Prof. Dr.-Ing. habil. Christian Mieke ist Inhaber der Professur ABWL, insbesondere Innovationsmanagement im Fachbereich Wirtschaft der Technischen Hochschule Brandenburg.

Prof. Dr. phil. Michael Nagel, MBA, ist Professor in der Fakultät Wirtschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart (DHBW) und Leiter des Studiengangs BWL-International Business.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <www.dnb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-86764-752-6 (Print)

ISBN 978-3-7398-0208-4 (EPUB)

ISBN 978-3-7398-0209-1 (EPDF)

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Vorwort

Produktion und Logistik stellen zentrale Unternehmensfunktionen in gütererzeugenden Betrieben dar. Während die Produktion den Ort der Leistungserstellung bildet, organisiert die Logistik die Warenströme von Lieferanten ins Unternehmen und von Unternehmen zu Distributionsstätten. Beide Bereiche bestimmen wesentlich den Servicegrad und die Effizienz von Unternehmen. Viele Optimierungsanstrengungen zielen auf sie ab oder gehen von ihnen aus. Hierzu greift man in der Praxis auf Instrumente zurück, die im Mittelpunkt dieses Buches stehen. In ihm werden zentrale und für die Praxis relevante Methoden kurz und knapp vorgestellt, ihre Zielsetzungen beschrieben, die Anwendungsmöglichkeiten verdeutlicht und die umsetzungsbezogenen Grenzen aufgezeigt. Die berücksichtigten Ansätze wurden primär an Hochschulen und in Beratungsgesellschaften geschaffen und in Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen erprobt. Sie erfuhren Weiterentwicklungen und dürfen als bewährt gelten. Wir bezeichnen die entsprechenden Ansätze nicht als Werkzeuge, Instrumente oder Tools, sondern als betriebswirtschaftliche Methoden, da diesen die Idee der Planmäßigkeit und der Problem- und Ergebnisorientierung zugrunde liegt.

Im hier verstandenen Sinne stellen betriebswirtschaftliche Methoden theoretisch fundierte und praktisch erprobte Hilfsmittel dar, die zur Lösung eines in der unternehmerischen Praxis auftretenden leistungswirtschaftlichen Problems beitragen.

Die hier versammelten Methoden haben wir unserem im UTB-Verlag erschienenen Buch BWL-Methoden: Handbuch für Studium und Praxis entnommen und für diese Reihe ergänzt. Das umfangreiche Handbuch bündelt etablierte betriebswirtschaftliche Methoden aus den Bereichen Forschung, Entwicklung, Innovationsmanagement, Beschaffung, Logistik, Produktion, Strategie, Organisation und Kontrolle sowie Marketing und Vertrieb. Der vorliegende, themenspezifische Band wurde erstellt, um auf Produktion und Logistik spezialisierten Mitarbeitern eine pragmatische Möglichkeit des Zugriffs auf bewährte Methoden zu bieten. Wir hoffen, dass wir diesem Anspruch gerecht werden, damit Sie – liebe Leserinnen und Leser – von den Ausführungen profitieren und den in der unternehmerischen Praxis angestrebten Nutzen erzielen können. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Erfolg beim Gebrauch des Buches. Herrn Dr. Jürgen Schechler vom UVK-Verlag danken wir recht herzlich für seine Begleitung und Unterstützung unseres Vorhabens, betriebswirtschaftliche Methoden bekannt und für die Anwendung und Umsetzung verständlich zu machen.

Brandenburg a.d.H./Stuttgart, im März 2017

Christian Mieke & Michael Nagel

Inhaltsverzeichnis

  1. Beschaffung und Logistik
  2. Produktion

1 Beschaffung und Logistik

Beschaffung und Logistik sind betriebliche Funktionen, die anders als die Produktion nicht als originär wertschöpfend gelten. Sie ermöglichen jedoch durch ihr Wirken erst effektive und effiziente Wertschöpfungsprozesse. Die alte Kaufmannsweisheit „im Einkauf liegt der Gewinn“ erhält angesichts sinkender Wertschöpfungstiefen in zahlreichen Branchen zunehmende Bedeutung.1 Metatrends wie Individualisierung, Globalisierung und Innovationswettbewerb haben zu verstärkter Professionalisierung der Einkaufsaktivitäten und zur Perspektivenerweiterung geführt. Die Unternehmensfunktionen Beschaffung oder Einkauf organisieren die Versorgung des Unternehmens mit Objekten, die das Unternehmen nicht selbst erzeugt.2 Im weitesten Sinne kann auch die Beschaffung von Mitarbeitern und Kapital dazu gerechnet werden, wenngleich üblicherweise die Versorgung mit Produktionsmaterial – also mit Rohstoffen, Hilfsstoffen und Vorprodukten – als Kernaufgabe der betrieblichen Beschaffung gesehen wird. Ergänzend fallen sowohl Investitionsgüter wie Maschinen und Anlagen als auch Betriebsstoffe und produktionsnahe Dienstleistungen sowie Rechte in den Aufgabenbereich.

