Cover

Julia Hinterberger (Hg.)

Von der Musikschule zum Konservatorium Das Mozarteum 1841–1922

Veröffentlichungen des

Arbeitsschwerpunktes Salzburger Musikgeschichte

Band 4

Geschichte der Universität Mozarteum Salzburg

Band 1

zugleich

Veröffentlichungen zur Geschichte

der Universität Mozarteum Salzburg

Band 10

Von der Musikschule zum Konservatorium Das Mozarteum 1841–1922

herausgegeben von
Julia Hinterberger

redigiert von
Sarah Haslinger

HOLLITZER

Inhalt

Sarah Wedl-Wilson / Mario Kostal

Geleitworte des Rektorats

Thomas Hochradner

Geleitworte des Leiters des Arbeitsschwerpunktes
Salzburger Musikgeschichte

Julia Hinterberger

Vorwort der Herausgeberin

Julia Hinterberger

„An diesen Namen knüpft sich nun aber auch alle Localeitelkeit der Salzburger“.
Das Mozarteum im Spiegel der Salzburger Musikkultur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

Carena Sangl

Idee und Ursprung.
Von der Gründung des Dommusikvereins und Mozarteums 1841 bis zur Übergabe der Musikschule an die Internationale Stiftung Mozarteum 1880

Michael Malkiewicz

In guten und in schlechten Zeiten.
Stiftung und Ausbildungsstätte Mozarteum 1880–1922

Susanne Prucher

Musikschule / Konservatorium Mozarteum 1841–1922.
Strukturen und Wirkungsfelder

Eva Neumayr

„… den Unterricht im Mozarteum auch auf das weibliche Geschlecht … auszudehnen …“.
Frauen am Mozarteum 1841–1922

Die Direktoren des Mozarteums 1841–1922

Carena Sangl

Alois Taux – Pionier und Wegbereiter

Dominik Šedivý

Hans Schläger – „Dictator unter Hilleprandt in Salzburg“?

Dominik Šedivý

Otto Bach – „König im Reiche der Töne“

Sarah Haslinger

Joseph Friedrich Hummel – „ein Menschenalter an der Seite der Musikschule“

Thomas Hochradner

„Mozart im Herzen!“ …? Die Episode Josef Reiter

Katharina Scharf

Paul Graener – der gescheiterte Reformer

Johannes Hofinger

Robert Hirschfeld – Schulleiter für 32 Tage

Susanna Ihninger-Lehnfeld

Eugen Schmitz – ein kurzes Gastspiel in Salzburg

Susanna Ihninger-Lehnfeld

Josef Huttary – ein langes Leben für Stiftung und Ausbildungsstätte Mozarteum

Katharina Scharf

Franz Ledwinka – Musiker, Mozarteumsdirektor und meisterhafter Lehrer

Sarah Haslinger

Bernhard Paumgartner – Wiener Protegé, autoritärer Visionär und engagierter Wegbereiter

Sarah Wedl-Wilson / Mario Kostal

Geleitworte des Rektorats

Über 1600 Studierende aus mehr als 60 Nationen machen heute die Kunstuniversität Mozarteum zur internationalsten Hochschule in ganz Österreich. Im Studienjahr 2016/17 blickt sie auf ihre 175-jährige Geschichte zurück, die mit der Gründung des Dommusikvereins und Mozarteums im Jahr 1841 begann.

Die ersten acht Jahrzehnte des Hauses, die von der Übernahme der Schule durch die Internationale Stiftung Mozarteum 1880, der Erhebung zum Konservatorium 1914 und der Verstaatlichung 1922 geprägt waren, sind Inhalt der vorliegenden Publikation. Rund 25 Jahre nach der von Karl Wagner überaus verdienstvoll verfassten Hausgeschichte analysiert ein Team von elf Autorinnen und Autoren die Entwicklungen der Salzburger Musikausbildungsstätte, seiner Studierenden, Lehrenden und Direktoren sowie den Stellenwert des Mozarteums in der Salzburger Musikszene.

Der Dank des Rektorats gilt der am Department für Musikwissenschaft unseres Hauses lehrenden Assistenzprofessorin Julia Hinterberger als Herausgeberin dieses ersten Bandes zur Geschichte der Universität Mozarteum Salzburg sowie dem Arbeitsschwerpunkt Salzburger Musikgeschichte, in dessen Reihe die Publikation erscheint. Drei weitere Bände werden in den kommenden Jahren folgen. Sie orientieren sich ebenso wie das vorliegende Buch an den wichtigsten Etappen des Mozarteums auf seinem Weg zu einer der renommiertesten Kunstuniversitäten des 21. Jahrhunderts.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine aufschlussreiche Lektüre und eine spannende Zeitreise durch die Anfangsjahre unseres Hauses.

Thomas Hochradner

Geleitworte des Leiters des Arbeitsschwerpunktes Salzburger Musikgeschichte

Jubiläen, von Menschen wie Firmen und Institutionen, bieten Anlass zur Freude, aber auch zur Rückbesinnung, und sie werden vielfach mit der Produktion eines Albums, der Veröffentlichung einer Chronik oder einer Gedenkschrift, aber auch durch die Gestaltung einer Ausstellung begleitet. Für den historischen Zugang stellt sich dabei eine nicht leicht zu bewerkstelligende, ja heikle Aufgabe, neigt doch der nostalgische Blick ebenso zur Schönfärberei wie das kollektive Gedächtnis dazu, Fehlschläge und Krisenzeiten wenn nicht auszublenden, so doch aus der Sicht des Heute zu interpretieren und gerät damit in Gefahr manch Vergangenes zu verniedlichen und anderes wieder aus der Erfahrung des Später heraus unverhältnismäßig aufzuwerten.

Nicht jeder solchen Fährnis vermag zu entgehen, wer mit historischem Handwerk vergangene Zeitspannen aufbereitet – aber das entscheidende Kriterium ist im Vorfeld dieser Auseinandersetzungen beheimatet: Das Moment des Sich-Bewusstmachens der Problematik, die ein gegenwärtiger Standort für die Beurteilung des Gewesenen bedeutet, entscheidet über Anlage und Potenzial einer Vergeschichtlichung. Nur Kritikfähigkeit lässt hier geistigen Wildwuchs eindämmen, wissenschaftliche Zugänge greifen und anerkennen, dass die jeweilige Position der Leserin und des Lesers eine individuelle Annäherung an den Gegenstand nicht nur ermöglicht, sondern auch freisetzen soll.

In diesem Sinne zu agieren, war allen an diesem Band beteiligten Autorinnen und Autoren, umso mehr der Herausgeberin Julia Hinterberger ein besonderes Anliegen. Dass ihr Projekt, ursprünglich als Einzelpublikation gedacht, nunmehr zum ersten Teil einer sich über vier Bände erstreckenden „Geschichte der Universität Mozarteum Salzburg“ werden konnte, verdankt sich intensiven Verhandlungen mit dem damals amtierenden Rektor Siegfried Mauser, wonach das vorgelegte Gesamtkonzept akzeptiert und durch die Schaffung einer befristeten Universitätsassistenz auf halber Stelle (dann mit Sarah Haslinger besetzt) gesichert wurde.

