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Hans-Henning Scharsach

unter Mitarbeit von Christa Eveline Spitzbart

STILLE
MACHTERGREIFUNG

Hofer, Strache und die
Burschenschaften

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www.kremayr-scheriau.at

eISBN 978-3-218-01090-0

Copyright © 2017 by Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG, Wien

3., aktualisierte Auflage, 2017

Alle Rechte vorbehalten

Schutzumschlaggestaltung: Sophie Gudenus, Wien

unter Verwendung eines Fotos von picturedesk.com/Georges Schneider

Typografische Gestaltung und Satz: Sophie Gudenus, Wien

Gewidmet
meinem Freund
Kurt Kuch †,
dessen journalistisches Engagement
für demokratische Kultur, Solidarität
und Menschenrechte für immer
Vorbild bleibt

Inhaltsverzeichnis

Vorwort und Anmerkungen des Verfassers

Die stille Machtübernahme: FPÖ im Besitz der Burschenschaften

Die Machtübernahme der Burschenschaften

Geheimhaltung: Wir sollen nicht wissen, wen wir wählen

Traditionen des Nationalsozialismus

Hofers Marko-Germania: Verräterische Festschrift

Deutsches Vaterland: Der Kampf gegen die österreichische Nation

Gegen Gleichheit und Pluralismus

Antisemitismus in den Burschenschaften

Das antisemitische Nazi-Symbol der Kornblume

Feindbild-Austausch: Muslime statt Juden

Antisemitismus-Verleugnung: Hofer und Strache als Judenfreunde

Burschenschaften und Nationalsozialismus

Bücherverbrennung 1933: Burschenschaften und der Anschluss

„Ehrendes Andenken“ für die Massenmörder der Nazis

Hofer und die NS-Traditionen

Gegen NS-Verbot und „Menschenhatz der Linken“

Täter-Opfer-Umkehr: Schlag nach bei Goebbels

Am Beispiel Norbert Hofer: Stille Machtergreifung

Hofers rechtsextreme Weggefährten, Freunde und Mitarbeiter

Väterliche Förderer und junge Geförderte

Hitlers Legitimationstheoretiker als „Vorbild“

Geschönte Biografie für die politische Mitte

Ein Künstler zur ideologischen Standortbestimmung

Ideologische Standortbestimmungen

Rechtsextreme Inhalte im FPÖ-Handbuch

Plebiszit als Waffe gegen Verfassung und Demokratie

Ausschaltung ganzer Wählergruppen durch Ende der Briefwahl?

Ein Handbuch als Kriegserklärung an die Verfassung

Von Wespenlarven, Brutpflegetrieb und militärischen Tugenden

Von der Verachtung für „Eliten“ und den Sorgen des kleinen Mannes

Faktencheck: Das Märchen von der „sozialen Heimatpartei“

„Mut zur Wahrheit“: Einblick in die blaue Sozialpolitik

Kampf gegen Kammern und Interessenverbände

Personen als Programm: Barbara Kolm, Olaf Henkel und Dieter Hundt

Männliche Weltordnung: Frauen als Opfer der „Burschenpartei“

Der Mann auf der Jagd, die Frau im Heim

Ausgeladen: Frauen, die weder schön noch still sind

Identitäre: Eine PR-Aktion rechtsextremer Burschen

Identitäre, Burschenschafter und FPÖ

Rechtsextreme Inhalte in jugendlicher Verpackung

Wahlkampf: Lügen, Hass und Nächstenliebe

Der Wahlkampf der Burschenschafter im Netz

Wie Fake News und Lügen verbreitet werden

Die grausamen Fratzen des Hasses

Überforderte Gerichte, hilfloser Rechtsstaat

Die mediale Parallelwelt der Burschenschafter

Das Zusammenspiel mit der Krone

Strache: Fake News und falsche Fakten

Der Kampf gegen die „Lügenpresse“

Kampf gegen demokratische Grundrechte

Die Printmedien der Burschenschaften

Der Rechtsstaat als Feindbild

Das Spiel mit Gewalt und Bürgerkrieg

Gewalt als Wesensmerkmal der Burschenschaften

Die Anti-Ausländer-Wahlkämpfe der FPÖ

Waffenfreunde: Schon Kinder sollen schießen lernen

Die burschenschaftliche Verwurzelung in NS-Traditionen

Strache und die braune Gewaltszene

Am Beispiel Olympia: Bewahrer brauner Traditionen

Sommerlager nach dem Vorbild der Reichsführerschulen

Neonazistische Redner bei Olympia-Veranstaltungen

Arminia Czernowitz: Werbung mit NSDAP-Plakat

Libertas: Ein Preis für junge Neonazis

Cimbria: Gemeinsam mit Nazis gegen die Wehrmachtsausstellung

Silesia im Rotlichtbezirk: Straches Sekretärin holt Gottfried Küssel

Teutonia: Nazi-Schulung „im Einklang mit der Bundlinie“

Wenn Burschenschafter und Neonazis gemeinsame Sache machen

Ein rechtsextremes Milieu und sein freundlicher Darsteller

Wo steht Norbert Hofer politisch?

Ist Norbert Hofer rechtsextrem?

Ist Norbert Hofer Neonazi?

Die Taktik des Populismus: Auf beiden Seiten dabei

Was droht unter einer FPÖ-Regierung?

Ein ganz persönliches Nachwort des Autors

Dank

Namenregister

Quellenverzeichnis

Vorwort und Anmerkungen des Verfassers

Ein rechtsextremer, demokratie- und verfassungsfeindlich agierender Akademikerklüngel hat die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unterwandert, danach dominiert und zuletzt in Besitz genommen. Österreichs Burschenschaften, aus denen die schlimmsten Nazi-Verbrecher, die brutalsten politischen Gewaltverbrecher der Nachkriegszeit und zahlreiche rechtskräftig verurteilte Neonazis hervorgegangen sind, greifen nach der Macht.

