ROBERT LORY

 

 

DIE TEUFLISCHEN

SCHWESTERN

- 13 SHADOWS, Band 9 -

 

 

 

Horror-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DIE TEUFLISCHEN SCHWESTERN 

Prolog 

Band 1, Spur 1 

Band 1, Spur 2 

Band 2, Spur 1 

Band 2, Spur 2 

Band 3, Spur 1 

Band 3, Spur 2 

Band 4, Spur 1 

Band 4, Spur 2 

Band 5, Spur 2 

Band 6, Spur 1 

Band 6, Spur 2 

Band 7, Spur 1 

 

Das Buch

 

Auf den ersten Blick sieht es aus wie Routinefall: Privatdetektiv Walter Urban soll herausfinden, ob Mara Kent von ihrem Mann betrogen wird. Als Urban die Wahrheit erkennt, ist er bestürzt, denn es gibt tatsächlich eine Rivalin – und sie gleicht Mara Kent aufs Haar.

Der Fall nimmt eine unerwartete Wendung, als Mara Kents Mann und ihr Chauffeur ermordet werden. Aus ihren Gesichtern spricht nacktes Entsetzen. Welche Höllenvision haben sie gesehen, bevor sie eines grauenvollen Todes starben?

 

DIE TEUFLISCHEN SCHWESTERN kombiniert Elemente des Crime-Noir-Romans mit denen der Science-Fiction- und der Horror-Literatur und erscheint als neunter Band der Horror-Reihe 13 SHADOWS aus dem Apex-Verlag, die ganz in der Tradition legendärer Heftroman-Reihen wie GESPENSTERKRIMI und VAMPIR-HORROR-ROMAN steht. 

DIE TEUFLISCHEN SCHWESTERN

 

 

»Mischt, ihr alle, mischt am Schwalle! 

Feuer, brenn, und Kessel, walle!«

 

- Shakespeare: Macbeth

 

 

 

 

 

  Prolog

 

 

Die Sterne kreischten im Wahnsinn. Sie stöhnten in dumpfem Schmerz. Sie verlachten ihr Schicksal, vorbestimmt seit unzähligen Äonen, in unermesslich ferner Vergangenheit. Und doch, während diese Laute einer rätselhaften Hysterie an den Firmamenten widerhallten, beobachteten sie - blickten in die Tiefe der Leere, die dennoch kein Nichts war, sondern eine dichte, wirbelnde, von Geschöpfen wimmelnde Masse aus Farben, dem Sehvermögen eines jeden organischen Auges unzugänglich. Sie sahen zu, während er weit unter ihnen im Innern jenes düsteren, feuchten, unüberdachten Bauwerks aus vorzeitlichem Moder ihrem Irrsinn lauschte.

Seine knochenfahlen Finger drückten den Hut, der so grau war wie seine Robe, fest auf das Haupt, als er von den singenden Sphären nieder auf den staubbedeckten Steinboden blickte, auf dem er stand. Es war ein seltsamer Boden, so rund wie das Bauwerk mit den hohen Mauern, dessen Grundfläche er bildete. Ein Boden, von dessen Mittelpunkt sich zwölf Felder strahlenförmig ausbreiteten, und in dem die knorrige, verkrümmte Gestalt in der grauen Robe sich nun drehte, um den bestimmten Ausschnitt am Boden zu finden, den sie suchte. In jedem Feld gab es zahlreiche uralte Symbole, die aber jeweils von einem großen Symbol beherrscht wurden. Langsam erhellte sich eines der Felder.

In der Mitte befanden sich zwei stilisierte Figuren. Zwillinge - einander in jeder Beziehung ähnlich, ausgenommen die Totenmasken, die sie trugen. Eine Maske war schwarz und zeigte eine finstere Miene; die andere war blutrot und lachte.

