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Walter Gerten

Arkadien

Die Sternenbücher Band 19





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

I M P R E S S U M


Die Sternenbücher Band 19

 

Arkadien

 

von Walter Gerten


© 2018 Walter Gerten.
Alle Rechte vorbehalten.
Autor: Walter Gerten
info@smg-gerten.de

Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne
Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.
Text, Zeichnungen, Bilder und Fotos von Walter Gerten. © 2018 Walter Gerten

 

Der Autor:

Walter Gerten lebt seit vielen Jahren in der ländlichen Südeifel. Als Autor betätigt er sich seit dem Jahr 1999. In der Anfangsphase, ab 2000 bis 2003 nahm er an einer intensiven Schreibwerkstatt teil, es folgten Lesevorträge. Daneben betreibt er seit dem Studium Malerei und Grafik, die ebenfalls teilweise als Illustration Einzug in seine Schriftwerke findet.

 

 

 

Weitere Romane:

Manfred Wilt und der Tote am Fluss

Manfred Wilt und die Rocker

Der Bote des Zarathustra

Monte Nudo

Unterwegs mit Tom Kerouac

Ich bin ein Schiff

Die Sternenbücher 1 Professor Montagnola

Die Sternenbücher 2 Akba

Die Sternenbücher 3 Die dunkle Seite des Mondes

Die Sternenbücher 4 Der Sinn des Lebens

Die Sternenbücher 5 Planet der Phantome

Die Sternenbücher 6 Das Nichts

Die Sternenbücher 7 Tod eines Springers

Die Sternenbücher 8 Paradise2

Die Sternenbücher 9 Solitan

Die Sternenbücher 10 Das Symbol für Solitan

Die Sternenbücher 11 Das Ubewu

Die Sternenbücher 12 Ich und Es

Die Sternenbücher 13 Der dreizehnte Stern

Die Sternenbücher 14 Die Raumzeit

Die Sternenbücher 15 Selbst Ich

Die Sternenbücher 16 Vergehen und Werden

Die Sternenbücher 17 Die zweite Reise zum JETZT

Die Sternenbücher 18 Marielle

 

 

Das Buch

 

Nach zehn Jahren wird eine weitere Reise zu dem Planeten Terremoines vorbereitet und durchgeführt. Dort trifft die Forschungscrew auf zwei Eremiten, die sich einst von ihrem Astronautenteam absetzten, indem sie ihren Tod inszenierten (Band 12, Ich und Es).

Noch während des ersten Tages stirbt einer der beiden und der andere gerät unter Mordverdacht. Der Fall soll von dem dienstältesten Piloten aufgeklärt werden, doch eine weitere Macht spinnt ihre Fäden in die Handlungsmuster vor Ort: der Zentralrechner an Bord. Als helfendes Instrument gedacht, zur Unterstützung der Raumfahrer, nutzt er geschickt sein Netz für Irritation und Manipulation.

 

 

 

Inhalt

Inhalt

 

 

I M P R E S S U M

Inhalt

  1. Meteoriten
  2. Vorgeplänkel
  3. Die Lichtaspekt-Phase
  4. Warten
  5. Dingo
  6. Gefahr
  7. Das Palais
  8. Das Grab

9.  Chaos

  1. Ruhe
  2. Angriff
  3. Sabotage
  4. Rückkehr
  5. Gartenarbeit

 

 

 

1. Meteoriten

1. Meteoriten

 

Wenn es ein Zufall gewesen wäre, dann hätten sich weitere Überlegungen erübrigt. Frank glaubte nicht an Zufälle. Ich auch nicht. Wie er mir später sagte, hatte er sogar wenige Momente vorher das diffuse Gefühl eines herankommenden Ereignisses verspürt. Als ich ihn das durch meinen Kopfhörer sagen hörte, musste ich zunächst nachdenken, was er wohl meinte, bis mir ein oder zwei ähnliche Situationen einfielen, die ich selbst erlebt hatte.