Die Unternehmensfunktion Logistik befasst sich mit der Planung, Steuerung und Überwachung der Material-, Personen-, Energie- und Informationsflüsse in Systemen.3 Als Systeme werden Werkhallen und Unternehmen, aber auch ganze Lieferketten verstanden. Das Hauptaugenmerk dürfte bei produzierenden Unternehmen auch im Bereich der Materialflüsse liegen. Unternehmensintern betrachtet man beispielsweise, auf welche Art Materialien von einer Bearbeitungsstation zur nächsten gelangen und an welchen Orten Lagerplätze vorgehalten werden. Hierfür muss man zum Beispiel geeignete Transport- und Transporthilfsmittel bereitstellen. Unternehmensübergreifend wird der Austausch von Waren organisiert – Beschaffungsobjekte müssen von den Lieferanten zum weiterverarbeitenden Unternehmen gelangen, Fertigwaren sollen zu Händlern oder Kunden gebracht werden. Dafür plant die Logistikabteilung geeignete Verkehrsmittel und Routen. Wegen der Unterschiedlichkeit der Anforderungen der Logistikobjekte und daraus resultierender spezifischer Konzepte wird die Logistik für gewöhnlich in Beschaffungs-, Produktions-, Distributions- und Entsorgungslogistik gegliedert,4 wenngleich das Grundverständnis und die jeweiligen Zielgrößen nahezu identisch sind.

Den Aktivitäten der Beschaffungslogistik gehen die Einkaufstätigkeiten voraus. Die Einkaufsabteilung beobachtet Beschaffungsmärkte, die alle Anbieter eines zu beschaffenden Gutes und Anbieter für Substitutionsprodukte des zu beschaffenden Gutes umfassen.5 Aufkommende Trends wie Verknappungstendenzen, Preisveränderungen, Anbieterkonzentrationen oder das Entstehen von Substituten müssen analysiert und hinsichtlich der Bedeutung für das eigene Unternehmen bewertet werden. Ebenso muss der Einkauf unternehmensintern Beschaffungsbedarfe ermitteln. In Abstimmung mit den Forschungs- und Entwicklungs-, Produktions-, Logistik-, Qualitätssicherungs- und Controlling-Abteilungen werden Beschaffungsanforderungen wie Art und Qualität des Materials, Lieferfähigkeit des Lieferanten, Beschaffungs-volumina und weitere Größen definiert. Schließlich erarbeitet die Beschaffungsabteilung ein Bündel von Beschaffungsoptionen, das bestehende Quellen absichert, neue einbezieht und dem Unternehmen adäquate Marktmacht im Beschaffungskontext verschafft.6 Eine wichtige Aufgabe besteht in der Definition von Beschaffungsstrategien, die als Handlungskorridore auf dem Weg zur Zielerreichung dienen. Abbildung 1 macht deutlich, dass sich Beschaffungsstrategien im Allgemeinen auf mehrere Dimensionen beziehen.7