Die unter den Dachverbänden Deutsche Burschenschaft und Burschenschaftliche Gemeinschaft agierenden deutschnationalen schlagenden Verbindungen werden in großen Teilen der Medien und der Öffentlichkeit falsch (oder gar nicht) wahrgenommen – meist als locker miteinander verbundene Gemeinschaft autonomer kleiner Vereine mit beschränktem politischem Einfluss. In Wirklichkeit sind sie auf dem Sprung, die Macht in Österreich zu übernehmen.

Wissenschaftliche Arbeiten belegen, dass die mit einem Bevölkerungsanteil von etwa 0,04 Prozent zahlenmäßig verschwindend kleine, elitär agierende Akademiker-Gruppierung sich aus den Traditionen des Nationalsozialismus nie befreit hat.1 Als völkisch-deutschnationale Speerspitze der FPÖ haben die aus diesem Kreis kommenden Führungskader den Rassismus wieder zum Motor von Emotionalisierung und Radikalisierung gemacht. Sie führen Wahlkämpfe nach historischem Muster mit Hasskampagnen gegen Feindbilder und Sündenböcke. Ihre rücksichtslose Art der Stimmenmaximierung setzt sich über alle Regeln von Anstand, Fairness und Mitmenschlichkeit hinweg. Die zu Fake News verharmloste Verbreitung von Unwahrheiten ist zum systematisch und flächendeckend eingesetzten Instrument ihrer Wahlkämpfe und Mobilisierungskampagnen geworden.

Dieses Buch will dieser Politik durch Aufklärung begegnen. Es ist auch für den zivilgesellschaftlichen Widerstand geschrieben. Der Kampf gegen Ausgrenzung, Lügen, Verleumdung, Hasskampagnen, Korruption, Postenschacher und braune Geschichtsfälschung erfordert ebenso verlässliche Informationen wie die Verteidigung der Errungenschaften unserer Demokratie, unseres Rechtsstaates und des in der Verfassung verankerten Verbots nationalsozialistischer Wiederbetätigung.

Die Arbeit stützt sich auf wissenschaftlich abgesicherte Quellen, auf Originaldokumente und Medienberichte aus dem Burschenschafter-Milieu. Zitate aus Zeitungen und Rundfunk sowie Meldungen aus privaten Internet-Medien (z. B. solchen, die sich auf das Sammeln und Korrigieren von Fake News spezialisiert haben) wurden nachrecherchiert, mit anderen Medienberichten verglichen oder zumindest einer Plausibilitätskontrolle unterzogen.

Obwohl dieses Buch leicht lesbar und gut verständlich sein soll, hat sich der Autor bemüht, den beiden wichtigsten Kriterien wissenschaftlicher Arbeit gerecht zu werden: der korrekten Zitierung der Quellen und der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit der daraus gezogenen Schlüsse.

Der Begriff Rechtsextremismus wird im Sinne der Definition des Rechtsextremismus- und Faschismus-Forschers Willibald Holzer verwendet. Als wichtigste Kriterien nennt dieser Antiliberalismus, Antipluralismus, Reduktion komplizierter sozialer Zusammenhänge auf ein Freund-Feind-Schema, Frontstellung gegen die (repräsentative Parteien-)Demokratie, die Forderung nach einem starken Staat, autoritäres Führer- und Gefolgschaftsprinzip, Volksgemeinschaftsideologie, völkischen Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus, Antifeminismus, die Behauptung naturgegebener sozialer Differenzen, Stärke- und Männlichkeitskult bis hin zur Gewaltbereitschaft sowie unterschiedliche Formen des Revisionismus (Geschichtsfälschung).

Der Begriff Neonazismus wird ausschließlich in politischem und wissenschaftlichem Sinn verwendet, nicht in seiner juristischen oder strafrechtlichen Bedeutung. Durch Verwendung dieses Begriffes wird weder eine strafbare Handlung unterstellt noch die Unschuldsvermutung aufgehoben.

Neonazismus wird, den Definitionen wissenschaftlicher Literatur folgend, als besondere Ausprägung des Rechtsextremismus verstanden, der sich durch Wortwahl und Taten zu nationalsozialistischen Politikinhalten bekennt oder auf nationalsozialistische Ideologie-Elemente Bezug nimmt, das NS-System und dessen Verbrechen gutheißt oder verharmlost, die Träger dieses Systems gegen Kritik in Schutz nimmt, besonders würdigt oder glorifiziert, das Wiederbetätigungsgesetz bekämpft bzw. in Frage stellt und – wie einst die NSDAP – totalitäre Politikelemente auf rassistischer (völkischer) Grundlage vertritt. Die Verwendung des Begriffs orientiert sich nicht nur an den Ergebnissen wissenschaftlicher Arbeiten, sondern auch an den Urteilen des österreichischen Verfassungsgerichtshofes, insbesondere an den Verboten von als neonazistisch eingestuften Parteien und Organisationen wie NDP, ANR, Nationale Front, VAPO oder der Liste Nein zur Ausländerflut.

Für die Einordnung von Personen oder Gruppen als rechtsextrem müssen laut Holzer nicht alle der genannten Kriterien erfüllt sein. Es reicht, wenn sich einige der wesentlichen Merkmale nachweisen lassen2, was sinngemäß auch für den Begriff Neonazismus gilt.

Um den Text nicht zu komplizieren, wurden Angehörige pennaler und akademischer völkischer Korporationen mit dem geläufigen Sammelbegriff Burschenschafter bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen Mitgliedern von Burschenschaften, Landsmannschaften, Sängerschaften, Gildenschaften usw. ist verzichtbar, weil die völkischen Korporationen ideologisch durch die Dachverbände weitgehend gleichgeschaltet sind. In keinem Fall bezieht sich der Text auf katholische Verbindungen wie CV, K.Ö.St.V oder MKV.

