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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

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ISBN 978-3-86764-692-5 (Print)

ISBN 978-3-7398-0060-8 (EPUB)

ISBN 978-3-73980-061-5 (EPDF)

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Vorwort

Die Bepreisung von Kreditrisiken sollte möglichst risikoadäquat erfolgen. Diese These ist weitgehend unumstritten und der Grundgedanke dabei ist das Verursacherprinzip. Dieses besagt, dass die Kosten einer wirtschaftlichen Aktivität von demjenigen zu tragen sind, der sie verursacht hat. Insofern muss der Kreditnehmer die durch ihn später anfallenden Kosten des Ausfalls (Insolvenz) selbst getragen werden. Diese spiegeln sich wiederum durch eine an sein Risiko angepasste Prämie wider.

Jedoch tritt bei einer bonitätsunabhängigen Kreditkondition das Phänomen der Quersubventionierung auf. Das bedeutet, dass die Kunden mit guter Bonität einen zu hohen Preis (Zinssatz) zahlen, während Kreditkunden mit schlechter Bonität einen zu niedrigen Preis (Zins) zahlen.

Dieses Rating (Basel III) zu beschreiben, zu erklären, zu analysieren und den Zins „objektiv“ zu kalkulieren ist Ziel des Buches.

Wir danken Herrn Dr. Jürgen Schechler, dass er es uns ermöglicht hat, mit Rat und Tat das Buch „Rating“ zu schreiben.

Berlin und Nürnberg, März 2016

Die Verfasser

Inhaltsverzeichnis

1 Risiken im Firmenkreditgeschäft

1.1 Problemstellung des Ratings

Das Kreditgeschäft der Kreditinstitute1 hat traditionell eine überragende Bedeutung für die Entwicklung eines Kreditinstituts, ist aber auch eine der kritischsten Quellen bankgeschäftlicher Risiken. In den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden möglichst hohe Kreditvolumina zur Maximierung der Erträge angestrebt, denn das Kreditgeschäft liefert traditionell die höchsten Erlöse. Jedoch hat sich im letzten Jahrzehnt die Analyse und Steuerung von Kreditrisiken zur Minimierung der Verluste zu einem bedeutenden Thema entwickelt. Denn mit den ausgebauten Kreditpositionen der Banken weiten sich die Risiken immens aus. Aus den überhöhten Kreditrisiken resultierten hohe Wertberichtungen und Verluste der Banken, die nicht nur die Existenz der Kreditinstitute, sondern auch Krisen ganzer Banken (wie zurzeit die Deutsche Bank) Bankensysteme (europäisches Bankensystem) oder sogar zu weltweiten Finanzkrisen führen kann.

Gerade in Zeiten von geringen Gewinnmargen sowohl im Aktivgeschäft2 als auch im Passivgeschäft3 von Kreditinstitute, die u.a. durch das sukzessive Absinken des Leitzinses weltweit, aber auch in der Eurozone hervorgerufen wurden, entwickelt sich das Kreditgeschäft zu einer ernsthaften Bedrohung für Kreditinstitute in Europa und in Deutschland. Insofern haben sich die Margen bei der Kreditvergabe seit Beginn der Finanzkrise im Jahre 2008 erheblich verringert. Dieser Trend wird auch in der Abbildung 1 sichtbar. Gleichwohl hindern die verschärften Eigenkapitalregeln im Zuge von Basel III den Weg zu risikoreicheren Investments mit besserem Ertrag. Dieses Manko versuchen Kreditinstitute durch Tochterunternehmen, die sogenannten Schattenbanken, zu umgehen.

Zusätzlich erhöhte Anforderungen an die Qualität des Eigenkapitals nach Basel III, neue Liquiditätsstandards und eine Verschuldungsobergrenze schränken zukünftig die insgesamt verfügbare Kreditmenge zusätzlich ein. Die Kreditinstitute arbeiten derzeit mit hoher Priorität an der Umsetzung dieser regulatorischen Auflagen. Gleichwohl werden den Instituten hohe Berichtspflichten auferlegt, die hohe Investitionskosten verursachen. Da die Umsetzung der regulatorischen Pflichten jedoch keinen zusätzlichen Ertrag abwirft und nicht zur weiteren Entwicklung des Geschäftsmodells beiträgt, wird sich dieser Prozess negativ auf die Margen im Kreditgeschäft auswirken4.

Doch die externen Einflüsse sind nicht die einzigen Gründe, die zu Krisen von Banken führen. Insbesondere interne Faktoren nehmen dabei eine besondere Stellung ein. Insofern ist es elementar erforderlich, dass Kreditinstitute ein funktionierendes Risikomanagement aufweisen, damit Risiken ausreichend analysiert und revolvierend in unterschiedlichen Zeitabständen überprüft werden.

Abb. 1: Zinserträge der Banken in Deutschland

Quelle: Entnommen aus Deutsche Bundesbank [Zinserträge, 2014]

Diese Problematik wurde von aufsichtsrechtlicher Seite erkannt und somit der Notwendigkeit einer angemessenen Einschätzung und Klassifizierung des Kreditrisikos ein deutlich höheres Gewicht beigemessen. Mit Einführung der Mindestanforderungen an das Betreiben von Kreditgeschäften (MaK), die inzwischen in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) aufgegangen sind, wurde das erste verbindliche Signal in diese Richtung gegeben5.

Die Gefahr des Kreditausfalls ist einer der ältesten finanzwirtschaftlichen Risiken. Bedingt durch die zu Beginn beschriebene Entwicklung im Bankenumfeld ist das Kreditrisiko nicht nur in den Fokus der Kreditinstitute, sondern auch der Aufsichtsbehörden gerückt. Deshalb stellt dieses Buch im Vorfeld die Anforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute (Basel II, Basel III und MaRisk) vor.

Der Fokus hingegen liegt auf das bei der Kreditvergabe verbundene Bonitätsrisiko. Das Buch erläutert, inwieweit entsprechende Auswirkungen von Basel III auf die Systeme der Risikoanalyse- und Steuerung zu erwarten sind. Das zentrale Ziel des Buches ist die Beantwortung der Frage, mit welchem Verfahren ein Kreditinstitut die Bonitätsrisiken im Kreditgeschäft möglichst genau identifizieren bzw. quantifizieren kann. Darauf aufbauend wird untersucht, wie die identifizierten und quantifizierten Risiken angemessen im Kreditzins in Form einer risikoadjustierten Kreditkondition abgebildet werden können.

Als Einführung erläutert das zweite Kapitel den Risikobegriff und die Risiken im Bankbetrieb. Dabei wird das Kreditrisiko differenzierter betrachtet. Weiterhin wird auf den Risikomanagementprozess eingegangen. Letztlich beschäftigt sich das Kapitel mit den aufsichtsrechtlichen Anforderungen nach Basel II und III einschließlich der drei Säulen, sowie die Ansätze zur differenzierten Erfassung von Kreditrisiken.

Das dritte Kapitel beinhaltet die Identifizierung, Messung und Quantifizierung des Bonitätsrisikos. Es werden Bonitätsanalyseverfahren vorgestellt und hinsichtlich ihrer Eignung zur Berechnung eines risikoadjustierten Kreditzinses beurteilt. Dabei kommt dem Rating eine besondere Bedeutung zu.

Im darauf folgenden vierten Kapitel werden Ansätze zur Kalkulation des Bonitätsrisikos im Kreditzins erörtert. Nach einer ausführlichen Betrachtung und Erklärung der einzelnen Komponenten des Kreditzinses veranschaulicht eine Beispielrechnung die Auswirkungen der Bonität eines Kreditnehmers auf den Kreditzins. Gleichwohl werden die gewonnen Ergebnisse nach Basel II und III vergleichend gegenübergestellt.

1.2 Abgrenzung Basel III zur Gesamtbanksteuerung

Das Hauptaugenmerk liegt auf die Untersuchung der einzelkreditnehmerbezogenen Bonitätsrisiken. Neben diesen Risiken nehmen Portfoliobetrachtungen in der Praxis zweifelsohne einen hohen Stellenwert ein, die im Hinblick auf die Gesamtbanksteuerung essentielle Bestandteile in einem Kreditinstitut sind.

