt Ellmer

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Die Lage für Perry Rhodan und die Menschheit ist verzweifelt: Eine gigantische Raumflotte, die Terminale Kolonne TRAITOR, hat die Milchstraße besetzt. Sie wirkt im Auftrag der Chaotarchen, und ihr Ziel ist kompromisslose Ausbeutung.

Die Milchstraße mit all ihren Sonnen und Planeten soll als Ressource genutzt werden, um die Existenz einer Negasphäre abzusichern. Dieses kosmische Gebilde entsteht in der nahen Galaxis Hangay – ein Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden.

Mit verzweifelten Aktionen gelingt es den Menschen auf Terra und den Planeten des Sonnensystems, dem Zugriff der Terminalen Kolonne standzuhalten. Sie verschanzen sich hinter dem TERRANOVA-Schirm und versuchen, die Terminale Kolonne zu stören. Hinzu kommen erste Erfolge im Angriff: die Zerstörung von CRULT etwa oder das Vordringen nach Hangay.

Allerdings ist für das Gros der Einsatzkräfte der Weg in diese Galaxis versperrt: Eine Art Verwirbelung zwischen der normalen Physik des Universums und der chaotischen Negasphären-Physik bildet einen undurchdringlichen Grenzwall. Die einzige Hoffnung stützt sich auf die Parapositronik ESCHER, der es durch einen Trick gelungen ist, ins Innere Hangays zu gelangen, und die dort versuchen soll, eine Lücke in diesem Wall zu schaffen. Perry Rhodan wartet also vor dem Grenzwall – und erlebt ein HYPERFLACKERN …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner muss seinen Leuten ein Vorbild sein und sich in Geduld üben.

Kamuko – Die Gründermutter begibt sich an die Front, verweigert aber jede Hilfe.

Kantiran – Der Patron der Friedensfahrer führt seine Organisation nach Hangay.

Mondra Diamond – Die Gefährtin Perry Rhodans sieht eine alte Rivalin wieder.

1.

 

Die Nachricht von NEMO erreichte Perry Rhodan in seiner Kabine.

»Der Nukleus pulsiert schneller als bisher«, meldete der Hauptrechner der JULES VERNE.

Rhodan sprang auf. »Gucky soll mich abholen!«

»Der Ilt wird soeben informiert.«

»Danke, NEMO!«

Seit Wochen wartete Rhodan darauf, dass sich etwas tat oder die Funken sprühende Kugel wenigstens ihr autistisch anmutendes Verhalten ablegte.

Er warf einen kurzen Blick auf die Einrichtung seines Wohnzimmers, auf die bequemen Sitzmöbel und die Holografien an den Wänden. Allzu oft würde er diesen Frieden in nächster Zeit nicht genießen können, sobald es in die heiße Phase des Kampfes gegen TRAITOR und die Proto-Negasphäre von Hangay ging. Wenn die Galaktiker erst gegen KOLTOROC und den Chaotarchen Xrayn antreten mussten, würde ihnen dies alles abverlangen.

Bisher ruhte die JULES VERNE geborgen in einem der riesigen Hangars des GESETZ-Gebers CHEOS-TAI, der immer wieder zum undurchdringlichen Grenzwall Hangays flog, Messungen vornahm und die Parameter des fünfdimensionalen Kontinuums auf ihre Veränderungen prüfte. In naher Zukunft sollte sich ihnen eigentlich eine Passage eröffnen …

Solange dies nicht der Fall war, so lange hüllte sich auch der Nukleus in eine einzige, immer wiederholte Antwort auf jede gestellte Frage: Wir warten auf ESCHER!

Denn ESCHER, die Parapositronik, würde die Passage öffnen, aus der Kernzone Hangays heraus. Auf ESCHER ruhten alle Hoffnungen.

Wenn sich nun eine Veränderung des Nukleus zeigte, lag es nahe anzunehmen, dass ESCHERS Vorhaben umgesetzt wurde. Sollte der 7. Oktober 1347 NGZ zu jenem Tag werden, an dem sie endlich ins Herz der entstehenden Negasphäre vordrangen?

Rhodan trat ungeduldig auf der Stelle, bis zwei Schatten neben ihm auf den Boden fielen. Ein Luftzug streifte seinen Nacken. Er wandte sich um und sah Gucky mit Mondra Diamond an der Hand stehen. Der Ilt streckte ihm den freien Arm entgegen, den er hastig ergriff. Sie teleportierten.

