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Ni Jica

Forbidden





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Impressum und Anmerkungen

Forbidden

Copyright Text © Ni Jica

 

 

Herausgeber: N. Garbe

Zur Frankenfurt 203

60529 Frankfurt am Main

Kontakt: nijica@gmx.de

 

 

Coverbild gezeichnet von: Kira Yakuza

Homepage: www.the-art-of-kira.de

 

 

Korrektur und Lektorat: Iris Biehl-Drucks

 
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und andere Verwendung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Vervielfältigungen und Veröffentlichungen sind nicht gestattet. Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden und entspringen meiner Fantasie. Ähnlichkeiten jeglicher Art wären demnach rein zufällig. Und jetzt die wichtigste Anmerkung: Denkt im wahren Leben bitte immer an Safer Sex!

Zum Inhalt


Was würdest du tun, wenn du denjenigen, den du liebst, nicht lieben darfst? Wie weit würdest du gehen, um ihm trotzdem nahe sein zu können?


Nick ist jung, gutaussehend und lebt seine Sexualität in vollen Zügen aus. Da verwundert es nicht, dass er sich nebenbei auch mal gerne etwas als schwuler Callboy dazuverdient. Doch dadurch ändert sich für ihn alles. Er wird eines nachts überfallen und fast getötet. Das ist der große Auftakt für einen Strudel aus Intrigen und Gewalt, dem sich der junge Student fast schon hilflos gegenübersieht.

Er muss erkennen, dass nicht nur er ein dunkles Geheimnis in sich trägt, sondern sein gesamtes Umfeld ein Netz aus undurchdringlichen Lügen gewoben hat. Wem kann er noch vertrauen? Ein Kampf ums nackte Überleben beginnt, bei dem ihm nur einer helfen kann. Doch was tun, wenn ausgerechnet dieser Mann sein kompletter Untergang sein könnte?


Warnung: Diese Story enthält einige gesellschaftskritische Themen und zudem blutige Szenen inklusive psychopathischer Charaktere. Wer so etwas nicht mag und auch nichts mit homoerotischer Lektüre anfangen kann, der sollte von dieser Geschichte lieber die Finger lassen.

1. Spiel mit dem Feuer


Mit klopfendem Herzen betrat ich wie jeden Freitag ein kleines, unscheinbar wirkendes Hotel in der Innenstadt. Es war noch früh, gerade mal sechzehn Uhr. Die gewohnte Uhrzeit, direkt nach meinem Feierabend. Eigentlich sollte ich nicht mehr so aufgeregt sein. Ich wusste ja, was gleich geschehen und wer mich erwarten würde. Trotzdem war es immer dasselbe. Das Blut rauschte mir in den Ohren, meine Hände schwitzten und mein Körper zitterte leicht. Die ersten Schritte waren immer die schlimmsten.

Mit einem kurzen Nicken grüßte ich die kleine Frau am Empfang, ging aber raschen Schrittes weiter zu den Aufzügen. Sie kannte mich bereits, schenkte mir wie immer nur ein Lächeln, bevor sie sich wieder ihrem PC zuwandte. Anmelden brauchte ich mich nicht mehr. Ich wusste, der Mann, der mich gleich erwarten würde, hatte dies schon getan.

Ich fuhr in den dritten Stock, wandte mich zielstrebig nach links und blieb schon nach wenigen Metern an der Tür mit der Nummer 303 stehen. Unser Zimmer. Das änderte sich nie, denn ich buchte dieses Zimmer generell einen Monat im Voraus für diese Zeit. Unsere Zeit.

Kurz schloss ich meine Augen, atmete noch einmal tief durch, bevor ich die Klinke herunterdrückte und entschlossen ins Zimmer trat. Der Raum, in dem ich nun stand war spärlich eingerichtet. Es gab einen Tisch, eine Kommode und ein Bett; nur das Nötigste. Wer Luxus suchte, war hier fehl am Platz, doch es war ja auch nicht die Einrichtung, die mich hier immer wieder herzog, sondern der Mann, der wie die fleischgewordene Verführung auf dem Bett lag.

Das Zimmer roch nach seinem Duschgel und die leichte Feuchtigkeit in der Luft zeigte mir an, dass er gerade erst mit seinen Vorbereitungen fertig geworden war. Ich mochte diesen Duft. Es war eine Mischung aus Orange, Sandelholz und Zimt. Tatsächlich reichte er schon aus, um meinen Schwanz sofort anschwellen zu lassen. Die Vorfreude, sowie die Anspannung in mir wuchs, als ich langsam auf das breite Doppelbett zuging.

Mit einem lasziven Lächeln lag er da, rekelte sich und präsentierte mir so den wunderschönen nackten Körper in seiner ganzen Pracht. Wie immer, wenn mich dieser Anblick traf, konnte ich nicht anders, als ihn fasziniert zu betrachten. Alles an ihm war perfekt, einfach einzigartig. Seine sanft gebräunte Haut war makellos. Kein unnötiges Haar zierte seinen Körper, ganz so wie ich es mochte. Ich wusste, wenn ich seine Haut jetzt berühren würde, wäre sie weich, fast samtig. Das verwunderte mich immer wieder, denn sein gut trainierter und fester Körper ließ das nicht vermuten.

Er war nicht übermäßig muskulös, aber gut in Form und wohl definiert. Das musste er auch sein, schließlich war sein Körper sein Kapital. Er war ein Callboy. Der Gedanke ließ mich leise seufzen und erinnerte mich daran, dass wir wie immer erst das Geschäftliche zu regeln hatten. Ich zog einen braunen Umschlag aus meiner Jackeninnentasche, den ich neben ihn auf das Bett fallen ließ. Das Grinsen meines Gespielen wurde breiter, als er nach dem Geld griff und es auf den Nachttisch legte.

