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Frank Baumann – Frau Muggli hat jetzt zugegeben | Witziges über die wichtigste Nebensache der Welt – WÖRTERSEH

 

Wörterseh wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016 bis 2020 unterstützt und dankt herzlich dafür.

Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.

© 2018 Wörterseh, Gockhausen

Illustrationen: Frank Baumann, Zürich
Lektorat und Korrektorat: Andrea Leuthold, Zürich
Umschlaggestaltung: Thomas Jarzina, Holzkirchen
Layout, Satz und herstellerische Betreuung: Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth
Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Print ISBN 978-3-03763-101-0
E-Book ISBN 978-3-03763-757-9

www.woerterseh.ch

 

Inhalt

Über den Autor

Über das Buch

Vorwort

Der Stromboli-Effekt

Der Rucola-Salat

Der Söiniggel

»Dä Mördi«

Das Handicap-Theater

Die »Beachgabel« glüht

Der Gruss aus der Küche

Die Damenwahl

»Forebildlich«

Der Krimiautor

Die »Wenn-danner«

Der flotte Vierer

Zwölf Löcher wären genug

Die Schlägerkopfgeschwindigkeit

Die Carbonara-Strategie

Frau Muggli und die Autogrammkarten

Der Lufthansa-Modus

Das leidige Thema »Übergewicht«

Die erschütternde SMS

Robinson Crusoe

Der G-Punkt

349,38 Stundenkilometer

Das rituelle Abklopfen

Die Lady Captain

Der Swingerklub

Die Paarungswünsche

Das Zecken-Roulette

Hochformat geht gar nicht!

Das Nichtkönnenkönnen der Könner

Der Birdie-Vorbezug

Theorietheater

Der Stundenansatz

Brutto, netto, Skonto

Der Traumtänzer

Kleider machen Leute (fertig)!

Der Shallow-Swing

Das Opfer

Der Bauchnabel

Der Pötter

Der Prinz

Nachwort

 

Über den Autor

Frank Baumann
© Peter Knup

Frank Baumann, geb. 1957, war beliebter Radio- und Fernsehmoderator, preisgekrönter Werber und produzierte Fernsehsendungen. Für seine Sendung »Ventil« wurde er 1999 am Festival »Rose d’Or« ausgezeichnet. Zehn Jahre später wurde er für seine in 3Sat gezeigte Reihe »Ein Fisch für 2« für den Adolf-Grimme-Preis nominiert. Für Wörterseh schrieb und illustrierte er bereits »König Alphons und Kurt, das Kamel« sowie die beiden Golfbestseller »Single in 365 Tagen« und »Die Partherapie«. Zusammen mit der Autorin Blanca Imboden verfasste er die Jugendbuchreihe »Schule ist doof«, die er ebenfalls illustrierte. Er lebt in der Nähe von Zürich und in Vals.
www.frankbaumann.ch

 

Über das Buch

Nach den beiden Bestsellern »Single in 365 Tagen« und »Die Partherapie« legt Frank Baumann mit seinem dritten Golfbuch »Frau Muggli hat jetzt zugegeben« eine kurzweilige Sammlung seiner amüsantesten Kolumnen vor, die zwischen 2012 und 2018 im Magazin »Golfsuisse« erschienen sind und im Nu Kultstatus erreicht haben. Im Mittelpunkt der witzigen Texte steht die knubbelige Frau Muggli, die frisch von der Leber weg aus ihrem Golferinnenleben erzählt und absolut unbekümmert schildert, was sie im Zusammenhang mit dem Golfspiel so alles beschäftigt. Die Jeanne d’Arc der Fairways nimmt dabei kein Blatt vor den Mund, deckt Ungereimtheiten und Missstände ihres Lieblingssports auf und stellt auch immer wieder ebenso unbequeme wie relevante Fragen. Dass Frank Baumann mit spitzer Feder neben vielen anderen auch all jene karikiert, die bierernst über die Grüns dieser Welt schreiten und mit übertriebenem Eifer krampfhaft versuchen, das Freizeitvergnügen zum humorlosen Ernst ihres Lebens zu erheben, versteht sich von selbst. Genauso wie die Tatsache, dass er – in einschlägigen Kreisen – oft nicht als Herr Baumann, sondern als Frau Muggli erkannt und begrüsst wird. Ein »Handicap«, mit dem er allerdings gut leben kann.