Die Kabine verschwand schlagartig und wich einem der goldenen Hangars von CHEOS-TAI, in dessen diffusem Licht für terranische Augen Wände, Decken und der Boden miteinander zu verschmelzen schienen. Malcolm S. Daellian war schon da, ebenso Icho Tolot und Alaska Saedelaere.

Und in der Mitte schwebte eine leicht pulsierende, rund zwei Meter durchmessende Kugel aus dicht wirbelnden Lichtfunken: der Nukleus der Monochrom-Mutanten, der Platzhalter von ES, das designierte Opfer des Hangay-Feldzuges …

Messanlagen zeichneten alle Vorgänge im Zusammenhang mit dem Nukleus auf.

Rhodan ging auf die Kugel zu. Im Abstand von fünf Metern blieb er stehen. Er öffnete seinen Geist, um den Nukleus an seinen Gedanken und seinen Erwartungen teilhaben zu lassen. Du willst uns etwas sagen? Geht es um den Plan, den wir dringend entwickeln müssen?

Es ist zu früh. Noch sind nicht alle Teilnehmer an der Retroversion versammelt …, lautete die mentale Antwort des Geistwesens.

Hast du eine Erklärung dafür, warum sich am Grenzwall noch immer nichts tut?

Es bedarf keiner Erklärung, Perry Rhodan, wisperte es in seinem Bewusstsein. ESCHER wird uns einlassen. Irgendwann und auf welche Art auch immer.

Hast du uns deshalb gerufen? Das wissen wir bereits.

Ich habe euch nicht gerufen. Ihr seid von euch aus gekommen.

Die Zeit läuft uns davon. Die Lage im Solsystem wird immer bedrohlicher. Wer garantiert, dass dein Ableger, diese BATTERIE, Ausfälle unter den Terranern in jedem Fall kompensieren kann?

Niemand garantiert das, Perry Rhodan. Hab Geduld! Du weißt aus Tare-Scharm, dass es auch dort nicht Schlag auf Schlag voranging. ARCHETIM musste den günstigsten Zeitpunkt abwarten.

Ich fürchte, wir verpassen diesen Zeitpunkt. Denkst du eigentlich an die Verantwortung für die Menschheit, die auf mir, auf uns allen lastet?

Welch eine Frage, Rhodan! Ich denke pausenlos daran. ESCHER wird uns rechtzeitig einlassen.

Irgendwie klang das arg nach Zweckoptimismus. Aber zu Zweckoptimisten waren sie in letzter Zeit alle geworden. Ohne Zweckoptimismus hätten sie nach Hause fahren können.

Rhodan wechselte das Thema. Es gab genug andere drängende Fragen, auf die er sich eine Antwort erhoffte. Für wie hilfreich würdest du ein Instrument wie die Nachtlicht-Rüstung einschätzen? Glaubst du, es könnte dir helfen?

Diese Frage kann ich aus den zur Verfügung gestellten Daten nicht beantworten. Die Trägerin der Rüstung hat sie jedenfalls nicht in der Form eingesetzt, die vorgesehen war. Inwiefern ARCHETIMS Tod auch darauf zurückzuführen ist, kann ich dir nicht seriös beantworten.

Aber es würde dich beruhigen, wenn wir so etwas hätten, nicht wahr?

Der Nukleus schwieg.

Nach ein paar Minuten geduldigen Wartens wandte Rhodan sich von der Funken sprühenden Kugel ab. Vermutlich lauschte sie mit ihren fünf- und sechsdimensionalen Sinnen in den Hyperäther Hangays hinaus.

Rhodan kannte den Nukleus inzwischen gut genug, um sein Verhalten einzuschätzen. Wie so oft wusste er mehr als sie alle zusammen, aber aus Sicherheitsgründen gab er keine Informationen weiter. Dass Zusammenhänge existierten, ließ sich an ein paar wenigen Dingen ablesen, etwa dem Wechsel seines Domizils. Vor drei Wochen, als die Friedensfahrer eine OREON-Kapsel mit einem Androiden geschickt hatten, war der Nukleus aus seiner bisherigen Bleibe an Bord der JULES VERNE in einen der kleineren Hangars von CHEOS-TAI übergesiedelt. Einfach so und ohne eine Erklärung abzugeben.

Perry Rhodan nahm es als Zeichen, dass sich schon bereits bald etwas ändern würde. Hoffentlich schon in den kommenden Tagen. Die Warterei vor dem Grenzwall Hangays wurde für die Besatzungen der terranischen Schiffe langsam zum Problem.

 

*

 

»Das schnelle Pulsieren des Nukleus kann vieles bedeuten«, sagte Lanz Ahakin, als Rhodan Level 1 der Hauptleitzentrale erreichte und COMMAND betrat. »Beispielsweise ein Hinweis auf etwas Bedrohliches oder ein Zeichen für den Erfolg ESCHERS.«

»Oder er könnte auf die Annäherung der Nachtlicht-Rüstung reagieren«, meinte Mondra.

»Oder es bedeutet gar nichts«, gab Gucky zu bedenken.

»In der Tat«, sagte Ahakin leicht säuerlich. »Vielleicht nähern sich uns die ersten OREON-Kapseln mit Friedensfahrern?«

Von Lars Brock kam ein entschiedenes »Nein! Aber das darf nicht verwundern. Ihre Ankunft wurde uns für den Zeitraum zwischen dem 7. Oktober und dem 7. November angekündigt. Dass sie gleich am ersten Tag auftauchen, war sowieso unwahrscheinlich.«

»Um es auf den Punkt zu bringen: Nichts Genaues weiß man nicht.« Lanz Ahakin seufzte.

Rhodan wusste nur zu gut, wie dem Kommandanten zumute war. Die Vagheit ihrer Situation, die Stabilität des Grenzwalls nach Hangay, all das zermürbte die Besatzung, und so mancher hielt die Sache für gelaufen, wollte zurück in die Heimat, um dort wenigstens denen zu helfen, die jede Sekunde ihres Lebens in Gefahr waren, der Terminalen Kolonne zum Opfer zu fallen. Die Entstehung einer Negasphäre war zu abstrakt und zu langfristig gegenüber dem Leben eines Menschen.

Rhodan verstand diese Gedanken. Es gab keine Anzeichen, dass ESCHER drinnen in der Galaxis etwas erreicht hatte. Wie konnte er es den Leuten übel nehmen, wenn sie zweifelten? Alles, was zu tun blieb, war, ein Vorbild zu sein. Das vor allem anderen war die Aufgabe des unsterblichen Terraners. Wenn ich erst anfange, Zweifel zu zeigen, haben wir verloren.

Um sich selbst Mut zu machen angesichts des überlegenen Feindes, ging er in Gedanken durch, was auf der Habenseite stand:

Mit der JULES VERNE verfügen wir über ein voll einsatzfähiges Schiff, dessen Trafitron-Antrieb den Systemen der Terminalen Kolonne überlegen ist. Und dank der modifizierten VRITRA-Kanonen nehmen wir es mit einigen Traitanks locker auf. Dazu kommen die kleinen Extras aus den Schmieden von Evolux …

Noch immer erinnerte er sich mit Staunen an das Hypervastor-Blitz-System, das sich im Augenblick der Not gemeldet und seinen Einsatz angeboten hatte. Dank dessen fünfminütiger Ortungsblendung war es gelungen, mit der Hantel und dem Quell-Klipper im Schlepp aus der Umklammerung Hunderter von Traitanks zu entkommen.

Seither wusste jeder in der JULES VERNE und im Tender ALPHA ZENTRA von der kosmokratischen Hightech, die allem überlegen war, was seit der Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstands in diesem Universum funktionierte.

Zusammengenommen bedeutete es, dass die JULES VERNE ein sehr mächtiger Gegner für die Kolonne war – aber derzeit von jedem Kampf ausgeschlossen, solange ihr der Zugang nach Hangay verwehrt blieb.

Ihr und ihrer direkten Unterstützung, den beiden Einsatzgeschwadern »Hangay« und »ARCHETIM« sowie dem Nukleus, dem eine Schlüsselrolle bei der Retroversion zukommen würde.

Für eine erfolgreiche Retroversion war allerdings noch sehr viel mehr notwendig, und so kamen weitere Verbündete hinzu: Da war ESCHER, die Parapositronik, deren fremdartiges Denken und Handeln auf Terra mehrfach Probleme bereitet hatte; die Abtrünnigen unter den Dunklen Ermittlern; die Friedensfahrer, die endlich aus der Passivität im Kampf um die Negasphäre herauszutreten begannen; möglicherweise auch die Wasserstoff-Mächtigen aus grauer Vorzeit und einem anderen Universum, die vor Monaten im Solsystem aufgetaucht waren; CHEOS-TAI, der GESETZ-Geber, der bereits an der Retroversion von Tare-Scharm vor zwanzig Millionen Jahren beteiligt gewesen war.

Wenn er sich all das vorstellte, repräsentierte die JULES VERNE nur die Speerspitze einer beachtlichen Streitmacht. Verglichen mit dem, was ARCHETIM einst für Tare-Scharm aufgeboten hatte, war sie allerdings ein Witz – andererseits war damals die Entstehung der Negasphäre schon deutlich weiter fortgeschritten. Zudem war Hangay sehr viel größer als Tare-Scharm und würde sich entsprechend langsamer auf den point of no return zubewegen.

Trotzdem … das lange Warten zehrte die Motivation auf, umkleidete jede positive Nachricht mit schwarzem Trauerflor der Passivität und senkte Mutlosigkeit in die Herzen der Männer und Frauen.

Sieben lange Wochen war es her, seit der Nukleus die JULES VERNE erreicht hatte. Es war wie das lang ersehnte Startsignal gewesen – aber das war ein Irrtum gewesen. Hätte sie sich bei ihrem viele Monate dauernden Aufenthalt in der Vergangenheit nicht eine gute Portion Geduld anerzogen, hätte die Besatzung der JULES VERNE das Warten vermutlich nicht ausgehalten.

ESCHER wird uns rechtzeitig einlassen. Bei entsprechend häufiger Wiederholung klang es in Rhodans Ohren nicht viel anders als der Satz, den der Nukleus in den ersten sieben Wochen von sich gegeben hatte: Wir warten auf ESCHER!

Rhodan lenkte seine Gedanken auf einen Umstand, der ihn irritierte – eine Nachricht, die er nicht einfach einordnen und sich daran erfreuen konnte, denn sie klang so bizarr und enthielt so viele Implikationen, dass sie sich womöglich als Bumerang erweisen konnte: Die Prinzipa Kamuko, oberste Heerführerin ARCHETIMS, hatte sich als Gründermutter der Friedensfahrer zu erkennen gegeben – und Kantiran war zum Patron dieser Organisation erhoben worden.

Was würde sich daraus ergeben?

Und: Konnte Kamuko nach zwanzig Millionen Jahren und dem Tod ARCHETIMS noch immer dieselbe sein, die er kennengelernt hatte?

Es war kaum vorstellbar.

Und plötzlich fühlte Perry Rhodan ein seltsames Gefühl der Beklemmung …

2.

 

»Die Gründermutter schläft jetzt«, meldete ILKAN, der Bordrechner von Kantirans OREON-Kapsel THEREME II. Das erste Raumfahrzeug dieses Namens existierte nicht mehr, aber Kantirans Erinnerung an seine erste große Liebe hatte ihn bewogen, die neue Kapsel erneut nach ihr zu benennen. Je länger er sie besaß, desto ähnlicher wurde sie der Original-THEREME.

Nicht unbedingt zur Freude seiner Lebensgefährtin Cosmuel Kain.

»Das ist gut für sie«, sagte Cosmuel und schloss für einen Augenblick die Lider.

»Solange sie schläft, quält sie sich nicht«, pflichtete Kantiran ihr bei. Die beiden saßen sich in der Sitzgruppe des Steuerraums gegenüber und wirkten müde.

Kamuko war … schwierig. Auf dem Wohnmond Fumato hatte Kantiran gehofft, ihr seelischer Zustand würde sich bessern, nachdem sie wieder in die Öffentlichkeit getreten war. Aber diese Hoffnung scheiterte an einem Teufelkreis aus Erinnerungen und Gedanken der Gründermutter: Sie steckte voller Selbstvorwürfe und wusste nie, ob das bislang doppelte Scheitern ihres Lebens an ihrer Verweigerung oder an mangelndem Können lag. Die gegensätzlichen Emotionen schienen sich in ihr hochzuschaukeln, gefördert zusätzlich durch die Nachtlicht-Rüstung, dieses unerhört fortschrittliche und zugleich archaische Instrument der Wahrnehmung und Steuerung, eigens geschaffen für sie, eigens für die erfolgreiche Koordination einer Retroversion entwickelt. Ein Geschenk der Hohen Mächte, das für die enormen Fähigkeiten, die es verlieh, auch einen hohen Preis forderte. Ein Danaergeschenk, wie Kantiran mittlerweile dachte.

Kamukos Worte hallten ihm noch im Ohr. Nie mehr würde sie diese Rüstung in kriegerischer Absicht einsetzen, nie wieder den Helm tragen, der ihr bei der Orientierung im Hyperraum geholfen hatte zu überleben.

Nie wieder kämpfen – ein Schwur, der sich immer stärker wie ein Fluch anhörte.

»Sie hat in den letzten Jahrhunderten mehr vor sich hinvegetiert, als aktiv in die Geschicke von Altasinth einzugreifen«, sagte Cosmuel nach einer Weile. »Das hinterlässt Spuren, körperlich und psychisch.«

»Und jetzt wird sie mit einer Gestalt ihrer Vergangenheit konfrontiert, die für sie ebenso zwiespältig sein dürfte, wie sie selbst derzeit ist: mit meinem Vater.«

Er merkte es an der Art, wie sie seit Tagen durch die THEREME II schlich, getrieben von der Erinnerung, gejagt von sich selbst.

Der Patron der Friedensfahrer strich sich ein paar Strähnen seines schwarzen Haares aus dem Gesicht. Er schwenkte den Sessel um neunzig Grad und wandte sich dem Kugelhologramm im Zentrum der kreisförmigen Zentrale zu. Es zeigte Hangay, die Zielgalaxis. Zwei Stunden Hyperraumflug lagen noch vor der OREON-Kapsel, die mithilfe der Quartalen Kraft durch diesen Teil der Universellen Schneise raste.

Kantiran lauschte in sich hinein. Seine innere Unruhe war dieselbe wie vor ihrem Aufbruch aus dem Rosella-Rosado-System. Kamuko und ihr Verhalten hatten ihn so beschäftigt, dass er mit sich selbst noch gar nicht im Reinen war. Gut, die Friedensfahrer hatten ihn in Abwesenheit zu ihrem Patron gewählt. Sie hatten sich damit für den Kampf und gegen ihre ureigenen Prinzipien entschieden. Es war eine gute Wahl, denn TRAITOR zu bekämpfen hieß, vernünftig zu handeln.

Das hatten sie inzwischen mehrheitlich verinnerlicht. Oft genug hatte er in den vergangenen zwei Jahren versucht, ihnen die Gefahr für diesen Teil des Universums begreiflich zu machen. All seine Überzeugungskraft legte er hinein, dass niemand angesichts einer solchen Bedrohung des Lebens die Hände in den Schoß legen durfte. Es ging alle etwas an.

Inzwischen kannte er die Gründermutter und ihre Anschauungen, die sie dem Orden der Friedensfahrer einst vermittelt hatte. Er verstand die Haltung, doch jetzt war selbst Kamuko halb auf seiner Seite. Sie hatte mit sich selbst einen Kompromiss geschlossen und würde die Friedensfahrer nicht an ihrer Absicht hindern.

Dass sie den Flug in den Halo von Hangay mitmachte, lag allerdings nicht daran, sondern an Perry Rhodan, der sich dort mit der JULES VERNE und dem ARCHETIM-Geschwader aufhielt. Der Kampf gegen die entstehende Negasphäre interessierte sie nicht. Zu sehr war dieser in ihrer Erinnerung mit dem eigenen Versagen verknüpft: Sie gab sich die Schuld am Tod ARCHETIMS ebenso wie an dem des LICHTS VON AHN.

Kurz vor dem Flugziel glaubte er, dass sie ihren Entschluss mitzukommen bereute. Sie vergrub sich in ihrer Kabine. Kantiran hätte sich nicht gewundert, wenn sie ihn zur Umkehr aufgefordert hätte. Vielleicht hätte er ihr diesen Wunsch sogar erfüllt. Aus Dankbarkeit. Kamuko hatte ihnen geholfen, einen zusätzlichen Bahnhof zu aktivieren, Tanutula in der gleichnamigen Galaxis. Dadurch verkürzte sich die Flugzeit zwischen Rosella Rosado und Cala Impex um 31 auf nur noch 25 Tage.