Dass diese Koordinaten durch den Leiter des Arbeitsschwerpunktes Salzburger Musikgeschichte am Department für Musikwissenschaft der Universität Mozarteum ausverhandelt wurden, an dem auch die Qualifizierungsstelle für Julia Hinterberger angesiedelt ist, führte zur Eingliederung des Projektes „Geschichte der Universität Mozarteum Salzburg“ in das Leistungsvolumen des Arbeitsschwerpunktes und begründet auch, warum die vier Bände – allerdings durch blaue Farbe des Covers deutlich abgesetzt – zugleich in der Reihe „Veröffentlichungen des Arbeitsschwerpunktes Salzburger Musikgeschichte“ erscheinen werden.

Dem Rektorat der Universität Mozarteum, der Herausgeberin, den Autorinnen und Autoren sowie dem Hollitzer Verlag sei für Wohlwollen, Einsatzfreude, Sorgfalt und ihre Leistungen herzlich gedankt. Möge das Ergebnis all dieser Bemühungen neue Einsichten vermitteln, Information beibringen, Spannung bieten und Lesefreude bewirken!

Vorwort der Herausgeberin

Dass die Universität Mozarteum Salzburg heute zu einer der international renommiertesten Ausbildungsstätten zählt, wagte wohl zum Zeitpunkt der Gründung ihrer ersten Vorgängerinstitution, des 1841 ins Leben gerufenen Dommusikvereins und Mozarteums, niemand zu hoffen. „Bildung der Jugend in der edlen Kunst“ lautete die Maxime jener klerikalen Salzburger Lehranstalt, deren Hauptbestreben darin lag, mit der musikalischen Nachwuchsförderung die Qualität der lokalen Kirchenmusik zu gewährleisten. Die sukzessive Emanzipation der Musikschule von ihrem kirchlichen Trägerverein führte 1880 schließlich zur ersten Zäsur in der Geschichte der Ausbildungsstätte – zur Trennung von Dommusikverein und Mozarteum. Die konzeptionell und personell neu aufgestellte Musikschule, die den klingenden Namen ‚Mozarteum‘ weiterführen durfte, wurde Teil der bürgerlich orientierten Internationalen Stiftung Mozarteum. Auf dem Umschlag des Buches abgebildet ist das Anatomiestöckl, das der neuen Musikschule bis zu ihrer Übersiedlung in das 1914 eröffnete Mozarthaus, heute besser bekannt unter der Bezeichnung ‚Altes Mozarteum‘, als Heimstätte diente. Zeitlich einher ging dieser Umzug in das repräsentative Gebäude in der Schwarzstraße mit der Aufwertung der Musikschule zum Konservatorium. Doch erst die wirtschaftlich bedingte Loslösung von der Internationalen Stiftung Mozarteum und die damit verbundene Verstaatlichung im Jahr 1922 bildeten die zweite entscheidende Zäsur in der Geschichte der aufstrebenden Institution.

Die acht Jahrzehnte von der Gründung des Dommusikvereins und Mozarteums bis zur Verstaatlichung des Konservatoriums stecken den Rahmen des vorliegenden ersten Bandes einer vierbändigen Reihe zur Geschichte der Universität Mozarteum Salzburg ab. Inhaltlich-konzeptionell setzt sich dieser Band aus zwei Teilen zusammen. Der erste Teil widmet sich in historischen Längsschnitten den zentralen Entwicklungslinien des Mozarteums. Das Fundament dafür legt der einleitende Beitrag, der Institutionalisierungsmaßnahmen innerhalb der Salzburger Musikkultur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nachzeichnet und die musikalische Fest- und Feierkultur beleuchtet, um das Mozarteum darin zu verorten. Carena Sangl spürt sodann der Gründung der Musikschule sowie den ersten vierzig Jahren ihres Bestehens und Wirkens unter kirchlicher Patronanz nach, während Michael Malkiewicz die anschließende, ebenfalls rund vier Jahrzehnte währende Geschichte der bürgerlich geprägten Ausbildungsstätte dokumentiert und deren Beziehung zum Trägerverein, der Internationalen Stiftung Mozarteum, reflektiert. Mit der Auswertung der Jahresberichte von Schule und Stiftung nimmt Susanne Prucher die institutionsinternen Strukturen ebenso wie die Wirkungsfelder des Mozarteums in den Blick. Anhand zahlreicher Grafiken zu den Gesamtzahlen, der Geschlechterverteilung und den Nationalitäten der Schülerinnen und Schüler sowie zum Lehrangebot und der Frequentierung desselben zeichnet sie die wesentlichen Entwicklungsstränge von Musikschule bzw. Konservatorium nach. Die Rolle der Frauen am ‚klerikalen‘ und am ‚bürgerlichen‘ Mozarteum steht im Mittelpunkt des letzten historischen Längsschnittes. In ihrem Beitrag, der das Hauptaugenmerk auf die Lehrerinnen legt, spannt Eva Neumayr vor der Folie geschlechterspezifischer Konventionen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts den Bogen von den unter prekären finanziellen Bedingungen am Mozarteum des Dommusikvereins unterrichtenden Frauen bis hin zur Berufung der ersten international arrivierten weiblichen ‚Stars‘ an das nunmehrige Konservatorium.

Die wechselvollen Entwicklungen des Hauses hingen maßgeblich mit den Direktoren der Musikschule bzw. des Konservatoriums zusammen – bis Frauen zumindest interimistisch an die Spitze des Mozarteums gelangten, zogen noch einmal mehr als neunzig Jahre ins Land. Der zweite Teil des Buches widmet sich folglich jenen Männern, die für die Führung des Mozarteums in seinen ersten acht Jahrzehnten verantwortlich zeichneten. Die prägenden, mitunter polarisierenden Initiativen der drei Direktoren des ‚klerikalen‘ Mozarteums – Alois Taux, Hans Schläger und Otto Bach – zeichnen Carena Sangl und Dominik Šedivý in ausführlichen Porträts nach. Im Anschluss daran beleuchtet Sarah Haslinger das vielfältige und für die Salzburger Musikkultur maßgebliche Wirken des ersten Direktors der ‚bürgerlichen‘ Musikschule, Joseph Friedrich Hummel. Dem in Salzburg ob seiner umfassenden Tätigkeiten verehrten Langzeitdirektor folgten mit Josef Reiter – aufgearbeitet von Thomas Hochradner – und Paul Graener – dargelegt von Katharina Scharf – zwei nicht unumstrittene Persönlichkeiten, die an der Musikschule so manche Reformen umzusetzen suchten, die Institution jedoch nach jeweils wenigen Jahren Amtszeit verließen. Den daran anschließenden turbulenten Jahren mit dem Kürzestzeitdirektor Robert Hirschfeld und einem rechtlich strittigen Dreier- und später Zweierdirektorium, bestehend aus Eugen Schmitz, Josef Huttary und Franz Ledwinka, widmen sich die Beiträge von Johannes Hofinger, Susanna Ihninger-Lehnfeld und Katharina Scharf. Den Abschluss der Direktoren-Porträts bilden Sarah Haslingers Ausführungen über Bernhard Paumgartner, der nach wechselvollen Jahren personelle Kontinuität und vielerlei inhaltliche Neuerungen an das Konservatorium bringen sollte.