Dann hatte es ihn, bzw. seinen Raumgleiter erwischt. Das Hecktriebwerk wurde von einem wild rotierenden Gesteinsbrocken getroffen und lahmgelegt, während Frank noch versuchte, dem absehbaren Crash durch ein zu spät eingeleitetes Ausweichmanöver zu entkommen. Ich selbst konnte durch eine Serie von Rollmanövern meinen Gleiter heil durch die unerwartet auftauchenden Meteoriten lenken. Dann, als ich in den Normalmodus überging, bemerkte ich Franks Lage.

Zunächst war es kein Problem, denn er konnte noch steuern; die Rangier-Düsen waren unversehrt. Außerdem hatte er kaum an Fahrt verloren.

Beim Lesen dieser Zeilen überkommt mich eine Wehmut, die mich überfällt, wenn ich die Differenz spüre, die sich zwischen meiner verzerrten Erinnerung und meiner Vorstellung, die ich von mir selbst habe, auftut. Wie ein Graben, der ohne Vorwarnung neben meinem Weg die Erde spaltet, schneidet ein scharfes Messer durch die weiche Illusion, die meine Selbstwahrnehmung spinnt. Was ich sagen will: Bei völliger Ehrlichkeit mir selbst gegenüber musste ich Tendenzen an mir wahrnehmen, die nicht immer schmeichelhaft waren.

Frank war stets ein guter Freund gewesen. Es gab keinen Grund, ihn in seiner misslichen Lage sich selbst zu überlassen. Dennoch musste ich konstatieren, dass ein Teil von mir sich danach sehnte, ohne Umstände und Zwischenfälle endlich den Ort unserer Destination zu erreichen.

Die Meteoriten waren ja beileibe nicht der erste Hemmschuh, der uns straucheln ließ. Viele unglückliche Zwischenfälle säumten unsere Route zu den Sternen des sogenannten arkadisch-kosmischen Archipels.

Wie eine Hoffnung aus frühen Tagen hatten mir diese Region bislang eine Ruhestätte, eine Verheißung wahrsagerischer Nornen bedeutet. Wie Inseln am Ende der wellenreichen Meere lagen diese Sterne und ihre Planeten, speziell Terremoines, schemenhaft am Horizont meiner Fantasie. Nun, beim aktuellen Notfall schienen sie mir so fern wie selten zuvor. Frank zog das Pech an wie ein Magnet und ich übertrug all unsere Schwierigkeiten auf sein diesbezügliches Talent. Wann endlich würde sich unser Weg nach MEINEN Talenten richten?

 

Ein unbeteiligter Beobachter unserer Bemühungen würde vielleicht verschämt gegrinst und sich ein komplettes Scheitern unserer Mission bereits lebhaft vorgestellt haben. Ich selbst, - für Frank mochte ich es nicht beantworten -, konstatierte, dass ich langsam aber sicher die Geduld verlor. Ich erwog, ihn dort zurückzulassen, - aber nur einen blitzkurzen Moment. Dann wog ich seinen Wert in meiner imaginären Waage und erkannte seine Bedeutung plötzlich. Er war ein Teil von mir, - schon lange. Auch er war ewig und drei Tage unterwegs zum arkadisch-kosmischen Archipel. Ja, - es war nicht das Pech, - es war das Glück, das uns zusammengeführt hatte in dieser Mission, die eventuell meine letzte sein würde. Denn ich hatte nicht vor, Arkadien jemals wieder zu verlassen. Es war, lange bevor ich es wusste, bereits immer meine Bestimmung gewesen; - so dachte ich.

Doch zunächst galt es, ihn wieder flott zu bekommen, meinen Begleiter aus frühen Tagen, den ich so unverhofft wiedergetroffen hatte während der Vorbereitung zu diesem denkwürdigen Flug ins Ungewisse.

Arkadien war auch ein Ort meiner Fantasie, nicht mehr und nicht weniger. Dort war ich eine Art „Held“; ein Held im Ruhestand, der seinen Ruhm und sein Charisma, seinen Ruf und seine Attraktivität genoss; nicht nur in der Selbstwahrnehmung, sondern durchaus gesellschaftlich, akzeptiert. Dort würde er stattfinden, der legendäre „glückliche Tag“. Dort würde es erscheinen, das „finale Muster“, das alle Erlebnisse durchzog, sich in allen Eindrücken fand und die Grundstruktur aller Ereignisse bildete, das so lange unverstandene „Geheimnis des Glücks“, die Erkenntnis des „letzten Sinns“. Wie ein roter Faden zog es sich durch meine Wünsche und Träume und verschlüsselt war es in den merkwürdigen Bestrebungen der Gesellschaft zu finden, die ihm ebenfalls zuzusteuern schien.

Wer die Berichte meiner Reisen kennt, der wird nun bereits wissen, vermuten, konstatieren, dass das Selbstbild, mag man es sich noch so attraktiv ausmalen, wohl stets die Realisation seiner erhofften Potenz verfehlte, so wie Frank die rechtzeitigen Steuerbefehle verfehlte, um ein Quäntchen verpasste und deshalb den Lohn seiner Ungeschicklichkeit ernten musste. Ich selbst bemühte mich natürlich um eine Verbesserung seiner Lage. Mein Selbstbild hätte nichts anderes zugelassen, - immerhin hatte ich eine ethisch empfundene Messlatte für meine Verhaltensweisen.

Ich stöhnte zwar innerlich für eine gewisse, begrenzte Zeit, während zwei meiner Serviceroboter (ich hatte sie sofort losgeschickt) bereits die Schäden an Franks Maschine analysierten. Doch das Interesse an seinem Weiterkommen war aufrecht, ehrlich. Er war einer der wenigen Partner, die ich mir für solche Einsätze wünschte.

Seine eigene Reaktion auf die Unterbrechung war fatalistisch, ganz so, als ob er selbst gar keinen Anteil daran gehabt hätte. Nicht dass er an ein ominöses Strafgericht Gottes oder ein zielgenau zuschlagendes Karma geglaubt hätte, - aber ich gewann bei Frank immer den Eindruck, er sei verwundert über die Gegebenheiten, so, als ob ein unprofessioneller „Schöpfer“ letztendlich die Unperfektion seiner Welt nun endlich einmal zu registrieren habe.

 

Wir hatten einen Zeitplan. Wir würden ihn nun nur noch mit Schwierigkeiten einhalten können, wenn sich uns zukünftig irgendwo die Chance vielleicht bot, Zeit eventuell „zurückzugewinnen“. Das Raumfahrtdezernat in Berlin erwartete uns an einem bestimmten Punkt im Zeitgefüge an einem bestimmten Ort im Raumgefüge. Wir selbst, - und da fühlte ich eine Gleichheit bei Frank und mir, - wir selbst zogen den sogenannten „Königsweg“ vor. Ich war sogar sicher, dass nur der Königsweg nach Arkadien führte.

Das bedeutete, dass die Verzögerung durch den Crash zum Weg gehörte und ihre Funktion als Meilenstein gerne ernst genommen sah. Punktum! Tatsächlich war es eine der Qualitäten des „Königswegs“, dass jeder seiner Meilensteine, seiner Punkte, völlig gleichwertig war. Am Zielort eine herausragend höhere Qualität zu erwarten widersprach bereits dem „Königsprinzip“.

Nun, ehrlich gesagt fragte ich mich, wer diesen „Königsquatsch“ überhaupt in die Welt gesetzt hatte. Vermutlich ließ sich dieses Vokabular auf einen steinalten Taoisten oder Zen-Buddhisten, einen Eremiten mit verringerter Kulturkompetenz oder einen mittelalterlichen Mystiker zurückführen, der die Zeichen der Zeit nicht kannte, - nie gekannt hatte. Da es aber nun einmal in der Welt war, ließ es sich nicht mehr umkehren und ich konnte höchstens versuchen, jede Verwendung solchen Vokabulars zu vermeiden.

Andererseits: - was wäre schädlich daran, wenn es in Umlauf käme?

 

Frank und sein Raumschiff waren für mich bereits längst zu einem Synonym geworden. Ich stellte mir seit vielen Wochen und Monaten vor, dass er sich dort in seiner Steuerkabine nicht zu jeder Zeit der Funktionen bewusst war, die sein Schiff vollzog. Und, - ehrlich gesagt erging es mir selbst genauso, wenn ich ungeschönt hinsah. Wir wussten nicht exakt, - nicht einmal inexakt, was uns vorantrieb!