 

Vorwort

»Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei«, pflegt Frau Muggli gern zu sagen, wenn sie sich von etwas trennen muss. Ganz egal, ob es sich um eine Glückssträhne handelt, um die müde Batterie ihres Elektrotrolleys oder um die ramponierte Ehe ihrer besten Freundin. Und so ist es auch mit den Kolumnen, in denen unsere Golffreundin die Hauptrolle spielte: Die Geschichten über Frau Muggli sind Geschichte.

Doch wer ist eigentlich diese Frau Muggli? Ist das die da drüben, die Dicke? Oder die Lange mit der Leinenbluse? Oder eher die im unsäglichen Neon-Outfit? Oder die Stockente? Ist es die mit der Thomas-Gottschalk-Frisur, oder sieht sie eher aus wie Otto Waalkes? Ist Frau Muggli die Untalentierte ohne Ballgefühl? Oder die Klubmeisterin? Ist sie eine Schweizerin? Oder eine Deutsche?

Frau Muggli ist ein Role-Model – und sie trat Anfang der Achtzigerjahre in mein Leben. Damals, von 1980 bis 1986, war der legendäre Peter Uebersax zum zweiten Mal Chefredaktor der Schweizer Boulevardzeitung »Blick«. Und er riet, man solle beim Schreiben einfach an Frau Muggli denken. Nur, wie muss man sie sich vorstellen? Dick oder dünn, gross oder klein, alt oder jung? Wie um Himmels willen sieht denn diese Frau Muggli aus? Die Antwort ist simpel: »Einfach normal.«

Damals, als man auf der Redaktion zum ersten Mal ein Phantombild von ihr entwickelte, passte sie ganz wundervoll zu einer Singer-Nähmaschine. Aber heute sind ja Beschäftigungen wie Kleiderselbernähen – genauso wie das Sticken von Gobelin-Wandteppichen mit Röhrendem-Hirsch-Motiv oder das Häkeln von Ersatzklorollenhütchen – Tempi passati. Und das enorme Bedürfnis, ein Kissen mit der eigenen Autonummer auf die Hutablage zu legen, das hat sich beim Westeuropäer zum Glück auch einigermassen verwachsen.

Dann halt andersrum: Wo wohnt sie, diese Frau Muggli? In der Stadt oder auf dem Land? »Ja«, lautet die Antwort. Mugglis gibt es überall, sie repräsentieren den Durchschnitt unserer Bevölkerung, sind freundlich und rechtschaffen, verdienen ordentlich und hauen nicht über die Stränge. Vielleicht macht Frau Muggli ab und zu eine Saftkur. Vielleicht besucht sie einen Bauchtanzworkshop. Vielleicht. Auf jeden Fall trägt Frau Muggli keine diamantbesetzte Rolex Datejust. Sie fährt keinen Porsche Cayenne und keinen Range Rover, und sie hantiert auf dem Golfplatz nicht mit handgeschmiedeten Schlägern. Vielleicht hat sie ein Elfen-Tattoo auf dem linken Schulterblatt, aber nur ein ganz kleines, eventuell ein Bauchnabelpiercing, aber bestimmt nix Intimes. Und Implantate hat sie auch keine. Braucht sie auch nicht.

Von 2012 bis 2018 erschienen die Kolumnen über die knubbelige Frau Muggli im »Golfsuisse«-Magazin der ASG. Von Anfang an entpuppten sich die kurzen Texte erfreulicherweise als Hit und Frau Muggli als Publikumsliebling. Immer wieder wurde ich auf sie angesprochen, oft gelobt und nicht selten freudig mit »Grüezi, Herr Muggli« oder »Schau, da kommt ja der Herr Muggli« begrüsst.

Auf den folgenden Seiten findet sich eine Zusammenstellung einiger heiterer Muggli-Kolumnen. Nichtgolfende werden vermutlich oft Bahnhof verstehen, weil das Golfen an sich ja keinerlei Sinn macht und sich die Schilderungen auf Vorkommnisse konzentrieren, deren unglaublich lebenswichtige Bedeutung sich wirklich nur jenen Spinnern erschliesst, die sich diesem absurden Freizeitvergnügen verschrieben haben.