»Zwilling...« Dieses Wort drang geflüstert aus der Schwärze unter der Kappe, zugleich ein gepresster Schrei. Ein krummer Zeigefinger deutete auf das Doppelsymbol. Die Stimme begann erneut zu grollen: »Voller Widersprüche bist du, Zwilling - sie zerren an dir. Ein Symbol des Geistes, Schutzherr des Genies wie auch des Verrückten. Gleich Merkur, deinem Meister, besitzt du zwei Seiten - eine dunkle und eine helle, als habe ein Dolch dich in Hälften geteilt, von Dämonen geführt, die nach gleichen Mengen roten Weines und gelber Galle dürsten.«

Die Gestalt in der Robe schien zu erbeben; ob vom Lachen oder unter den Zuckungen eines alten Leidens, war nicht festzustellen. Dann brummte die Stimme weiter: »So ist in dieser Nacht das Los dem Zwilling zugefallen. Lass uns eine Geschichte des Schreckens enthüllen, Zwilling, denn die Sterne lauschen.«

Und während sich rings um das Zwillingssymbol winzige Gestalten zu rühren begannen, mischte sich das Gelächter des Alten in der grauen Robe in das wahnwitzige Chaos von Kreischlauten, das manche die Musik der Sphären nennen...

 

 

 

 

 

 

  Band 1, Spur 1

 

 

Ich möchte die ganze Geschichte genau aufzeichnen, und die beste Methode, die mir dazu einfällt, ist der Gebrauch dieses alten, aber zuverlässigen Tonbandgeräts. So geht es schnell und ermüdet weit weniger, als an der Schreibmaschine, zumal ich nicht gut tippen kann. Daran, alles handschriftlich festzuhalten, brauche ich kaum einen Gedanken zu verschwenden. Ich bekomme schon Schreibkrämpfe, wenn ich die Schecks für die monatlichen Rechnungen unter-zeichne.

Der einzige Mangel an dem Gerät ist der, dass es kein besonders gutes ist. Es hat nur eine Geschwindigkeit - nämlich 7,5 -, und die hält es nicht immer ein. Das zweite Übel besteht darin, dass ich nicht allzu viele leere Bänder besitze, und früher oder später werde ich einige Meter guten Folk-Rocks opfern müssen, um das Protokoll fortsetzen zu können. Morgen ist Sonntag - vielmehr, heute ist Sonntag, aber es ist noch dunkel. Die Läden werden nicht geöffnet, und ich kann nicht warten. Die Polizei wird alles erfahren wollen, was ich über diese Angelegenheit weiß, und zwar schnell. Und mir ist durchaus daran gelegen, es ihr schnell zu liefern.

Nebenbei gesagt, heutzutage ist es wirklich eine Mode-Erscheinung, alles auf Band zu sprechen. Sie wissen ja, alle erfolgreichen Schriftsteller diktieren ihre Texte auf Bänder. Ganz zu schweigen von der traurigen Berühmtheit, die gewisse Tonbänder vor einiger Zeit in Washington erlangt haben, nicht wahr?

Fangen wir also an. Draußen vor dem Fenster meines Büros muss bald die Dämmerung heraufziehen, aber noch ist es finster wie in der Hölle. Mehr als das... dort draußen ist etwas, das dunkler ist als Dunkelheit... in der Luft, meine ich. Ich spüre es.

Noch etwas - das Gluckern, das Sie gelegentlich hören, wenn ich eine Atempause einlege, wird durch Johnny Walker Rot verursacht. Ich wünschte, ich könnte mir Black Label leisten. Aber wenn ich's genau überlege, dann sind Rot und Schwarz zwei Farben, die ich nicht mehr sonderlich gut leiden kann. Allerdings ist das Etikett wenigstens nicht gelb. Aber davon spreche ich noch, sobald es an der Zeit ist.

Also gut. Legen wir endlich los. Mit allem, woran ich mich erinnere.

Zur Person. Mein Name ist Walter Urban. Ich bin Chef und einziger Angestellter der Detektei Walter Urban, geboren im vergangenen Monat vor ungefähr dreiundvierzig Jahren, am 24. Mai, hier in Los Angeles. Demnach bin ich Zwilling. Als Kind glaubte ich immer, irgendwo müsse ein Zwillingsbruder von mir herumlaufen. Und bei diesem Gedanken, während ich ihn ausspreche, läuft mir ein schwacher, aber kalter Schauer über den Rücken.

Zum Teufel damit! Mir wird noch oft schaudern, bevor ich das Protokoll beendet habe - und vielleicht auch später. Für sehr lange Zeit. Auf jeden Fall...

Es begann vor fünf Tagen. Am vergangenen Dienstag. Am Spätnachmittag. Leider kann ich nicht sagen, dass düsteres und unheilverkündendes Wetter herrschte. Ich hatte keine Vorahnung und auch kein Gefühl der Warnung. Man sagt, dass manche Leute dafür ein Gespür besitzen, und vielleicht stimmt es - wer man auch sein mag; aber für mich war es ein ganz gewöhnlicher Tag. Das heißt, ich hatte nicht besonders viel zu tun. Und außerdem war es draußen freundlich und sonnig.

Ich weiß nicht, wie ich den Anfang schildern soll, ohne dass es wie eine alte Detektivgeschichte klingt, aber ich will es versuchen. Es war ungefähr sechzehn Uhr, und ich machte mir gerade Sorgen darum, wie ich die nächsten fälligen Rechnungen bezahlen solle, wovon die Miete für das Büro und die Wohnungsmiete die größten Posten sind, allerdings so gut wie ein Betrag, weil es sich um zusammenhängende Räume handelt. Im Büro stehen ein Schreibtisch, drei Sessel, eine Couch und ein Aktenschrank. Nebenan liegt die Wohnung, die ein Bett und einen Kühlschrank enthält. Um die genannte Uhrzeit saß ich im Büro hinter dem Schreibtisch in einem der Sessel. Und als ich das nächste Mal aufblickte, war sie plötzlich da.

Sie.

Ja, ich weiß. Es klingt schon wie eine von den alten Detektivgeschichten. Aber berücksichtigen Sie bitte zweierlei. Erstens bin ich ans Besprechen von Bändern nicht gewöhnt. Zweitens kann es sein, dass ich kompensiere. So würde es eine mir gut bekannte Psychologin wohl nennen. Ich kompensiere, weil ich Dinge gesehen habe, die...

Ich will nicht vorgreifen.

Da stand sie nun. In meinem Büro, am vergangenen Dienstag, als sei sie aus der Luft gekommen, so plötzlich war sie aufgetaucht. Wenn ich daran zurückdenke, nehme ich an, dass die Tür nicht geschlossen gewesen war. An warmen Tagen lasse ich sie einen Spaltbreit offen, damit ich etwas Luftzug habe. Die Räume, die ich mir leisten kann, sind nicht klimatisiert.

Ich bemerke nur der Vollständigkeit halber, dass sie so ein enges, kurzes schwarzes Fähnchen trug, das die Beine bis zum Äußersten zeigte; bei ihr passte es immerhin recht nett zu dem schwarzen Haar und den schwarzen Augen.

Ich biss das Ende meiner Zigarre ab. Da fällt mir ein, nun kenne ich die richtige Antwort für alle, die mir - wie die Psychologin Connie, von der Sie noch hören werden - Pfeife zu rauchen empfehlen. Versuchen Sie das Mundstück einer Pfeife durchzubeißen, und Ihnen steht ein kostspieliger Besuch bei Ihrem Zahnarzt bevor!

Gut. Die Frau. Sie war dreißig, und zwar mindestens; sie war schön und überdies wohlbekannt. Sogar mir, obwohl ich höchstens zweimal im Jahr ins Kino gehe. Ich meine also, bekannt vom Sehen. Ich hätte Schwierigkeiten gehabt, mich ihres Namens zu entsinnen, wäre sie nicht selbst damit herausgerückt.

»Mr. Urban?«, erkundigte sie sich.

»Ja«, sagte ich.

»Mr. Walter Urban?«

»Genau.«

»Ich bin Mara Kent.«

Als ich ihr einen Sessel anbot, fiel ich fast über den Papierkorb. Mara Kent. Natürlich. Über dreißig, aber sie spielte noch immer verrückte halbwüchsige Mädchen, die Polizeisperren durchbrachen und dergleichen. Diese Rollen waren jedoch ein großer Fortschritt gegenüber jenen Tagen, in denen sie junge Damen gespielt hatte, die auf Scheiterhaufen verbrannt oder von tödlichen Spinnen, die dem Willen eines irren Professors gehorchten, gebissen wurden - in Filmen, die Titel trugen wie Die Schreckenskammer des Dr. Grausam. Doch nun, da sie als Verkörperung minderjähriger Drogen- und Aussteigertypen galt, wirkte sie jünger denn je zuvor.

»Miss Kent«, begann ich so gleichmütig, wie es mit meinen zitternden Fingern möglich war. »Darf ich...

»Mrs. Armstead«, verbesserte sie. »Ich bin verheiratet.«

»Das Vergnügen hatte ich auch einmal«, sagte ich. Und lächelte.

»Ich habe das Vergnügen noch immer, um Ihre Worte zu gebrauchen.« Sie lächelte nicht. »Ich möchte sofort zur Sache kommen, Mr. Urban. Mein Mann trifft sich mit einer anderen Frau. Ich will wissen, wer sie ist.«

»Und ich soll es herausfinden.«

»Ich bin nicht zu Ihnen gekommen, um die putzige Ausstattung Ihrer Geschäftsräume zu bewundern, Mr. Urban.«

Mein Blick schweifte durch das Zimmer. »Gewiss. Was hat Sie veranlasst, sich an mich zu wenden?« Ich vermutete, dass der Grund keineswegs mein Aussehen war. Selbst in meinem besten Anzug, der drei Jahre alt ist, wirke ich noch mittelmäßig. Mittelkräftig, mittelgroß, mittelschlank mit einer mittleren Menge hell und dunkel gesträhnten Haars.

»Ich wollte eine Person, auf deren Verschwiegenheit ich mich verlassen kann.«

»Das bin ich. Ich bin diskret.« Auf mittelmäßige Art, versteht sich.

»Nun, und da war Ihr Name. Am richtigen Platz im gelben Teil des Telefonbuchs.«

»Am richtigen Platz?«

»Ja. Fast am Schluss. Da Sie - ich meine, alle Detektive - alphabetisch aufgeführt sind, habe ich mir gedacht, dass jemand namens Urban wohl weniger ausgelastet und daher bereit ist, sich meinem Problem wirklich individuell - und umgehend - zu widmen.«

»Interessante Theorie«, sagte ich.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein. In Wirklichkeit bin ich zu Ihnen gekommen, weil Sie einen ähnlichen Auftrag für eine Bekannte erledigt haben - eine Maskenbildnerin, genauer gesagt.«

»Ich entsinne mich an den Fall.« Das stimmte. Wie Sie vielleicht schön bemerkt haben, bin ich niemals sehr mit Aufträgen gesegnet, und folglich erhalte ich auch selten Aufträge von Maskenbildnerinnen. Aufgrund meiner Schweigepflicht darf der Name nicht in dieses Protokoll aufgenommen werden. Tut mir leid.

»Dann erinnern Sie sich sicherlich auch an das Honorar. Sie brauchen nicht zu erbleichen, Mr. Urban. Ich biete mehr. Dreihundert Dollar je Tag.« »Zuzüglich Spesen«, fügte ich hinzu.

»Spesen? Sie meinen Munition für Ihre Pistole und so etwas? Eine Pistole und Munition gehören zur Ausrüstung eines Privatdetektivs, ich weiß, aber Sie werden wirklich nicht...«

»Spesen, Mrs. Armstead...«

»Miss Kent, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

»Miss Kent.« Es machte mir nichts aus. Für dreihundert Dollar am Tag konnte mir überhaupt nichts etwas ausmachen. »Spesen, Miss Kent«, beendete ich den Satz, »sind zum Beispiel Fahrtkosten. Keine Sorge, ich spezifiziere meine Rechnungen. Was das Honorar betrifft, so erhebe ich gewöhnlich eine Vorauszahlung für fünf Tage.«

»Also übernehmen Sie den Auftrag«, sagte sie mit einem Anflug von Triumph.

»Der Auftrag ist angenommen«, versicherte ich. Sie hatte nämlich völlig recht damit, dass es sich ungünstig auswirkt, in einem alphabetischen Branchenteil am Schluss aufgeführt zu sein.

Anmerkung zu den Angaben zur Person und zum Beruf: Firmenname wird in Aaardvark Privatdetektei geändert.

 

Am nächsten Tag, dem Mittwoch, begann ich früh mit der Arbeit. Etwa um neun Uhr lenkte ich den großen Buick aus dem Parkhaus und jagte mir fast den Kopf durch die Windschutzscheibe, als ich die Bremsen erprobte. Es war ein Riesenauto, der Buick, und ich kam mit seiner Handhabung und dem Autofahren nicht besonders gut zurecht. Es heißt, Los Angeles sei eine Stadt, in der man nicht überleben könne, wenn man kein Auto besitzt, doch das ist falsch. Wenn Sie vorwiegend daheim bleiben, benötigen Sie kein Auto. Außerdem gibt es Taxis. Aber Taxis sind nicht allzu nützlich, wenn es gilt, jemandem zu folgen - vor allem, wenn diese Person weit draußen in der Nähe des Stone Canyon Reservoirs wohnt.

Nun, die stramme Summe, die ich beim Verlassen des Parkhauses entrichten musste, würde Mara Kent auf meiner Rechnung unter der Position Spesen wiederfinden. Ehrlich, ich hätte ein kleineres Modell vorgezogen. Aber mein Beruf, wie ich ihn sah, bestand hauptsächlich aus Verfolgungstätigkeit, und die Möglichkeit, jemandem folgen zu können, ging so weit, wie man sich seiner Geschwindigkeit anzupassen vermochte, wenn eine solche Person das Gaspedal durchtrat; und man hat in Los Angeles, das man auch den größten Parkplatz der Welt nennt, durchaus noch Platz, die Geschwindigkeitsgrenze um einiges zu überschreiten - wiederum im Gegensatz zu den verbreiteten Gerüchten. Natürlich nur, wenn man die richtige Tageszeit erwischte.

Und neun Uhr war die richtige Tageszeit. Wenigstens an diesem Tag und in der Richtung, die ich einschlug. Ich konnte mit 65 Stundenkilometern abrauschen, wandte mich über die St. Monica-Landstraße westwärts und anschließend über die Bundesstraße 405 nach Norden. Aufgrund der Angaben meiner handlichen Exxon-Straßenkarte verließ ich sie bei Rimerton und fuhr eine Strecke weit in Gegenrichtung, also ostwärts, an der Raststätte Mulholland vorbei, bis ich an eine Stelle geriet, an der die Karte mich im Stich ließ und ich mich auf Mara Kents Hinweise und meinen eigenen Instinkt verlassen musste. Da es hinter einem Lenkrad mit meinem Instinkt nie zum Besten stand, hoffte ich sehr, dass ihre Hinweise etwas taugten.

Der Zeitpunkt meiner Abfahrt, neun Uhr, war in mehr als einer Beziehung richtig. Meine Klientin hatte mir mitgeteilt, dass sie das Haus gegen zehn Uhr zu verlassen beabsichtige, und ich wollte, wenn ihr Mann aus dem Haus ging, auf Beobachtungsposten sein. Oder wenn sich jemand vom anderen Geschlecht einfand.

Damit ich den Herrn auch erkannte, hatte Mara mir ein Foto gezeigt. Er war ein großer, gutgebauter, gutaussehender Mittvierziger. Es handelte sich um ein Farbfoto, und im Hintergrund sah man eine Anlage, die entweder zu einem Tennisplatz oder einem Swimmingpools gehörte.

Armsteads Bild hatte mich an eine weitere Einzelheit erinnert, die ich mit seiner Frau abstimmen musste.

»Sie werden Fotografien wollen«, sagte ich und öffnete die Schreibtischschublade, um meine verbeulte Pentax herauszuholen.

»Nein. Das ist nicht erforderlich«, erklärte die Armstead, geborene Kent.

»Sie werden sie brauchen. Zu Beweiszwecken.«

»Ich verlange keine Beweise, Mr. Urban. Ich möchte den Namen der Frau erfahren und ein paar Einzelheiten. Mehr brauche ich nicht, um meinen Mann zur Rede stellen zu können.«

Mit anderen Worten, meine Klientin strebte keine Scheidung an. Ich sah mich gezwungen, sie dafür zu bewundern. Die Ehe als Institution unterliegt schließlich wachsender Zerrüttung - nicht etwa nur in Hollywood; dort erhebt sich nur die Spitze des Eisberges. Die Tendenz zur Ehemüdigkeit ist lediglich eine statistische Aussage unter vielen.

»Verraten Sie mir«, bat ich, »was Sie von ihr wissen.«

»Nichts. Ich weiß nichts von ihr. Deshalb habe ich doch um Ihre Hilfe ersucht.«

Dagegen ließ sich grundsätzlich nichts einwenden. »Dann darf ich die Frage so stellen: Was erweckte Ihren Verdacht, Ihr Mann erlaube sich außereheliche Beziehungen?«

»Die Tatsache, dass er es macht. Ich hege keinen Verdacht. Ich weiß es.«

»Dann muss ich die Fragestellung nochmals ändern, Miss Kent. Woher wissen Sie es?«

»Gut. Mein Mann bezieht Einkünfte aus der Bearbeitung und Erledigung meiner Angelegenheiten, Mr. Urban.« Im Kopf übersetzte ich diese Formulierung dahingehend, dass ihr Mann Einkünfte bezog, indem er bei ihr schmarotzte. »Vor allem in finanziellen Fragen kennt er sich sehr gut aus«, berichtete sie, »aber gelegentlich sehe ich mir die Rechnungen und Quittungsbelege an. Es begann vor knapp einem Monat, aber es ist eindeutig. Hauptsächlich Quittungen. Zahlungen an Juweliere. Für Geschenke, die ich niemals bekommen habe. Daher...«

»...daher muss eine andere Frau sie erhalten haben. Sehr schön.«

»Das ist nicht schön, Mr. Urban. Nicht für mich.«

»Ich habe mit dieser Bemerkung den geringen Schwierigkeitsgrad dieses Auftrags kommentiert, Miss Kent.« Ich seufzte. »Es schmerzt mich, Ihnen sagen zu müssen, dass der Fall wahrscheinlich noch im Laufe dieser Woche abgeschlossen wird. Der Schmerz rührt daher, dass ich somit nicht einmal Ihre Vorauszahlung werde verbrauchen können.«

Sie sah mich aufmerksam an. »Sie glauben, es wird leicht sein, meinen Mann zu überführen? Ich muss Sie warnen. Er ist sehr gescheit und nicht minder geschickt.«

»Nicht allzu gescheit, Ma'am, oder er hätte die Quittungen für seine kleinen Geschenkausgaben besser versteckt. Nein, nicht besonders gescheit. Was die Geschicklichkeit angeht, so werde ich ihm morgen davon ein Schulbeispiel liefern.«

Das war nahezu unsere gesamte Unterhaltung gewesen; und so machte ich mich am nächsten Tag daran, Harvey Armstead meine unvergleichliche Geschicklichkeit zu beweisen.

Kurz vor zehn Uhr parkte ich den Wagen hinter einem Hügel und erklomm, das Fernglas in der Hand, die Hügelkuppe.

»Sie werden keine Mühe haben, Skoal-Haus zu erkennen«, hatte meine Klientin behauptet und dargelegt, dass es sich um eines jener seltsamen alten Häuser handelte, in dem sich die Vorstellungen des Architekten vom alten Spanien mit dem schlechten Geschmack des Hausherrn mischten. Sie hatte die weiße Stuckverkleidung besonders erwähnt, weil sie der Hauptgrund war, weshalb sie dem Haus seinen Namen gegeben hatte. Ich begriff das nicht. Ich war immer der Meinung gewesen, man sage Skoal zueinander, wenn man Grog trank.

»Völlig richtig«, erläuterte sie, »und in gewisser Hinsicht ist das Haus eine Art Toast auf mich - oder auf meinen Erfolg, der es mir gestattet, so ein Haus zu kaufen. Aber der Trinkspruch stammt aus jenen Tagen, als die alten Wikinger aus den Schädeln ihrer getöteten Feinde tranken. Am Anfang meiner Laufbahn, Mr. Urban, besaß ich viele Feinde - oder sollte ich sagen: Konkurrentinnen? -, und ich zählte zu den wenigen, die den schweren Anfang durchzustehen vermochten. Skoal-Haus - das Schädelhaus - ist ein Denkmal meiner Beharrlichkeit.«

Schädelhaus - dieser Name ging mir nun durch den Kopf, als ich es betrachtete. Der Name des Hauses ähnelte auch dem Titel eines ihrer frühen Filme. So ist das. Wir brauchen alle ein bisschen Selbstbestätigung.

Auf mich allerdings wirkte das Haus keineswegs wie ein Schädel. Wenigstens nicht im Schein der Morgensonne. Vielleicht verhielt es sich nachts bei entsprechenden Lichtverhältnissen ganz anders. Jetzt jedoch wirkten das Hauptgebäude und der angebaute Schuppen, dessen unterer Raum als Garage für drei Autos diente, eher wie - nun, die Farbe erinnerte an Zahnbelag, der von Nikotin herrührt. Ein riesiges Maul... das war der Eindruck, den ich von Skoal House hatte. Die hohen, schmalen Fenster verstärkten diesen Eindruck, ebenso die alten, roten Dachziegel, die wie gummifarbenes Zahnfleisch wirkten, das sich anstrengte, die Reihen hohler Zähne zusammenzubeißen.

Als dieser Eindruck sich in mein Bewusstsein grub, kam ich zu der Auffassung, dass der Name, den Mara Kent gewählt hatte, vielleicht doch nicht so fehl am Platze sei. Ich verband das Haus nach wie vor nicht mit der Vorstellung eines Schädels, doch selbst am hellen Tag wirkte es wie etwas Dunkles, etwas Böses, das auf der Lauer lag...

Ich musste mich fast gewaltsam an den Grund meiner Anwesenheit erinnern. Während ich mich bemühte, das Gebäude zu psychoanalysieren, hatte ein Angestellter - ein Fahrer - eines der drei Autos aus der Garage geholt. Als ich mein Fernglas herumschwenkte, half der Uniformierte, eine derbe Gestalt, Harvey Armstead auf die Rückbank des Wagens, eines schwarzen Rolls Royce. Er schloss die Tür, öffnete die Tür zum Fahrersitz, schloss sie ebenfalls; dann rollte das Fahrzeug an.

Auf dem Weg zum Buick brach ich mir beinahe einen Knöchel, aber ich nahm die Verfolgung auf. Der Rolls-Royce fuhr in die Richtung, aus der ich gekommen war. Wir kehrten mit beachtlicher Geschwindigkeit in die Stadt zurück. Nachdem wir die Landstraße erreicht hatten, nutzte ich eine Gelegenheit und überholte das Fahrzeug. Als ich mich dicht dahinter befand, bemerkte ich, dass Armstead nicht allein auf der Rückbank saß - und die Frau, die ihn begleitete, war mir nur zu gut bekannt.