Die stille Machtübernahme: FPÖ im Besitz der Burschenschaften

Norbert Hofer ist Burschenschafter. Sein Präsidentschaftswahlkampf könnte den Weg bereitet haben für tiefgreifende Veränderungen mit unabsehbaren Folgen für die Gesellschaftsordnung, das politische System sowie die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs und der Europäischen Union. Daher dieses Buch, das anhand belegbarer und jederzeit überprüfbarer Zahlen, Daten und Fakten aufzeigen soll, was Österreich droht, wenn deutschnationale schlagende Burschenschafter die Macht übernehmen würden.

In der FPÖ haben sie diese bereits erobert: Das sechsköpfige Führungsgremium (Bundesparteiobmann und fünf Stellvertreter) besteht mit einer Ausnahme aus deutschnationalen schlagenden Burschenschaftern. Im Parteivorstand verfügen die völkischen Korporierten mit 20 von 33 Stimmen über eine satte Mehrheit. Im Parlament hatte der Burschenschafter-Anteil unter Haider 11 Prozent betragen, bevor er unter Strache in Etappen auf fast die Hälfte (18 von 38) stieg.

Die totale Machtübernahme wird durch das Wahlgesetz verhindert. Burschenschaften gibt es meist nur dort, wo es Universitäten gibt. Die Kandidatur aber ist an den Wohnsitz gebunden. So gelangen Nicht-Burschenschafter aus dem ländlichen Raum zu Mandaten, die unter anderen Umständen keine Chance auf eine parlamentarische Karriere in der FPÖ hätten.

Sechs von neun Landesverbänden werden von Burschenschaftern dominiert. In zwei der verbliebenen Landesverbände stehen Burschenschafter auf dem Sprung an die Spitze. Frei werdende Führungspositionen werden fast nur noch mit Burschenschaftern besetzt. In Niederösterreich und Vorarlberg kamen mit Walter Rosenkranz (Libertas Wien) und Reinhard Eugen Bösch (Teutonia Wien) zwei Männer an die Spitze, deren Burschenschaften belegbare Kontakte ins Neonazi-Milieu halten und als besonders radikal gelten. Im Burgenland ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Generationswechsel zu Hofers Protegé Géza Molnár (Corps Hansea zu Wien) vollzogen wird. In Oberösterreich sind seit der letzten Wahl alle drei FPÖ-Mitglieder der Landesregierung Burschenschafter: Manfred Haimbuchner und Günther Steinkellner (beide Corps Alemannia Wien zu Linz), Elmar Podgorschek (Germania zu Ried im Innkreis und Cimbria, Wien). In Graz wurde Mario Eustacchio (Stiria) im April 2017 zum Vizebürgermeister gekürt.

Das 1998 im Parteistatut verankerte Durchgriffsrecht der Parteiführung auf alle FPÖ-Organisationen relativiert die Macht der in Spitzenpositionen verbliebenen Nicht-Burschenschafter. In der FPÖ gilt das burschenschaftliche „Führerwort“ im Ernstfall mehr als demokratische Wahlergebnisse.

Salzburgs entmachteter Landesobmann Karl Schnell zählt zu den Opfern des im Parteistatut verankerten „Führersystems“. Unter ihm hatten völkische Korporierte schlechte Karten. Seine Demontage durch die burschenschaftlich geführte Bundespartei, die vom Durchgriffsrecht Gebrauch machte, um einen gewählten Landeschef abzusetzen, gab dem Burschenschafter Andreas Schöppl (Landsmannschaft der Salzburger zu Salzburg) als interimistischem Landesparteiobmann die Möglichkeit, den Generationswechsel zu organisieren. Nach seinem Rückzug aber behielt er als graue Eminenz die Fäden in der Hand und verblieb auch im Bundesparteivorstand.

Offiziell heißt die Parteichefin seither Marlene Svazek, in Wirklichkeit aber spielt die junge Politikwissenschaftlerin eher die Rolle der Alibifrau für das Familienfoto nach den Treffen der Landesvorsitzenden. Die starken Männer, die nominell hinter ihr stehen, in Wirklichkeit jedoch die wichtigen Entscheidungen fällen und bei Verhandlungen auch ohne sie auskommen, sind die Burschenschafter Volker Reifenberger als ihr Stellvertreter (Frankonia Brünn) und Landesparteisekretär Andreas Hochwimmer (Landsmannschaft der Salzburger zu Salzburg).3

Wie weit die stille Machtergreifung der Burschenschaften gedeihen konnte, ohne auf nennenswerte mediale Aufmerksamkeit zu stoßen, wird durch ein Foto belegt, für das die Mitglieder der Arminia Czernowitz beim Linzer Burschenbundball 2013 posierten. Von den 21 deutlich erkennbaren Ballgästen sind 16 als FPÖ-Funktionsträger identifizierbar – von Linzer Gemeinderäten über Bezirksvorsteher, Ortsparteiobmänner, Mitglieder von Bezirksparteileitungen bis zu Gemeindevorständen.4

Die Machtübernahme der Burschenschaften

WEN WÄHLEN WIR, WENN WIR FPÖ WÄHLEN?

aB! steht für akademische Burschenschaft, pB! für pennale Burschenschaft, US! für Universitätssängerschaft, aL! für akademische Landsmannschaft, FV! für Ferialverbindung, AcSV! für Alldeutsche conservative Semestralverbindung, aC! für ak. Corps, pcB! für pennale conservative Burschenschaft, SV! für Schülerverbindung, DG! für Damengilde, aM! für akademische Mädelschaft

Burschenschafter als Bundesparteivorsitzende (5 von 6, keine Frau): Parteiobmann Heinz-Christian Strache (pB! Vandalia Wien), Stellvertreter: Norbert Hofer (pB! Marko-Germania Pinkafeld), Harald Stefan (aB! Olympia Wien), Johann Gudenus (pB! Vandalia Wien und Aldania Wien), Manfred Haimbuchner (aC! Alemannia Wien zu Linz)