Bei der Zusammenstellung der Texte und der Neuillustration der Kolumnen musste ich zwei-, dreimal schmunzeln. Ich hoffe, es geht den vielen »Frau Muggli«-Fans auch so.

Herzlich,
Frank Baumann

 

Der Stromboli-Effekt

Der Stromboli-Effekt

 

Frau Muggli, 93 Kilo (relativ mittig auf 161 Zentimeter verteilt), klebt mit beiden Füssen am Rand von Loch Nummer 7. Sie hält die Fahnenstange und wartet freudig darauf, dass ihre Flightpartnerin den Drei-Meter-Pött zum Buugi einlocht. Wäre Frau Muggli eine Ballerina aus Heinz Spoerlis Ballettkompanie oder die Berner Kontorsionistin Nina Burri, die mit ihrem Schlangenkörper Verrenkungen zu machen imstande ist, die wir uns nicht einmal im Traum vorstellen können, wäre alles kein Problem. Aber Frau Muggli ist nicht Nina Burri. Mehr noch, die Art und Weise, wie sie die Fahne bedient, trägt wesentlich zum Stromboli-Effekt bei. Bestimmt gibt es einen »St Andrews«-homologierten Fachausdruck dafür, aber weil sich den keiner merken kann, bleiben wir der Einfachheit halber beim Stromboli-Effekt beziehungsweise beim Strombolieren.

Hä? Okay, dann fangen wir halt ganz von vorn an: Wenn der Head-Greenkeeper Kurt Deflorin (82 Kilo) ein Loch ins Green defloriniert, dann legt er zunächst sorgfältig seine Schablone (eine Art Brett mit Loch) auf den Rasen, damit auf dem diffizilen Grün keine Dellen und Krater entstehen können. Und wenn man weiss, wie pingelig engagierte Golfer darauf achten, den wertvollsten Teil des Platzes nicht zu verletzen, dann versteht man vielleicht, weshalb »strombolierende« Golfer gemobbt werden.

Sie sind es, die dafür verantwortlich sind, dass sich um die Löcher Krater bilden, die einem jeden langsamen Putt kurz vor dem Fallen ausbrechen lassen. Frau Muggli sagt dann amigs: »Gerade, als er gerade war, bog er ab, was schade war.«

Klar erkennt man bei genauer Inspektion, dass das Loch wie ein Vulkan aussieht, bloss, wenn man zu positiv puttet (gell, »pattet«, ohne ö) und ein µ (Mü) verzieht, dann isser halt weg. Und wenn man zu vorsichtig ans Werk geht, dann kommt er in den Stromboli-Krater und geniert sich erst recht am Loch vorbei.

Genauso läuft das übrigens auch mit nicht ausgebesserten Pitchmarken: Wenn die gleich nach dem Einschlag sauber gegärtnert werden (von aussen nach innen, also vom Rand gegen das Zentrum drücken, Kollegen – und nicht bloss mit dem Tee ein bisschen drin rumstochern!), dann sieht man sie am nächsten Tag bereits nicht mehr. Wir versuchen das den Gästen auf unserem wunderbaren Golfplatz immer wieder »in flagranti« beizubringen: Pitchgabel raus, zack, zack, zack, mit dem Putter flach gedrückt und Ende.

Mit anderen Worten: Liebe Frau Muggli, machen Sie mich nicht waaahnsinnig! Wir, die wir die Fairways nur vom Hörensagen kennen, weil wir dauernd irgendwo anders rumturnen, wir, die wir uns Schlag um Schlag aus dem Semirough, aus Wasserhindernissen und absurden Bunkern heraus aufs Grün arbeiten, schnappen schier über, wenn unsere Putts nach dem ganzen nervenaufreibenden Scramble – kurz vor dem Loch – wegstrombolieren. Schlurfen Sie also bitte nicht wie ein Trampeltier übers Grün, stehen Sie gopferteli so weit wie möglich weg vom Lochrand, und halten Sie die Fahnenstange entspannt und mit ausgestrecktem Arm! Dann ist das Risiko auch kleiner, dass Sie eines Tages von Kurt, dem fleischfressenden Grünmonster, ins Loch gesogen und gefressen werden, Frau Muggli!