Aufgrund der Tatsache, dass Portfoliobetrachtungen eine hohe Komplexität aufweisen und den Umfang des Buches erweitern würden, wird dieses Thema ausgeklammert.

Gleichwohl liegt der Schwerpunkt auf die mit einer Kreditvergabe an Unternehmen verbundenen Risiken einer Bank, da diese auf einen Großteil der Kreditportfolien in Banken entfällt. Zudem sind Unternehmen in hohem Maße von Krediten abhängig. Insofern sind sie sehr stark von den gesetzlichen Neuerungen im Kreditgeschäft betroffen.


1 Der Begriff Bank und Kreditinstitut wird im Rahmen dieses Buches synonym für jegliche Institute gemäß § 1 Absatz 1 KWG verwendet

2 Beschreibt das Kreditgeschäft

3 Beschreibt das Einlagengeschäft der Kreditinstitute

4 Vgl. Risiko-Manager [Risikobewusstsein, 2013], S. 2.

5 Vgl. Breitenbach, G./Martin, M./Nolte, T. [Rating-Systeme, 2007], S. 12.

2 Kreditgeschäft der Banken

2.1 Terminologische Grundlagen zum Risiko

Eine Definition des Risikobegriffs bildet den Ausgangspunkt für einen einheitlichen Umgang mit Risiken. Allerdings findet man weder in der Theorie noch in der Unternehmenspraxis eine einheitliche Definition für den Begriff des Risikos.6 „Das Wort Risiko leitet sich vom frühitalienischen risicare ab, das wagen bedeutet“.7

Gleichwohl bezeichnet eine relativ häufig gebrauchte Terminologie. dass ein Risiko eine mögliche Abweichung um einen zukünftigen, mit bestimmter Wahrscheinlichkeit eintretenden Ereignisses/Erwartungswertes (oder Kennzahlenwertes) von einem ursprünglich erwarteten Ereignis (oder geplanten Kennzahlenwert) sei. Dabei wird nicht nur die negative, sondern auch die positive Abweichung vom Erwartungswert als Risiko verstanden. Diese Begriffsbestimmung zeichnet sich durch einen ambivalenten Charakter des Risikobegriffs aus.8

Diese dichotome Auslegung, bei der vom Risiko im weiteren Sinne gesprochen wird, zeigt, dass eine Verfehlung des festgelegten Zieles einerseits eine negative Abweichung im Sinne einer Gefahr bedeuten, anderseits aber durchaus auch eine positive Abweichung als Chance denkbar sein kann.9 Als Risiko (im eigentlichen Sinn) oder Verlustmöglichkeit wird eine negative Abweichung verstanden. Die nachfolgende Abbildung 2 verdeutlicht diese Aussage:

Abb. 2: Dichotome Begriffsdefinition des Risikos

Quelle: Entnommen aus Romeike, F. [Integriertes Risk Controlling, 2006], S. 432.

Der Begriff des Risikos wird im Weiteren wie folgt definiert:

Aufgrund von unvollkommenen Informationen und der Unsicherheit über die zukünftigen Entwicklungen bezeichnet das Risiko die Gefahr einer negativen Zielverfehlung.

Das Hauptaugenmerk des Risikos liegt auf einer negativen Abweichung zum Zielwert. Man spricht dabei auch vom Risiko im engeren Sinne (Verlustmöglichkeit).10

2.2 Bankbetriebliche Risiken

Analog zur Definition zum allgemeinen Risiko sind in der wissenschaftlichen Literatur bei der Systematisierung bankbetrieblicher Risiken unterschiedliche Ansätze zu finden. Die in Abbildung 3 gewählte Einteilung des Gesamtbankrisikos lehnt sich an die Einteilung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht hinsichtlich der Unterlegung der Risiken mit Eigenkapital an und ist für die weiteren Ausführungen maßgebend. Aufgrund der Tatsache, dass das Liquiditätsrisiko offenkundig kein zu vernachlässigendes Risiko darstellt, wurde es noch mit aufgenommen.