Abbildung 1: Beschaffungsstrategien

Die Strategie zur Definition des Trägers der Wertschöpfung umfasst Entscheidungen, für welche Bauteile und Baugruppen man Eigenerstellung und für welche Fremdbezug anstrebt. Diese Entscheidung trifft die Beschaffungsabteilung nicht isoliert, sondern in enger Abstimmung mit der Unternehmensleitung und der Produktionsabteilung. Dabei wird man insbesondere strategische Aspekte sowie Kosten und Risiken berücksichtigen. Bei den Überlegungen zur Festlegung der Anzahl von Bezugsquellen für einzelne Beschaffungsobjekte müssen Bündelungseffekte und langfristiger Vertrauensaufbau einerseits und Risikostreuung und Erhalt der eigenen Marktmacht andererseits gegeneinander abgewogen werden. Hinsichtlich der Komplexität des Inputs prüft der Einkauf, ob es vorteilhafter ist, Einzelteile zu beschaffen oder vorgefertigte Module vom Lieferanten zu beziehen. Bei den Strategien zur Bereitstellungsart besteht die Wahl zwischen Beschaffung auf Lager oder Just-in-time-Beschaffung. Hinsichtlich der Größe des Marktraumes wählt der Einkauf zwischen lokaler, regionaler, nationaler oder globaler Beschaffung der Rohstoffe und Vorprodukte. Durch die Entscheidungen des Einkaufs und die strategischen Rahmenbedingungen werden wesentliche Restriktionen für die Beschaffungslogistik gesetzt.8 Beschafft ein deutsches Unternehmen im Rahmen einer global angelegten Beschaffungsstrategie Vorprodukte zum Beispiel in Asien, hat die Logistik die Überbrückung großer Distanzen unter Nutzung verschiedener Verkehrsmittel zu organisieren. Eine andere Situation würde sich ergeben, wenn der Lieferant im Nachbarort beheimatet wäre. Vorgefertigte Module erfordern andere Transporthilfsmittel als Einzelteile. Eine Beschaffung auf Lager bedingt die Verfügbarkeit von Lagerplatz und lagertechnischer Infrastruktur, während die Realisierung von Just-in-time-Beschaffung sichere Transportketten voraussetzt. Diese Beispiele zu möglichen Auswirkungen der Beschaffungsstrategien auf die Logistik verdeutlichen die Kernaufgaben und primären Zielgrößen der Logistik, die sich insbesondere mit dem Transport, dem Umschlag und der Lagerung von Objekten befasst.

Abbildung 2: Lieferkette

Das bedeutet, dass man neben den bereits angesprochenen Transportaktivitäten auch die Lagerplanung und Lagerbewirtschaftung und das Umschlagen und Kommissionieren von Waren berücksichtigen muss – häufig als TUL-Logistik abgekürzt.9 Wie in Abbildung 2 dargestellt, obliegt der Logistik wegen ihrer Kopplungsfunktion zwischen Systemen zunehmend auch die Koordination von Aktivitäten ganzer Lieferketten im Rahmen des so genannten Supply Chain Managements. Der Ansatz des Supply Chain Managements zielt auf die Verbesserung der Versorgung, auf die Erhöhung der Kundenorientierung, auf die Reduktion der Bestände und auf die Ausweitung des Flexibilitätsniveaus durch abgestimmte Planung und passfähiges Agieren der Mitglieder in einer Wertschöpfungskette.10 Dabei ist in der Regel nicht von einer Ketten-, sondern eher von einer Netzstruktur auszugehen. Daher wird gelegentlich – wie in Abbildung 3 illustriert – vom so genannten Demand Net Management gesprochen. Die Logistik beansprucht zunehmend – obwohl innerhalb der Unternehmensfunktionen eindeutig eine Sekundär- und Unterstützungsfunktion – eine Führungsrolle.11

Abbildung 3: Demand Net Management12

Beschaffung und Logistik benötigen betriebswirtschaftliche Methoden, die es ihnen erlauben, Einkaufspreisreduktionen und Kostensenkungen zu initiieren, Versorgungssicherheit herzustellen, fähige Lieferanten zu finden und aufzubauen, Innovationsimpulse aus dem Beschaffungsmarkt zu organisieren und durch flexible Beschaffungsquellen die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens zu optimieren.

