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Gottfried Keller

Sieben Legenden

Erzählungen

Gottfried Keller

Sieben Legenden

Erzählungen

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-962812-60-7

null-papier.de/548

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Inhaltsverzeichnis

Vor­wort

Eu­ge­nia

Die Jung­frau und der Teu­fel

Die Jung­frau als Rit­ter

Die Jung­frau und die Non­ne

Der schlimm-hei­li­ge Vi­ta­lis

Do­ro­theas Blu­men­körb­chen

Das Tanz­le­gend­chen

Dan­ke

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Vorwort

Beim Le­sen ei­ner An­zahl Le­gen­den woll­te es dem Ur­he­ber vor­lie­gen­den Büch­leins schei­nen, als ob in der über­lie­fer­ten Mas­se die­ser Sa­gen nicht nur die kirch­li­che Fa­bu­lier­kunst sich gel­tend ma­che, son­dern wohl auch die Spu­ren ei­ner ehe­ma­li­gen mehr pro­fa­nen Er­zäh­lungs­lust oder No­vel­lis­tik zu be­mer­ken sei­en, wenn man auf­merk­sam hin­bli­cke.

Wie nun der Ma­ler durch ein frag­men­ta­ri­sches Wol­ken­bild, eine Ge­birgs­li­nie, durch das ra­dier­te Blätt­chen ei­nes ver­schol­le­nen Meis­ters zur Aus­fül­lung ei­nes Rah­mens ge­reizt wird, so ver­spür­te der Ver­fas­ser die Lust zu ei­ner Re­pro­duk­ti­on je­ner ab­ge­bro­chen schwe­ben­den Ge­bil­de, wo­bei ih­nen frei­lich zu­wei­len das Ant­litz nach ei­ner an­de­ren Him­mels­ge­gend hin­ge­wen­det wur­de, als nach wel­cher sie in der über­kom­me­nen Ge­stalt schau­en.

Der un­ge­heu­re Vor­rat des Stof­fes lie­ße ein Auss­pin­nen der Sa­che in brei­tes­tem Be­trie­be zu; al­lein nur bei ei­ner mä­ßi­gen Aus­deh­nung des harm­lo­sen Spie­les dürf­te dem­sel­ben der be­schei­de­ne Raum ger­ne ge­gönnt wer­den, den es in An­spruch nimmt.

Eugenia


Ein Weib soll nicht Manns­ge­rä­te tra­gen,
und ein Mann soll nicht Wei­ber­klei­der an­tun;
denn wer sol­ches tut, ist dem Herrn, dei­nem Gott, ein Gräu­el.


5. Mos. 22, 5

Wenn die Frau­en den Ehr­geiz der Schön­heit, An­mut und Weib­lich­keit hint­an­set­zen, um sich in an­dern Din­gen her­vor­zu­tun, so en­det die Sa­che oft­mals da­mit, dass sie sich in Män­ner­klei­der wer­fen und so da­hin­trol­len.

Die Sucht, den Mann zu spie­len, kommt so­gar schon in der from­men Le­gen­den­welt der ers­ten Chris­ten­zeit zum Vor­schein, und mehr als eine Hei­li­ge je­ner Tage war von dem Ver­lan­gen ge­trie­ben, sich vom Her­kom­men des Hau­ses und der Ge­sell­schaft zu be­frei­en.

Ein sol­ches Bei­spiel gab auch das fei­ne Rö­mer­mäd­chen Eu­ge­nia, frei­lich mit dem nicht un­ge­wöhn­li­chen En­dre­sul­tat, dass sie, in große Ver­le­gen­heit ge­ra­ten durch ihre männ­li­chen Lieb­ha­be­rei­en, schließ­lich doch die Hilfs­quel­len ih­res na­tür­li­chen Ge­schlech­tes an­ru­fen muss­te, um sich zu ret­ten.

Sie war die Toch­ter ei­nes an­ge­se­he­nen Rö­mers, der mit sei­ner Fa­mi­lie in Alex­an­dria leb­te, wo es von Phi­lo­so­phen und Ge­lehr­ten al­ler Art wim­mel­te. Dem­ge­mäß wur­de Eu­ge­nia sehr sorg­fäl­tig er­zo­gen und un­ter­rich­tet, und dies schlug ihr so wohl an, dass sie, so­bald sie nur ein we­nig in die Höhe schoss, alle Schu­len der Phi­lo­so­phen, Scho­li­as­ten und Rhe­to­ren be­such­te, wie ein Stu­dent, wo­bei sie stets eine Leib­wa­che von zwei nied­li­chen Kna­ben ih­res Al­ters bei sich hat­te. Dies wa­ren die Söh­ne von zwei Frei­ge­las­se­nen ih­res Va­ters, wel­che zur Ge­sell­schaft mit ihr er­zo­gen wa­ren und an all ih­ren Stu­di­en teil­neh­men muss­ten.

Mitt­ler­wei­le wur­de sie das schöns­te Mäd­chen, das zu fin­den war, und ihre Ju­gend­ge­nos­sen, wel­che selt­sa­mer­wei­se bei­de Hya­zin­thus hie­ßen, er­wuch­sen des­glei­chen zu zwei zier­li­chen Jüng­lings­blu­men, und wo die lieb­li­che Rose Eu­ge­nia zu se­hen war, da sah man al­le­zeit ihr zur Lin­ken und zur Rech­ten auch die bei­den Hya­zin­then säu­seln oder an­mu­tig hin­ter ihr her­ge­hen, in­des­sen die Her­rin rück­wärts mit ih­nen dis­pu­tier­te.

Und es gab nie zwei wohl­ge­zo­ge­ne­re Ge­nos­sen ei­nes Blaust­rümpf­chens; denn nie wa­ren sie an­de­rer Mei­nung als Eu­ge­nia, und im­mer blie­ben sie in ih­rem Wis­sen um einen Zoll hin­ter ihr zu­rück, so­dass sie stets recht be­hielt und nie be­fürch­ten muss­te, et­was Un­ge­schick­teres zu sa­gen als ihre Ge­spie­len.

Alle Bü­cher­wür­mer von Alex­an­dri­en mach­ten Ele­gi­en und Sinn­ge­dich­te auf die mu­sen­haf­te Er­schei­nung, und die gu­ten Hya­zin­then muss­ten die­se Ver­se sorg­fäl­tig in gol­de­ne Schreib­ta­feln schrei­ben und hin­ter ihr her­tra­gen.

Mit je­dem hal­b­en Jah­re wur­de sie nun schö­ner und ge­lehr­ter, und be­reits lust­wan­del­te sie in den ge­heim­nis­vol­len Irr­gär­ten der neu­pla­to­ni­schen Leh­ren, als der jun­ge Pro­kon­sul Aqui­li­nus sich in Eu­ge­nia ver­lieb­te und sie von ih­rem Va­ter zum Wei­be be­gehr­te. Die­ser emp­fand aber einen sol­chen Re­spekt vor sei­ner Toch­ter, dass er trotz des rö­mi­schen Va­ter­rech­tes nicht wag­te, ihr den min­des­ten Vor­schlag zu ma­chen, und den Frei­er an ih­ren ei­ge­nen Wil­len ver­wies, ob­gleich kein Ei­dam ihm will­kom­me­ner war als Aqui­li­nus.

Aber auch Eu­ge­nia hat­te seit man­chen schö­nen Ta­gen heim­lich das Auge auf ihn ge­wor­fen, da er der statt­lichs­te, an­ge­se­hens­te und rit­ter­lichs­te Mann in Alex­an­dri­en war, der über­dies für einen Mann von Geist und Herz galt.

Doch emp­fing sie den ver­lieb­ten Kon­sul in vol­ler Ruhe und Wür­de, um­ge­ben von Per­ga­men­trol­len und ihre Hya­zin­then hin­ter dem Ses­sel. Der eine trug ein azur­blau­es Ge­wand, der an­de­re ein ro­sen­far­bi­ges und sie selbst ein blen­dend wei­ßes, und ein Fremd­ling wäre un­ge­wiss ge­we­sen, ob er drei schö­ne zar­te Kna­ben oder drei frisch blü­hen­de Jung­frau­en vor sich sehe.