Das Gesamtbankrisiko muss für die Gesamtbanksteuerung in steuerungsrelevante Teilbereiche unterteilt werden, sodass auf der obersten Ebene eine Trennung von Finanzrisiken und operationellen Risiken erforderlich ist. Die Finanzrisiken werden in Liquiditäts-, Kredit- und Marktpreisrisiken unterschieden. Den Marktpreisrisiken werden letztlich

zugeordnet.11

Abb. 3: Aufteilung des Gesamtbankrisikos

Quelle: Schierenbeck, H./Lister, M./Kirmße, S. [Ertragsorientiertes Bankmanagement, 2008], S. 9.

Das Kreditrisiko wird im nächsten Abschnitt differenzierter untersucht.

Marktpreisrisiken entstehen aus Veränderungen der allgemeinen Marktpreise zu Ungunsten einer Bank, insbesondere aus Marktpreisänderungen von Aktien, Zinsen, Rohstoffen und Wechselkursen.12 Die Gefahr einer Ergebnisveränderung aufgrund zukünftiger Marktpreisänderungen spiegelt das Marktpreisrisiko wieder. Dabei kann sowohl ein Preisanstieg als auch eine Preissenkung zu einer Verschlechterung des Ergebnisses führen.13

Aufgrund seiner existenziellen Bedeutung ist das Liquiditätsrisiko ein Kernelement des unternehmerischen Risikomanagements.14 Es beinhaltet die Gefahr, dass die Liquidität nicht gesichert ist und es in der Folge zu einer Insolvenz einer kreditierten Unternehmung führen kann.

Aufgrund der Eigenkapitalrichtlinien Basel II hat das operationelle Risiko sehr stark an Bedeutung gewonnen, da erstmals neben dem Marktrisiko und Kreditrisiko auch das operationelle Risiko mit Eigenkapital unterlegt werden musste.

Der Baseler Ausschuss definiert es als „... die Gefahr von Verlusten, die infolge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder in Folge externer Ereignisse eintreten“.15 Außerdem gehören auch Rechtsrisiken, nicht aber strategische Risiken oder Reputationsrisiken dazu.16

2.3 Einführung des Kreditrisikos

Im Kreditgeschäft kommt es ungeachtet sorgfältiger Bonitätsprüfungen zu Zahlungsausfällen, die auch bei der Finanzkrise ab dem Jahre 2008 zu erkennen gewesen sind. Das Kreditrisiko im Firmenkreditgeschäft ist volumenmäßig die bedeutendste Risikoart und zudem die am schwierigsten zu prognostizierende.

Grundsätzlich kann das Kreditrisiko als die Gefahr einer negativen Abweichung des bei der Kreditauszahlung geplanten Kreditergebnisses im Vergleich zum tatsächlich eintretenden Ergebnis verstanden werden.17 Sowohl bei der Definition als auch bei der Unterteilung des Kreditrisikos erweist es sich als sehr schwierig, in der Literatur eine einheitliche Definition respektive Unterteilung zu finden.

Ausfallrisiko Bonitätsrisiko
Expected Loss Erwartete Ausfallrate in einer Bonitätskategorie Erwartete Migrationsraten in schlechtere Bonitätskategorien
Unexpected Loss Negative Abweichung von erwarteten Ausfällen einer Bonitätskateeorie Negative Abweichungen von erwarteten Migrationsraten in schlechtere

Abb. 4: Dimensionen des Kreditrisikos

Quelle: Rolfes, B. [Gesamtbanksteuerung, 2008], S. 11.

Das Kreditrisiko wird begrifflich nach dem

unterteilt.18

Das Ausfallrisiko, demnach eine Teilkomponente des Kreditrisikos, stellt auf die Gefahr der Herabstufung des Kreditnehmers in die „Default“-Klasse ab, sodass die Bank die im Kreditvertrag vereinbarten Leistungen nur teilweise oder überhaupt nicht erhält.19 Der Baseler Ausschuss sieht den Kreditausfall als gegeben an, sofern eines oder beide der folgenden Ereignisse eingetreten sind: