MICHAEL BREUER

 

 

Der Hexenturm

Der Para-Bulle, Band II

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

 

DER HEXENTURM 

Prolog 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

 

Das Buch

 

 

Bei Tiefbauarbeiten in Köln stoßen Bauarbeiter auf eine unterirdische Grabkammer und entdecken dort eine geheimnisvolle Monstranz. Dämonische Energien werden freigesetzt und ergreifen von einem der Bauarbeiter Besitz, der ein Blutbad unter seinen Kollegen anrichtet.

Der Lokalreporter Martin Faust bekommt Wind von der Story und setzt sich auf die Spur des Mörders. Im Zuge der folgenden Ereignisse erfährt Faust, dass der aufgefundenen Monstranz der Geist eines vor Jahrhunderten gebannten Dämonenfürsten innewohnt, der nun erneut die Macht über das Rheinland an sich reißen will.

Zunächst hält der Reporter die Existenz übernatürlicher Mächte noch für ein Ammenmärchen, doch bald wird er eines Besseren belehrt. Beim Kampf mit einem weiteren Besessenen infiziert sich Faust nämlich mit dessen Blut. Die Folgen dieser Infektion sind zunächst nicht absehbar.

Auch der Kölner Kriminalkommissar Lehmann untersucht die rätselhaften Ereignisse. Im Stadtwald kommt es schließlich zur finalen Konfrontation. Es gelingt Faust mit Mühe und Not, den auferstandenen Dämonenfürsten unschädlich zu machen.

Doch nun ist Faust ein Gejagter. Der Reporter bricht alle Brücken hinter sich ab und taucht unter. Er weiß, sein Leben ist nun keinen Pfifferling mehr wert, denn die Hölle vergisst nie...

 

Mit Der Hexenturm setzt Professor-Zamorra- und John-Sinclair-Autor Michael Breuer seine humorvoll-schaurige Roman-Serie um den Kölner Kommissar Lehmann fort – angereichert mit einer gehörigen Portion Lokal-Kolorit und sämtlichen Zutaten des Pulp-Horrors.

 

Der Autor

 

Michael Breuer, Jahrgang 1969.  

 

Michael Breuer ist ein deutscher Autor von Horror-, Mystery- und Spannungs-Romanen.

Die 90er Jahre waren geprägt von Ausflügen ins Lyrik-Fach und dem Verfassen allerlei absonderlicher Kurzgeschichten verschiedener Genres. So mancher Roman aus dieser Zeit schlummert bis heute noch in der berüchtigten Schreibtischschublade.

Im Jahr 2004 veröffentlichte er seinen ersten Roman innerhalb der Mystery-Serie Professor Zamorra des Bastei-Verlags, dem bis heute zahlreiche Abenteuer rund um den Meister des Übersinnlichen folgten.

Neben Texten für die Reihen Geister-Schocker und Vampir Gothic des Romantruhe-Verlags folgte ab 2013 eine regelmäßige Mitarbeit an der Serie Geisterjäger John Sinclair.

Michael Breuer lebt und arbeitet in Köln.

  DER HEXENTURM

 

 

 

     

  Prolog

 

Ungeduldiges Raunen erfüllte den fensterlosen Raum. Es wurde von den schwärzlich angelaufenen Backsteinmauern zurückgeworfen und legte sich wie ein dichter Schleier über die anwesenden Personen. Es handelte sich ausnahmslos um Frauen.

Die Flammen unterarmdicker roter Kerzen bildeten kleine Oasen der Helligkeit in dem finsteren Gemach. Schatten flackerten unruhig. Das spärliche Licht schaffte es nur mit Mühe, die Finsternis zu zerreißen.

Auch die Kutten, in die sich die Frauen gehüllt hatten, waren von tiefschwarzer Farbe. Die weite Bekleidung verbarg ihre weiblichen Formen und verlieh ihnen etwas seltsam Geschlechtsloses.

Völlig unvermittelt war ein hallender Gongschlag zu hören, der das Raunen sofort verstummen ließ. Im nächsten Moment trat eine unheimliche Gestalt ins Kerzenlicht. Die Frauen zeigten sich über ihre plötzliche Präsenz nicht im Mindesten erschrocken.

Denn sie waren Hexen.

 

 

  Erstes Kapitel

 

Idstein/Rheingau-Taunus-Kreis, Hessen.

 

Die hochgewachsene Gestalt trug ein blutrotes Zeremoniengewand. Ihre Züge wurden von einer scharfkantig geschnittenen Bocksmaske mit langen, gewundenen Hörnern verhüllt, die das gesamte Gesicht bedeckte. Lediglich die Augen waren zu erkennen. Im Flackerlicht der Kerzen funkelten sie wie dunkle Kieselsteine und waren bar jeden Gefühls.

»Ich grüße euch, meine Töchter. Mein dunkles Herz ist erfreut darüber, dass ihr so zahlreich meinem Ruf gefolgt seid.«

Die Worte, die unter der Maske hervorquollen, klangen dumpf. Dennoch war nicht zu überhören, dass es sich um die Stimme eines Mannes handelte, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen. Er duldete keinen Widerspruch.

Demütig neigten die anwesenden Hexen die Köpfe.

Der Ausdruck in den dunklen Augen wurde härter, als der Maskierte erneut zum Sprechen anhob.

»Der Anlass zu diesem Treffen ist allerdings weit weniger erfreulich«, begann er. »Euer Magus ist unzufrieden mit euch, denn ihr seid träge und satt geworden. Das Verderben der Menschen sollte auf der Liste eurer Prioritäten ganz oben stehen. Stattdessen ergeht ihr euch in kleinlichen Händeln und Intrigen. So kann es nicht weitergehen!«

Der Magus machte eine Pause und ließ die Worte auf die Frauen wirken. Schließlich hob eine der Hexen fast schüchtern den Kopf.

»Was können wir tun, um dich zufrieden zu stellen, Magus?«, fragte sie mit bebender Stimme.

Der Maskierte trat einen Schritt auf sie zu. Abrupt griff er ihr unter das Kinn und zog ihren Kopf auf sein grinsendes Bocksgesicht zu. Seine Augen funkelten, als er ihre Kapuze zurückschlug und die herben Züge einer rothaarigen jungen Frau enthüllte, deren volle Lippen angesichts seines rohen Griffs erbebten.

Kurz musterte er sie. Er hatte die Sprecherin schon anhand ihrer Stimme erkannt. Verena war eine vielversprechende Adeptin der schwarzen Künste. Er wusste, sie würde schlichtweg alles tun, um seinen finsteren Wünschen gerecht zu werden.

»Nicht mich sollt ihr zufrieden stellen«, zischte der Bocksgesichtige dann, »sondern jenen, der in der Tiefe und in den Himmeln herrscht. Jede Seele, die durch unsere Taten dem Ur-Bösen anheimfällt, ist ein Gewinn für das Nachtkönigreich.«

Abrupt entließ der Magus die junge Hexe aus seinem Griff, doch nur kurz. Dann schossen seine mit dunklen Haaren bedeckten Hände nach vorne und zerrissen den Stoff ihrer schwarzen Kutte mit einer Leichtigkeit, als handele es sich um Papier. Schweres Atmen drang unter der starren Bocksmaske hervor.

Seine finsteren Kieselaugen funkelten, als er die prallen, zitternden Brüste betrachtete, die er so roh freigelegt hatte. Wie alle anwesenden Hexen war auch Verena unter ihrer Kutte nackt. Genüsslich ließ der Maskierte seinen Blick über ihre Formen gleiten. Den zerrissenen Stoff der Kutte zerknüllte er achtlos und schleuderte ihn in einen dunklen Winkel des Raums.

Trotz ihrer wohlbekannten Verdorbenheit huschte nun zarte Röte huschte über die Wangen der jungen Frau. Es schien fast, als schäme sie sich, so entblößt vor ihrem Meister zu stehen.

Der Bocksgesichtige lächelte unter seiner Maske. Prüfend kniff er ihr in die rechte Brust. Als er einen unterdrückten Schmerzlaut registrierte, ließ er befriedigt von ihr ab und klatschte in die Hände.

»Musik«, befahl er. »Spiele zum Tanz auf, Dienerkreatur!«

Im hinteren Teil des Raums begann sich eine verwachsen aussehende Gestalt zu regen, die ein dudelsackähnliches Musikinstrument in den Händen trug. Quäkende Misstöne wurden laut. Ein normaler Zuhörer hätte zweifelsohne sofort die Flucht ergriffen. Ungeachtet dessen begannen die anwesenden Hexen ihre Glieder zu schlenkern und wiegten ihre Körper im Takt der absurden Lautfolge.

Wieder nickte der Meister befriedigt und musterte das enthemmte Treiben einen Moment lang, bevor er sich umwandte und an den hinter ihm befindlichen schwarzen Altar trat.

Darauf standen ein schwerer, verkorkter Tonkrug und ein silberner, reich verzierter Weinkelch.

Gemessenen Schrittes trat der Magus hinter den Altar, wo er den Krug entkorkte. Beinahe andächtig füllte er den Kelch mit einer schweren, roten Flüssigkeit, deren Beschaffenheit fast schon an Blut erinnerte.

Erneut warf er einen Blick auf die tanzenden Jüngerinnen des Satans. Die Hexen hatten sich teilweise bereits ihrer Kutten entledigt und tanzten nackt zu der abscheulichen Musik, die immer wilder, immer aufpeitschender wurde.

Aus den Tiefen seines Zeremoniengewands zauberte der Magus nun ein kleines, dafür aber umso schärferes Messer hervor. Ohne zu zögern zog er sich die gebogene Klinge über die Handinnenfläche. Die so erzeugte Wunde erinnerte an einen roten, obszön klaffenden Mund. Fast übergangslos quoll dickflüssiges Blut hervor, welches er nun ungerührt in den reich gefüllten Kelch tropfen ließ.

»Kommt, meine Töchter«, sprach er dann mit dunkler Stimme. Auch er spürte die Wirkung der aufstachelnden Musik deutlich. »Trinkt mit mir den Satanswein und vernehmt meine Weisungen!«

Er hob den Kelch hoch über den Kopf und zeigte ihn seinen Jüngerinnen. Nur langsam beruhigten sie sich und kamen näher. Dann nahm er demonstrativ einen tiefen Schluck, der wie flüssiges Feuer durch seine Kehle rann.

»Kommt«, wiederholte er.

Die Aufforderung war überflüssig. Gehorsam hatten die Hexen vor dem Altar Aufstellung genommen. Ihre Augen funkelten in Erwartung des teuflischen Trunks.

Der Magus wandte sich der ersten Frau zu, die wohl um die 60 Sommer zählen mochte und deren Haar bereits silbergrau war. »Trink, Maleva«, befahl er und drückte ihr den Weinkelch in die Hand.

Nach einem tiefen Schluck reichte die Hexe das Gefäß an die neben ihr stehende Frau weiter.

Befriedigt trat der Magus einen kleinen Schritt zurück und weidete sich an dem sich ihm bietenden Schauspiel. Er nickte der verwachsenen Gestalt zu, die daraufhin ihren Körper ein Stück näher ins spärliche Kerzenlicht rückte. Nun wurde deutlich, dass es sich um einen buckligen, triefäugigen Gnomen handelte. Der Blasebalg seines bizarren Dudelsacks war aus menschlicher Haut gefertigt, die Pfeifen bestanden aus weißlichen Knochenspitzen.

Abermals machte der Magus eine befehlende Geste in Richtung des Gnomen, der daraufhin sein Bemühungen intensivierte. Völlig enthemmt spielte er zum Tanz auf. Fast übergangslos spürte der Bocksgesichtige, wie feurige Schauer abseitiger, dunkler Lust durch seinen Körper rasten.

Nur mühsam gelang es ihm, seine finsteren Triebe unter Kontrolle zu bringen und seine Rede fortzusetzen. Nun kam er zum Kern der Sache.

»Balook hat zu mir gesprochen«, erklärte er mit fester Stimme. Unwillkürlich ging ein Raunen durch die Reihen der Frauen.

Balook war der Name eines Dämons, mit dem der Magus vor vielen Jahren einen Pakt geschlossen hatte. Das wussten die anwesenden Hexen. Nur selten wandte sich Balook an seine Jünger, doch wenn es geschah, dann meist aus einem einzigen Grund.

Der Dämon war hungrig.

Als er weiter sprach, wurde die Stimme des Magus lauter, sein Tonfall drängender.

»Dreizehn Seelen fordert Balook von uns, die wir ihm hier, im Herzen unserer Stadt, zum Opfer darbringen sollen. In genau zwei Wochen, wenn der Mond im richtigen Winkel zu den Gestirnen steht, soll der Hexenturm zu einem blutigen Fanal der Finsternis werden.«

Abermals raunten die Frauen.

Der Hexenturm war das Wahrzeichen Idsteins und das älteste Gebäude der Stadt. Im 14. Jahrhundert wurde er als Bergfried der um 1050 errichteten Burg Idstein erbaut. Sein Name war allerdings irreführend. Hexen und Zauberer waren dort niemals eingekerkert worden. Erst nach den berüchtigten Idsteiner Hexenprozessen um 1676 bürgerte sich der Name Hexenturm als feste Bezeichnung ein.

Das sich der Treffpunkt des Hexenkults in einem geheimen Gewölbe tief unterhalb dieses Turms befand, besaß eine ganz besondere Ironie.

»Schwärmt aus und tut des Teufels Werk«, fuhr der Magus fort. »Bringt mir diese dreizehn Seelen, auf dass die Menschen in Ehrfurcht erschauern vor den Taten der Idsteiner Hexen!«

Der Bocksgesichtige atmete tief durch. Seine aufgepeitschten Sinne überschlugen sich fast. Der Satanswein war mittlerweile vollständig in seinen Blutkreislauf eingedrungen und er fühlte sich, als müsse er jeden Moment bersten vor Lust.

»Doch zunächst wollen wir tanzen und feiern, um unseren dunklen Meister in der Tiefe und in den Himmeln zu ehren«, erklärte er mit kehliger Stimme und machte eine Geste, die an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ließ.

Mit fiebrigen Augen streiften die letzten, noch bekleideten Hexen ihre Kutten ab und boten sich lüstern zuckend ihren Schwestern dar. Auch der Magus riss sich nun endlich sein blutrotes Zeremoniengewand vom Körper. Mit funkelnden Augen vollführte er eine magische Geste. Übergangslos erloschen die Kerzen. Jetzt mischte er sich ebenfalls unter seine Jüngerinnen.

In der letzten Reihe fiel scheppernd der Weinkelch zu Boden, rollte ein Stück, um dann in einer Ecke des Raums liegen zu bleiben. Niemand beachtete ihn.

 

*

 

Zwei Wochen später.

 

Es war noch früh am Abend, doch schon hatte sich die Finsternis wie ein schwerer dunkler Mantel über die verwinkelte Idsteiner Innenstadt gelegt. Obwohl sich der Winter mit Riesenschritten näherte, herrschte ein vergleichsweise mildes Klima. Entsprechend belebt waren die Straßen.

»Warte doch, Claudia«, gellte die Stimme eines jungen Mannes durch eine der Gassen. »Bleib doch stehen!«

Das Mädchen, dem sein Ruf galt, machte nicht den Eindruck, als wolle es der Aufforderung Folge leisten. Schon bog es um eine Straßenecke und verschwand außer Sicht. Nur noch das eilige Klappern ihrer hohen Absätze auf dem Pflaster war zu vernehmen.

Außer Atem blieb Peter Martens stehen und schnappte nach Luft. Seine Kondition war nicht die Beste. Immerhin war er kein Leichtgewicht. Außerdem war er nicht mehr ganz nüchtern.

Als er unvermittelt eine Hand auf seiner Schulter spürte, blickte der blonde Mittzwanziger auf.

»Du verlierst sie, wenn du dich nicht beeilst«, erklärte eine rothaarige junge Frau und zwinkerte ihm vertraulich zu.

Peter Martens verzog das Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen. Verena... Mit ihr hatte der ganze Schlamassel angefangen!

Trotz seines alkoholisierten Zustands war er nüchtern genug, um sich zu fragen, was ihn wohl geritten hatte, in aller Öffentlichkeit und vor den Augen seiner Freundin mit Verena herumzuknutschen. Natürlich, sie hatte sich ihm vorhin in der Kneipe geradezu an den Hals geworfen, doch das war keine Entschuldigung...

»Na los, schwing die Hufe, Cowboy, sonst wird das heute nichts mehr!«

Verena lachte glockenhell auf und ließ ihre Hand auf seinen Hintern klatschen.

Peter warf ihr einen bösen Blick zu, setzte sich aber tatsächlich wieder in Bewegung und begann seiner davoneilenden Freundin hinterher zu sprinten. Das war auch bitter nötig, denn zusehends verhallten ihre Schritte. Es wurde immer schwieriger, sich zu orientieren und festzustellen, wo sie eigentlich hinlief, zumal das enge Gassengewirr nur notdürftig durch Straßenlaternen erhellt wurde.

Verena sah ihm einen Moment unergründlich lächelnd hinterher, bevor sie ebenfalls die Verfolgung aufnahm. Peter wäre es lieber gewesen, wenn sie sich stattdessen ganz einfach in Luft aufgelöst hätte, aber das konnte er sich wohl abschminken.

Er verdrängte den Gedanken an seine ungeliebte Begleitung und konzentrierte sich wieder ganz darauf, Claudias Spur nicht zu verlieren. Atemlos hetzte Peter um eine weitere Straßenecke, um dann wie angewurzelt stehen zu bleiben.

»Da bist du ja«, keuchte er überrascht. Seine Freundin stand unmittelbar hinter der Ecke und blickte ihn aus verweinten Augen an. Um ein Haar hätte er sie über den Haufen gerannt. Das hätte ihm zu seinem Unglück noch gefehlt...

»Was willst du von mir?«, fauchte Claudia ihn aufgebracht an und strich sich die blonden Haare aus der Stirn. »Verpiss dich endlich! Hau doch ab zu deiner Verena...«

»Hör mal... «, begann Peter lahm, doch die Worte erstarben ihm auf der Zunge. Deutlich nahm er das wütende Funkeln in den Augen seiner Freundin wahr, das nun zu einem grellen Lodern wurde, als Claudia ihre Rivalin wahrnahm, deren Körper sich in diesem Moment aus der Finsternis der Gasse schälte.

Verenas rote Haare wehten im Abendwind. Sie strahlte eine unglaubliche Selbstsicherheit aus und ein maliziöses Lächeln umspielte ihre sinnlichen Lippen. Was sich zwischen dem zerstrittenen Pärchen abspielte, schien ihr ganz offenkundig einen Heidenspaß zu bereiten.

»Was willst du Schlampe denn noch?«, entfuhr es Claudia. Gleich darauf spuckte sie in hohem Bogen auf das Straßenpflaster, was Peter unwillkürlich zusammenzucken ließ. So hatte er seine Freundin noch nie gesehen...

Verenas Lächeln wuchs in die Breite. Sie verschränkte die Arme vor der üppigen Brust. Eine Antwort schenkte sie sich. Unergründlich blickte sie das zerstrittene Pärchen an. Ihre Augen funkelten boshaft.

Peter drehte sich irritiert zu ihr um. Als er die Rothaarige betrachtete, die sich ihm vorhin noch so unverblümt an den Hals geworfen hatte, lief ihm unwillkürlich ein Schauer über den Rücken. Seine Nackenhaare stellten sich auf. Mit einem Mal wusste er, irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.

»Lass uns endlich in Ruhe«, presste er hervor. »Komm, schleich dich!«

Unendlich langsam schüttelte Verena den Kopf, ohne dass ihr Lächeln auch nur um einen Millimeter verrutschte.

»Jetzt wird es doch gerade interessant«, erklärte sie mit rauchiger Stimme und lachte auf. Verenas Augen blitzten, als sie unvermittelt zu gestikulieren begann. Ihre Lippen formten unhörbare Worte.

Während sich Peter noch fragte, was das alles sollte, spürte er, wie seine Füße bleischwer wurden. Mit einem Mal war er keines klaren Gedankens mehr fähig. Neben sich hörte er Claudia aufkeuchen. Offenbar erging es ihr genauso.

»Was machst du?«, würgte er mühsam heraus. Instinktiv wusste er, dass Verena für seinen Zustand verantwortlich war. Auch wenn er keinen Schimmer hatte, wie sie das anstellte. Das Grinsen auf ihrem Gesicht sprach Bände.

Peter erhielt keine Antwort und er sollte auch keine Gelegenheit mehr haben, seine Frage zu wiederholen. Seine Züge erstarrten, als die unheimliche Lähmung auf seinen gesamten Körper übergriff und ihn gänzlich erstarren ließ. Seine Miene wirkte wie eingefroren.

Gleichzeitig keimte ein furchtbarer Gedanke in ihm auf. Immer wieder war es im Laufe der letzten zwei Wochen im Raum Idstein zu seltsamen Vermisstenfällen gekommen. Peter konnte sich nicht an die Details erinnern, da er die örtlichen Nachrichten nur unzureichend verfolgt hatte, doch die Polizei ging von einer Entführungsserie aus.

Einer Entführungsserie, deren jüngstes Opfer nun offenbar seine Freundin und er wurden...

Verena nickte noch einmal befriedigt und ließ die feingliedrigen Hände sinken. Kurz wandte sie den Kopf, um einen leisen Pfiff auszustoßen, der sich offenbar an mehrere Personen richtete, die sich in der sicheren Dunkelheit verborgen hatten.

Bis jetzt...

Unvermittelt füllte sich die Gasse mit Leben. Schattenhafte, in schwarze Kutten gekleidete Gestalten schälten sich aus der Finsternis und wieselten auf das erstarrte Pärchen zu.

Eine von ihnen näherte sich Verena, um der Rothaarigen die Schulter zu tätscheln.