Burschenschafter im FPÖ-Bundesparteivorstand (20 von 33, zwei Frauen, beide Mitglied einer Mädelschaft): Heinz-Christian Strache, Bundesparteiobmann (pB! Vandalia Wien), Markus Abwerzger (US! Skalden, Innsbruck), Peter Fichtenbauer (FV! Waldmark, Gmünd), Johann Gudenus (pB! Vandalia Wien und Aldania Wien), Manfred Haimbuchner (aC! Alemannia Wien zu Linz), Johann Herzog (aB! Aldania Wien), Norbert Hofer (pB! Marko-Germania Pinkafeld), Christian Höbart (pcB! Tauriska Baden), Anneliese Kitzmüller (aM! Iduna Linz), Helmut Kowarik (aB! Aldania Wien), Udo Landbauer (pB! Germania Wr. Neustadt), Christian Leyroutz (aB! Suevia Innsbruck), Dominik Nepp (aB! Aldania Wien), Elmar Podgorschek (aL! Cimbria Wien, AcSV! Germania Ried), Walter Rosenkranz (aB! Libertas Wien), Bernhard Rösch (aB! Gothia Wien), Carmen Schimanek (pM! Sigrid Wien), Eduard Schock (aB! Aldania Wien), Andreas Schöppl (aL! der Salzburger zu Salzburg), Harald Stefan (aB! Olympia Wien)

Burschenschafter in der Parlaments-Fraktion der FPÖ (18 von 38, 7 Frauen, davon 2 Mitglied einer Mädelschaft): Reinhard Eugen Bösch (aB! Teutonia Wien), Hermann Brückl (pB! Scardonia Schärding und pB! Markomannia Eisenstadt), Christian Hafenecker (aB! Nibelungia Wien), Roman Haider (pB! Donauhort Aschach), Christian Höbart (pcB! Tauriska Baden), Norbert Hofer (pB! Marko-Germania Pinkafeld), Andreas Karlsböck (aB! Aldania Wien), Axel Kassegger (aB! Germania Graz und aB! Thessalia Prag in Bayreuth), Anneliese Kitzmüller (aM! Iduna Linz), Wendelin Mölzer (aC! Vandalia Graz), Werner Neubauer (SV! Gothia Meran, pB! Markomannia Eisenstadt und Teutonia Linz – aus letzterer ausgetreten), Barbara Rosenkranz (DG! Edda Wien), Walter Rosenkranz (aB! Libertas Wien), Carmen Schimanek (pM! Sigrid Wien), Philipp Schrangl (aB! Oberösterreichische Germanen Wien), Harald Stefan (aB! Olympia Wien), Heinz-Christian Strache (pB! Vandalia Wien), Wolfgang Zanger (aC! Vandalia Graz), Klubdirektor Norbert Nemeth (aB! Olympia Wien)

Burschenschafter als Wiener Parteivorsitzende (4 von 4, eine Frau, Mitglied einer Mädelschaft): Parteiobmann Heinz-Christian Strache (pB! Vandalia Wien), Stellvertreter Johann Gudenus (pB! Vandalia Wien und Aldania Wien), Harald Stefan (aB! Olympia), Veronika Matiasek (aM! Freya Wien)

Burschenschafter im Wiener FPÖ-Landesparteivorstand (9 von 16, davon eine Frau, Mitglied einer Mädelschaft): Landesparteiobmann Heinz-Christian Strache (pB! Vandalia), Martin Graf (aB! Olympia Wien)¸ Johann Gudenus (pB! Vandalia Wien und Aldania Wien), Johann Herzog (aB! Aldania Wien), Dietbert Kowarik (aB! Olympia Wien), Veronika Matiasek (aM! Freya Wien), Dominik Nepp (aB! Aldania Wien), Eduard Schock (aB! Aldania Wien), Harald Stefan (aB! Olympia Wien)

Geheimhaltung:
Wir sollen nicht wissen, wen wir wählen

Auf dem Weg zur Macht ist es wichtig, die Verankerung der völkischen Korporierten in den Traditionen des Nationalsozialismus ebenso geheim zu halten wie die burschenschaftliche Dominanz an der Spitze der FPÖ. Nichts belegt das deutlicher als ein scheinbar harmloser Vorfall an einer Linzer Schule.

Der Extremismus-Experte und Buchautor Thomas Rammerstorfer (Die Grünen) hatte vor Maturaklassen über Extremismus gesprochen – von links bis rechts, von religiös bis national, von Reichsbürgern, Identitären, Pegida und Grauen Wölfen bis zu Jugendkulturen wie Skinheads oder Hooligans. Mit wenigen Sätzen und zwei von mehr als 30 Schautafeln der PowerPoint-Präsentation wurde dabei auch das Thema Burschenschaften erwähnt: ihre Nähe zum Rechtsextremismus und ihr Einfluss auf die FPÖ.

Dass es genau diese Themen sind, deren Bekanntwerden der FPÖ auf ihrem Weg zur Macht im Weg stehen könnte, beweist die panikartige Reaktion des freiheitlichen Abgeordneten zum Nationalrat Roman Haider, stellvertretender Obmann der pennalen Burschenschaft Donauhort zu Aschach. Von seinem Sohn, ebenfalls Mitglied dieser Verbindung, wurde er über Handy informiert, rief daraufhin in der Schule an, drohte nach Aussage des Direktors mit „massiven beruflichen Konsequenzen“ und erzwang den Abbruch der Veranstaltung.5