Das zauberte auch mir ein Lächeln ins Gesicht. Er vertraute inzwischen seinem besten Stammkunden und fand sich hier blind zurecht, denn blind war er derzeit tatsächlich. Er trug eine Augenbinde, durch die nicht mal das kleinste bisschen Licht dringen konnte. Ich hatte bereits bei unserer ersten Kontaktaufnahme klargemacht, dass ich nicht wünschte, dass er mich sah. Selbst den Klang meiner Stimme verwehrte ich ihm.

Das hatte ihn anfangs abgeschreckt mich überhaupt als Kunden anzunehmen, doch nach einem regen Mailaustausch und einem Angebot, das er nicht ablehnen konnte, hatte ich ihn doch dazu gebracht. Es hatte mich eine Stange Geld gekostet, aber das war es wert, jedes Treffen mit ihm war das. Ich wollte ihn und nun hatte ich ihn. Zumindest für zwei Stunden jeden Freitag.

»Hey, mein Großer. Willst du erst duschen oder sollen wir gleich anfangen?«, fragte er mich mit seiner rauchig samtigen Stimme und ließ mich Schmunzeln. Er wusste genau, dass ich ihm nicht antworten würde und trotzdem versuchte er jedes Mal mich aus der Reserve zu locken. Es war ein amüsantes Spiel, das er aber immer verlor. Niemals würde ich mich verraten. Niemals ...

Ich drehte mich um und ging in das kleine angrenzende Bad. Schnell entledigte ich mich meiner Kleidung und wusch mich gründlich. Duschen war wichtig. Davor und danach durfte mein Geruch nichts von meiner wahren Identität preisgeben, denn wenn sie aufflog, dann ...

Ich schüttelte meinen Kopf. Jetzt und hier würde ich nicht darüber nachdenken. Meine Ängste und mein Selbsthass würden mich schon früh genug wieder überfallen, sobald ich auch nur den ersten Schritt aus diesem Hotel getan hätte. Ich seifte mich kräftig mit seinem Duschgel ein. Es war zwar ein Duft, den ich an ihm liebte, aber einer, den ich niemals selbst außerhalb dieser vier Wände tragen würde. Perfekt.

Ich beeilte mich, denn ich wollte nicht zu viel von unserer gemeinsamen Zeit verschwenden und so stand ich bereits nach fünf Minuten wieder vor dem Bett und blickte erneut auf den schönen Mann herab. Er bewegte sich nicht und wartete still ab, was ich als Nächstes vorhatte. Nach den letzten drei Monaten unseres Arrangements und unseren zahlreichen Mails wusste er genau, dass ich es ihm durch Gesten zeigen würde, was ich brauchte und ich keine Eigeninitiative von ihm wünschte. Ich wollte die komplette Kontrolle behalten, alles andere wäre viel zu gefährlich.

Der Reiz des Unbekannten schien ihn zu erregen, denn sein schöner gerader Schwanz war bereits halbsteif. Das war wohl mit ein Grund, warum er mir mein kleines Versteckspielchen inzwischen ohne weitere Nachfragen durchgehen ließ. Er stand auf das Spiel mit dem Feuer. War nur zu hoffen, dass es keinen von uns verbrennen würde.

Ich legte mich vorsichtig neben ihn und fing an seinen Bauch zu streicheln. Ich mochte dieses angedeutete Sixpack und fuhr zu gerne dessen Konturen nach. Noch viel lieber mochte ich allerdings, dass ihm das gefiel, wie mir seine leicht beschleunigte Atmung verriet. Es war schwer für ihn, seine Finger bei sich zu behalten, das fiel mir jedes Mal aufs Neue auf und erregte mich ungemein. Ich bescherte ihm Lust und das berauschte mich. Ohne Eile wanderte ich mit meinen Fingerspitzen nach oben zu seiner Brust, erkundete jeden Winkel seiner Muskeln, bevor ich ihn ohne Vorwarnung in die Brustwarzen kniff.

Er keuchte sofort und bog sich unbewusst mehr in meine Richtung. Eine stille Aufforderung weiterzumachen, der ich nur allzu gerne nachkam. Mein Mund umschloss eine der dunklen Knospen, zog und knabberte daran, bis sich sein Brustkorb hektisch hob und senkte. Oh ja, das gefiel ihm, aber es war noch lange nicht genug.

Heute wollte ich ihn laut stöhnend und unter mir windend haben, bevor ich ihn hart fickte. Vielleicht schenkte er mir heute auch ein paar seiner entzückenden Schreie? Von meinen eigenen Gedanken angestachelt griff ich ihm zwischen die Beine und begann seine kleinen, prallgefüllten Eier zu massieren. Nicht zu fest und nicht zu lasch, gerade genug, dass sich sein Schwanz von ganz allein zur vollen Größe aufrichtete. Das war eindeutig eine Einladung.

Ich griff mir schnell das bereitgelegte Gleitgel neben dem Kopfkissen und gab etwas davon in meine Hand, bevor ich seine Härte damit umschloss. Kurz zuckte er unter meinem festen Griff zusammen, entspannte sich aber sofort wieder und begann sich selbst in meine Faust zu stoßen. Braver Junge. Er wusste inzwischen genau, was und wie ich es wollte.

Ich unterstützte ihn, indem ich ihm einen Arm unter seine Hüften schob und ihn etwas anhob. Nun konnte er sich leichter in meine Faust schieben und ich konnte ihn notfalls dirigieren, wenn er mir zu langsam wurde. Brennende Lust durchzog meinen Körper, als er sich immer drängender an mir selbst befriedigte. »Willst du wirklich, dass ich so schnell abspritze?«, keuchte er abgehackt und versuchte langsamer zu werden, was ich sofort unterband, indem ich seine Hüften schneller nach oben stieß.

Der Kleine dachte doch nicht wirklich, dass er nur einmal zum Abschuss kommen würde? Ich wollte, dass er die komplette Kontrolle über sich und seinen Körper verlor, nur noch mich wahrnahm und unsere kleine Session nicht so schnell vergaß. Deswegen war ich hier und mit nichts anderem würde ich mich zufriedengeben.

Ich spürte, wie seine Hoden sich zusammenzogen und seine Zehen sich verkrampften, als er stöhnend kam. Sein Schwanz zuckte in meiner Hand und entlud sich in kleinen heftigen Schüben, die mich ein wenig enttäuschten. Das war eindeutig viel zu wenig und seine Lustlaute noch viel zu leise. Das ging besser.

Ich molk ihm auch noch den letzten Tropfen ab und pumpte ihn unbeirrt weiter. Spätestens jetzt wusste er, was ich heute von ihm verlangen würde. Er bog zischend seinen Rücken durch, was mir erlaubte, ihn noch fester mit meinem Arm zu umfassen. Nun ging es nur noch nach meinem Tempo weiter.

»Du perverser Bastard«, krächzte er halb lachend und halb stöhnend, während er versuchte mit dem Lustschmerz in seinem Unterleib umzugehen. Ich lächelte nur über seine Worte und beobachtete jede noch so winzige Regung in seinem Gesicht ganz genau. Gerne hätte ich jetzt seine Augen gesehen, doch da das nicht ging, begnügte ich mich damit mir vorzustellen, wie sie nun vor Lust und Schmerz verhangen in einem dunklen Grün leuchten würden.

Ich spürte an den Anspannungen seines Körpers, dass er sich noch nicht ganz fallenlassen konnte und beruhigte ihn, indem ich ihm zärtlich einige Strähnen seines verschwitzten blonden Haares aus der Stirn strich und ihn dann sanft auf dem Mund küsste. Es half ihm meine ununterbrochenen Reizungen anzunehmen und loszulassen. Er verlor sich, krallte seine Finger in meine Schultern und stieß keuchend seine Zunge in meinem Mund.

Der Kuss wurde leidenschaftlicher. Er rang um Beherrschung und verlor sie doch. Unkontrolliert wimmernde Laute drangen aus seinem Innersten hervor und ließen es zwischen uns vibrieren. Es fehlte nicht mehr viel und er würde erneut für mich kommen. Ich zog das Tempo an, ließ seinen Schwanz nun immer schneller durch meine Faust fliegen, bis er mir endlich meinen ersehnten Schrei schenkte und wild unter mir zu zucken begann. Das war es, genau so wollte ich ihn haben.

Nun selbst am Ende meiner Beherrschung angelangt löste ich mich von ihm und drehte ihn auf den Bauch. Sein Körper bebte noch, lag immer noch in den Nachwehen seines Höhepunkts, aber ich war viel zu gierig, um ihn runterkommen zu lassen. Eilig zog ich mir ein Kondom über, schmierte es großzügig mit Gel ein und brachte meinen Harten dann in Position. Ich spielte ein wenig, ließ meinen Schwanz in seiner Ritze auf- und abgleiten und zeigte ihm somit auch gleich an, was ihm nun blühte.

Stöhnend barg er seinen Kopf ins Kissen, während seine Hände sich daneben krallten und er mir sein Becken weiter entgegen schob. Mehr Einverständnis brauchte ich nicht. Ich packte ihn fest an den Hüften und versenkte mich mit einem Ruck tief in ihn. Ich bekam einen gedämpften Schrei von ihm als Antwort. Das gefiel mir nicht. Ich wollte ihn hören. Laut und klar sollte er mir alles von sich geben und nichts Verstecken.

Ich griff ihm mit einer Hand ins feuchte Haar und bog seinen Kopf zur Seite, während ich langsam zu stoßen begann. »Grober Scheißkerl«, zischte er leise und nahm seinen Worten doch sogleich die Schärfe, indem er ein langgezogenes Stöhnen ausstieß.

Ja, ich war ein Scheißkerl. Allein, dass ich jetzt hier war bewies es und doch genoss der Kleine diese Behandlung in vollen Zügen und ging voll mit. Er hatte eindeutig noch zu viel Energie, dem wollte ich nun Abhilfe schaffen und griff erneut nach seinem Schwanz, der gerade abschwellen wollte. Das konnte ich nicht zulassen, wäre doch auch wirklich schade drum.

Ich umkreiste seine nun total überreizte Eichel mit dem Daumen und begann ihn dann wieder gekonnt zu reiben. Knurrend schlug er mit der Faust vor sich ins Kissen und belegte mich erneut mit allerhand Schimpfwörtern. Das steigerte meine Lust enorm und ich stieß nun schneller und härter in seinen knackigen Arsch. Er fing wieder an zu keuchen. Die reinste Musik in meinen Ohren, die sogar noch schöner wurde, als ich mit Absicht bei jedem Stoß gegen seine Prostata rieb.

Ich wollte, dass er noch einmal für mich abspritzte und trieb mich immer fester und tiefer in ihn, während ich ihn wichste, als würde mein Leben davon abhängen. Ich hatte schneller Erfolg, als ich es für möglich gehalten hätte und der Kleine explodierte so stark und heftig unter mir, dass er mich fast von sich abgeworfen hätte.

Schwarze Punkte flackerten vor meinen Augen, als sich sein enges Loch um meinen Schwanz krampfte und meinen eigenen Höhepunkt herbeiführte. Er molk mich, zapfte mir jeden einzelnen Tropfen ab und ließ mich fliegen.


»Du Tier«, krächzte er erschöpft und wand sich unter mir, da ich wohl irgendwie auf ihm zusammengebrochen sein musste. Kurz war ich versucht ihn zu fragen, ob er denn all seine Kunden so betitelte, aber das wäre fatal gewesen und so zog ich mich nur vorsichtig aus ihm zurück, verknotete das Kondom und ließ es zunächst achtlos auf den Boden fallen. Den Müll konnte man auch später entsorgen, aber jetzt musste ich mich zuerst davon überzeugen, dass es dem Kleinen gutging.

Ich ließ mich neben ihn fallen und betrachtete genau sein Gesicht. Hierbei war wieder die Augenbinde störend, aber seine entspannten Mundwinkel und seine langsam ruhiger werdende Atmung beruhigten mich.

Ich zog ihn an mich und genoss ein wenig das Gefühl seines Körpers an meinem. Anfangs hatte er das nicht zulassen wollen, verstieß vielleicht gegen irgendeine Callboy Regel, aber inzwischen nahm er es scheinbar gerne hin, wenn ich ihn nach dem Sex im Arm hielt. Ich durfte ihn jetzt sogar streicheln und das nutzte ich nun auch ausgiebig. Ich vergrub meinen Kopf an seinem Hals, inhalierte tief seinen herrlich männlichen Geruch und strich dabei über seine Seiten.

Er lachte daraufhin leise und schob mich etwas von sich weg. War wohl doch zu viel des Guten? »Du wirst mir immer suspekter Mr. X. Du fickst mich jedes Mal so heftig durch, als würde es kein Morgen mehr geben und danach willst du kuscheln. Wie passt das zusammen?«

Es hörte sich eher so an, als würde er sich selbst diese Frage stellen und wahrscheinlich war es auch so, schließlich konnte er von mir keine Antwort erwarten. Jedenfalls keine mit Worten. Ich packte wieder nach ihm und zog seinen Körper über meinen, bevor ich ihn verlangend küsste. Das machten bestimmt auch nicht viele seiner Freier und so war es nicht verwunderlich, dass er meist nur zögerlich auf meine Zärtlichkeiten einging. Heute hatte ich jedoch Glück und er schmiegte sich eng an mich, bevor er meine Zunge willkommen hieß.

Mein verräterisches Herz begann sofort schneller zu schlagen und dröhnte mir mahnend in den Ohren. Meine Zweifel, Ängste und Schuldgefühle drohten mich bereits jetzt mit sich fortzuspülen, doch noch war ich nicht gewillt mich ihnen hinzugeben. Noch hatte ich Zeit, wenn auch nur noch eine halbe Stunde und danach ... danach durften sie mich wieder eine ganze Woche lang quälen.

2. Eine ehrbare Familie


Sobald ich die Tür des Hotelzimmers zufallen hörte, riss ich mir endlich die dumme Augenbinde vom Kopf und blinzelte mehrmals ins Licht. An das Teil würde ich mich wohl nie ganz gewöhnen, aber was tat man nicht alles für einen Extra-Bonus und na ja, auch für einen guten Fick, denn eines musste man ganz klar sagen, ficken konnte mein unbekannter Mr. X wie kein anderer.

Zufrieden grinsend ließ ich mich noch mal in das Kissen sinken und griff neben mich auf dem Nachttisch. Sofort ertastete ich meinen heutigen Verdienst und zählte nach. Eigentlich brauchte ich das bei ihm nie zu tun, denn mein neuer Stammkunde war bisher immer sehr korrekt und großzügig gewesen. Auch heute lagen zwei Hunderter mehr als vereinbart im Kuvert und ließen mich schmunzeln. Wäre jeder meiner Kunden so, dann hätte ich mit Sicherheit keine Geldsorgen mehr. Das hieß, wenn sich nicht noch weitere meiner Kunden von mir abwenden würden.

Meine eben noch so gute Stimmung trübte sich. Ich machte nun seit 5 Monaten den Job als Callboy. Ich arbeitete allein, hatte meinen Preis und nahm bisher auch nicht jeden uneingeschränkt als Kunden an. Ich sah mich noch nicht so tief am Boden liegen, als dass ich jedem Kerl meinen Arsch hinhalten würde. Den Job sah ich nur als lukrativen Nebenverdienst um mir mein Studium zu finanzieren und außerdem brachte er mir jede Menge Spaß ein. Meistens zumindest.

Es gab auch schon Situationen, die ziemlich übel hätten enden können. Viele Männer wollten oder konnten nicht verstehen, dass es bei mir kein Bareback oder Blasen ohne Gummi gab. Für ein paar Kröten setzte ich mein Leben nicht aufs Spiel, da hörte bei mir der Spaß auf und fing für einige Idioten leider erst an. Aber zum Glück hatte ich ja die Hälfte meines Lebens in einem Kampfsportverein zugebracht und wenn mir einer blöd kam ... tja, dann landete dieser eben recht schnell auf der Schnauze, da kannte ich nix.

Leider schadete dies wohl meinem Ruf, denn ein Stammkunde nach dem anderen sprang mir ab und zudem leider auch die, mit denen es bisher echt gut gelaufen war. Es war wie verhext und wenn es so weiterging, dann blieb mir nur noch Mr. X. Ob er wohl eine Vollzeitstelle für mich hätte?

Ich musste wieder grinsen. Das sollte ich ihn wohl lieber nicht fragen, denn wenn er Ja sagte, müsste ich dann bestimmt den ganzen Tag blind und nackt durch die Gegend laufen. Ich fragte mich immer noch, warum ich ihn weder sehen noch hören durfte. Er hatte es anfangs damit begründet, dass er aus persönlichen Gründen übervorsichtig sein musste und er einen Sprachfehler hätte. Das war lachhaft und hatte ich ihm keine Sekunde lang abgenommen. Viel eher war er in meinen Augen ein verkappter Schwuler, der zuhause eine Frau, mindestens zwei Kinder und einen Hund sitzen hatte und es sich und seinem Umfeld einfach nicht eingestehen wollte, dass er lieber an Schwänzen lutschte, anstatt an der Pussy seiner Frau.

Das war auch okay für mich. Ich konnte jeden verstehen, der sich in dieser Welt besser nicht outen wollte. Ich hatte es getan und was war dabei rausgekommen? Ein blaues Auge und lebenslanges Hausverbot bei meinen Eltern.

Das war jetzt fünf Jahre her und auch wenn ich es nicht gerne zugab, so schmerzte die Erinnerung daran doch immer noch sehr. Damals war ich siebzehn gewesen, hatte ewig lange mit mir gerungen überhaupt mit jemanden über meine sexuelle Orientierung zu sprechen und als ich es dann schaffte ... bämm, bekam ich - nicht nur sprichwörtlich gesehen - einen Schlag in die Fresse und wurde enterbt.

Meine Mutter hatte geweint und sich Vorwürfe gemacht, meinte, es wäre bestimmt ihre schlechte Erziehung gewesen, die mich so abartig werden ließ und natürlich stimmte ihr mein Vater aus vollem Herzen zu. Dass er so reagierte, hatte mich nicht wirklich überrascht. Er hatte es mich immer mehr als deutlich spüren lassen, dass er seine beiden Söhne aus erster Ehe bevorzugte.

Calvin, der Älteste, war dreißig. Elite-Student, jetzt Vaters rechte Hand in seiner Firma und bereits seit stolzen sechs Jahren mit einer absolut vorzeigbaren und natürlich respektablen Frau aus reichem Hause verheiratet. Der perfekte Sohn also für die ach so ehrbare Familie Richmond aus Northampton, die gerne ihren Luxus in ganz England zur Schau stellten.

Der zweitälteste, Lance, stapfte bereits in die Fußstapfen seines großen Bruders. Er wollte zwar nicht in Dads Firma einsteigen, aber als renommierter Anwalt machte er auch so einiges her und seine Verlobte war natürlich auch von edlem Stand. Da hatte ich nie mithalten können. Ich war nie so ehrgeizig und zielstrebig wie sie gewesen und hatte schon immer gerne gegen die strengen Regeln meines Elternhauses rebelliert. Mit vierzehn schloss ich mich der Gothic-Szene an und rannte fortan nur noch als Dracula für Arme durch die Gegend und mit sechzehn versuchte ich es mal als Punk. Brachte mich beides nicht wirklich weiter im Leben und so beschloss ich eben mit siebzehn so richtig den Vogel abzuschießen und schwul zu werden.

So sahen das jedenfalls meine lieben Eltern, denn dass ich einfach mal mit dieser sexuellen Orientierung geboren worden sein könnte, kam ihnen partout nicht in den Sinn. Es kam zum bereits erwähnten Streit, als ich nicht nachgeben und mich verleugnen wollte und landete auf der Straße. Fortan lebte ich bei Freunden und nahm alle möglichen Gelegenheitsjobs an. Ich schaffte es nebenbei sogar meinen Schulabschluss fertig zu bekommen und fing danach direkt an, als Verkäufer in einem Supermarkt zu arbeiten. Ich wollte mir nicht mal im Ansatz ausmalen, wie meine ehrenwerten Eltern getobt hatten, als sie davon erfuhren. Wie peinlich und rufschädigend das doch war!

Mir war egal was ich tat. Ich verräumte auch Klopapier, wenn mir das etwas Geld einbrachte und das war immerhin eine Vollzeitstelle. Hallo?! Das war heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Ich konnte mir von dem Gehalt eine kleine Einzimmerwohnung leisten und hatte meistens genug zu essen, das war alles was für mich zählte. Ich wollte selbst für mich sorgen, mir alles eigens erarbeiten und so meiner versnobten Familie beweisen, dass selbst ein derart abartiges Wesen wie ich auf eigenen Beinen stehen konnte.

Genau aus diesem Grund ließ ich mir auch nicht von Lance oder Calvin helfen. Die beiden kamen auch nicht wirklich damit klar, dass ich auf Kerle stand, aber wenigstens waren sie nicht ganz so verbohrt und betrachteten mich immer noch als ihren Halbbruder. Zumindest im Geheimen, offiziell stand keiner dazu. Sie schickten mir heimlich Schecks mit der Post und baten mich gleichzeitig darum, dass ich weder den Eltern, noch dem anderen Bruder etwas davon verraten sollte. Dass beide fast die identischen Worte bei ihren Schreiben verwendeten, brachte mich immer laut zum Lachen, während es mir in Wirklichkeit fast das Herz brach.

Diese Familie war wirklich das Verlogenste, was es auf der Welt gab und ich redete mir ein, dass es gut war, dass ich nicht mehr zu ihnen gehörte. Meistens klappte das. An schlechten Tagen leider nicht. Ich verachtete mich manchmal selbst, wenn ich an bessere Tage zurückdachte und meine Brüder wie auch meine Eltern vermisste. Es wurde so schlimm, dass ich irgendwann die Briefe von Lance oder Calvin gar nicht mehr öffnete, sondern einfach zurückschickte. Ich brauchte einen endgültigen Schlussstrich, bevor es mich innerlich zerfressen würde und so brach der Kontakt fast vollständig ab.


Ich schüttelte mich innerlich und schob die düsteren Gedanken der Vergangenheit von mir. Ich hatte vielleicht früher viel Scheiße fressen müssen, aber nun ging es bergauf. Ich hatte mich vor einem Jahr an der Uni eingeschrieben, denn natürlich hatte auch ich nicht vorgehabt ewig als Verkäufer zu arbeiten, und studierte nun Betriebswirtschaft. Das Studium sollte sogar ich hinkriegen und mit dem Job als Callboy klappte es ja wenigstens auch ganz gut mit der Finanzierung.