Es waren unsere Schiffe Synonyme für unser Unbewusstes. Wer hatte Frank daran gehindert, exakte Manöver, effektive Ausweichrouten zu fliegen, während es mir problemlos gelungen war, den Meteoriten zu entkommen? Unbekannt!

Ich fragte ihn nicht, ob er selbst vielleicht eine Idee habe. Unbekannt! Etwas hatte seine Aufmerksamkeit mit Beschlag belegt, so dass er nicht hatte spontan genug reagieren können. Vielleicht waren unnütze Gedanken dazwischen getreten. Aber wieso hatte sein Bordrechner nicht reagiert? Er war doch teuer genug gewesen und stand im Ruf, das Beste vom Besten, das Neueste vom Neuen, das Zuverlässigste vom Zuverlässigen zu sein.

 

Die Roboter wuselten einige Zeit in und um das Triebwerk, lieferten einen vorläufigen Bericht, der Hoffnung weckte, dass es reparabel sein würde. Die inneren Kammern waren durch den Treffer deformiert und perforiert. Zwar würde die Deformation nicht gänzlich rückgängig gemacht werden können, aber unsere mechanischen Servicetrupps würden etwa 87% wiederherstellen, wenn wir bereit waren, die entsprechende Zeitspanne abzuwarten.

Wir benötigten den Raketenmotor mit seinem Rückstoß-Antrieb nicht unbedingt. Er würde erst wieder erforderlich werden, wenn wir die Rückreise zur Erde antraten. Bis dahin würde das Schiff mit den intakten Steuerdüsen und den elektrischen Generatoren genügen Manövrierfähigkeit zur Verfügung haben. Der aktuelle Zustand war ein wenig besorgniserregend, weil das Schiff immer noch in einer langgestreckten Trudel-Linie gefangen war. Die Automatik bemühte sich redlich, die Amplituden zu reduzieren und Frank wieder in die richtige Bahn zu bringen, ohne dabei allzu viel Fahrt und Energie zu verlieren.

Sie würde erfolgreich sein, das prognostizierte die „Bordspinne“. Frank hatte seine zentrale Rechnereinheit so genannt und diesen Namen beibehalten. Manchmal nannte er sie auch einfach „BS“. Sie hatte ihr Netz gespannt und verfügte in seinen Maschen über alle Informationen, die mit dem Schiff, dem Flug, den Absichten und Zielen, der Kalkulation, der maschinellen Verwaltung und der internen und externen Kommunikation zu tun hatte; - und vermutlich auch über Informationen, die darüber hinausgingen. Die Spinne wob ihre Fäden in das Steuerungssystem, in das Kraftstoffsystem, das Funksystem, das Navigationssystem, das Lagersystem mit den Arbeits- und Forschungsgeräten, das Versorgungssystem, das Sicherheitssystem, das planetarische und galaktische System, - kurz, sie war ein System in den Systemen.

Sie kommunizierte mit Frank die Planungen, die Manöver, die Strategien. Trotzdem war klar, dass sie unabhängig davon eigene Planungen verfolgte, eigene Entscheidungen traf und eigene Daten aus den Systemen zog. Wieso das Schiff dennoch von einem Meteoriten getroffen worden war, blieb mir bis dahin unverständlich und ich vermied es, Frank darauf anzusprechen. Ich mochte solche intelligenten Helfer nicht und hatte darauf bestanden, eine wesentlich ältere Raumgleiter-Version zu bekommen, die noch mit einfacheren Regelungs-Einrichtungen flog.

Meine Idee des Königswegs, so unausgereift sie auch sein mochte, vermied es instinktiv, natürliche Beweggründe durch künstliche zu ersetzen. Unsere Freiheiten als Raumpiloten waren bei dieser Reise sehr weit gefasst, das Dezernat hatte uns in vielen Dingen Entscheidungsfreiheit gegeben und das Ziel selbst, Arkadien, war noch nicht endgültig in seiner Rolle im Forschungsauftrag definiert. Das würde sich noch ergeben. Eine derart offene Reise hatte ich noch nicht erlebt und war unserem Chef dankbar, dass ich daran teilnehmen durfte.

Es war mein zweiter Flug zu dem Planeten Terremoines.