Als Reaktion auf diesen Vorfall stellte Oberösterreichs stellvertretender Landeshauptmann Manfred Haimbuchner (Corps Alemannia Wien zu Linz) eine Online-Plattform vor, die Schüler dazu auffordert, „parteipolitische Beeinflussung“ durch Lehrer anonym zu melden, was nicht nur Politiker anderer Parteien an das „Spitzelwesen vergangener schrecklicher Zeiten“ erinnerte.6 Dass Roman Haider allen Grund hatte, seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft geheim zu halten, belegt deren ideologisch eindeutige Ausrichtung: Der Waffenspruch lautet „Was gibt es hier? Deutsche Hiebe!“ Als Bundeslied wird „Wenn alle untreu werden …“ gesungen, das einstige Treuelied der SS.7

Wenige Wochen nach dem Vorfall stellte der Landesschulrat klar: Rammerstorfer habe ein „differenziertes Bild“ des Extremismus gezeichnet, der Vortag sei korrekt gewesen und habe den Unterrichtsprinzipien entsprochen. Klargestellt wurde auch: Schulveranstaltungen dürfen in Zukunft durch Interventionen von außen nicht abgebrochen werden.8

Traditionen des Nationalsozialismus

Schon vor dieser Entscheidung war klar: Der Versuch der FPÖ-Führung, politische Aufklärung über burschenschaftliche Aktivitäten als „parteipolitische Beeinflussung“ unterbinden zu lassen, ist rechtlich nicht gedeckt. Aus freiheitlicher Sicht aber macht die Einschüchterungstaktik Sinn. Aufklärung über Geschichte und ideologische Ausrichtung der Burschenschaften sowie über ihre Verbindungen in die Rechtsextremisten- und Neonaziszene könnten sich auf dem Weg zur Macht als sperriges Hindernis erweisen.

In einem Erkenntnis hat der österreichische Verfassungsgerichtshof 1985 festgestellt: „Die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik.“ Österreichs deutschnationale schlagende Verbindungen (die deutlich extremer ausgerichtet sind als die Mehrzahl der deutschen Burschenschaften) scheinen sich daran nicht gebunden zu fühlen. Unzählige Beispiele belegen, dass sie sich aus den Traditionen des Nationalsozialismus nie befreit haben, wie in diesem Buch dokumentiert ist.

image Burschenschafter fordern die Aufhebung des Verbotsgesetzes, womit nationalsozialistische Wiederbetätigung erlaubt wäre.

image Burschenschaftliche Publikationen verharmlosen die Verbrechen der Nazis, verbreiten die Auschwitz-Lüge und glorifizieren Nazi-Verbrecher.

image Burschenschafter nehmen an Neonazi-Veranstaltungen teil, treten für neonazistische Organisationen als Redner auf, veranstalten neonazistische Sommerlager, die sich am Vorbild der NS-Sommerlager orientieren, bewerben Vortragsveranstaltungen mit Nazi-Sujets.

image Burschenschafter beteiligen sich an Traditions-Veranstaltungen der Waffen-SS, die für die schlimmsten Verbrechen der NS-Geschichte, die blutigsten Massaker an Zivilisten, die grauenvollsten Massenerschießungen von Kriegsgefangenen und nicht zuletzt für die Bewachung der Konzentrations- und Vernichtungslager verantwortlich war.*

image Burschenschafter bekleiden Spitzenfunktionen im rechtsextremen WITIKO-Bund, in dessen Publikationen sich Textstellen wie diese finden: „Zu den gewaltigsten Geschichtslügen der jüngsten Vergangenheit zählen die sechs Millionen ermordeten Juden.“9

image Burschenschaften fördern rechtsextreme und rassistische Aktivitäten der Jugend auf unterschiedlichste Art, z. B. indem sie deren neonazistische Agitation durch ein Preisgeld belohnen, wie das die Burschenschaft Libertas getan hat.

image Burschenschaften betreiben neonazistische Indoktrination des studentischen Nachwuchses durch sogenannte „Bildungsveranstaltungen“, bei denen Europas Elite der braunen Brandredner auftritt.

image Burschenschaften gewähren Neonazis aus der Gewaltszene Unterschlupf und juristischen Beistand.

image Die bekanntesten Neonazis Österreichs sind aus Burschenschaften hervorgegangen. Die schlimmsten politisch motivierten Verbrechen und Gewalttaten der Nachkriegsgeschichte – von Tötungsdelikten über Brandanschläge und Straßenschlachten bis zur Schändung jüdischer Friedhöfe – wurden von Burschenschaftern verübt.10

Die von Wissenschaftlern vielfach vertretene Meinung, die ideologische Ausrichtung von Burschenschaften sei unterschiedlich radikal, schwanke zwischen neonazistisch und national-konservativ, wird von Informanten aus dem Burschenschafter-Milieu relativiert. Diese sprechen von einer „weitgehenden ideologischen Homogenität“, die durch verbindliche Statuten der Dachverbände vorgegeben und durch Konformitätsdruck aufrechterhalten wird, der nur in Ausnahmefällen auf echten Widerstand stößt.11

Vermeintliche Unterschiede ergeben sich aus der öffentlichen Darstellung. Während große und zahlenmäßig starke Burschenschaften durch Publikationen, gedruckte Einladungen und aufwendige Internet-Auftritte Einblicke in ihr ideologisches Innenleben geben, arbeiten kleine Burschenschaften nach Art politischer Stammtische weitgehend im Verborgenen.

* Die Zeitung „Für die Waffen-SS“ hat sich 1944 bei den Mitgliedern ausdrücklich dafür bedankt, dass „das Gift der inneren Zersetzung niemals wieder in den Volkskörper der Heimat gelangen konnte“.

Hofers Marko-Germania: Verräterische Festschrift

Norbert Hofers Burschenschaft Marko-Germania zu Pinkafeld zählt zu den kleinen Burschenschaften, über die nur wenig bekannt ist. Sie vermeidet es, durch programmatische Schriften deutlich zu machen, worin genau sie ihren „explizit politischen Auftrag“ sieht, zu dessen Erfüllung sie sich in der Festschrift anlässlich ihrer Gründung 1994 verpflichtet hat. Im Gegensatz zu anderen Verbindungen verfügt sie über keine eigene Website und tritt auf Facebook in Form einer geschlossenen Gruppe auf. Angesichts dieser Abschottung ist über sie nicht viel in Erfahrung zu bringen – aber immerhin genug, um sie ideologisch eindeutig zuordnen zu können.

Die Gründungsfestschrift diente der „Vorstellung und Selbstdarstellung des Bundes“, der sich selbst als „politische Gruppe“ mit „national-freiheitlichen Grundsätzen“ beschreibt.

Zum Gastautor dieser Selbstdarstellung wählte man J. H., einen der damals radikalsten Führer der Neonazi-Szene und Aktivisten der gewaltbereitesten Gruppierungen Österreichs. Gemeinsame Sache machte dieser unter anderem mit

image der VAPO (Volkstreue außerparlamentarische Opposition) von Gottfried Küssel12, die „in tiefer Trauer um Adolf Hitler“ zur „Zertrümmerung des (demokratischen) Staates“, zur Neugründung und Wiederzulassung der NSDAP als Wahlpartei, zum Anschluss an Deutschland und zur Aussiedlung aller Juden aufgerufen hatte13 und

image mit Gerd Honsiks Nationaler Front (NF), die Anschläge verübt, die „Straße erobern“ und die Demokratie „nach dem Vorbild der SA“ gewaltsam beseitigen wollte.

image J. H. verteilte neonazistische Blätter wie Honsiks Halt oder Walter Ochensbergers Sieg. Die im Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus beschriebenen Kontakte des Immer-Wieder-Betätigers Ochensberger lesen sich wie ein Who is Who der neonazistischen Gewalt- und Terrorszene: Bombenwerfer, Brandstifter, Schläger, Wehrsportler und Waffensammler neben führenden Rassisten, Volksverhetzern, Hitler-Verehrern und Auschwitz-Leugnern.

image Ochensberger war auch Versender einer Loseblatt-Sammlung für den militanten Rechtsextremismus, die praktische Hinweise für Putsch, Partisanenkampf, Sabotage, Ausschaltung von Behörden, Anlegung unterirdischer Waffenlager, Foltermethoden und Ähnliches enthielt. In einem Leserbrief bezeichnete J. H. die von Ochensberger herausgegebene neonazistische Hetzschrift Sieg als „beste Zeitschrift … die es zur Zeit auf dem deutschen Markt gibt.“15

image J. H. agitierte unter anderem gegen die „Ersatzreligion der Menschenrechte“, gegen den Staatsvertrag, gegen das Anschlussverbot an Deutschland und gegen das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung. Seine Verurteilung wegen Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts beklagte er als österreichischen „Staatsterrorismus“.

image Zu Beginn des Jahres, an dem J. H. als Autor der Gründungsfestschrift für Hofers Burschenschaft in Erscheinung trat, referierte er bei einem Treffen der Wiking-Jugend, die zu den radikalsten und gewaltbereitesten Organisationen des europäischen Neonazismus zählte (siehe Seite 166–168) und noch im gleichen Jahr verboten wurde*

Bei einer Burschenschaft, die einen so eindeutig aus der neonazistischen Gewaltszene stammenden Mann zum Autor ihrer Gründungsfestschrift macht, erübrigt sich die Frage nach dem ideologischen Standort. Für einen Präsidentschaftskandidaten, der dieser Burschenschaft angehört und sich auch im Fall seiner Wahl nicht von ihr trennen wollte, muss das Gleiche gelten.

So scheinen das auch Teile von Hofers Wählerschaft zu sehen, die immer wieder mit Hitlergruß provozieren. Vor dem Landesgericht in Klagenfurt musste sich ein Korporierter dafür verantworten, bei einer Burschenschaftsfeier mit erhobener rechter Hand posiert zu haben.16 Nach Hofers Wahlveranstaltungen in Wien und Graz standen Anhänger Hofers vor Gericht, weil sie den Hitlergruß gezeigt und „Heil Hitler“ gerufen hatten. Im Mai 2016 postete eine Tirolerin anerkennend: „Hofer ist der zweite Hitler und das ist gut so … was wir im Moment erleben, wäre ein zweiter Hitler super.“17

Obwohl die Tatbestände durch Fotos und Kurzfilme dokumentiert sind, kommentierte das von Andreas Mölzer (Corps Vandalia Graz) herausgegebene Burschenschafter-Magazin Zur Zeit: „Immer wieder glauben linke Gutmenschen, den Hitlergruß bei Veranstaltungen der FPÖ zu sehen – und immer wieder stellen sich die Aussagen der linken Chaoten als Falschmeldungen heraus.“18

Auch der mehrfach wegen Wiederbetätigung vorbestrafte Burschenschafter und Neonazi Gerd Honsik (Rugia Markomannia) outete sich als Hofer-Fan. In dem von ihm online betriebenen Radio Deutsch-Österreich appellierte er an diesen, im Fall eines Wahlsieges das „bestialische Verbotsgesetz“ abzuschaffen und verurteilte Holocaustleugner aus dem „Kerker“ zu entlassen. Dass der Radiobeitrag ein gerichtliches Nachspiel haben wird, ist unwahrscheinlich. Der Sender firmiert unter einer Adresse in Honsiks Zufluchtsort Málaga, wo Wiederbetätigung nicht strafbar ist.

