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Christiana Nicolai

Die Organisation der Zukunft

Neue Konzepte zur Organisationsgestaltung

3., überarbeitete Auflage

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Prof. Dr. Christiana Nicolai ist Professorin für Personalmanagement und Organisation an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.dnb.de> abrufbar.

3. Auflage 2021

2. Auflage 2018

1. Auflage 2015

© UVK Verlag 2021

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Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-7398-3091-9 (Print)

ISBN 978-3-7398-8091-4 (ePDF)

ISBN 978-3-7398-0029-5 (ePub)

Vorwort

Die Organisation eines Unternehmens hat entscheidenden Einfluss auf seine Wettbewerbsfähigkeit. Sie hat Auswirkungen auf Kosten, Produktivität und Qualität sowie auf das Verhalten und die Motivation der Mitarbeiter.

Organisatorische Aufgaben stellen sich nicht nur bei der Unternehmensgründung, auch die Prozesse und Strukturen bestehender Unternehmen müssen immer wieder neu gestaltet werden, sollen sie erfolgreich bleiben. Die zahlreichen Reorganisationen in den letzten Jahren belegen, dass die Bedeutung der Organisation erkannt wurde. Sie wird heute überwiegend als strategische Managementfunktion und wesentlicher Baustein bei der zielorientierten Steuerung und langfristigen Erfolgssicherung verstanden.

Dieses Buch behandelt neuere und praxisrelevante Konzepte. Die Themen „organisatorischer Wandel“ und „Zukunftstrends“ sind ebenfalls berücksichtigt.

Christiana Nicolai

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abbildungsverzeichnis

Kapitel 1: Neuere organisatorische Konzepte

1.1 Aktuelle Situation

1.2 Modulare Organisation

1.3 Fraktale Organisation

1.4 Netzwerkorganisation

1.5 Virtuelle Organisation

1.6 Lean Management

1.7 Agiles Arbeiten

1.8 Zusammenfassung und Ausblick

Kapitel 2: Geplanter organisatorischer Wandel

2.1 Ursachen für den organisatorischen Wandel

2.2 Formen des organisatorischen Wandels

2.3 Bereiche und Konzepte des geplanten organisatorischen Wandels

2.3.1 Bereiche des geplanten organisatorischen Wandels

2.3.2 Konzepte des Wandels

2.4 Hemmnisse bei geplantem organisatorischem Wandel

2.4.1 Ursachen für Hemmnisse

2.4.2 Argumentation und Vorgehensweise der Betroffenen

2.4.3 Umgang mit Widerständen

2.5 Erfolgsfaktoren und Fehler des organisatorischen Wandels

2.6 Zusammenfassung und Ausblick

Kapitel 3: Trends

Wiederholungsfragen

Literatur

Stichwortverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Formen der modularen Organisation

Abb. 2 Beispiele für Zusammenhänge zwischen realen und virtuellen Unternehmen

Abb. 3 Ursachen des organisatorischen Wandels

Abb. 4 Schlüsselkomponenten des Business Reengineering

Abb. 5 Ursachen für Hemmnisse bei geplantem organisatorischem Wandel

Abb. 6 Rahmenbedingungen der Organisation

Kapitel 1: Neuere organisatorische Konzepte

1.1 Aktuelle Situation

Wir gehen heute davon aus, dass es sich bei der modernen Welt, in der Unternehmen agieren, um eine VUCA-Welt handelt. Der Begriff VUCA setzt sich zusammen aus

imagevolatility (Volatilität),

imageuncertainty (Unsicherheit),

imagecomplexity (Komplexität) und

imageambiguity (Mehrdeutigkeit).

Eine volatile Welt ist instabil und durch ständige, häufig nicht vorhersehbare Veränderungen gekennzeichnet. In dieser Welt sind Prognosen für die Zukunft, die auf Erfahrungen aus der Vergangenheit beruhen, oft nicht mehr sinnvoll möglich. Gleichzeitig werden entscheidungsrelevante Tatbestände immer umfangreicher und immer weniger in ihrer Bedeutung einschätzbar. In solchen Situationen ist es besonders schwer, Strukturen und Prozesse eines Unternehmens passend oder auch überhaupt zu gestalten.

In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Konzepte zur Organisationsgestaltung entstanden.1 Und ständig kommen weitere hinzu, während über andere – zunächst hochgelobte – gar nicht mehr gesprochen wird.

