Die Edelstein-Girlies 3

Zauberhafte Geheimnisse

Roswitha Gruler

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Erste Auflage 2015

© net-Verlag, 39517 Tangerhütte

© Coverbild und Illustrationen: Jenny Schneider

Covergestaltung, Lektorat

und Layout: net-Verlag

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

ISBN 978-3-95720-102-7

Geheimnisse

Der Fisch ist frei, der Fisch ist stumm,

er kann ein Geheimnis für sich bewahren.

Er schwimmt immer im Meer herum

und stellt sich den täglichen Gefahren.

Er beobachtet und sieht alles genau,

für ihn ist der Himmel nicht nur blau.

Der Baum ist groß, der Baum ist grün,

er kann ein Geheimnis für sich behalten.

Er freut sich, wenn seine Blüten blühn,

und tut sich mit den Bienen unterhalten.

Er hört vieles und gibt nichts weiter,

je nach Jahreszeit ist er traurig oder heiter.

Das Kind ist jung, das Kind ist klein,

jedes Geheimnis ist ein kleines Abenteuer.

In jedem Fall will es ein guter Freund sein,

auch wenn es spielt mit dem Feuer.

Das Kind ist offen für alles Neue und Gute,

Geheimnisse hüten liegt ihm im Blute.

Roswitha Gruler

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Geheimnisse

Ein Himmel voller Zeit

Ritterspiele

Das Zeltlager

Vierte Klasse

Oma zu vermieten

Die Wahrsagerin

Die Zauber-Blockflöten

Der falsche Nikolaus

Die Weihnachtsengel

Danksagung

Über die Autorin

Über die Illustratorin

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Buchempfehlungen

Ein Himmel voller Zeit

»Seit wann bist du denn so eine Langschläferin?«, fragte mich meine Mama neugierig am Frühstückstisch.

Ich biss herzhaft in ein knuspriges Marmeladenbrötchen und antwortete mit halbvollem Mund: »Ach, Mami, ich hatte so einen schönen Traum. Der hat sich so echt angefühlt. Ich muss euch unbedingt davon erzählen. Meine Freundinnen waren auch dabei. Stellt euch mal vor, ich war eine Prinzessin in Federburgenland. Ist das nicht toll?«

Meine Oma Loreley schaute mich liebevoll an und antwortete: »Was, dort bist du auch eine Prinzessin? Ich dachte immer, dass du unsere alleinige Prinzessin bist.«

»Aber in Federburgenland mussten alle das tun, was ich sagte. Ich musste das Land regieren und mehrere Aufgaben lösen. Ich muss euch alles haarklein erzählen. Ist doch witzig, dass ich mich noch an alles in meinem Traum erinnern kann. Und vor allem muss ich euch von Herrn Grinspfote erzählen, der war so …«

Meine Mutter unterbrach meinen Redeschwall: »Wir haben aber jetzt leider keine Zeit dazu. Erzähle uns ein anderes Mal von deinem Traum. Dein Papa und ich müssen heute noch in die Firma und uns für morgen vorbereiten.«

»Aber ihr seid doch erst gestern von eurer langen Reise zurückgekommen. Wieso müsst ihr heute in die Firma? Es ist doch Sonntag, normalerweise unternehmen wir doch sonntags immer etwas gemeinsam. Bin ich euch nicht mehr wichtig?«

»Du bist das Allerwichtigste für uns«, sagte mein Papa beschwichtigend. »Aber habe bitte etwas Verständnis! Wir waren so lange weg, und vermutlich erwartet uns morgen das blanke Chaos in der Firma, wenn wir heute nicht schon etwas arbeiten gehen. Sonst wird es die nächsten Tage wieder spät.«

Plötzlich war mir der Appetit vergangen. Die ganze Vorfreude, mit meinen Eltern heute den ganzen Tag lang etwas zu unternehmen, war dahin.