Ich stand mühselig vom Bett auf und rieb mir den Hintern, als könnte ich so das leichte Brennen und Ziepen vertreiben. Also ich liebte ja die etwas härtere Gangart beim Sex, aber jeden Tag mit Mr. X würde ich wohl nicht überstehen. Sein Schwanz hämmerte manchmal in mich, als wäre er ein Rammbock und mein Arsch die einzunehmende Festung. Ob der wohl zuhause nicht zum Schuss kam?

Kopfschüttelnd stieg ich unter die Dusche, wusch mir die letzten Reste der heißen Begegnung ab und machte mich dann so langsam mal startklar, um nach Hause zu kommen.


Bereits zwanzig Minuten später erreichte ich mein kleines Appartement und mein neuer Mitbewohner Pampelmuse kam mir mit einem grimmigen Gesichtsausdruck entgegen. Er sah aus, als wäre er total sauer und sein beigefarbenes, in alle Himmelsrichtungen abstehendes Fell verstärkte diesen Eindruck noch. Er war ein Plattnasen-Irgendwas-Katzenvieh - ehrlich, keine Ahnung, wie man diese Rasse nannte - und hatte sich vor einigen Monaten einfach bei mir einquartiert.

Er war eines Tages auf meiner Fensterbank aufgetaucht und ich Dummkopf hatte ihn aus Mitleid gefüttert. Der Kater sah aber auch gruselig und gleichzeitig so erbärmlich aus, dass ich einfach nicht anders konnte. Das Ende vom Lied war, dass ich ihn nun nicht mehr loswurde. Ich taufte ihn auf den Namen Pampelmuse, weil er sich wirklich immer so stinkig benahm, wie er auch aussah, und ließ ihn bleiben. Vielleicht war es Mitleid, vielleicht aber auch Angst vor ihm, so genau konnte ich das bisher noch nicht sagen.

Ich beugte mich zu ihm herunter und wollte ihm zur Begrüßung über das Köpfchen streicheln und er biss mir als Dank in den Finger, fauchte und strich mir dann, als wäre nichts gewesen, um die Beine. So war das zwischen uns immer. Reichlich frustrierend. »Hör mal, Pampelmuse, wenn du nicht netter zu mir wirst, dann mach ich aus dir irgendwann Fruchtsaft«, meckerte ich leise, was ihn nur dazu verleitete, mir den Arsch zuzudrehen und sich dann königlich von dannen zu machen. Respekt hatte der Kerl auch keinen.

Seufzend ging ich in meine winzige offene Küche und servierte dem Kater, ganz der treue Diener, sein Fresschen. Danach machte er meistens sein Verdauungsschläfchen und ließ mich ein paar Stündchen aus seinen kleinen, gemeingefährlichen Krallen. Nach vollbrachter Tat brauchte ich mich nur umzudrehen und zwei Schritte zu gehen und schon stand ich in meinem Wohnzimmer, das mir gleichzeitig auch als Schlafzimmer diente. Ich war nicht wirklich der Einrichtungsexperte und Platz war eh nicht viel, deshalb befand sich hier nur ein kleiner Tisch, auf dem ein Röhrenfernseher aus der Steinzeit stand und meine quietschrote, ausziehbare Ledercouch, auf die ich mich nun rücklings warf.

Entspannt zückte ich mein Handy und durchforstete meine Mails nach neuen Dateanfragen. Ein guter Freund hatte mir eigens eine Website eingerichtet, auf der man sich einige nette Fotos von dem Callboy Seven, sprich mir, anschauen und mich darüber auch gleich kontaktieren konnte. Warum ich mich Seven nannte? Gute Frage, wahrscheinlich weil ich, als die Frage nach einem Pseudonym aufkam, gerade eine Flache Seven Up in der Hand hielt? Hmm, ja, könnte gut sein. Mein Gehirn arbeitete manchmal auf merkwürdige Weise.

Leider brachte mir der Name heute kein Glück und so blieb Mr. X der einzige Kunde seit ganzen fünf Tagen. Das war schon schlecht, aber noch viel schlechter war es, dass ich eine Mail von Lance in meinem Postfach hatte. Woher hatte mein Bruder überhaupt diese Adresse? Hatte ich die nicht bereits hundertmal geändert, damit ich von nervigen und geheuchelten Anfragen seinerseits verschont blieb? Tja, so war halt diese Welt, wo man sich für Geld jede Information kaufen konnte, sollte mich also echt nicht wundern.

Mein Finger schwebte bereits über dem Löschen Button, als mich ein kleiner und sehr masochistischer Teil von mir doch dazu brachte die Mail anzuklicken. Ich wünschte sofort, ich hätte es nicht getan, denn ich fühlte mich sogleich verarscht. Warum bitteschön schickte er mir eine Einladung zu seiner Hochzeit? Aus Höflichkeit, weil etwas anderes seine gute Erziehung nicht zuließ?

Verächtlich lachte ich auf. Das war ein kranker und sehr schlechter Scherz, schließlich wusste ich, dass ich nicht erwünscht war. Das wusste ich, das wusste er, das wusste jeder! Ich war so sauer, dass ich erst nach einem kleinen inneren Tobsuchtsanfall seine persönlichen Worte las.


Nick,


ich kann mir genau vorstellen, was du jetzt denkst, aber ich bitte dich ernsthaft darüber nachzudenken zu meiner Hochzeit zu kommen. Ich habe Miranda so viel von dir erzählt und sie will dich genauso wie ich unbedingt dabeihaben. Um dir zu beweisen, dass ich es ernst meine, habe ich dir bereits ein Ticket auf deinen Namen gebucht. Wir heiraten in vier Wochen in Davos-Klosters. Du findest die genauen Daten im Anhang. Ich habe allen gesagt, dass ich dich eingeladen habe und niemand hat widersprochen. Alle vermissen dich insgeheim genauso wie ich, also gib dir einen Ruck. Du gehörst doch zur Familie, auch wenn du anders bist ...