Vor die­ses Tri­bu­nal trat nun der männ­li­che Aqui­li­nus in ein­fa­cher wür­di­ger Toga und hät­te am liebs­ten in trau­li­cher und zärt­li­cher Wei­se sei­ner Lei­den­schaft Wor­te ge­ge­ben; da er aber sah, dass Eu­ge­nia die Jüng­lin­ge nicht fort­schick­te, so ließ er sich ihr ge­gen­über auf einen Stuhl nie­der und tat ihr sei­ne Be­wer­bung in we­ni­gen fes­ten Wor­ten kund, wo­bei er sich selbst be­zwin­gen muss­te, weil er sei­ne Au­gen un­ver­wandt auf sie ge­rich­tet hielt und ih­ren großen Lieb­reiz sah.

Eu­ge­nia lä­chel­te un­merk­lich und er­rö­te­te nicht ein­mal, so sehr hat­te ihre Wis­sen­schaft und Geis­tes­bil­dung alle fei­nern Re­gun­gen des ge­wöhn­li­chen Le­bens in ihr ge­bun­den. Da­für nahm sie ein erns­tes, tief­sin­ni­ges Aus­se­hen an und er­wi­der­te ihm: »Dein Wunsch, o Aqui­li­nus, mich zur Gat­tin zu neh­men, ehrt mich in ho­hem Gra­de, kann mich aber nicht zu ei­ner Un­weis­heit hin­rei­ßen; und eine sol­che wäre es zu nen­nen, wenn wir, ohne uns zu prü­fen, dem ers­ten ro­hen An­trie­be fol­gen wür­den. Die ers­te Be­din­gung, wel­che ich von ei­nem et­wai­gen Ge­mahl for­dern müss­te, ist, dass er mein Geis­tes­le­ben und Stre­ben ver­steht und ehrt und an dem­sel­ben teil­nimmt! So bist du mir denn will­kom­men, wenn du öf­ter um mich sein und im Wett­ei­fer mit die­sen mei­nen Ju­gend­ge­nos­sen dich üben magst, mit mir nach den höchs­ten Din­gen zu for­schen. Da­bei wer­den wir dann nicht er­man­geln, zu ler­nen, ob wir für­ein­an­der be­stimmt sind oder nicht, und wir wer­den uns nach ei­ner Zeit ge­mein­sa­mer geis­ti­ger Tä­tig­keit so er­ken­nen, wie es gott­ge­schaf­fe­nen We­sen ge­ziemt, die nicht im Dun­kel, son­dern im Lich­te wan­deln sol­len!«

Auf die­se hoch­tra­gen­de Zu­mu­tung er­wi­der­te Aqui­li­nus, nicht ohne ein ge­hei­mes Auf­wal­len, doch mit stol­zer Ruhe: »Wenn ich dich nicht kenn­te, Eu­ge­nia, so wür­de ich dich nicht zum Wei­be be­geh­ren, und mich kennt das große Rom so­wohl wie die­se Pro­vinz! Wenn da­her dein Wis­sen nicht aus­reicht, schon jetzt zu er­ken­nen, was ich bin, so wird es, fürch­te ich, nie aus­rei­chen. Auch bin ich nicht ge­kom­men, noch­mals in die Schu­le zu ge­hen, son­dern eine Ehe­ge­nos­sin zu ho­len; und was die­se bei­den Kin­der be­trifft, so wäre es, wenn du mir dei­ne Hand ver­gönn­test, mein ers­ter Wunsch, dass du sie end­lich ent­las­sen und ih­ren El­tern zu­rück­ge­ben möch­test, da­mit sie den­sel­ben bei­ste­hen und nütz­lich sein könn­ten. Nun bit­te ich dich, mir Be­scheid zu ge­ben, nicht als ein Ge­lehr­ter, son­dern als ein Weib von Fleisch und Blut!«

Jetzt war die schö­ne Phi­lo­so­phin doch rot ge­wor­den, und zwar wie eine Pur­pur­nel­ke, und sie sag­te, wäh­rend ihr das Herz klopf­te: »Mein Be­scheid ist bald ge­ge­ben, da ich aus dei­nen Wor­ten ent­neh­me, dass du mich nicht liebst, o Aqui­li­nus! Die­ses könn­te mir gleich­gül­tig sein, wenn es nicht be­lei­di­gend wäre für die Toch­ter ei­nes ed­len Rö­mers, an­ge­lo­gen zu wer­den!«

»Ich lüge nie!« sag­te Aqui­li­nus kalt; »lebe wohl!«

Eu­ge­nia wand­te sich ab, ohne sei­nen Ab­schied zu er­wi­dern, und Aqui­li­nus schritt lang­sam aus dem Hau­se nach sei­ner Woh­nung. Jene woll­te, als ob nichts ge­sche­hen wäre, ihre Bü­cher vor­neh­men; al­lein die Schrift ver­wirr­te sich vor ih­ren Au­gen, und die Hya­zin­then muss­ten ihr vor­le­sen, in­des­sen sie voll hei­ßen Är­gers mit ih­ren Ge­dan­ken an­der­wärts schweif­te.

Denn wenn sie bis auf die­sen Tag den Kon­sul als den­je­ni­gen be­trach­tet hat­te, den sie al­lein un­ter al­len Frei­ern zum Ge­mahl ha­ben möch­te, wenn es ihr al­len­falls ge­fie­le, so war er ihr jetzt ein Stein des An­sto­ßes ge­wor­den, über den sie nicht hin­weg­kom­men konn­te.

Aqui­li­nus sei­ner­seits ver­wal­te­te ru­hig sei­ne Ge­schäf­te und seufz­te heim­lich über sei­ne ei­ge­ne Tor­heit, wel­che ihn die pe­dan­ti­sche Schö­ne nicht ver­ges­sen ließ.

Es ver­gin­gen bei­na­he zwei Jah­re, wäh­rend wel­cher Eu­ge­nia wo­mög­lich im­mer merk­wür­di­ger und eine wahr­haft glän­zen­de Per­son wur­de, in­des­sen die Hya­zin­then all­be­reits zwei star­ke Ben­gel vor­stell­ten, de­nen der Bart wuchs. Ob­gleich man jetzt von al­len Sei­ten an­fing, sich über dies selt­sa­me Ver­hält­nis auf­zu­hal­ten, und an­statt der be­wun­dern­den Epi­gram­me sa­ti­ri­sche Pro­ben die­ser Art auf­zut­au­chen be­gan­nen, so konn­te sie sich doch nicht ent­schlie­ßen, ihre Leib­gar­de zu ver­ab­schie­den; denn noch war ja Aqui­li­nus da, der ihr die­sel­be hat­te ver­bie­ten wol­len. Er ging ru­hig sei­nen Weg fort und schi­en sich um sie nicht wei­ter zu be­küm­mern; aber er sah auch kein an­de­res Weib an, und man hör­te von kei­ner Be­wer­bung mehr, so­dass auch er ge­ta­delt wur­de, als ein so ho­her Be­am­ter un­be­weibt fort­zu­le­ben.

Um so mehr hü­te­te sich die ei­gen­sin­ni­ge Eu­ge­nia, ihm durch Ent­fer­nung der an­stö­ßi­gen Ge­sel­len schein­bar ein Zei­chen der An­nä­he­rung zu ge­ben. Über­dies reiz­te es sie, der all­ge­mei­nen Sit­te und der öf­fent­li­chen Mei­nung zum Trotz nur sich al­lein Re­chen­schaft zu ge­ben und un­ter Um­stän­den, wel­che für alle an­dern Frau­en ge­fähr­lich und un­tun­lich ge­we­sen wä­ren, das Be­wusst­sein ei­nes rei­nen Le­bens zu be­wah­ren.

Sol­che Wun­der­lich­kei­ten la­gen da­zu­mal eben in der Luft.

Mitt­ler­wei­le be­fand sich Eu­ge­nia doch nicht wohl und zu­frie­den; ihre ge­schul­ten Die­ner muss­ten Him­mel, Erde und Höl­le durch­phi­lo­so­phie­ren, um plötz­lich un­ter­bro­chen zu wer­den und stun­den­weit mit ihr im Feld her­um­zu­lau­fen, ohne ei­nes Wor­tes ge­wür­digt zu sein. Ei­nes Mor­gens ver­lang­te sie auf ein Land­gut hin­aus­zu­fah­ren; sie lenk­te selbst den Wa­gen und war lieb­li­cher Lau­ne; denn es war ein kla­rer Früh­lings­tag und die Luft mit Bal­sam­düf­ten er­füllt. Die Hya­zin­then freu­ten sich der Fröh­lich­keit, und so fuh­ren sie durch eine länd­li­che Vor­stadt, wo es den Chris­ten er­laubt war, ih­ren Got­tes­dienst zu hal­ten. Sie fei­er­ten eben den Sonn­tag, aus der Kir­che ei­nes Mönchs­klos­ters er­tön­te ein from­mer Ge­sang, Eu­ge­nia hielt die Pfer­de an, um zu hö­ren, und ver­nahm die Wor­te des Psal­mes: »Wie eine Hin­din nach den Was­ser­quel­len, so lech­zet mei­ne See­le, o Gott! nach dir! Mei­ne See­le dürs­tet nach dem le­ben­di­gen Gott!«

Bei dem Klan­ge die­ser Wor­te, aus from­men de­mü­ti­gen Keh­len ge­sun­gen, ver­ein­fach­te sich end­lich ihr künst­li­ches We­sen, ihr Herz ward ge­trof­fen und schi­en zu wis­sen, was es wol­le, und lang­sam, ohne zu spre­chen, fuhr sie wei­ter nach dem Land­gu­te. Dort zog sie ins­ge­heim männ­li­che Klei­der an, wink­te die Hya­zin­then zu sich und ver­ließ das Haus mit ih­nen, ohne von dem Ge­sin­de ge­se­hen zu wer­den. Und sie kehr­te nach dem Klos­ter zu­rück, klopf­te an der Pfor­te und stell­te sich und ihre Beglei­ter dem Abt als drei jun­ge Män­ner vor, wel­che be­gehr­ten, in das Klos­ter auf­ge­nom­men zu wer­den, um von der Welt ab­zu­schei­den und dem Ewi­gen zu le­ben. Sie wuss­te, da sie wohl­un­ter­rich­tet war, auf die prü­fen­den Fra­gen des Ab­tes so treff­lich zu ant­wor­ten, dass er alle drei, die er für fei­ne und vor­neh­me Leu­te hal­ten muss­te, in das Klos­ter auf­nahm und den geist­li­chen Ha­bit an­zie­hen ließ.

Eu­ge­nia war ein schö­ner, fast en­gel­glei­cher Mönch und hieß der Bru­der Eu­ge­ni­us, und die Hya­zin­then sa­hen sich wohl oder übel des­glei­chen in Mön­che ver­wan­delt, da sie gar nicht ge­fragt wor­den wa­ren und sich längst dar­an ge­wöhnt hat­ten, nicht an­ders zu le­ben, als durch den Wil­len ih­res weib­li­chen Vor­bil­des. Doch be­kam ih­nen das Mönchs­le­ben nicht übel, in­dem sie un­gleich ru­hi­ge­re Tage ge­nos­sen, nicht mehr zu stu­die­ren brauch­ten und sich gänz­lich ei­nem lei­den­den Ge­hor­sam hin­ge­ben konn­ten.

Der Bru­der Eu­ge­ni­us hin­ge­gen ras­te­te nicht, son­dern wur­de ein be­rühm­ter Mönch, weiß wie Mar­mor im Ge­sicht, aber mit glü­hen­den Au­gen und dem An­stand ei­nes Erz­en­gels. Er be­kehr­te vie­le Hei­den, pfleg­te die Kran­ken und Elen­den, ver­tief­te sich in die Schrift, pre­dig­te mit gol­de­ner Glo­cken­stim­me und ward so­gar, als der Abt starb, zu des­sen Nach­fol­ger er­wählt, al­so­dass nun die fei­ne Eu­ge­nia ein Abt war über sie­ben­zig gute Mön­che, klei­ne und große.

Wäh­rend der Zeit, als sie so un­er­klär­lich ver­schwun­den blieb mit ih­ren Ge­fähr­ten und nir­gends mehr auf­zu­fin­den, hat­te ihr Va­ter ein Ora­kel be­fra­gen las­sen, was aus sei­ner Toch­ter ge­wor­den sei, und die­ses ver­kün­de­te, Eu­ge­nia sei von den Göt­tern ent­rückt und un­ter die Ster­ne ver­setzt wor­den. Denn die Pries­ter be­nutz­ten das Er­eig­nis, um den Chris­ten ge­gen­über ein Mi­ra­kel auf­zu­wei­sen, wäh­rend die­se den Ha­sen längst in der Kü­che hat­ten. Man be­zeich­ne­te so­gar einen Stern am Fir­ma­ment mit zwei klei­ne­ren Ne­ben­schnüpp­chen als das neue Stern­bild, und die Alex­an­dri­ner stan­den auf den Stra­ßen und den Zin­nen ih­rer Häu­ser und schau­ten hin­auf, und man­cher, der sie einst hat­te her­um­ge­hen se­hen und sich ih­rer Schön­heit er­in­ner­te, ver­lieb­te sich nach­träg­lich in sie und guck­te mit feuch­ten Au­gen in den Stern, der ru­hig im dun­keln Blau schwamm.

Auch Aqui­li­nus sah hin­auf; aber er schüt­tel­te den Kopf, und die Sa­che woll­te ihm nicht ein­leuch­ten. De­sto fes­ter glaub­te der Va­ter der Ver­schwun­de­nen dar­an, fühl­te sich nicht we­nig er­ho­ben und wuss­te es mit Hil­fe der Pries­ter durch­zu­set­zen, dass Eu­ge­ni­en eine Bild­säu­le er­rich­tet und gött­li­che Ehren er­wie­sen wur­den. Aqui­li­nus, der die ob­rig­keit­li­che Be­wil­li­gung er­tei­len muss­te, tat es un­ter der Be­din­gung, dass das Bild der Ent­rück­ten ähn­lich ge­macht wür­de; das war leicht zu be­werk­stel­li­gen, da es eine gan­ze Men­ge Büs­ten und Bild­chen von ihr gab, und so wur­de ihre Mar­mor­sta­tue in der Vor­hal­le des Mi­ner­ven­tem­pels auf­ge­stellt und durf­te sich se­hen las­sen vor den Göt­tern und Men­schen, da es un­be­scha­det der spre­chen­den Ähn­lich­keit ein Ide­al­werk war in Kopf, Hal­tung und Ge­wän­dern.

Die sie­ben­zig Mön­che des Klos­ters, als die­se Neu­ig­keit dort ver­han­delt wur­de, är­ger­ten sich höch­lich über den Trumpf, der von heid­nischer Sei­te aus­ge­spielt wor­den, über die Er­rich­tung ei­nes neu­en Göt­zen­bil­des und die fre­che An­be­tung ei­nes sterb­li­chen Wei­bes. Am hef­tigs­ten schal­ten sie über das Weib sel­ber als über eine Land­läu­fe­rin und be­trü­ge­ri­sche Gauk­le­rin, und sie mach­ten wäh­rend des Mit­tags­mah­les einen ganz un­ge­wöhn­li­chen Lärm. Die Hya­zin­then, wel­che zwei gut­mü­ti­ge Pfäff­lein ge­wor­den und das Ge­heim­nis des Ab­tes in der Brust be­gra­ben hiel­ten, sa­hen die­sen be­deu­tungs­voll an; aber er wink­te ih­nen zu schwei­gen und ließ das Schel­ten und To­ben über sich er­ge­hen als Stra­fe für sei­ne frü­he­re heid­nische Sün­den­zeit.

In der Nacht aber, als die Hälf­te der­sel­ben vor­über war, er­hob sich Eu­ge­nia von ih­rem La­ger, nahm einen star­ken Ham­mer und ging lei­se aus dem Klos­ter, um das Bild auf­zu­su­chen und zu zer­schla­gen. Leicht fand sie den mar­morglän­zen­den Stadt­teil, wo die Tem­pel und öf­fent­li­chen Ge­bäu­de la­gen und sie ihre Ju­gend­zeit zu­ge­bracht hat­te. Kei­ne See­le rühr­te sich in der stil­len Stein­welt; als der weib­li­che Mönch die Stu­fen zum Tem­pel hin­auf­ging, er­hob sich eben der Mond über die Schat­ten der Stadt und warf sein taghel­les Licht zwi­schen die Säu­len der Vor­hal­le hin­ein. Da sah Eu­ge­nia ihr Bild, weiß wie der ge­fal­le­ne Schnee, in wun­der­ba­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­