1.1 Make-or-Buy-Entscheidung

Zielsetzung der Make-or-Buy-Entscheidung

In Make-or-Buy-Entscheidungsprozessen soll analysiert werden, welche Variante der Verfügbarmachung bestimmter Artefakte vor dem Hintergrund der Unternehmensziele und der konkreten Umfeldbedingungen die betriebswirtschaftlich sinnvolle Alternative darstellt. Diese Entscheidungen werden üblicherweise nach Neuproduktentwicklungen, aber auch vor dem Hintergrund der Produktionsoptimierung und der damit verbundenen Festlegung der Wertschöpfungstiefe, wie auch im Beschaffungswesen im Kontext von Kostenreduktionsbemühungen und der Schaffung einer sicheren Versorgungssituation getroffen. Die Grundfrage lautet: Sollen bestimmte Komponenten, Module oder Systeme, die in ein Produkt des Unternehmens eingehen, selbst produziert oder bei Zulieferunternehmen gekauft werden?13 Prinzipiell muss man diese Frage für jedes Bauteil und jede Baugruppe wie auch für die Montage des Gesamtproduktes beantworten. Im einen Extremfall können Make-or-Buy-Entscheidungen dazu führen, dass Unternehmen nicht mehr selbst produzieren, da der Zukauf der Gesamtprodukte die günstigste Lösung darstellt. In der Praxis findet man immer wieder Unternehmen, die ihre Kernkompetenzen im Bereich der Produktentwicklung und Produktvermarktung haben und demnach die Produktion zur Gänze einstellen. Im anderen Extremfall – wenn alle Fragen mit „Make“ beantwortet werden – entstehen Unternehmen mit ausgeprägter Fertigungstiefe, die alle Produktionsschritte selbst ausführen und möglicherweise lediglich Rohstoffe von Gewinnungsunternehmen beziehen. Die meisten Unternehmen weisen eine mittlere Fertigungstiefe mit gewissen Tendenzen zur Verringerung auf. Sie kaufen Vorprodukte und verarbeiten diese zu Endprodukten weiter. Insgesamt zielen gewinnorientierte Unternehmen darauf ab, die für sie optimale Balance aus Zukauf und Eigenerstellung zu ermitteln.

Beschreibung der Make-or-Buy-Entscheidung

Häufig ist zu hören, dass bei der Ermittlung von Eigenerstellung oder Fremdbezug die kostengünstigste Variante gesucht wird. Diese Sichtweise beleuchtet einen wichtigen Aspekt, greift aber insgesamt zu kurz. Die Entscheidung sollte man von einer Vielzahl von Kriterien abhängig machen, die häufig nicht vollständig monetarisierbar, dennoch aber von hoher Relevanz sind. So sollte man neben der Kostenhöhe14 beispielsweise auch folgende Kriterien berücksichtigen:15

Diese Kriterienliste verdeutlicht die dem Entscheidungsproblem innewohnende strategische Dimension. So wird man Unternehmen nicht empfehlen, trotz geringerer Kosten, die Zukaufvariante zu wählen, wenn sie sich dadurch in eine einseitige Abhängigkeit von einem Lieferanten begeben, wenn keine Alternativlieferanten existieren und wenn das zu beschaffende Bauteil eine Kernkomponente des zu erstellenden Produktes darstellt. In dieser Situation wird der Lieferant seine starke Stellung ausnutzen und – vielleicht mit etwas Zeitverzögerung – Preise und Konditionen diktieren. Das beschriebene Szenario macht die Risiken deutlich und zeigt die Relevanz einer ganzheitlich angelegten Bewertung aller Alternativen, die durch einen strukturierten Make-or-Buy-Entscheidungsprozess Berücksichtigung finden können.

Anwendungsbereich und Anwendungsprozess

Das Beschaffungsmanagement wird immer wieder prüfen, ob für eigenerstellte Komponenten auch Beschaffungsmöglichkeiten am Markt bestehen und wie sich diese gegenüber der Eigenproduktion darstellen. Einkaufsabteilungen leisten damit einen wichtigen Beitrag zur strategischen Positionierung des Unternehmens. Vom strategischen Einkauf wird erwartet, dass dieser Impulse für Veränderungen wertschöpfungsbezogener Aktivitäten gibt. Ohnehin ist derzeit in zahlreichen Unternehmen ein Bedeutungszuwachs der Funktion Beschaffung zu verzeichnen. Der Grund liegt insbesondere darin, dass die Materialintensitäten in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind und Unternehmen in der Einkaufsfunktion nicht mehr den Abwickler von Bestellungen sehen. Vielmehr operiert die Beschaffung als integrativ analysierender und handelnder Akteur an der Schnittstelle zum Beschaffungsmarkt, der auch versucht, Beschaffungsmarktstrukturen im Sinne der Unternehmensinteressen zu beeinflussen.