An dieser Stelle brach ich ab, weil ich wieder einmal in fast hysterisches Lachen ausgebrochen wäre. Für einen Anwalt gelang es ihm erstaunlich schlecht die richtigen Worte zu finden. Auch wenn du anders bist ...

»Ich bin nicht anders, ich bin nur ich!«, schrie ich verbittert mein Handy an und war fast versucht es in die nächste Ecke zu werfen. Warum konnten diese Menschen, die sich meine Familie nannten, mich nicht einfach in Ruhe lassen, wenn sie mich sowieso nicht so akzeptieren konnten wie ich war? Warum rissen sie immer wieder alte Wunden auf?

Nein, ich konnte da nicht hin, selbst wenn sie mir dort nur ihre heuchlerische Seite zeigen würden. Das würde ich einfach nicht verkraften. Sie hatten mir so wehgetan, mich verstoßen und nun sollte ich heile Welt mit ihnen spielen?

Ich setzte mich ruckartig auf, weil mir gerade eine unglaubliche Idee gekommen war. Was war denn, wenn ich dort wirklich aufkreuzen und genau das Gegenteil tun würde? Was, wenn ich ihnen endlich mal den wirklichen Nick vor Augen führte? Sie kannten mich doch gar nicht mehr, hatten mich seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Vielleicht dachten sie, meine unheilvolle Krankheit namens Schwulsein hätte sich in Luft aufgelöst. Diesen Zahn könnte ich ihnen endgültig ziehen und wenn sie mich dann immer noch nicht so akzeptierten, dann könnte ich einen richtigen Schlussstrich ziehen. Jetzt hieß es, ganz oder gar nicht, denn wenn es so wie bisher weiterging, dann würde mich das irgendwann innerlich zerfressen.

Ganz oder gar nicht ... Dieser Satz ging mir immer wieder im Kopf herum, während ich mit zittrigen Fingern erneut zum Handy griff und Lance meine Antwort mitteilte.

3. Nie verheilte Wunden


»Ich soll deinen festen schwulen Freund auf der Hochzeitsfeier deines Bruders spielen?« Mein bester Freund Ex saß mir gegenüber in einem kleinen Café und bekam große Augen. »Und das auch noch in diesem Luxus Skigebiet, in dem Prinz Charles immer abhängt?«

Ich musste lachen, obwohl mir eigentlich gar nicht danach war. »Ganz genau. Ich habe Lance geschrieben, dass ich nur komme, wenn er mir noch ein Ticket für meine Begleitung besorgt. Er hat erstaunlicherweise sofort zugesagt und ich habe entschieden, dass du der glücklich Auserwählte sein sollst. Die beiden wollen da heiraten, weil sie sich dort zu dieser Jahreszeit kennengelernt haben und halten das wohl für romantisch. Aber keine Angst, ich habe mir sagen lassen, dass Prinz Charles zu dieser Zeit nicht dort 'rumhängen' wird.«

Die hellbraunen Locken meines Freundes wippten aufgeregt, als er immer wieder den Kopf schüttelte. »Also ich weiß nicht, Nick. Das hört sich so an, als wolltest du deinen Eltern eins reinwürgen, sie vor ihren Society Freunden blamieren oder so etwas in der Art. Denkst du wirklich, das ist so eine gute Idee?«

Ich winkte ab. »Ich will sie nicht blamieren. Ich will ihnen nur zeigen, dass ich nach wie vor dazu stehe, wer ich wirklich bin. Ich bin ein Mensch wie sie, habe Gefühle wie sie und darf auch genauso jemanden lieben wie sie. Ich will ihnen zeigen, dass ich mich weder dafür schäme, noch mich deswegen verstecke. Wenn sie mich danach immer noch nicht annehmen, breche ich alle Brücken ab und werde sie ab dann verleugnen. Da ich aber keinen aktuellen Freund habe, wirst du dafür herhalten müssen. Keine Angst, du musst auch nicht mit mir rumknutschen und ich rechne eh damit, dass sie uns sofort von der Party schmeißen, dann könnten wir wenigstens noch einen schönen Urlaub haben. Kannst du Skifahren?«

Ex verzog skeptisch seine braunen Augen. »Nee, Skifahren kann ich nicht. Rumknutschen würde ich mit dir jederzeit, immerhin siehst du scharf aus und ich glaube, dass du mir hier gerade den Coolen vorspielst, obwohl du es gar nicht bist.«

Ich seufzte, denn er hatte mich natürlich durchschaut. Erwin - wie mein Freund mit bürgerlichem Namen hieß, aber aus gesundheitlichen Gründen sollte man ihn lieber nie so nennen - kannte mich besser als jeder andere. Wir waren seit meinem Rauswurf befreundet. Das waren zwar nur fünf Jahre, aber die meiste Zeit davon hatten wir zusammen verbracht. Klar merkte er da, wie es mir wirklich ging.

Ich war scheiße aufgeregt, aufgewühlt und was weiß ich noch alles. Zugeben wollte ich das allerdings nicht. »Du würdest also mit mir rumknutschen?« Ich versuchte mit den Augenbrauen zu wackeln, was aber kläglich misslang. Ich konnte das einfach nicht. Ging das überhaupt wirklich? Ach, was machte ich mir wieder über Unsinn Gedanken!