Meine Oma strich mir zärtlich über den Kopf und sagte: »Wieso rufst du nicht deine Freundinnen an, um euch zu verabreden? Ihr könntet zum Beispiel eine außerordentliche Versammlung im Baumhaus abhalten.«

»Das ist eine gute Idee. Bin gespannt, ob sie sich auch an unseren gemeinsamen Traum erinnern können«, antwortete ich etwas versöhnter und rannte zum Telefon.

Am Nachmittag fragte ich aufgeregt meine Freundinnen: »Habt ihr letzte Nacht auch von Federburgenland geträumt? In meinem Traum wart ihr nämlich mit dabei, und wir haben ganz tolle Abenteuer erlebt.«

Serafina antwortete zuerst: »Ja, ich weiß. Christel und Marina haben mir auf dem Weg hierher erzählt, dass sie den gleichen Traum hatten. Das ist ja megacool. Mir kommt es gar nicht wie ein Traum vor, sondern wie etwas tatsächlich Erlebtes.«

»Ja, das geht mir auch so. Ich wollte heute Morgen alles haargenau meinen Eltern erzählen, doch kaum sind sie zurück von ihrer wochenlangen Reise, müssen sie schon wieder arbeiten gehen. Und das am Sonntag. Ich finde das richtig gemein von ihnen!«

Marina tätschelte tröstend meinen Arm: »Meine Eltern sind zwar oft zu Hause, aber für mich nehmen sie sich trotzdem fast nie Zeit. Ich habe mich schon daran gewöhnt. Ist schon eine Weile her, dass sie etwas zusammen mit mir unternommen haben.«

Serafina und Christel jammerten ebenfalls, dass ihre Eltern fast nie Zeit für sie hatten. Christel sagte: »Das Schlimmste ist, dass meine Mama mir jedes Mal verspricht, dass es besser wird, doch dann hält sie sich doch nicht daran. Diese leeren Versprechungen hasse ich am meisten.«

Serafina hatte eine Idee: »Man sollte unsere Eltern zwingen, sich Zeit für uns zu nehmen. Man müsste die Zeit anhalten können oder ihnen ein Zauberpulver geben, damit sie gar nicht mehr anders können.«

Ich war sofort begeistert: »Das ist eine super Idee! Nur wie hält man die Zeit an, oder woher bekommen wir so ein Zauberpulver?«

Marina rümpfte die Nase: »In unserem Traum konnte der Nebel auch die Zeit anhalten. Wir sollten irgendwie versuchen, heute Nacht nochmals zu ihm durchzudringen und ihn danach fragen, wie das geht. Wie findet ihr das?«

Obwohl ich meine Zweifel hatte, dass dies gelingen würde, sagte ich: »Warum nicht? Auf einen Versuch kommt es an. Wir nehmen uns heute Abend, wenn wir ins Bett gehen, ganz fest vor zu träumen, und wenn wir dann den Nebel treffen, werden wir ihn fragen, wie man die Zeit anhalten kann. Und dann werde ich zur Sicherheit noch meine Omi fragen, ob sie weiß, wie man ein Zauberpulver herstellen kann, damit unsere Eltern die Zeit vergessen. Sie hat uns ja schon mal einen Zaubertrank hergestellt, bei dem wir uns in Badenixen verwandelt haben. Wer weiß, vielleicht kennt sie ja noch mehr Rezepte?«

Zur Bekräftigung von unserem Vorhaben legten wir alle unsere Edelsteine in die Mitte. Wie von einer höheren Macht gelenkt, fand ein Sonnenstrahl den Weg durch das dichte Blattwerk in mein Baumhaus und brachte unsere Edelsteine dazu, wunderschön zu leuchten.

Als meine Freundinnen wieder nach Hause gegangen waren, fragte ich meine Oma Loreley aus: »Omi, gibt es irgendein Zauberpulver, das die Zeit anhalten lässt, oder dass meine Eltern die Zeit so vergessen, damit sie sich mehr um mich kümmern können?«

Meine Oma dachte angestrengt nach und antwortete: »Ich muss mal in meinem Zauberbuch nachschauen, ob es dafür ein passendes Rezept gibt. Ansonsten fällt mir nur noch Hypnose oder Entführung ein.«

»Hypnose? Was ist das denn?«, fragte ich neugierig.