Abbildung 4: Schritte im Make-or-Buy-Entscheidungsver-fahren

Make-or-Buy-Entscheidungen werden wie in Abbildung 4 dargestellt in einem mehrstufigen Verfahren getroffen.16 Zunächst wird gefragt, ob die Produktion des betreffenden Objektes zu den Kernkompetenzen des Unternehmens zählt. Dadurch wird der Blick auf die Fähigkeiten der Organisation gelenkt. Je weniger die Zuordenbarkeit zu den Kernkompetenzen gegeben ist, desto eher spricht dies für die weitere Prüfung der Beschaffungsoption. Danach wird ein Bündel von Nebenbedingungen untersucht: zum Beispiel vorhandene Produktionskapazitäten, eventuelle Ausbaumöglichkeiten der Produktionsressourcen, die Verfügbarkeit des benötigten Kapitals und die Regelmäßigkeit des Bedarfs an dem entsprechenden Untersuchungsgegenstand. Je schwächer diese Kriterien ausgeprägt sind, desto stärker rückt die Beschaffungsvariante in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ferner wird untersucht, ob es sich um ein bedeutsames Vorprodukt mit zentraler Stellung im Gesamtsystem und dem Potenzial zu hoher wettbewerblicher Differenzierungswirkung handelt. Je weniger man eine wettbewerbliche Differenzierungswirkung vermutet, desto eher wird man weitere Prüfungen in Richtung Zukauf vornehmen. Daran anknüpfend erfolgen Recherche und Bewertung, um zu bestimmen, ob überhaupt eine hinreichende Verfügbarkeit der Komponenten oder Baugruppen auf den Beschaffungsmärkten gegeben ist. Je höher die Verfügbarkeit, desto eher wird die Zukaufmöglichkeit in Frage kommen. In diesem Kontext sind auch die Größen Zuverlässigkeit von Lieferanten und Lieferketten, das Qualitätsniveau von Erzeugnissen und die Prozesse der Lieferanten zu analysieren. Durch die Höhe der Verfügbarkeit am Markt werden auch die Kriterien Autonomie und Marktmacht bestimmt. Bei hoher Verfügbarkeit dürften Autonomieausmaß und Marktmacht des potenziell beschaffenden Unternehmens hinreichend aufrechterhalten werden können. Strategische Bedeutung des Untersuchungsobjektes und Verfügbarkeit am Markt werden häufig in einer Portfoliodarstellung zusammengefasst, die als Ergebnis der ersten Phase des Make-or-Buy-Entscheidungsprozesses gilt.

Abbildung 5: Make-or-Buy-Portfolio

Aus der in Abbildung 5 illustrierten Portfoliodarstellung kann man Normstrategien ableiten, die als Hinweise zu verstehen sind, in welche Richtung Entscheidungen ausfallen können. Allerdings unter dem Vorbehalt, dass auch die auf den Wirtschaftlichkeitsvergleich zielende Kostenbetrachtung zu einem ähnlichen Resultat führen wird. Das Portfolio empfiehlt bei hoher strategischer Bedeutung der untersuchten Bauteile und Baugruppen gekoppelt mit geringer Verfügbarkeit der Objekte am Markt die Eigenerstellung. Bei geringer strategischer Bedeutung und hoher Verfügbarkeit wird Fremdbezug angeregt. Sind beide Merkmale gleich stark ausgeprägt, ist keine klare Normstrategie vorgesehen, sondern die Entscheidung nur unter Berücksichtigung weiterer Entscheidungskriterien zu treffen.

Abbildung 6: Kostenverlaufsdiagramm

In der zweiten Phase steht die Analyse der Kostenverläufe der Alternativen im Vordergrund. Es wird erfasst und beispielsweise in Kostenverlaufsdiagrammen visualisiert, welche Kosten je Alternative bei bestimmten Bedarfsmengen von Objekten anfallen. Darauf aufbauend kann man Mengenbereiche ermitteln, innerhalb derer Fremdbezug vorteilhaft wäre und Mengenbereiche, in denen man bei gleichem Objekt Eigenfertigung empfehlen würde. In der Regel dürfte bei niedrigem Bedarf die Beschaffung der Objekte geringere Kosten aufweisen als die Eigenfertigungsvariante – fallen bei letzterer doch häufig hohe Fixkosten an, die bei kleinen Stückzahlen durch geringere variable Kosten als bei der externen Beschaffung kaum zu kompensieren sein dürften. Sind hohe Stückzahlen geplant, wird bei der kostenbasierten Sichtweise häufig die Eigenfertigungslösung in den Vordergrund treten. Ein schematisches Kostenverlaufsdiagramm enthält Abbildung 6.