Deutsches Vaterland:
Der Kampf gegen die österreichische Nation

Während des Präsidentschaftswahlkampfes bestritt Norbert Hofer ausdrücklich, dass seine Burschenschaft die österreichische Nation ablehne. „Hier liegt offenbar eine bewusste Fehlinformation vor. Meine Verbindung, bei der ich Ehrenmitglied bin, hat die österreichische Nation niemals abgelehnt“, formulierte er forsch die belegbare Unwahrheit.19

In ihrer Gründungsfestschrift bezeichnet die Marko-Germania zu Pinkafeld, wie andere Burschenschaften auch, die österreichische Nation als „geschichtswidrige Fiktion“, die nach 1945 „in den Gehirnen der Österreicher festgepflanzt“ worden sei. Sie bekennt sich zum „deutschen Vaterland, unabhängig von bestehenden Grenzen“, verpflichtet ihre Mitglieder, sich „für die freie Entfaltung des Deutschtums einzusetzen“ und dabei „alle Teile des deutschen Volkes zu berücksichtigen“.20

Die deutschnationale Standortbestimmung schließt nahtlos an Jörg Haiders Ausspruch von der „Missgeburt“ der österreichischen Nation an, mit dem dieser ein Zitat von Adolf Hitler aus Mein Kampf übernommen hatte.21

In einem 2005 erschienenen Handbuch des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft22, dem die österreichischen Burschenschaften angehören, liest man es ähnlich: Die Österreicher seien Deutsche, folglich sei Österreich ein „deutscher Staat“. Die europäischen Grenzen seien „einseitige Verletzungen des Völkerrechts“, weil „keine freiwillige Abtretung der deutschen Ostgebiete“ stattgefunden habe.23

Die rechtsextreme Ausrichtung der österreichischen Burschenschaften und ihr Eintreten für die Wiedererrichtung Großdeutschlands hat 1996 zur Spaltung geführt. In Deutschland verließen zahlreiche liberale Bünde den Dachverband, um sich als Neue Deutsche Burschenschaft (NDB) vom „braunen Block“24 der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) abzugrenzen.* Dieser tritt unbeirrt für ein Deutschland in den Grenzen von 1939 ein.25

Hofers Burschenschaft ist nicht die einzige, die sich zu diesen Grundsätzen bekennt. Die Marko-Germania Graz lässt auf ihrer Homepage den freiheitlichen Gemeinderat Armin Sippel mit dem Leitspruch werben: „Deutsch sein bedeutet für uns das Bekenntnis zum Deutschen Volk in unserer österreichischen Heimat. Nur wer deutsch ist, erfüllt die Voraussetzungen, Mitglied in unserer Gemeinschaft zu werden.“26

Deutschtümelei und „Herrenrassen-Bewusstsein“ haben bereits die Wegbereiter der Burschenschaften als oberste Prinzipien ausgegeben. Der bis heute als Vordenker burschenschaftlichen Selbstverständnisses verehrte Schriftsteller und Historiker Ernst Moritz Arndt (Corps Rhenania, Bonn, Namensgeber der pennalen Burschenschaft Ernst Moritz Arndt, Greifswald), schrieb 1813 in seinem Deutschen Volkskatechismus: „Die Deutschen sind nicht durch fremde Völker verbastardet, sie sind keine Mischlinge geworden, sie sind mehr als viele andere Völker in ihrer angeborenen Reinheit geblieben.“

Bis heute berufen sich Burschenschafter auf geistige Wegbereiter wie Johann Gottlieb Fichte. Der deutsche Philosoph und Erzieher hatte formuliert: „Die Deutschen sind das auserwählte Werkzeug und Volk Gottes“, was Kaiser Wilhelm II. in seiner berüchtigten „Hunnenrede“ aufgriff: Den berühmt gewordenen Satz „Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht“ werten Historiker als Vorgriff auf die Verbrechen des Faschismus.27

Auch die Mensur geht auf solche Vorbilder zurück. Durch sie verursachte Schmisse gelten Burschenschaftern als Beleg dafür, notfalls ihr Blut „für das deutsche Vaterland“ zu geben. „Nur dieser Symbolcharakter macht den Wunsch nach einem ‚schönen Schmiss‘ erklärlich“, heißt es dazu in einer Festschrift der Olympia.28 In der Festschrift der Marko-Germania musste das nicht wiederholt werden: Es ist fester Bestandteil burschenschaftlichen Selbstverständnisses.29

Um mit den Gesetzen nicht in Konflikt zu kommen, wird an wenig prominenter Stelle der Festschrift ein „Bekenntnis zur österreichischen Eigenstaatlichkeit“ eingebaut, eine Formulierung, die von rechtsextremen und neonazistischen Autoren verwendet wird, um sich drohender Strafverfolgung zu entziehen.

Aus dem gleichen Grund hat Norbert Hofer bei seinem Eintritt in die Burschenschaft keinen Eid auf das „deutsche Vaterland“ leisten müssen. Die österreichische Bundesverfassung verbietet jede Werbung für Großdeutschland. Also beschränkt sich die Gelöbnisformel auf die „Erhaltung des deutschen Volkstums“.

Das Bekenntnis des freiheitlichen Präsidentschaftskandidaten zur österreichischen Nation während des Wahlkampfes, das manche seiner Waffenbrüder insgeheim als Verrat empfanden, hat Hofer bei erster sich bietender Gelegenheit relativiert. Bei dem von Burschenschaftern und der FPÖ organisierten Akademikerball im Januar 2017 trat er in offizieller Funktion als Dritter Nationalratspräsident auf – aber nicht mit rot-weiß-roter Fahne, wie das bei offiziellen Anlässen üblich ist, sondern mit schwarz-rot-goldener Schärpe. In seiner Rede klopfte er ein wenig pathetisch auf die deutschen Farben an seiner Brust und erneuerte seinen deutschnationalen Treueschwur: „Ich trage diese Fahne! Und ich trage sie mit Stolz!“30

Erklärungsversuche, Schwarz-Rot-Gold als Farben der Urburschenschaft und Hofers Verbindung Marko-Germania einzuordnen, klingen nur plausibel, solange man die historischen Zusammenhänge ausblendet. Die deutschen Farben waren von Anfang an Bekenntnis zur Deutschen Einheit. Als Farben des Lützow’schen Freikorps standen sie für den Kampf gegen das Nichtdeutsche (damals die Franzosen), als Symbol „deutscher Kraft und Zucht“ sowie der „Ehre und Herrlichkeit des deutschen Volkes“.31 Beim Hambacher Fest 1832 erhielten Schwarz-Rot-Gold die Weihe als deutsche Einheits- und Freiheitsfarben. Die Frankfurter Nationalversammlung erklärte sie 1848 zu Reichsfarben.32

