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Nr. 3067

 

Die Ägidenwelt

 

Er ist der Niemands-Konsul – er herrscht über ein ganzes Volk

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Der Redner

2. Anflug

3. Die Festung

4. Pausenzeit

5. Stillstand, Erwachen und Vergnügen

6. Gedächtnisabgleich

7. Zurück auf der Insel

8. Unterwegs zur Nebelinsel

9. Auf der Nebelinsel

10. Die Begegnung

11. In den Hallen

12. Angriff!

13. Der Feind

14. Die Stimme

15. Das letzte Aufflackern

16. Die Entscheidung

17. Weiterreise

Leserkontaktseite

Risszeichnung NIKE QUINTO

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Er wurde vorwärts durch die Zeit katapultiert und findet sich in einem Umfeld, das nicht nur Terra vergessen zu haben scheint, sondern in dem eine sogenannte Datensintflut fast alle historischen Dokumente entwertet hat.

Nachdem er in der fernen Galaxis Ancaisin einen Weg fand, die sogenannte Zerozone zu betreten und womöglich eine Fährte Terras zu finden, begibt sich sein Raumschiff RAS TSCHUBAI ohne ihn auf den weiten Rückweg in die Milchstraße. Mit sich nimmt die Besatzung die Erkenntnis, dass die Cairaner, die sich als Herrscher der Heimatgalaxis aufspielen, nichts anderes sind als Flüchtlinge vor einer weitaus schrecklicheren Gefahr: den Phersunen und ihrer Schutzmacht, der »Kandidatin Phaatom«.

Während des Rückflugs gerät der Haluter Icho Tolot in den Zustand der Drangwäsche und entdeckt ein terranisches Zweigvolk, das ihm allerlei Rätsel aufgibt. Ihre Heimat ist DIE ÄGIDENWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Icho Tolot – Der Haluter muss seiner Drangwäsche nachgeben.

Onker Dou – Der Epsaler begegnet Legenden.

Primus 5-Brand – Ein Villanova-Terraner bleibt wortkarg.

Tipa 8-Riordan und Alaska 9-Saedelaere – Die Anführer der Villanova-Terraner erweisen sich als wenig hilfreich.

Corey – Ein Kind sucht seinen Vater.

1.

Der Redner

 

Etwas stimmte nicht mit ihm – und er wusste es. Er hatte die Wahrheit gesehen. Hatte die Fassade erkannt und einen Blick dahinter geworfen.

Was er gesehen hatte, machte ihn schrecklich wütend. Immer noch. Nach all den Jahren auf der Flucht.

Für einige Sekunden wünschte er sich, dumm zu sein und nicht all das zu begreifen, was der Erzfeind mit ihnen anstellte.

Er weinte blutige Tränen. Ein langer Greifarm kam aus der Modularlehne seines Faltstuhls hervorgekrochen und machte sich daran, die Blutspuren zu beseitigen und die Narbe in seinem Auge zu verschließen, wie schon Hunderte Male zuvor.

Seine Begleiterin kam ins Wohnzelt, stockend und mit zittrigen Gliedern. »Die Leute wollen dich reden hören«, sagte sie kurzatmig.

»Sie wollen mich immer reden hören.«

»Erspar mir dein Selbstmitleid, Corey. Tu, was du kannst, um sie zu besänftigen. Andernfalls ist die Revolution verloren.«

»Das ist sie ohnehin längst. Niemand außer uns beiden begreift, worum es in diesem Kampf wirklich geht. Wir können unsere Leute im Zaum halten und sie immer wieder von Neuem begeistern – aber wir können sie nicht überzeugen.«

»Die Menschen da draußen halten dich für ein Genie. Du giltst als einer der klügsten Köpfe der Ägidenwelt, Corey. Aber wenn du mich fragst, bist du einfach nur ein Trottel.« Sie stampfte mit einem Bein auf. »Hast du schon wieder vergessen, dass es nicht um uns, sondern um die nächste Generation geht? Was wir tun, zählt für weitere Generationen. Sie sollen aus ihren Zwängen befreit werden.«

»Das weiß ich.«

»Dann lamentier nicht länger, sondern tu, was du zu tun hast.«

Sie hatte recht. Selbstverständlich.

Sie war sein Leitstern. Ohne sie hätte er es niemals geschafft, diese Revolution zu starten. Er wäre still und duldend in seinem Faltstuhl hocken geblieben und hätte das böse Spiel des Niemands-Konsuls mitgemacht, bis ans Ende seiner Tage.

»Danke«, sagte er leise, räusperte sich mehrmals und wartete geduldig, bis der Greifarm die Reparaturarbeiten an seinem Auge abgeschlossen hatte. Dann hob er den Faltstuhl an und flog ins Freie. Heißer Wind blies ihm entgegen, das Salz der nahen See war ebenfalls zu spüren.

Unter ihm standen Frauen und Männer, Jung und Alt, etwa 300. Sie hatten provisorische Lehmhütten errichtet und bezogen. So etwas wie Normalität hatte sich breitgemacht, nachdem sie seit mehr als drei Wochen ihren Standort nicht mehr hatten wechseln müssen.

Er sammelte seine Gedanken, erhob die Stimme und redete. So, wie niemand außer ihm zu reden vermochte. Mit Engelszungen, sagten seine Anhänger. Wer ihm zuhörte, für den stand die Zeit still. Es waren Stimme und persönliche Überzeugungskraft, die auf seine Anhänger wirkten.

Sie hörten aufmerksam zu. Misstrauen verwandelte sich in Vertrauen, Abneigung in Zuwendung, Apathie in Begeisterung. Corey machte, dass sie ihre Fäuste reckten, seinen Namen schrien, ihn feierten, ihm ewige Treue schworen.

Am nächsten Tag würden sie es aber längst wieder vergessen haben, und er würde ein weiteres Mal sprechen müssen. So, wie er es jeden Tag tat, seit mehr als fünf Jahren.

2.

Anflug

 

»Tipa 8-Riordan und Alaska 9-Saedelaere also«, sagte Cascard Holonder.

»Richtig«, bestätigte Icho Tolot und fügte hinzu: »Die Schirmherrin der Villanova-Terraner und ihr Vordenker nutzen die Namen einer Piratin mit sehr eigentümlichen moralischen Ansichten und den eines guten Freundes.«

Das zweidimensionale Bild des Kommandanten der RAS TSCHUBAI verschwamm. Es machte einem mattgrauen Schleier Platz.

Die Hyperfunkverbindung war schlecht, auch wenn der Posbi namens Gustav zwischengeschaltet war und sich mit all seiner Kompetenz bemühte, höherdimensionale Störelemente auszufiltern. Die ausgetauschten Nachrichten legten eine Entfernung von 10.000 Lichtjahren quer durch den Sternenarm namens Paliaga zurück – wenngleich über mehrere eigens dafür ausgesetzte Relais –, bevor sie decodiert und zu einem sinnvollen Text zusammengefügt wurden. In einem Gebiet, in dem Tolot und sein Begleiter Onker Dou mehrmals hyperphysikalische Phänomene angemessen hatten.

Holonders prägnante Erscheinung tauchte erneut in der Darstellung auf. Er stand unmittelbar vor seinem Kommandantenstuhl. Im Hintergrund waren einige seiner wichtigsten Mitarbeiter zu sehen. Offiziere, die den Lebenstakt in RAS TSCHUBAI vorgaben.

»Ich möchte deine persönliche Einschätzung hören, Icho«, sagte Holonder. »Wer und was sind diese ... Wesen?«

Das Wort Terraner kam ihm nicht über die Lippen.

»Sie sind Imitationen. Vermutlich ebenso wie die Gataser, mit denen wir es zu tun hatten. Die positronischen Mini-Komponenten in ihren Gehirnen bringen sie dazu, gewisse Verhaltensmuster zu verfolgen.«

»Um was zu tun?«

»Das möchte ich herausfinden. Ich werde die Einladung von Flottenkommandantin Petresse 7-McNamara annehmen.«

Wieder entstand eine längere Pause. Tolot wartete geduldig, bis Gustav und die Positronik der FEEDRA BERGSON die Verbindung erneut hergestellt hatten.

»Ist es das, worauf uns Bru Shaupaard hatte aufmerksam machen wollen?«, fragte Holonder.

»Die Wahrscheinlichkeit ist groß.« Tolot hatte lange über diese Dinge nachgedacht. »Meine Vermutung ist: Die Cairaner haben in dieser Galaxis einen Zwischenstopp auf ihrem Exodus in die Milchstraße eingelegt. Oder eine Auslagerung ihrer ... Arbeiten vollzogen. Sie möchten mehr über Blues und Terraner herausfinden. Die Völker der Milchstraße bei Planspielen besser kennenlernen.«

»Glaubst du etwa, dass auch Pseudoarkoniden oder Pseudotopsider in Tauk zu finden sind?«

»Das werden uns die Villanova-Terraner sagen. Ich glaube allerdings nicht, dass es so sein wird.« Tolot merkte Holonder an, dass er Fragen auf dem Herzen hatte, sich aber schwertat, sie auszusprechen. »Du möchtest wissen, ob meine Drangwäsche überstanden ist?«

»Richtig.« Holonder atmete tief durch.

»Ich muss dich enttäuschen. Ich durchlebe lediglich eine Art Ruhephase. Würde ich mich nicht mit aller Kraft zusammenreißen, wäre die FEEDRA BERGSON mittlerweile ein Wrack.«

»Ich verstehe.«

»Wahrscheinlich nicht. Aber keine Sorge. Ich habe so viele Drangwäschen durchlebt, dass ich mich unter Kontrolle habe. Und Onker Dou erledigt seine Aufgabe ausgezeichnet. Er ist nicht immer leicht zu ertragen ...«

»... sagt ein Haluter mit Drangwäsche ...«

»... aber er findet meist die richtigen Worte und weiß die Lage gut einzuschätzen.«

»Wie verhält sich Annba?«

»Ruhig. Das Zain-Konstrukt sagt kaum ein Wort. Es ist allerdings brennend daran interessiert, auf die Ägidenwelt gebracht zu werden. