cover.jpg

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

Epilog

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img1.jpg

 

Nr. 1614

 

Beauloshairs Netz

 

Sie sind die Herrscher einer Galaxis – und verwalten ein furchtbares Erbe

 

von Arndt Ellmer

 

img2.jpg

 

In den letzten Stunden des 15. Mai 1200 NGZ löst sich die Zone der Hyperraum-Parese, die das Solsystem und das benachbarte Raumgebiet seit dem 10. Januar gefangen hielt, plötzlich und unerwartet wieder auf. Hyperfunk und Hyperraumflug sind ebenso wieder möglich wie alles andere, das auf 5-D-Technologie und Energiegewinnung aus dem übergeordneten Kontinuum basiert.

Doch die Frage, wie es überhaupt zur Entstehung der Toten Zone kommen konnte, bleibt vorerst unbeantwortet. Das gilt auch für die Rätsel, die den Galaktikern von den Ennox aufgegeben wurden. Philip, der von ES auserwählte neue Zellaktivatorträger, ist zusammen mit seinen Artgenossen im Zorn verschwunden.

Neues Unheil scheint den Galaktikern bereits zu drohen, denn Myles Kantor und sein Team entdecken Strukturrisse im Hyperspektrum, die sich im Raumsektor M 3 bündeln, wo sich ein bedrohlicher 5-D-Attraktor gebildet hat. Die Wissenschaftler begeben sich augenblicklich dorthin, um nähere Untersuchungen anzustellen.

Währenddessen betreibt im Solsystem Reginald Bull seine eigenen Forschungen. Sie betreffen die scheinbar ausgestorbenen Arachnoiden in der fernen Galaxis NGC 1400. Und deren Geschichte erzählt BEAULOSHAIRS NETZ ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Beauloshair – Der Arcoana webt die Geschichte seines Volkes.

Heleomesharan – Gestalter einer neuen Welt.

Grel, Gruk und Wirad – Pioniere der Arachnoiden.

Grender – Er wurde als Fürst geboren und stirbt mit der Welt des Ursprungs.

Coush – Er interessiert sich für alles.

Prolog

 

Der Ruf hallte über die gesamte Ebene. Die Lauscher verließen ihre Plätze und suchten so rasch wie möglich die Kommunikationsstellen auf.

»Beauloshair webt ein Netz!«, verkündeten die Automaten, und nach wenigen Atemzügen wusste es der ganze Planet und das ganze Reich, und von den anderen Welten der 73 Sonnen trafen die ersten Anfragen ein, ob Transitschiffe bereitstünden, damit Interessenten den Beginn noch miterleben konnten.

Innerhalb kürzester Zeit füllte sich die Ebene Teshara, und die Arcoana sammelten sich zwischen den Waldsäumen und begannen das Plateau zu umlagern.

Die Brunnen plätscherten aufgeregt vor sich hin, stießen ihre Fontänen kerzengerade empor und erzeugten ein Prasseln auf den Felsen vor dem Hain.

Näher als drei Fadenlängen wagte sich keiner an das Lager des alten Mannes heran. Ehrfürchtiges Schweigen lag über dem Hain und der Ebene, und als Beauloshair sich bewegte und seinen Körper in der dick gepolsterten Mulde zurechtlegte, da hielt die Welt den Atem an.

Beauloshair webte ein Netz!

Längst besaßen die Arcoana keine Möglichkeit mehr, richtige Netze zu spinnen. Ihre Spinnwarzen waren im Lauf der Evolution verkümmert, und sie ließen künstliche Netze anfertigen. Beauloshair aber wollte etwas tun, was keinem Automaten, sondern nur einem Großdenker und uralten Weisen möglich war.

Der Arcoana begann zu singen. Er sang die Geschichte des Volkes seit ihren Anfängen, und er wob ein historisches Netz daraus. Seine Worte verbreiteten sich rasch über den Hain und die Ebene und erreichten jeden Winkel Occreshijas. Sie wurden in alle Ecken Noheyrasas übertragen und begierig aufgenommen.

Der über viertausend Weltenläufe alte Arcoana hatte begonnen, sein Lebenswerk zu schaffen.

Es war DAS NETZ.

1.

Die Arche

 

Das leise Sirren und Fiepen der Doshevall lockte Heleomesharan zur Flutungskammer.

Leise schob er seinen Körper auf die Plattform und streckte den Kopf über das durchsichtige Dach der Halle. Aufmerksam betrachtete er die schlanken Schatten, wie sie sich aus dem Wasser hoben, nach oben schossen und in elegantem Bogen wieder zurück in ihr Element glitten. Ihre Körper glitzerten im Licht der dunkelgelben Scheinwerfer, die sie an das Licht ihrer zukünftigen Sonne gewöhnen sollten.

Vierzig Doshevall waren es, die sich in der Kammer tummelten. Sofort entdeckten sie seine Anwesenheit und schossen noch höher in die Luft hinauf. Der größte unter ihnen scheuchte alle anderen weg in die Ecken, raste mehrmals kreuz und quer durch die Fluten und schnellte sich dann nach oben. Wie ein Geschoss flog er empor, erreichte zwischen zwei Scheinwerfern die Decke und berührte sie mit der Schnauze. Er drehte sich, stieß sich mit der Schwanzflosse ab und kehrte in das feuchte Element zurück.

»Bald ist Fütterungszeit«, ließ Heleomesharan seine Zangen erklingen. Die zarten Laute drangen durch das Sichtplast bis hinab zu ihnen, und er war sicher, dass sie ihn verstanden. »Heute füttere ich euch persönlich.«

Die Doshevall rotteten sich zu einem Pulk zusammen und führten ihm einen Synchronsprung vor. Aufmerksam verfolgte der Patron der SHOURASA ihre Darbietung. Dabei bewegte er seinen Körper im selben Tempo mit, das die Doshevall vorgaben, so dass er sie stetig im Sichtzentrum seines mittleren Augen-Doppelpaares behielt. Versuche hatten gezeigt, dass sie besonders auf die Wanderungen seiner dunklen Augen achteten. Heleomesharan war das einzige der fünfhundert Mitglieder seiner Sippe an Bord, das es fertigbrachte, die Doshevall mit den Augen zu lenken.

Der Patron trug den üblichen Leuban, wie alle Arcoana. Nur zwei kleine Manschetten am Rückenteil deuteten darauf hin, dass er nicht zu den gewöhnlichen Besatzungsmitgliedern gehörte. Die Manschetten stellten eine Orientierungshilfe für die Doshevall und viele andere Arten dar. Aber sie spürten seine Sonderstellung auch so. Heleomesharan besaß eine Ausstrahlung, der sich weder die Arcoana noch die siebzehntausend verschiedenen Tierarten an Bord entziehen konnten.

In einer der Taschen des Leubans plapperte unentwegt eine Stimme. Der Patron hörte ihr zu, aber seine Gedanken weilten anderswo. Die Harmonie der Doshevall versetzte ihn in eine eigenartige Stimmung, und er wandte sich unwillkürlich von der Sichtscheibe ab und setzte seinen Weg durch die achtundsiebzigste Sektion fort.

»Heleomesharan an Zentrale«, sang er, und seine Stimme erzeugte eine so starke Resonanz an der Wölbung des Tunnels, dass sie die Übertragung störte. »Ich befinde mich auf der Höhe von Schleuse drei-elf-acht. Wie sieht der Kurs aus?«

»Gut, sehr gut«, kam die Antwort aus der Tasche. Sie unterschied sich in der Tonlage deutlich von der des Berichterstatters, der die ganze Zeit geplappert hatte. »Ehrenwerter Patron, der Kurs wurde vor wenigen Fadenlängen korrigiert. Wir befinden uns sechs Supra-Netzstrecken vor Keurouha.«

»Das ist ein gutes Ergebnis. Versuche, den Flug des Schiffes weiter zu verzögern, werter Heliogabal.«

»Dein Wunsch ist mir Befehl, Heleomesharan.«

Der Patron hüpfte vor Freude an der Wölbung entlang, und in der fünften Tasche nahm der Berichterstatter seinen ewig andauernden Monolog wieder auf.

»Die elf Perokken in Trakt acht-neun-einundsiebzig haben ihr Geschäft verrichtet und werden vom Trikter zurück in ihre Nischen geführt. Die Nester in siebzehn-vier-elfhundertdrei sind fertig gestellt. Die Virollas beginnen mit dem Brüten. Die Jungen werden schlüpfen, sobald unsere stolze SHOURASA ihr Ziel erreicht hat. Heleomesharan hat verkündet, dass dies die Akzeptanz der neuen Umgebung bei den Virollas erhöhen wird. Ihr Trakt im Schiff wurde so gestaltet, dass er mit der neuen Umgebung auf Keurouha nahezu identisch ist. Ein Hoch auf unseren Patron. Er ist auf dem besten Weg, in die Fußspuren Beauloshairs zu treten, des größten Netzknüpfers, den die Geschichte der Arcoana hervorgebracht hat. Im untersten Deck sind die Wettflüge der Pironesen-Vögel von Sroumanra in vollem Gang. Wünscht jemand ein Holo? Die Schwerkraft wurde um den Wert von drei Hundertstel angehoben, damit sind dieselben Voraussetzungen gegeben, wie sie auf Keurouha herrschen. Danke, werter Techniker Forouwalla, Onkel meiner Großtante, für dein Interesse an dieser liebenswerten Spezies. Möchte noch jemand ein Bild? Ich weise darauf hin, dass wir laut Anzeige der Delta-Detektoren innerhalb des nächsten Viertel-Sonnenlaufes Probleme mit den unteren Verankerungen der Brut-Container bekommen. Es handelt sich um eine Materialermüdung. Die oberen Verankerungen sind in Ordnung, die Projektoren für das Prallfeld einsatzbereit. Aus dem Observatorium geht soeben die Meldung ein, dass es im Bereich Goringar zu energetischen Leuchterscheinungen im Supra-Bereich kommt. Dies unterstützt die Berechnungen, wonach Goringar sich in einer instabilen Zone befindet, deren Ursachen im Zentrum Noheyrasas zu suchen sind. Es wird dringend ersucht, den Sektor Goringar nach Möglichkeit zu meiden. Alle Forscher und Schiffe sind von dort zurückzubeordern. Laproseom teilt aus dem Topf des Supra-Aggregats mit, dass die Energiereserven um zehn Prozent über dem errechneten Wert liegen. Wenn Heleomesharan an seinem Flugplan festhält, werden wir nach der Rückkehr in das Depot etwa zwanzig Prozent an die Planetenspeicher zurückgeben können. Werter Patron, Aumoora fragt nach dir. Was soll ich ihr ausrichten?«

Vor Schreck zögerte Heleomesharan mit der Antwort.

»Ist etwas nicht in Ordnung?«, rief er dann.

»Nein, nein«, lautete die Antwort. »Sie wollte nur deinen Aufenthaltsort wissen.«

»Ich befinde mich auf dem Weg zu ihr«, sang er. »Von hier aus sende ich ihr viele Grüße.«

Er spürte das Erzittern der Wölbung und erklomm hastig ihren Scheitel. Die Enden seiner Gliedmaßen begannen überaus fest zu haften, viel stärker, als dies bei den Webschichten innerhalb eines Schiffes üblich war. An dieser Stelle war gepfuscht worden, er hatte Mühe, sich vorwärts zu arbeiten. Bei Gelegenheit würde er sich darum kümmern, dass man den Bereich ausbesserte. Ein Trikter mit Arcoana-Gestalt stampfte unter ihm durch den Tunnel, grüßte artig und schleppte einen Behälter am Patron vorbei, den dieser als Letzte-Weg-Behälter erkannte.

Hastig trippelte Heleomesharan nach unten.

»Warte!«, rief er. »Was ist vorgefallen? Was befindet sich in dem Behälter?«

»Es sind drei Blufbromen«, gab der Roboter von der fast doppelten Größe eines Arcoana Auskunft. »Sie haben die Altersgrenze erreicht. Ein natürlicher Vorfall.«

»Welch ein Glück«, stieß der Patron hervor. »Ich hätte es mir nie verziehen, wenn an Bord meiner SHOURASA etwas vorgefallen wäre.«

Der Trikter setzte seinen Weg fort, und Heleomesharan wählte den nächsten Übergang in die linke Schiffshälfte.

 

*

 

Der Patron streifte die kunstvollen Gewebe des Netzhimmels zur Seite und betrat das weiche Band, das langsam dahinglitt und ihn bis zu einer der Nischen beförderte. Seine empfindlichen Sinne reagierten mit Euphorie auf die Geruchsstoffe, mit denen sich Aumoora umgab. Undeutlich erkannte er ihren Schatten zwischen den weichen Gespinsten des Nestes und stieg vom Band.

Aumoora bewegte sich. Sie reckte ihm ihr hinteres Beinpaar entgegen und gab ihm damit zu verstehen, dass sie seine Ankunft registriert hatte.

»Er wächst«, vernahm er ihr leises Singen. »Er gedeiht. Sieh nur genau hin, Heleomesharan. Bereits jetzt ist er dir ähnlich.«

Er streifte an ihrem Körper entlang, und sie genoss die zarten Berührungen. Die Oberkörper aufgerichtet, standen sie eng aneinander gelehnt vor der Wiege und betrachteten den Winzling, wie er sich in dem seidenweichen Kunstflaum räkelte und die ersten zögernden Tastversuche mit den winzigen, zerbrechlichen Gliedmaßen wagte.

»Er trägt bereits jetzt dein Hinterleib-Hautmuster«, sagte Aumoora stolz. »So, wie wir es wollten.«

»Ja, Teleolaran hat ganze Arbeit geleistet. Ich werde ihn noch mal aufsuchen, um ihm meinen Dank zu singen.«

»Heleomesharan!« Sie berührte ihn zärtlich mit ihren vorderen Armen und strich an seinem Grabog entlang, jener kaum erkennbaren Trennlinie zwischen Kopf- und Brustteil. Diese Berührung löste einen Gefühlssturm in ihm aus, und er erwiderte die Zärtlichkeit und begann, sein zweites Armpaar an ihrem zu reiben.

»Ich wünsche mir, dass der Genetiker zum Ziehvater für den Kleinen wird«, fuhr Aumoora fort. Der Patron richtete sich steil auf und wippte mit den Mundzangen. Leise führte er sie übereinander und erzeugte einen hohen, klangvollen Ton, der über der Wiege hängen blieb und den Kleinen in seinem Flaum neugierig aufschauen ließ. War es Instinkt oder Erbstück, dass er dieselbe Bewegung vollführte?

Heleomesharan senkte beinahe erschrocken den Kopf, als er die leise Antwort hörte. Es klang, als würden zwei Tonmetalle aneinander gerieben. Ein Dreiklang entstand, und die beiden Arcoana wandten sich so vehement einander zu, dass ihre Körper gegeneinander prallten.

»Shanorathemas, so soll sein Name sein«, flüsterte Aumoora beeindruckt.

»Ja, es gibt keinen besseren Namen für ihn. Shanorathemas – Metallsänger

Und Heleomesharan antwortete: »Ja, so soll es sein. Teleolaran wird sich freuen.«

Sie beobachteten den kleinen Arcoana, wie er sie verwundert ansah und dann die Bewegung der winzigen, kaum ausgeprägten Mundzangen wiederholte. Der Dreiklang lag diesmal um mehrere Töne höher, und Shanorathemas begann in seinem Flaum zu zappeln.

Und dann formten seine Zangen plötzlich einen Begriff.

»Lehmeh!«, klang er auf. »Lehmeh!«

Den Patron und stolzen Vater hätte beinahe ein Supraschweif gestreift. Er zuckte mit dem weichen Hinterleib zusammen und starrte fassungslos auf das winzige Lebewesen, das vor kaum drei Sonnenläufen erst die Brutkammer verlassen hatte, in der es aus der geklonten Eizelle geschlüpft war.

»Er versucht deinen Namen nachzusprechen, Heleomesharan.« Aumoora war deutlicher Stolz anzuhören. »Mehr kannst du dir nicht wünschen!«

Der Patron begann seine Lebensgefährtin mit sechs Gliedmaßen intensiv zu streicheln und verlor dabei fast das Gleichgewicht. Er brachte ihr seine ganze Liebe und seinen Dank dar, und irgendwann schaltete er verärgert das ewig plappernde Ding in der fünften Tasche seines Leubans aus.

»Die nächste Supra-Netzstrecke ist eingeleitet«, hatte der Berichterstatter verkündet. »Neue Nachrichten von Occreshija sind eingetroffen. Beauloshair webt mit großem Fleiß an seinem Netz.«

Heleomesharan widmete sich Aumoora, und der kleine Shanorathemas beobachtete die beiden bei ihrem Spiel. Und irgendwann begann er, dazu Musik zu machen.

Eine Musik, wie sie beinahe nur auf der Hauptwelt Occreshija von den begabtesten Künstlern hervorgebracht wurde.

Spätestens jetzt wussten die Eltern, dass ihr geklonter Nachkomme einst zu den Großen im Reich der 73 Sonnen gehören würde.

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, um die Doshevall zu füttern.

 

*

 

Die Zentralmulde war erfüllt von den Hologrammen, die die verschiedenen Schiffssektionen mit den Containern und den Laderaummodulen zeigten. Überall befanden sich die Populationen in Bewegung. Gehorsam folgten sie den Triktern, die sie in den letzten fünfzig Sonnenläufen als ihre Wärter kennen gelernt hatten. Sie eilten, hüpften, flogen oder robbten durch Tunnel, wurden von Antischwerkraftfeldern erfasst und in die untersten Ebenen zu den Schleusen verfrachtet. Manche der verschiedenen Arten konnten sich gegenseitig sehen. Durchsichtige, energetische Wände trennten sie voneinander und ermöglichten so eine Verarbeitung von Bildern in den Gehirnen, die ihnen später auf der Oberfläche Keurouhas nützlich waren.

Zwischen mehreren dieser durchsichtigen Tunnel ergoss sich urplötzlich ein Strom aus schäumenden und tosenden Wogen, als sich der Inhalt der Reservekammern leerte, eine Automatik den Stollen öffnete und die Doshevall auf ihren Weg brachte. Dicht hintereinander sausten sie durch den so entstandenen Kanal, beäugten die Lebewesen hüben und drüben und die Vögel in dem Flugkorridor über sich.

Heleomesharan beobachtete sie intensiv. Er stand dicht an den Hologrammen, und es hatte den Anschein, als fänden alle diese Bewegungen und Wanderungen mitten in der Zentralmulde statt.