Schwarz-Rot-Gold waren aber auch die Farben der österreichischen Nationalsozialisten in der Verbotszeit und des deutschnationalen österreichischen Burschenschafters und Politikers Georg Ritter von Schönerer (Libertas), der sie zum Symbol für die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich und zum Kampf gegen den Panslawismus machte (siehe Seiten 37–39).33

Den Akademikerball nützte Hofer auch, um in offizieller Funktion als Parlamentspräsident gegen jene zu polemisieren, die nach Österreich kommen, „um hier Mindestsicherung ohne Leistung“ zu beziehen, und um gegen österreichische Medien (ORF, profil, news) zu wettern – ohne das FP-Kampfvokabel von der Lügenpresse in den Mund zu nehmen. Dass er Österreich als Land der „Mittelmäßigkeit“ beschrieb, den versammelten Burschenschaftern, Identitären und Ehrengästen von Europas rechtsextremen Parteien34 für ihre „Gesinnung“ dankte und sie für ihre „aufrechte Haltung“ lobte, zeigt jedenfalls eines: Von den österreichtreuen Beteuerungen während des Präsidentschaftswahlkampfes ist wenige Wochen danach so gut wie nichts übrig geblieben.35

Dass Burschenschafter mit ihren Bekenntnissen zum deutschen Volkstum in Wirklichkeit das „deutsche Vaterland“ meinen, belegen zahlreiche Beispiele. Hofers burschenschaftliche Waffenbrüder haben Landkarten verteilt, auf denen die „Ostmark“ als Teil Großdeutschlands ausgewiesen wurde.36 Vor der deutschen Wiedervereinigung forderten Burschenschafter die Einbeziehung Österreichs37, danach beklagten sie sich darüber, dass diese ohne Österreich erfolgte. Ihr Ziel sehen sie erst erreicht, wenn auch Österreich, Südtirol und ehemalige deutsche Siedlungsgebiete in Osteuropa zu einem „deutschen Staat“ gehören. 38

Der FPÖ-Parlamentarier und Burschenschafter Werner Neubauer (Gothia Meran, Markomannia Eisenstadt und Teutonia zu Linz – aus letzterer ausgetreten), der politisch Andersdenkende in lupenreiner Nazi-Diktion als blutsaugendes Ungeziefer – „linker Zeck“39 – bezeichnet, begann seine Rede anlässlich einer Anti-Minarett-Demonstration der rechtsextremen Gruppierung Pro Nordrhein-Westfalen mit den Worten: „Liebe deutsche Landsleute. Ich darf das sagen, weil ich Deutscher bin.“40

Norbert Hofer tut Fragen nach dem Nationalitätenbegriff seiner Burschenschaft als „Kinkerlitzchen“ ab. Für ihn ist dieses „Minithema“ für Österreich „völlig unerheblich“.41

Gegen Gleichheit und Pluralismus

Nicht nur die in der Gründungsfestschrift der Marko-Germania zu Pinkafeld postulierte Ablehnung der österreichischen Nation und das Bekenntnis zum „deutschen Vaterland“ lassen deutliche Distanz dieser Verbindung zur Bundesverfassung erkennen. Diese beschreibt Österreich als „pluralistische Demokratie“. In ihrer Festschrift aber warnt Hofers Burschenschaft ausdrücklich vor dem „gefährlichen Begriff“ des Pluralismus, dem sie sich als „wertkonservative Gemeinschaft“ entgegenstelle.42

Auch der in der Bundesverfassung festgeschriebene Gleichheitsgrundsatz, ein Grundprinzip liberaler Demokratie, wird von der Marko-Germania relativiert. Im Gegensatz zur „sozialistischen Gleichmacherei“ müssten Burschenschafter einem „elitären Rollenbild“ gerecht werden, „weg von der Ideologie der Masse“.43

Die „Herrenrasse“-Dünkel der Nazis sind wieder da, wenn auch in einer sprachlichen Form, die vor Strafverfolgung schützt. An der Bedeutung aber hat sich nichts geändert: Aus dem Arier-Paragrafen ist das „Abstammungsprinzip“ geworden, die „Herrenrasse“ ist dem „elitären Rollenbild“ gewichen, das „Führersystem“ verschwindet hinter unverfänglichen Worthülsen wie „Durchgriffsrecht“, „weg von der Ideologie der Masse und der sozialistischen Gleichmacherei“.

* Ende der 1990er-Jahre distanzierte sich J. H. von der gewaltbereiten Neonazi-Szene. Um seinem beruflichen Fortkommen nicht zu schaden wurde auf die Nennung des vollen Namens verzichtet.

* Zur Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) zählen in Österreich: Graz: Alemannia, Arminia, Carniola, Cheruskia, Frankonia, Germania; Leoben: Leder; Innsbruck: Brixia, Suevia; Salzburg: Germania; Wien: Alania, Aldania, Albia, Bruna Sudetia, Gothia, Libertas, Moldavia, Nibelungia, Olympia, Silesia, Teutonia.

Antisemitismus in den Burschenschaften

In ihrer Gründungsfestschrift bekennt sich die Marko-Germania zu Pinkafeld Das klingt harmlos, ist es aber nicht. Durch das Abstammungsprinzip werden Juden und „Andersrassige“ wie einst im Nationalsozialismus ausgeschlossen. Der unverdächtig klingende Begriff bedeutet also nichts anderes als eine Fortschreibung des Arier-Paragrafen unter Umgehung des historisch belasteten NS-Begriffs.