Die Sichtweise, was eine gute Organisation ausmacht, verändert sich mit der Zeit; es gibt Modewellen, die aufkommen und wieder abebben. Unternehmen, die sich dem Zeitgeist anpassen, werden von der internen und externen Öffentlichkeit oft weniger kritisch betrachtet. Sie können zudem Probleme mit den (noch vorhandenen) organisatorischen Schwächen und der noch nicht komplett gelungenen praktischen Umsetzung der neuen Vorgehensweisen begründen.2

Neue organisatorische Konzepte verbreiten sich in der Praxis wesentlich langsamer als in der Theorie. Oft versprechen sich Unternehmen keine nennenswerten Verbesserungen oder sie stellen fest, dass das Konzept bei näherem Hinsehen gar nicht wirklich neu ist. Außerdem ist es schwierig, die zentralen Grundgedanken und deren sinnvolle Anwendbarkeit zu überprüfen, da es zwischen den Organisationskonzepten erhebliche inhaltliche Überschneidungen gibt. Sie übernehmen Teile und Ideen von anderen Konzepten und sind deshalb nicht eindeutig gegeneinander abgrenzbar.

Deshalb warten Unternehmen häufig zunächst Erfolgsmeldungen anderer Unternehmen ab, bevor sie solche Neuerungen selbst einführen. Somit gibt es eine zeitliche Verzögerung, eine sog. Umsetzungslücke, zwischen der Zunahme der Publikationen zu einem neuen Organisationskonzept einerseits und dessen großflächiger Umsetzung in der Unternehmenspraxis andererseits.

Allen neuen Konzepten zur Organisationsgestaltung gemeinsam ist der konsequente Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik.

Hinzu kommen die folgende Entwicklungen, die die Schwerpunkte bilden:3

imageModularisierung, d.h. es werden kleine und überschaubare Unternehmenseinheiten gebildet. Deren Vorgesetzte erhalten oft umfangreiche Entscheidungsbefugnisse und Verantwortung.

Die Modularisierung und die damit einhergehende Dezentralisierung werden auf allen Unternehmensebenen und in allen Bereichen und Prozessen umgesetzt. Die Verbindung der Module zur nächsthöheren Ebene wird durch Zielvereinbarungen und definierte Regelgrößen hergestellt. Schnittstellenprobleme sollen auf diesem Wege verringert und die Reaktionsfähigkeit verbessert werden.

imageProzessorientierung bedeutet, dass Unternehmen sich weg von starker Verrichtungsorientierung hin zu Objektorientierung wenden. Die Objekte sind dabei allerdings nicht nur ihre Produkte oder Dienstleistungen, sondern damit sind auch Kunden, Kundengruppen und Marktregionen gemeint. Verrichtungen werden passend zu den Kundenwünschen zu einem Prozess zusammengeführt und einem Prozessverantwortlichen übertragen. So gibt es weniger Schnittstellen. Kosten, Zeit und Qualität sollen mit dieser Vorgehensweise optimiert werden.

imageSelbststeuerung und Teamarbeit sind weitere wichtige Aspekte. Entscheidungen und Verantwortung werden zunehmend auf teilautonome Arbeitsgruppen und auf agile Teams übertragen. Die Mitgliederzusammensetzung wechselt je nach Auftrag. Ein Team verfügt über alle notwendigen Qualifikationen und ist das Basiselement der Organisation. Die Beteiligten stimmen sich untereinander ab und erfüllen die vorgegebene Aufgabe gemeinsam.

imageUnternehmensübergreifende Wertschöpfungsketten führen dazu, dass Unternehmen nicht mehr nur sich selbst im Blickfeld haben. Sie bilden sowohl auf der Beschaffungs- als auch auf der Kundenseite unternehmensübergreifende Wertschöpfungsketten mit ihren Geschäftspartnern.

imageLebenslanges Lernen wird nicht nur auf die Mitarbeiter projiziert. Das Unternehmen selbst wird als Einheit gesehen, die sich ständig verbessern und neuen Gegebenheiten anpassen muss.

Im Zusammenhang mit neuen Organisationskonzepten fällt häufig auch der Begriff hybride Organisation. Ein Hybrid ist ein Mischwesen, welches nicht eindeutig zuzuordnen ist.

Bei hybriden Organisationen entstehen durch die Verschmelzung von Elementen aus Markt und Hierarchie neue organisatorische Strukturen.4 Man will einerseits bestimmte Prozesse im Unternehmen – „in der Hierarchie“ – halten. Gleichzeitig erscheint eine vollständige Integration aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll, etwa, weil bestimmte Kompetenzen, Technologien, Kontakte zu Kunden oder personelle und finanzielle Ressourcen fehlen. Deshalb baut das Unternehmen seine Kontakte zum Markt – vor allem zu Zulieferern und Konkurrenten – aus und bildet mit anderen Unternehmen regionale und überregionale Kooperationen. Die Grenzen zwischen dem eigenen und den anderen Unternehmen verschwimmen, es entsteht ein Mischwesen, ein Hybrid.

Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die bekanntesten Konzepte, ausgewählt nach ihrer praktischen Bedeutung und ihrem Bekanntheitsgrad:

imageModulare Organisation

imageFraktale Organisation

imageNetzwerkorganisation

imageVirtuelle Organisation

imageLean Management

imageAgiles Arbeiten

Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Konzepte nicht immer eindeutig voneinander abgegrenzt werden können und inhaltliche Überschneidungen in den Beschreibungen nicht vermeidbar sind.

1.2 Modulare Organisation

Das Konzept der Modularisierung wird seit langem bei komplexen technischen Systemen angewandt. Man zerlegt eine Gesamtheit in mehrere kleine, überschaubare und weitgehend geschlossene Einheiten, die man als Module oder Segmente bezeichnet. Sie sind kombinierbar und über definierte Schnittstellen miteinander verbunden.

Diese Vorgehensweise lässt sich auch auf die organisatorische Gestaltung von Unternehmen übertragen. Dazu bildet man Module, die konsequent an den Prozessen und den Anforderungen der Kunden ausgerichtet sind. Auf diese Weise sollen Schnittstellenprobleme, die durch Hierarchien und Abteilungsgrenzen entstehen, verringert werden. Das Ergebnis sind vergleichsweise unkomplizierte Strukturen, die dazu beitragen sollen, Fehlerraten, Kosten und zeitlichen Aufwand zu reduzieren. Zu diesem Zweck wird jedes Modul mit Entscheidungskompetenz und Ergebnisverantwortung ausgestattet. Die für ein Modul verantwortlichen Organisationseinheiten werden als Moduleigner bezeichnet.

Modularisierung kann auf allen Organisationsebenen betrieben werden. Sie bezieht sich auf Stellen, Teams, Abteilungen, Geschäftsbereiche, Prozesse etc. Auch ganze Unternehmen können als Module eines Verbundes mit anderen Unternehmen angesehen werden.

Das Ergebnis der Modularisierung ist ein System weitgehend autonomer Einheiten, die sich überwiegend selbst steuern, mit ihren internen und externen Zulieferern und Kunden verbunden sind und Leistungen austauschen.5

Eine modulare Organisation ist vor allem für Unternehmen mit komplexem Produktionsprogramm geeignet, die viele Produktvarianten anbieten und global agieren.6

Typische Merkmale von modularisierten Unternehmen sind:7

imageProzessorientierung: Die Ausrichtung aller Aktivitäten an den wertschöpfenden Prozessen bildet die Grundlage jeder Modularisierung.

imageKundenorientierung: Mit der Orientierung an Prozessen ist auch die Fokussierung auf die Kunden, d.h. sowohl auf interne als auch externe Module, verbunden.

imageIntegration: Ähnliche Teilaufgaben, also solche mit hohem Interdependenz- und Wiederholungsgrad, werden zu einem Modul verknüpft.

imageBeherrschbare Einheiten: Die Integration ist so vorzunehmen, dass die entstehenden Module nicht zu umfangreich werden. Sie müssen beherrschbar und überschaubar sein, damit die einbezogenen Stellen den Blick für die sachlichen Zusammenhänge innerhalb ihres Moduls nicht verlieren. Deshalb hängt die Größe eines Moduls immer nicht nur von der Art des Prozesses, sondern ebenso von den Kompetenzen der Prozessbeteiligten ab.

imageEntscheidungskompetenz und Ergebnisverantwortung: Zur ganzheitlichen Abwicklung eines Moduls gehört es, dass die Mitarbeiter Entscheidungen selbständig treffen und für die Ergebnisse ihres Handelns verantwortlich sind.

Um die Module zu integrieren, müssen die beteiligten Mitarbeiter sämtliche benötigten Informationen schnell zur Hand haben, stärker als bislang miteinander kommunizieren und sich häufiger selbst untereinander abstimmen.8 Deshalb ist Modularisierung immer mit dem Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik verbunden.

Einen Überblick über häufige Formen der modularen Organisation gibt die Abb. 1.

Formen der modularen Organisation