»Damit kann man eine Person zum Beispiel mit einem Pendel in einen schlafähnlichen Zustand versetzen. Manche nennen es auch Trance. Dann kann man dem Unterbewusstsein die Dinge mitteilen, die man erfüllt haben will. Aber das ist sehr kompliziert, und ich glaube auch nicht daran, dass es gelingen wird. Ein guter Hypnotiseur macht eine richtige Ausbildung, bevor er sein Fachwissen an Menschen ausprobiert. Von so etwas lassen wir lieber die Finger. Aber ich werde heute Abend nach einem Zauberpulver schauen, mein Liebes. Wir bringen deine Eltern ganz bestimmt dazu, dass sie mehr Zeit für dich haben werden.«

»Vielen Dank, liebe Omi! Was würde ich nur ohne dich tun?«

Am nächsten Morgen war wieder frühes Aufstehen angesagt, weil ich in die Schule musste. Meine Omi erwartete mich bereits mit einem leckeren Spiegelei am Frühstückstisch und sagte: »Deine Eltern sind bereits sehr früh aufgestanden und auf dem Weg zur Arbeit. Sie lassen dich ganz lieb grüßen und haben versprochen, dafür heute Abend früher nach Hause zu kommen, damit ihr noch etwas zusammen unternehmen könnt.«

»Jetzt haben sie nicht einmal mehr Zeit, um mit mir zusammen zu frühstücken! Ich finde das gemein, Omi. Hast du ein Rezept in deinem Zauberbuch gefunden?«

Meine Oma schaute mich ganz verschmitzt an und antwortete: »Ich glaube schon, dass ich etwas Passendes gefunden habe. Es ist ein Pulver des Vergessens. Wenn sie davon etwas nehmen, dann können sie sich nicht mehr daran erinnern, was sie eigentlich tun wollten. Das wäre deine Chance! Wenn sie nicht mehr wissen, was sie tun wollten, kannst du ihnen das sagen, was du machen willst. Sie werden es dir glauben. Dadurch werden sie zwangsläufig Zeit mit dir verbringen. Wie findest du das?«

Ich umarmte meine Oma und küsste sie auf die Wange: »Das ist irrsinnig toll! Bin jetzt schon gespannt, was meine Freundinnen dazu sagen werden. Könntest du für sie auch etwas Zauberpulver herstellen? Sie haben nämlich das gleiche Problem wie ich.«

Meine Oma lächelte und nickte: »Klar, mache ich doch. Aber ihr dürft sonst niemandem etwas davon erzählen, sonst wirkt der Zauber nicht. Außerdem dürfen es eure Eltern nicht erfahren, sonst gibt es mit ziemlich großer Sicherheit Ärger.«

»Ist gut, wir werden dieses Geheimnis wie einen Schatz hüten. Wann hast du das Zauberpulver fertig? Können wir es dieses Wochenende schon benutzen?«

»Ich brauche noch ein paar Zutaten aus der Apotheke, aber bis zum Wochenende habe ich sicher alles fertig.«

Erleichtert ging ich wenig später in die Schule. Auf dem Weg dahin traf ich meine Freundinnen und fragte sie, ob sie vom Nebel geträumt hätten. Doch alle schüttelten frustriert den Kopf. Deshalb erzählte ich ihnen von dem Zauberpulver, welches meine Oma herstellen wollte. Sie waren sofort begeistert und nahmen sich vor, es zusammen mit mir am Wochenende bei ihren Eltern auszuprobieren. Marina, die sich ebenfalls sehr über die Aussicht freute, dass ihre Eltern mehr Zeit für sie haben würden, sagte: »Wir müssen unbedingt eine Liste mit den Dingen erstellen, die wir in den zwei Tagen machen wollen. Stellt euch nur mal die Katastrophe vor, unsere Eltern haben plötzlich Zeit für uns, und wir wissen nicht, was wir anstellen sollen!«

»Ja, du hast recht«, sagten wir drei Girlies wie aus einem Mund geschossen.