 

Der Rucola-Salat

Der Rucola-Salat

 

Frau Muggli hat jetzt zugegeben, dass sie mehrfach »Jetzt kommen Sie mal endlich aus diesem Rough raus!« gerufen habe. »Das bringt doch nix«, habe sie gesagt, »Sie stapfen da seit Minuten im Salat rum wie ein asthmatischer Fliegenfischer in den Untiefen des Hinterrheins! Vom Gemeinen Holzbock wollen wir gar nicht erst reden, den vergessen wir einfach mal, den finden Sie ja dann am Abend bei der Zeckeninspektion, falls Sie sich für die genauso viel Zeit nehmen wie für die beknackte Sucherei im knietiefen Gemüse.«

Klar, man haut schon mal einen Ball ins Rough, das passiert selbst den Champions, logo. Paul Rowe, der Pro des Buna Vista Golf Sagogn, gibt seinen Schülern jeweils als Erstes drei grundsätzliche Ratschläge mit auf das Lebensfairway. Erstens: Hau nicht ins Aus! Zweitens: Meide Sand und Wasser! Und drittens: Spiel, wenn du deinen Ball im hohen Gras vermutest, ein Provisuärli! Und wenn das Rough höher als der Saum einer durchschnittlichen Caprihose ist, forget it immediately! In neunhundertneunundneunzig von tausend Fällen kriegt man den Ball nicht raus, weil man schlicht und ergreifend mit dem Schlägerkopf gar nicht erst rankommt. Und mit dem zweiten und dritten Schlag und dem inzwischen verstauchten Handgelenk wirds ja bestimmt sowieso nicht gelingen.

Trotzdem dürfen wir auf der ganzen Welt immer wieder Golfkanonen beobachten, die durchs Wiesland sägissen, als ob sie im Landdienst wären, und mit der 56-Grad-Sandsense Grasbüschel um Grasbüschel in den Wind schaufeln. Selbstverständlich ohne Ballkontakt.

Nun muss man wissen, dass der Spielbetrieb auf einem Golfplatz gewissen Regeln unterliegt. Eine davon ist die, dass man nicht länger als fünf Minuten nach einem Ball suchen sollte. Und zwar ganz einfach deshalb, weil einem an einem sonnigen Spieltag bestimmt schon der nächste Flight dicht auf den Fersen ist. Drum sollte man auch so langsam und sorgfältig wie möglich spielen – aber gopferteli auch so schnell wie möglich gehen! Und wenn man das erst einmal verinnerlicht hat, wenn ein schöner Rhythmus zustande kommt und man keine Bälle im Seich draussen suchen und keine Löcher mehr streichen muss, dann verbessert man auch eins, zwei sein Handicap.

Allora, Frau Muggli hat ganz recht: Jetzt hören Sie einfach sofort auf, im tiefen Gras rumzuschwurbeln, Herr Müller. Es bringt nix. Ehrenwort! Sie nerven Ihre Mitspieler, Ihre Verfolger und den Marshall, der Sie ermahnen und antreiben muss. Mit Ihrem hoffnungslosen Gewusel sorgen Sie für einen pfundigen Stau hintenraus, der letztlich dazu führt, dass die Flights, die gegen Ende des Tages starten, mit Stirnlampen, Notproviant und Wolldecken versorgt werden müssen. Sechsstündige Runden haben mit Golf einfach nix zu tun. Und sonst tragen Sie sich doch bitte erst gegen Abend ein. Dann können Sie im Rough draussen gleich Ihr Nachtessen pflücken. Mit den frischen Eierschwämmli aus dem Unterholz haben Sie im Nu einen prima garnierten Saisonsalat zusammen, der sich gewaschen hat.

Aber Vorsicht, gell: Die Rucola-Fötzel, die am Ball haften, dürfen Sie nicht entfernen, die gelten nicht als »loser hinderlicher Naturstoff« (Regel 21). Die Schnecken hingegen schon (Entscheidung 23-1/5). En Guete!

 

Der Söiniggel

Der Söiniggel