Sowohl die historischen Längsschnitte als auch die Direktorenporträts sind separat lesbar, korrespondieren jedoch miteinander. Die damit einhergehenden inhaltlichen Überlappungen sind beabsichtigt, eröffnen sie doch einen multiper-spektivischen Blick auf die frühe Geschichte der Universität Mozarteum.

Ermöglicht wurde das zunächst als singulärer Sammelband angedachte Projekt durch das Rektorat der Periode 2010–2014. Weiteren großzügigen finanziellen Unterstützungen und dem regen Interesse des neuen Rektorats ist es zu verdanken, dass das vorliegende Buch inhaltlich ausgeweitet werden konnte und seine Fortsetzung in drei Folgebänden finden wird – allen Verantwortlichen möchte ich hier meinen herzlichsten Dank aussprechen!

Mein ganz besonderer Dank gilt dem Team des Arbeitsschwerpunktes Salzburger Musikgeschichte: dem Leiter Thomas Hochradner für seine konzeptionelle und inhaltliche Unterstützung und die Mitfinanzierung des Projektes, der Universitätsassistentin Sarah Haslinger für die redaktionelle Einrichtung und das akribische Lektorat des Buches und der Studienassistentin Katharina Steinhauser für ihre konstruktiven Ideen.

Ein großes Dankeschön richtet sich an die Leiterinnen und Leiter sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kunst-ARCHIV-Raums der Universität Mozarteum, des Archivs der Stiftung Mozarteum, des Stadtarchivs Salzburg, des Archivs der Erzdiözese Salzburg, des Stille-Nacht-Archivs Hallein, des Fachbereichs Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg und des Salzburg Museum für das unbürokratische Zur-Verfügung-Stellen von Materialien, die stets freundliche Hilfe bei Recherchen und das großzügige Entgegenkommen bei der Digitalisierung von Abbildungen.

Dank gebührt außerdem dem Hollitzer Verlag für die kompetente Betreuung dieses Buchprojektes.

Mein innigster Dank gilt meinem Lebensgefährten Johannes Hofinger, der mich auf all meinen Wegen begleitet und in jeder Lebenslage unterstützt, und unserem Sohn Jonathan Paul, dem Glück unseres Lebens.

Julia Hinterberger

Julia Hinterberger

„An diesen Namen knüpft sich nun aber auch alle Localeitelkeit der Salzburger“.1 Das Mozarteum im Spiegel der Salzburger Musikkultur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

„Mozart zur Ehr’, Salzburg zur Zier, der Kunst eine Stätte“2, mit diesen programmatischen Worten setzte der Protektor der Stiftung und der öffentlichen Musikschule Mozarteum, Erzherzog Eugen, am 6. August 1910 den ersten Hammerschlag bei der Grundsteinlegung des „Mozarthauses“, des heute im Volksmund als ‚Altes Mozarteum‘ bekannten Gebäudes in der Schwarzstraße.

Abb. 1: Erzherzog Eugen bei der Grundsteinlegung des Mozarthauses 1910; © Internationale Stiftung Mozarteum (ISM)

Diese öffentlichkeitswirksam inszenierte Zeremonie erfolgte im Rahmen des 8. und letzten Salzburger Musikfestes 1910. Idealtypisch verbinden sich in eben jenem Ereignis zwei Komponenten, die den folgenden Beitrag konturieren: zum einen die primär nach innen gerichtete Institutionalisierung von Musik im Sinne einer (Neu-)Organisierung der städtischen Musikkultur, zum anderen die Ausprägung musikalischer Festkultur. Letztere sollte Salzburg auch nach außen repräsentieren und vorerst im nationalen, in weiterer Folge im internationalen kollektiven Bewusstsein als ‚Musikstadt‘ verankern.

Im Fokus des Aufsatzes steht die Frage, welche Rolle das Mozarteum für die beziehungsweise in der Entwicklung dieser beiden mehr oder minder verzahnten Komponenten spielte. Bezugnehmend auf die Geschichte der Ausbildungsstätte beläuft sich der Untersuchungszeitraum auf die Jahre zwischen der Gründung des Dommusikvereins und Mozarteums 1841 und der Verstaatlichung des Konservatoriums 1922, eine Zeitspanne, die übertragen auf die lokale Musikkultur die identitäre (Selbst-)Konstruktion Salzburgs von der ‚Mozartstadt‘ über die ‚Musikstadt‘ hin zur ‚Festspielstadt‘ widerspiegelt. Die Einteilung der zu beleuchtenden Phasen orientiert sich am institutionellen Werdegang des Mozarteums, der zumeist in Wechselbeziehung zu gesellschaftspolitischen Entwicklungen und Zäsuren stand und folgenden Dreischritt bildet:

I. die ‚katholische‘ Musikschule Mozarteum (1841–1880)

II. die ‚bürgerliche‘ Musikschule Mozarteum (1880–1914)

III. das ‚halbstaatliche‘ Konservatorium Mozarteum (1914–1922)

Um Strukturen der Salzburger Musikkultur nachzeichnen sowie Kontinuitäten und Brüche innerhalb der Zeitläufte aufzeigen zu können, basieren die drei Abschnitte jeweils auf einer Matrix, die zunächst Schlaglichter auf die Regionalhistorie vorsieht, gefolgt von der Skizzierung musikalischer Institutionen und dem von ihnen geprägten kontinuierlichen Musikbetrieb in Abgrenzung zur außeralltäglichen Fest- und Feierkultur.

I. Salzburg wird zur ‚Mozartstadt‘. Salzburger Musikkultur zur Zeit der ‚katholischen‘ Musikschule Mozarteum

I.1. Regionalhistorische Schlaglichter

Den für die Etablierung Salzburgs als ‚Mozartstadt‘ essentiellen Jahren 1841 und 1842 waren am Beginn des 19. Jahrhunderts turbulente Zeiten vorangegangen. Einschneidende Ereignisse wie der Verlust der Residenzfunktion und die Degradierung Salzburgs zu einer von Oberösterreich aus verwalteten Kreisstadt zeitigten auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene tiefgreifende Konsequenzen für die Selbstwahrnehmung und die Außenwirkung der Stadt Salzburg und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.3 Statistiken zur demographischen Stadtentwicklung bescheinigen einen massiven Bevölkerungsrückgang in Wechselwirkung mit einer ausgeprägten Verarmung, die in unterschiedlicher Intensität nahezu die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner Salzburgs traf.4 Indes „entdeckten“5 Künstler der Romantik die Vorzüge des verschiedentlich als provinziell, stagnierend, menschenleer und verödet diffamierten Salzburg. Das von ihnen konturierte und in weiterer Folge zum Mythos geronnene Bild der „Schönen Stadt“6 legte den Grundstein für einen frühen Tourismus, der das Ensemble von Baukultur und Natur schätzte – der Genius loci Mozart sollte erst mit Aufkeimen des biedermeierlichen Fremdenverkehrs in das öffentliche Bewusstsein der Einheimischen ebenso wie der Besucherinnen und Besucher rücken.7 Zeigten sich in eben diesen Jahren erste „Zeichen der Genesung“8, so vollzog sich ab den 1840er Jahren eine neuerliche, lange währende Phase der wirtschaftlichen Rezession. ‚Gewährung einer Verfassung‘ und ‚Aufhebung der Zensur‘ galten als allgemeine politische Forderungen des sich auflehnenden österreichischen Bürgertums, die schließlich 1848 zur Revolution führten. Hinzu traten auf regionaler Ebene der Wunsch nach einer eigenen Landesverwaltung und einer ständischen Landesvertretung, Anliegen, denen mit der Implementierung einer Landesregierung 1849 sowie eines Landesausschusses und Landtags 1861 Rechnung getragen wurde. Zwar waren die zwischen diesen beiden Meilensteinen liegenden Jahre des Neoabsolutismus gekennzeichnet von wirtschaftlicher Prosperität, ein quasi-demokratisches System sollte sich jedoch erst wieder mit Beginn der liberalen Ära etablieren können.

Mit dem Aufbau einer Gemeindeselbstverwaltung, der Abschaffung des fortifikatorischen Bauverbots und dem Anschluss an das Eisenbahnnetz läuteten drei politisch beziehungsweise sozioökonomisch wesentliche Ereignisse, die nicht zuletzt Auswirkungen auf die städtische Musikkultur zeitigten, die Salzburger Gründerzeit ein. Gerade die mobile Erschließung der Stadt steigerte einesteils deren Attraktivität für den Tourismus, der seit den 1840er Jahren Mozarts Geburtshaus und das ihm gewidmete Denkmal in den Besichtigungskanon integriert hatte. Salzburg entwickelte sich zur Saisonstadt, die auch auf Instrumentalvirtuosen, die mit ihren Konzerten die Sommermonate belebten, Anziehungskraft ausübte.9 Andernteils ermöglichte die Eisenbahn einen regen, wenngleich oftmals politisch motivierten (musik-)kulturellen Austausch. Bis zur Schlacht von Königgrätz 1866, die in weiterer Folge dem gerade vom Salzburger Bürgertum forcierten Idealbild eines deutschen Einheitsstaates eine kleindeutsche Lösung entgegensetzen sollte, avancierte die nunmehrige Mozartstadt zu einem „Zentrum der gesamtdeutschen Festkultur in Österreich“.10 Ausgerichtet wurden diese Großveranstaltungen primär von städtischen Bildungsvereinen, etwa der 1847 gegründeten Salzburger Liedertafel. Führende und entscheidungstragende Kraft der liberalen Ära war ein nach Modernisierung strebendes, Fortschritt und Innovation zugeneigtes Bürgertum. Dieses hatte bereits nach der Säkularisierung Salzburgs das Zepter in die Hand genommen und den Einfluss der Kirche sukzessive in den Hintergrund gedrängt. Bis zur Herausbildung unterschiedlicher politischer Strömungen ab den 1880er Jahren prägte das Bürgertum nahezu konkurrenzlos die politische, wirtschaftliche und insbesondere auch die musikkulturelle Entwicklung Salzburgs.11

I.2. Institutionalisierung von Musik

Wie alles begann: Der Salzburger ‚Urverein‘ Museum

„Zweck der Gesellschaft ist literarische Ausbildung durch Lektüre, Konversation, Musik und geselliges Vergnügen“12, lautet ein zentraler Passus im Statut der nach Münchner Vorbild 1810 in Salzburg gegründeten Kulturinitiative Museum. Auf dem Zusammenschluss einer Lesegesellschaft und der Musikalischen Gesellschaft basierend, setzte die Vereinigung wesentliche Impulse in einer Provinzstadt, die analog zu ihrer politischen und wirtschaftlichen Situation am Beginn des 19. Jahrhunderts auch auf dem musikkulturellen Terrain massive Einbußen zu verzeichnen hatte.13 Gegründet und getragen von einem Bürgertum, das sich von Kirche und Adel zunehmend emanzipierte, sahen die Statuten des Museums eine offene, der universellen Bildung ebenso wie der Geselligkeit verpflichtete Gemeinschaft ungeachtet jeglicher „Standes- und Dienstverhältnisse“ vor.14 De facto verwehrten jedoch hohe Mitgliedsbeiträge der breiten Bevölkerung den Zutritt. Gerade in seinen Anfangsjahren präsentierte sich das Museum demzufolge als gleichermaßen exklusives wie enges Soziotop, das als Spiegelbild eines neuen Zeitgeistes die bislang kulturell richtungsweisenden Schichten Adel, hoher Klerus und hohes Militär mit dem aufstrebenden Bürgertum vereinte und das Substrat für die Bildung neuer elitärer Netzwerke schuf.15

Den Zeichen der Zeit gemäß vordergründig apolitisch organisiert, schenkte die Museums-Gesellschaft der Musik besondere Aufmerksamkeit. In einem Aufruf an die Einwohner der k. k. Stadt Salzburg 1816 diente Musik etwa der Legitimation, wenn es hieß:

Als Beweis, wie vorteilhaft ein solcher Verein auf jeden einzelnen und auf alle wirkt, soll hier nur auf einen einzigen seiner Zwecke hingedeutet werden: den Genuß der Musik, welcher in einer Stadt, deren Erde die Wiege Mozarts trug und die Hülle Michael Haidens [sic] zudeckt, wo Wölfl, Neukomm und mehrere andere berühmte Meister der Töne Leben und Bildung empfingen, gewiss den höchsten Reiz und die wärmste Teilnahme finden muss.16

Deutlich spiegelt dieser Appell den musikalischen Zeitgeist des biedermeierlichen Salzburg wider: Wolfgang Amadé Mozart ist noch nicht die alles überstrahlende Identitätsfigur Salzburgs, sondern wird – wenn auch erstgenannt – in eine Reihe mit dem im damaligen Salzburg populäreren Johann Michael Haydn und dessen Schülern Joseph Wölfl und Sigismund Neukomm gestellt.17 Dieser Umstand sollte sich mit der gezielten Implementierung von Mozartpflege und Mozartkult ab 1841 beziehungsweise 1842 sukzessive ändern.

Mit wöchentlich abzuhaltenden „größere[n] Conversation[en]“, die „nach Umständen mit Concert und Tanz“ kombiniert wurden18, setzte das Museum zudem in der aktiven Musikpflege Akzente. Mozart-Werke waren auch in den „Museums-Concerten“ und in den vorwiegend kammermusikalisch orientierten „Musikalischen Unterhaltungen“ nicht überaus präsent. Den Vorzug gab man in den Anfangsjahren anderen internationalen Größen wie Beethoven, Joseph und Michael Haydn, Cherubini, … oder man bot lokalen Komponisten – allen voran Schülern Michael Haydns – ein Podium.19 Die Programmkonzeption dürfte unter anderem von Überlegungen zur Ausführbarkeit der Stücke beeinflusst worden sein, konnte doch das Museum damals nicht auf ständige professionelle Orchester oder Chöre zurückgreifen. Vielmehr rekrutierte sich ein Gutteil der Musiker sowie der Sängerinnen und Sänger aus dem Kreis des Museums, dessen Vorstände die musikalisch versierten, jedoch zu einem Großteil nicht als Berufsmusikerinnen und Berufsmusiker tätigen „Damen und Mitglieder“20 zu aktivem Mitwirken aufforderten. Dementsprechend von Höhen und Tiefen gezeichnet21, verhalf erst ein „Kontrakts-Verhältnisse“22 mit dem 1841 ins Leben gerufenen Dommusikverein und Mozarteum, das dieser aufstrebenden Institution die Abhaltung der bislang vom Museum ausgerichteten regelmäßigen Konzerte überantwortete, zu Kontinuität.

Mozart mal zwei: Dommusikverein und Mozarteum / Mozartdenkmal

[G]lühende Verehrer der Tonkunst und des Tonfürsten haben seit Kurzem zu seiner wahren Verherrlichung ein Musikinstitut ins Leben gerufen, das Mozarteum, als eine immertönende Memnonssäule Mozart’s. Darin soll gute Musik gepflanzt werden, aufblühen und erfreuliche Früchte tragen, eine erquickliche Hoffnung, da hier der Mozart’s=Cultus noch immer äußerlich höher als innerlich steht, da man fleißiger seinen Namen ausspricht, als seine Werke anhört, da man ihm eher Denkmäler auf marmorkalten Piedestalen, als in begeistertwarmen Herzen errichtet23,

so die Einschätzung des Salzburger Schriftstellers und Journalisten Ludwig Mielichhofer zu den beiden jeweils von Mitgliedern des Museums angestoßenen Initiativen ‚Mozarteum‘ und ‚Mozartdenkmal‘.

Die „Anstalt unter der kurzen Benennung: Mozarteum“24 diente der „Bildung der Jugend in der edlen Kunst“25 und war Teil des 1841 als ‚Dachorganisation‘ ins Leben gerufenen Dommusikvereins. Dieser im Spannungsfeld kirchlicher und bürgerlicher Interessen angesiedelte Verein verschrieb sich der „Emporbringung der Musik in allen ihren Zweigen“.26 Um derart ambitionierte Pläne in einer Stadt ohne entsprechende Infrastruktur umsetzen zu können, wurde erstmals nach Auflösung der Hofmusik27 eine rund 50-köpfige ständige Kapelle aufgestellt, die nicht nur die städtische Kirchenmusik gestaltete. Vielmehr richtete der Dommusikverein mit seinen Angestellten eigene Vereinskonzerte und die vom Museum initiierten und verantworteten Museumskonzerte aus und avancierte so zum wichtigsten Musikveranstalter der Stadt Salzburg Mitte des 19. Jahrhunderts.28

Dem Museum sicherte der Dommusikverein die Durchführung von vier, später von sechs beziehungsweise acht Veranstaltungen vertraglich zu.29 Die Programmkonzeption jener Auftragskonzerte erwies sich jedoch von Beginn an als Herausforderung. Einerseits versuchte der Dommusikverein den eigenen, hoch gesteckten musikalischen Zielen gerecht zu werden, andererseits galt es, die Ansprüche des zahlenden Auftraggebers zu befriedigen und damit diese wichtige Einnahmequelle nicht aufs Spiel zu setzen. Bereits 1847 weiß der Jahresbericht des Dommusikvereins ein Lied von diesem Dilemma zu singen:

Was das Bestreben des Vereines betrifft, den musikalischen Geschmack zu erheben und zu veredeln, so glaubt man, daß die Programme der gegebenen Concerte den triftigen Beweis liefern, daß größtentheils nur klassische Musik der älteren und neueren Componisten zur Anhörung gebracht werden. – Um einerseits dem Vorwurf der Einseitigkeit zu begegnen, und andererseits den Anforderungen des Museums, eines Vereines, welcher bei seinen musikalischen Unterhaltungen hauptsächlich geselliges Vergnügen seiner Mitglieder beabsichtigt, zu genügen, mußte der Verein in diesen Museums-Concerten, welche er dieser besonderen Gesellschaft veranstaltet, hie und da den modernen Geschmack berücksichtigen, und es mag dadurch ein, dem Vereine in einem öffentlichen Blatte gemachter Vorwurf seine Beantwortung finden. Dürfte daher auch […] manches moderne Solostück nicht ganz den Anforderungen eines strengen Kunstrichters […] entsprechen, so dürfte doch der Umstand zu einiger Entschuldigung dienen, daß der junge Verein […] nicht mit eiserner Stirne dem Willen einer großen Anzahl von Personen, welche die Mittel haben, dem Kinde zu nützen oder zu schaden, Trotz biethen und nicht gegen den Strom schwimmen kann. Der Verein war jedoch jederzeit bemühet, selbst in diesen […] Concerten einige Musikstücke von ausgezeichneten Meistern einzuweben.30

Zerwürfnisse waren also vorprogrammiert. 1860 kam es zur Auflösung des Vertragsverhältnisses zwischen dem nunmehr in Geselligkeitsverein und Handelskasino gespaltenen einstmaligen Museum und dem Dommusikverein und Mozarteum. Letztere entwickelten sich damit zu selbständigen Konzertveranstaltern, waren in der Programmkonzeption weitgehend frei und konnten ihr Ziel, „den musikalischen Geschmack in der Vaterstadt Mozarts zu heben“31, verfolgen.

Abb. 2: Programm zum „I. Vereins-Concert“ des Dommusikvereins und Mozarteums 1860; Universitätsbibliothek Salzburg (UBS)

Geänderte politische, wirtschaftliche und soziostrukturelle Rahmenbedingungen und die direkte Konkurrenz durch neu ins Leben gerufene Bildungsvereine führten 1872 zur Auflösung des einstmaligen Museums, jenes „ältesten Vereins“32, der die städtische Musikkultur so nachhaltig vorangetrieben hatte.

Ließen die Gründungsstatuten des Dommusikvereins noch eine klare terminologische Differenzierung zwischen dem Musikverein und der aus ihm hervorgegangenen Ausbildungsstätte erkennen, so traten in den Folgejahren begriffliche Überlagerungen auf, die idealtypisch einen Wandel in der Wahrnehmung und eine sukzessive Separierung der beiden personell und inhaltlich verquickten Organisationen widerspiegelten. Zunächst stand die Bezeichnung Mozarteum einzig für die Schule, deren Lehrpersonal sich zum größten Teil aus Mitgliedern der Dommusikvereins-Kapelle rekrutierte. Schon bald war jedoch gerade in Pressemeldungen immer wieder vom „Orchester des Mozarteums“ und von „Mozarteums-Konzerten“ zu lesen33 – offenkundig verfügte der Name Mozarteum nicht nur über eine gewisse Strahlkraft, er stand vor allem auch für den bürgerlichen Part innerhalb einer Initiative, deren übergeordnete Instanz zum Leidwesen einiger Salzburgerinnen und Salzburger trotz aller Aktivitäten im weltlichen Musikbetrieb kirchlich konnotiert war. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis die Schule sich von ihrer Gründungsinstitution emanzipierte: In einem ersten Schritt wurde das Mozarteum 1861 als „moralische Person“34 anerkannt; 1880 erfolgte schließlich die Auflösung des alten Gefüges zugunsten einer Fusionierung der neu konzipierten Ausbildungsstätte mit der nunmehr primär bürgerlichen Initiative internationale Mozart-Stiftung.

Dem als „intellektuelle[s] Denkmal Mozarts errichteten Mozarteum“35 wurde 1842 ein nach außen repräsentatives, haptisches Zeichen hinzugefügt. Anders als bei Dommusikverein und Mozarteum geht das Engagement um die Errichtung des bronzenen Mozartdenkmals auf eine rein bürgerliche Initiative zurück. Vergleichsweise spät folgte Salzburg damit dem internationalen Trend einer monumentenbasierten Erinnerungskultur. Denkmäler für Männer aus Politik, Wissenschaft, Literatur, Militär, … demonstrierten seit dem frühen 19. Jahrhundert das Erstarken der bürgerlichen Gesellschaft und zeugten von einem säkularen Geschichtsbewusstsein.36 Die mit Konzeption und Bau des Mozartdenkmals verbundenen gedächtnispolitischen Absichten verdeutlichen sich besonders in einem Spendenaufruf des Salzburger Mozart-Comités an die Bevölkerung, publiziert im März 1839:

Abb. 3: Mozartdenkmal, aus: Erinnerungs-Blätter an Wolfgang Amadeus Mozarts Säcularfest im September 1856, Salzburg: Glonner 1856, Vorsatz

Wir müßten dieses Monument als gemeinsame Stadtsache sehen […]. Wenn dann, vielleicht schon im Herbste künftigen Jahres, von allen Weltgegenden die Reisenden nach Salzburg strömen, die angesehenen Männer, die gefeyertsten Künstler aller Nationen sich in seinen Mauern versammeln, der feyerliche Augenblick naht, wo jenes Monument […] sich vor aller Augen enthült [sic], der Ruhm Salzburgs überall verkündigt wird, mit welchem frohen Bewußtseyn wird dann jeder auf dieses Denkmal blicken, der sich sagen kann, nach Kräften zu demselben beygetragen zu haben.37

Die Statue diente also gleichermaßen einer nach innen gerichteten identitären Vergemeinschaftung der Salzburgerinnen und Salzburger und einer Positionierung der Stadt nach außen. Programmatisch erscheint der dahinter stehende Mechanismus: Nicht eine in Salzburg florierende Mozart-Rezeption regte zu Denkmalsetzung und Institutionalisierung von Musik an, sondern die Errichtung des Monuments und die Gründung von Dommusikverein und Mozarteum wurden zum Antrieb für eine Auseinandersetzung mit Mozart. Das Mozartdenkmal des Münchner Bildhauers Ludwig von Schwanthaler entwickelte sich in den Folgejahren zum „Ort ritualisierter Erinnerungsfeiern“.38 Das Monument wurde damit essentieller Bestandteil vielfältiger kultureller Praxen, deren Anlass nicht zwingend ein Mozartjubiläum sein musste, wie die Ausführungen zum Themenfeld Feste und Feiern zeigen werden.

Auftraggeber und finanzieller Partner: Das k.k. Theater

In zweifacher Hinsicht lassen sich von Dommusikverein und Mozarteum Verbindungslinien zum k.k. Theater ziehen, das seit 1775 über alle politischen Zäsuren hinweg seinen Betrieb aufrechterhalten konnte und damit auch in der lokalen Musikkultur eine wesentliche Position einnahm.

Zunächst war der enge Konnex zwischen dem alteingesessenen Theaterbetrieb und der jungen Institution Dommusikverein und Mozarteum durch die Person Alois Taux gegeben.39 Dieser war bereits seit 1839 am Theater als Kapellmeister verpflichtet und wurde zwei Jahre später zusätzlich zum artistischen Direktor der Schule und zum Domkapellmeister ernannt. In einer Kurzstudie über Taux listet Erich Schenk 73 Opern, davon über die Hälfte Salzburger Erstaufführungen, die unter der Ägide des aus Schlesien stammenden Kapellmeisters am k.k. Theater dargeboten wurden.40 Mit diesem schier unermüdlichen Engagement insbesondere für das zeitgenössische Musiktheater trug Taux wesentlich zur viel proklamierten „Glanzperiode“ bei41, die die Oper unter der Doppeldirektion von Gottfried Denemy und Karl Clement (1851–1853) erlebte. Die Personalunion Theaterkapellmeister, Mozarteums-Direktor und Domkapellmeister sollte jedoch bis auf Otto Bach, der vorübergehend ab Herbst 1868 die Leitung von Opern übernahm, eine Ausnahme bleiben.42 Taux’ Nachfolger dirigierten am Theater nur bei Gastauftritten, etwa als Leiter der Salzburger Liedertafel, die jene Spielstätte des Öfteren für szenische Aufführungen in Zusammenarbeit mit anderen Musikvereinen nutzte, oder im Rahmen der Salzburger Musikfeste.

Die zweite Tangente zwischen Dommusikverein und Mozarteum und dem k.k. Theater bildete das Orchester. Da die finanziellen Mittel des Dommusikvereins begrenzt waren, gestand man den angestellten Musikern bereits in den Gründungsstatuten zu, anderweitig zusätzliche Verpflichtungen einzugehen, vorausgesetzt, die Auftritte kollidierten nicht mit den Kirchendiensten und den eigenen Konzertveranstaltungen.43 Das Theater wiederum bedurfte zur Einstudierung seines Opern- und Operettenprogrammes versierter Musiker, und so rekrutierte sich das Theaterorchester nunmehr weitgehend aus den Mitgliedern der Dommusikvereins-Kapelle. Trotz der bürokratischen Hürden und der mühevollen Abwicklung der jeweils neu zu verhandelnden Vertragsverhältnisse44 bedeutete diese Kooperation eigentlich eine Win-win-Situation für beide Institutionen, doch bemühte sich gerade der Dommusikverein, dessen Position innerhalb der liberal-säkularen Salzburger Kulturszene zunehmend ins Wanken geriet, seine Verdienste für die weltliche Salzburger Musikkultur mit dieser Zusammenarbeit einmal mehr in Erinnerung zu rufen:

Würde der Verein nicht bestehen, so würde kaum das Theaterorchester auf jenem Standpunkt der Kunstfertigkeit stehen, dessen es sich nach dem Urtheile aller Sachverständigen dermal erfreuet, weil der Theaterdirektor nicht im Stande wäre, ein solches eingeschultes und künstlerisch gebildetes Orchesterpersonale zu bezahlen, wie es ihm dermal vom Vereine geboten wird, und es dürfte zu besorgen sein, daß der Theaterdirektor gar nicht im Stande wäre, Opern in dem hiesigen Theater aufzuführen.45

Auf Blech und Streich: Musikkapellen der Stadt Salzburg

Ebenso wie die Theaterkapelle speiste sich auch die Nationalgardemusik – in diesem Fall zu rund einem Drittel46 – aus dem „Orchester-Personale“47 des Dommusikvereins. 1848 im Zeichen der in Salzburg lediglich bedingt spürbaren Revolution gegründet48, setzte die Nationalgardemusik besonders mit Auftritten im öffentlichen Raum anlässlich diverser Sänger- und Musikfeste Akzente. Nach Auflösung aller Nationalgarden durch das neoabsolutistische Regime erfolgte eine Umfunktionierung des Salzburger Verbandes zur Bürgermusik-Kapelle, die auch musikalische Soireen ausrichtete.49

Zwei Mitglieder des Dommusikvereinsorchesters und Lehrer des Mozarteums, namentlich der Klarinettist Michael Knapp und der Hornist Johann Jahn, betätigten sich auch als Leiter der städtischen Veteranenkapelle.50 Sie wurde 1864 von Salzburgs I. Militär-Veteranen-Verein als Vereinsmusik gegründet und diente zunächst primär der „wechselseitige[n] Unterstützung in Krankheits- und Sterbefällen“.51 In späterer Folge leistete der Veteranen-Verein mit der Ausrichtung von Veranstaltungen wie Bällen und Konzerten sowie der uniformierten Teilnahme an vor allem ‚vaterländischen‘ Festen und Feiern einen Beitrag zur „patriotischen Mobilisierung der Bevölkerung“ und erreichte zudem eine „gesellschaftliche Akzeptanz der militärischen Pflichterfüllung“.52 Die Veteranen-Kapelle, die ab der Jahrhundertwende unter der Bezeichnung „Fürst-Auersperg-Kapelle“ oder „Fürst Karl Auersperg-Veteranen-Kapelle“ reüssierte, spielte dabei als emotionalisierende Kraft eine zentrale Rolle. Aus diesem I. Militär-Veteranen-Verein spaltete sich 1873 der Radetzky-Veteranenverein ab53, der seinerseits mit der Radetzky-Veteranenkapelle eine eigene Musik unterhielt. Weit gespannt präsentierten sich die Betätigungsfelder beider Klangkörper, die mit Streich- und Blasmusikformation sowohl als Konzert- und Ballmusikkapelle als auch als (Marsch-)Musik im öffentlichen Raum einsetzbar waren. Als klangliches Sinnbild einer sich etablierenden patriotischen Vereinskultur umrahmten sie neben zivilen vor allem staatliche und kirchliche Feierlichkeiten wie die jährlichen Gartenfeste anlässlich des Kaisergeburtstages oder die groß inszenierte Bischofsweihe Franz de Paula Albert Eders 1876 und schufen damit einen „Ausgleich für die deutschtümelnde Festkultur der Bildungsvereine“.54

Den beiden Ausflüssen einer „populären Militärkultur“ standen mit den Kapellen des k.u.k. Niederösterreichischen Infanterieregimentes „Freiherr von Heß“ Nr. 49 und des k.u.k. Salzburgisch-Oberösterreichischen Infanterieregimentes „Erzherzog Rainer“ Nr. 59 zwei hochkarätige Vertreter der „offiziellen Militärkultur“ gegenüber.55 Sie setzten ab Herbst 1868 wesentliche Akzente im staatlichen, kirchlichen und zivilen Musikleben der Stadt Salzburg. Gerade zur ‚Rainer-Kapelle‘ bauten die Salzburgerinnen und Salzburger eine besondere Beziehung auf, zumal dieses Orchester neben vielen anderen Tätigkeiten die für die Saison- und Musikstadt so bedeutenden „Promenade-Concerte“ auf hohem Niveau ausrichtete. Ein intensives Zusammenwirken mit Salzburger Musikinstitutionen wie den beiden Veteranenkapellen, der Liedertafel, der Singakademie und besonders dem Dommusikverein ließen die Kapelle des Infanterieregiments Nr. 59 zu einem wichtigen Teil der Salzburger Identität und den Kapellmeister Alexander Leitermayer zum Ehrenmitglied des Dommusikvereins werden.56

Nichtsdestotrotz blieb die ‚Rainermusik‘ mit Unsicherheiten behaftet, tat sich doch mit jedem Abzug des Regiments eine Lücke in der Salzburger Musikszene auf, die man mit einer „tüchtigen Civil-Musikkapelle“57 zu schließen gedachte. Besonders virulent wurde dieses Ansinnen im Zusammenhang mit den „Promenade-Concerten“. Diese Veranstaltungen sollten – so der dringende Wunsch, der 1871 dem Gemeinderat vorgetragen wurde – zukünftig nicht von der Militär-, sondern einer speziellen Kurkapelle verrichtet werden.58 Dieser Wunsch erfüllte sich jedoch erst nach dem vorübergehenden Abzug des Rainerregiments 1880, und dann auch nur temporär begrenzt und ansatzweise. Aus der Not heraus wurde binnen kürzester Zeit eine „Kapelle der Salzburger Promenade-Musik“ gegründet, die sich aus Mitgliedern des Dommusikvereins-Orchesters und einigen auswärtigen Kräften rekrutierte und – so der Plan des Verantwortlichen – jährlich von neuem konstituiert werden sollte.59

Doch es kam anders, wie Medienberichte zeigen. Für das Jahr 1882 etwa wurde das Dommusikvereinsorchester im Wechselspiel mit der Veteranen-Kapelle engagiert, wobei je nach Austragungsort der Konzerte Streichmusik oder Blechharmonie zum Einsatz kam, 1883 bis 1889 verpflichtete man mit der Regimentskapelle Heß wiederum ein Militärorchester, was de facto einen Rückschritt in der Realisierung der Stadtmusik-Idee bedeutete. 1890 wird im Salzburger Volksblatt abermals vom Auftritt einer nicht näher definierten Promenademusik-Kapelle berichtet, 1893 konzertierte die ‚Rainermusik‘ zunächst als Gast, um mit dem Jahr 1895 wieder regelmäßig die Kurmusik zu bestellen. Das Konzertwesen dieses Sektors verdichtete sich ab 1898 insofern, als das Salon-Orchester Petrik bei freiem Eintritt nunmehr abwechselnd mit der gebührenpflichtigen Rainer-Musik die „Promenade-Concerte“ ausrichtete. Zur Freude der Gäste, aber auch der Einheimischen, die diese Konzerte regelmäßig besuchten, konnten die Veranstaltungen nun wie in den Anfangsjahren intendiert täglich, sonntags mitunter sogar nachmittags und abends stattfinden. Ab der Jahrhundertwende verlieren sich in den Medien die Spuren der „Promenade-Concerte“ und damit auch der Salzburger Kurmusik.60

Abb. 4: Ankündigung der Promenade-Musik-Concerte 1880 im Salzburger Volksblatt, Nr. 65 vom 1. Juni 1880, S. 3

Dass das Bestreben um die Errichtung einer zivilen Stadtmusik aber auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufrecht war, zeigt ein Brief, den der zu diesem Zeitpunkt als Schulinspektor am Mozarteum tätige Robert Hirschfeld 1913 an Rudolf von Lewicki von der Wiener Mozartgemeinde richtete. Darin heißt es: „Die große Fremdenverkehrsaktion ist unangenehm. Sie wollen auch ein ‚Stadt-orchester‘ gründen, natürlich für Lehar und Fall. Den Rummel, dem man in Wien entflieht, wird man also in Salzburg wiederfinden! Aber die Sache ist noch nicht so weit und erfordert Jahre.“61 Nach wie vor galt es also, Salzburg als Fremdenverkehrsstadt zu positionieren und gleichzeitig dem selbst geschaffenen Nimbus der ‚Mozart-‘ und ‚Musikstadt‘ gerecht zu werden. Ob dabei – wie Hirschfeld vermutete – tatsächlich der ‚Wiener Musikrummel‘ mit all seinen performativen Besonderheiten nach Salzburg transferiert werden sollte, sei dahingestellt. Das Repertoire selbst hatte jedenfalls längst Einzug in der ‚Mozartstadt‘ gehalten, allein der Erste Weltkrieg machte weitere Pläne zunichte.

Der Wunsch nach einer „Civil-Musikkapelle“, die ähnlich den in Salzburg stationierten Militärmusiken sowohl „auf Blech“ als auch „auf Streich“ spielen konnte62, entsprechend vielseitig einsetz- und vor allem kontinuierlich verfügbar war, sollte in dieser Form nicht in Erfüllung gehen. Selbst die Gründung einer städtischen Blaskapelle ließ noch lange auf sich warten. Erst 1920 konstituierte sich als erste berufsständische Musikkapelle der Eisenbahner-Musikverein Salzburg.63 Anders als in den ruralen Umlandgemeinden und generell in den Salzburger Gauen, wo sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Blasmusikszene nach Vorbild der städtischen Regimentsmusiken entwickelte, dominierte in der bürgerlich-liberalen Stadt Salzburg im Bereich des institutionalisierten Laienmusizierens lange Zeit der Chorgesang.

Pionierin des Salzburger Männerchorwesens: Die Salzburger Liedertafel

Nicht nur der aus Berufsmusikern konstituierte Dommusikverein und die semiprofessionellen Regimentsmusiken, sondern auch explizite ‚Dilettantenmusikvereine‘ fungierten ab Mitte des 19. Jahrhunderts als tragende Säulen der institutionalisierten Musikszene. Dass die Trennung zwischen Profi- und Laienorganisationen zu dieser Zeit noch nicht schlagend wurde, im Gegenteil die städtische Salzburger Musikkultur wesentlich auf einer Bündelung jener unterschiedlichen Kräfte aufbaute, dokumentieren Programme diverser Konzerte und Veranstaltungen.

Abb. 5: Mitwirkende bei Mozarteums-Konzerten 1876, aus: Dommusik-Verein und Mozarteum, Salzburg, Vierzehnter Jahres-Bericht des Dommusik-Vereines und Mozarteum zu Salzburg, vorgelegt in der Jahres-Versammlung am 25. Februar 1877, Salzburg: Verlag des Vereines 1877, S. 15

Auch unmittelbar ins städtische Musikgeschehen Involvierte wie der Pädagoge, Musikschriftsteller und Mitbegründer der Internationalen Stiftung Mozarteum, Johann Evangelist Engl, betonten wiederholt den Wert, den das Zusammenwirken der verschiedenen Institutionen und Vereine für die Entwicklung der städtischen Musikkultur hatte:

Dadurch erhielt […] Salzburg den […] Ruf der grossen musikalischen Leistungsfähigkeit, weil Alles, was da sang und Musik trieb, mit den noch jungen angestellten Orchesterkräften in Einigkeit, mit Lieb’ und Lust, mitwirkte, so auch der Kunstsinn der Bevölkerung gehegt und gepflegt, immer mehr und mehr verbreitet, Grosses ausführbar, ja selbst theilweise die Vorführungen von Opern […] in einer Weise ermöglicht wurden, dass man dergleichen hier oft von Künstlern nicht besser sah und hörte.64

Noch gestaltete sich diese Bündelung der lokalen musikalischen Kräfte weitgehend unproblematisch, zumal das aufkeimende Vereinswesen zunächst per Gesetz unpolitisch zu sein hatte. Die Tendenzen der diversen Musikvereine, sei es liberal-national wie die Salzburger Liedertafel, konservativ-klerikal wie der Dommusikverein oder patriotisch-monarchistisch wie die Regiments- und Veteranenkapellen, waren zwar erahnbar, jedoch noch nicht derart offenkundig ausgeprägt, dass sie eine Zusammenarbeit verunmöglicht hätten.

Grundsätzlich erfreuten sich Vereine Mitte des 19. Jahrhunderts großer Beliebtheit, weil sie in einer von Polizeistaat und Zensur diktierten Zeit dem aufstrebenden Bürgertum Gestaltungsraum boten. Stellenwert und Aussagekraft einer prosperierenden Vereinskultur wusste bereits Ludwig Mielichhofer einzuschätzen, wenn er in der Salzburger Zeitung 1852 konstatierte: „Die Ausdehnung und Richtung des Vereinswesens in verschiedenen Jahrhunderten […] liefern verschiedene Aufschlüsse über die staatlichen, kirchlichen, gesellschaftlichen und Erwerbszustände eines kleinen Staates und einer engbegränzten Einwohnerschaft.“ Mielichhofers Beobachtung, wonach Anfang der 1850er Jahre „alle Volksklassen“65 am Vereinswesen teilhatten, traf auf die musikspezifischen Gesellschaften nur bedingt zu. Immerhin vollzog sich mit der Konstituierung der Salzburger Liedertafel 1847 eine ansatzweise Öffnung nach ‚unten‘, spannte sich hier doch im Gegensatz zu der elitären Museums-Gesellschaft und dem vorwiegend klerikalen Dommusikverein der Bogen von Bildungs- über Besitzbürgertum bis hin zu einer stark vertretenen unteren Mittelschicht.66 Während zumindest in den Anfangsjahren auch Geistliche Teil dieser Gemeinschaft waren, gab es zwischen der Arbeiterschaft und dem neuen Gesangsverein keine Berührungspunkte.67

Den Grundstein des Männerchorwesens hatten Carl Friedrich Zelter in Deutschland und Hans Georg Nägeli in der Schweiz gelegt6869