»Wisst ihr schon, was ihr machen wollt?«, fragte ich in die Runde.

»Also – ich möchte unbedingt einen zweitägigen Ausflug in den Freizeitpark machen. Das wünsche ich mir schon so lange, und immer wurde ich vertröstet«, antwortete Serafina bestimmt.

Christel überlegte laut: »Ich möchte zuerst ins Kino, dann ins Schwimmbad und auf jeden Fall mit der Seilbahn auf einen hohen Berg fahren und etwas wandern gehen.«

»Und was willst du unternehmen, Marina?«, fragte ich neugierig.

Bevor Marina jedoch antworten konnte, läutete bereits die Schulglocke, sodass wir uns beeilen mussten, um rechtzeitig in unsere Klassenzimmer zu gelangen. Wir hatten uns auf dem Weg zur Schule so verplappert und nicht einmal gemerkt, dass wir auf dem Pausenhof standen.

In der großen Pause führten wir unsere Unterhaltung fort. Marina weihte uns in ihre Pläne ein: »Ich möchte mit meinen Eltern zusammen das Wochenende auf einem Bauernhof verbringen und dort bei der Heuernte helfen und mich um die Tiere kümmern. Ich glaube, dass ich mir das am allermeisten wünsche. Und meinen Eltern würde so eine Auszeit auch mal guttun. Und was willst du unternehmen, Rubina?«

Alle sahen mich fragend an. Im ersten Moment wusste ich gar keine Antwort. Auf einmal fiel mir etwas ein: »Ich möchte mit meinen Eltern auf einer schönen Blumenwiese liegen und zusammen mit ihnen die Wolken anschauen. Dazu gibt es ein leckeres Picknick, und zum Abschluss wünsche ich mir am Abend ein großes Lagerfeuer, und wir essen knackige Würstchen, welche wir zuvor am Stock gegrillt haben.

Am zweiten Tag möchte ich mit meinen Eltern lange im Bett herumlümmeln und später gemeinsam frühstücken. Danach schauen wir uns zusammen einen schönen Film an. Ich glaube, wenn wir das schaffen, dann bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt.«

Meine Freundinnen und ich sahen uns ganz verträumt an und hofften, dass sich unsere Wünsche erfüllen würden.

Mir fiel dazu noch Omis Warnung ein: »Aber wir dürfen keinem Menschen etwas davon erzählen, ist das klar? Meine Oma meinte, wenn das bekannt wird, dann wirkt das Zauberpulver nicht mehr.«

Meine Freundinnen schworen, nichts zu sagen. Dann war auch die Pause wieder vorbei.

Herr Keller, unser Hausmeister, kam zu uns unter den Baum und sagte: »Habt ihr die Schulglocke nicht gehört? Ihr seid fast immer die Letzten, die den Pausenhof verlassen.«

Am Freitag war es so weit. Meine Oma überreichte mir nach dem Frühstück vier kleine Plastikbeutel, welche ein weißes Pulver enthielten: »Hier ist dein Zauberpulver, mein kleines Schätzchen. Diese Portion reicht ungefähr für zwei Personen zwei Tage lang. Am besten ist, wenn man das Pulver in eine Flüssigkeit schüttet, damit es sich gut auflöst. Das Pulver wirkt ganz schnell. Wenn du es morgen früh beim Frühstücken in den Kaffee gibst, sollte es bereits eine halbe Stunde später seine Wirkung zeigen. Jetzt musst du nur noch deine Eltern dazu bringen, dass sie morgen mit dir frühstücken. Ich wünsche dir ein gutes Gelingen!«

Aufgeregt packte ich die vier Beutel in meinen Schulranzen und ging in die Schule. Dort übergab ich meinen Freundinnen in der Pause das Pulver und erklärte ihnen genau, wie es funktionierte. »Und versteckt es ja gut«, ermahnte ich sie, bevor wir wieder in die Unterrichtszimmer gingen.