»Ja, aber lenk nicht ab, Blondi«, fuhr mich mein Gegenüber an, nur um dann in sanfterem Ton fortzufahren. »Du knabberst immer noch an der Sache nach deinem Coming Out, oder? Der Rauswurf, die Ablehnung ... all das war bestimmt schwer zu verkraften. Willst du wirklich alte Wunden wieder aufreißen, indem du dich ihnen gegenüberstellst?«

»Das muss ich«, gestand ich bedrückt. »Ich reiße keine alten Wunden auf, weil sie niemals wirklich verheilt waren. Es ist das ewige Hin und Her, das mich einfach nicht zur Ruhe kommen lässt. Kaum glaube ich, dass es bergauf geht, meldet sich einer meiner Brüder oder ...«

Ich musste mich kurz unterbrechen und schwer schlucken, weil ich das noch nie jemandem gesagt hatte. »Oder sogar meine Mutter. Sie schreibt mir manchmal Briefe und bittet mich zu bestimmten Terminen zu sich. Das ist natürlich immer nur dann, wenn mein Vater gerade auf Geschäftsreise ist und davon nichts mitbekommen würde. Ich bin ihrer Bitte noch nie nachgekommen, denn ich ertrage es einfach nicht, nur der heimlich geliebte Sohn zu sein. Wenn sie mich wirklich lieben, dann sollen sie auch dazu stehen und es mir öffentlich zeigen und wenn nicht ...«

Ich räusperte mich und stand dann auf. »Entschuldige mich, ich muss kurz zur Toilette«, nuschelte ich und verschwand eilig. Mein Blick verschwamm bereits und die Brust war mir so eng, dass ich glaubte ersticken zu müssen. Wie ich in die Waschräume kam konnte ich im Nachhinein gar nicht mehr sagen, nur, dass ich mich plötzlich mit verkrampften Händen am Waschbeckenrand festhielt und mit aller Kraft versuchte meine aufkommenden Tränen zu unterdrücken.

Scheiße, von wegen verheilte Wunden. Ich vermisste meine Leute. Ich vermisste alle und besonders ... Kräftige Arme umschlossen mich von hinten und zogen mich an eine angenehm warme Brust. Oje, ich hatte gar nicht bemerkt, wie kalt mir war und wie sehr ich zitterte. Ich sank dankbar gegen Ex und ließ mich beruhigend festhalten.

»Es ist okay, Nick. Ich habe verstanden, wie sehr es dich mitnimmt und dass du endlich abschließen musst. Ich werde mitkommen, für dich da sein und dich zur Not sogar wirklich knutschen.«

Ich lachte, auch wenn es bei mir nicht so fröhlich klang wie bei ihm, und gestattete mir noch einen Moment in seiner Umarmung. »Ich wünschte, du wärst schwul, dann würde ich dich jetzt einfach vernaschen«, nuschelte ich und schniefte unglaublich sexy.

Ex schob mich ein wenig von sich und funkelte mich belustigt an. »Glaub mir, wenn ich schwul wäre, dann würdest du nur noch heulen, weil dir der Arsch wehtut. Doch leider steh ich mehr auf Titten und wenn mein Schwanz auf einen anderen trifft, dann geht er sofort in die Abwehrhaltung. Nein, ehrlich, lach nicht, der hält andere Schwänze für Rivalen und beginnt zu fauchen und zu buckeln, wenn er einen sieht.«

»Ja, ja, du bist eine super Hete. Hab's verstanden.« Ich klopfte ihm auf die Schulter und wollte mich abwenden, doch er hielt mich noch einmal zurück, indem er meinen Arm ergriff.

»Hör mal, Nick«, fing er an und wand sich ein wenig verlegen. »Ich weiß, das klingt jetzt voll kitschig und abgedroschen, aber Hete hin oder her, mir liegt trotzdem viel an dir und daher will ich dich auch glücklich sehen und deshalb ... sag mal ... also ...«

»Boah, Ex! Sprich dich endlich aus! Was ist denn plötzlich los mit dir? Kaum kuscheln wir mal ein wenig miteinander und schon mutierst du zum schüchternen Schulmädchen?«

»Scheiße, du meinst, das war eben kuscheln?« Gespielt panisch riss er die Augen auf, wurde aber sofort wieder ernst. »Nein, sorry, also eigentlich wollte ich nur wissen, ob er auch da sein wird und ob du damit klarkommst.«

Ich war verwirrt. »Was meinst du? Wer ist er?«

»Komm schon, Nick. Du weißt doch genau wen ich meine. Der Kerl, der dir damals das Herz gebrochen hat und wegen dem du dich doch überhaupt erst geoutet hast. Du hast jahrelang gelitten und mir doch nie verraten, wer dich so fertiggemacht hat. Ich will nur wissen, ob er auch auf der Hochzeit sein wird.«

Mein gesamter Körper gefror zu Eis. Selbst mein Herz blieb für einen kurzen Moment stehen. Woher wusste Ex von ihm? Ich hatte nie auch nur ein Sterbenswörtchen über ihn erzählt. Das würde ich auch jetzt nicht. Niemals. Zu niemandem. Selbst mir verbot ich es, auch nur an ihn zu denken. Deshalb schob ich ihn auch jetzt konsequent aus meinen Gedanken und straffte die Schultern.

»Ich weiß nicht, wovon du redest. Lass uns zurück zum Tisch gehen, sonst denkt der Kellner noch, wir würden die Zeche prellen.«

Ex seufzte und sah mich enttäuscht an. »Okay, dann verrat es mir nicht. Irgendwann finde ich schon selbst raus wer das war und dann mach ich ihn fertig.«

Kopfschüttelnd machte ich mich eilig aus dem Waschraum und ging schnell zurück zu unserem Tisch. Ich wollte nicht, dass Ex sah, wie sehr mein ganzer Körper zitterte und welch große Angst mir seine Worte gemacht hatten. Niemand durfte mein Geheimnis aufdecken, denn wenn das geschah, würde es für uns alle in einer großen Katastrophe enden.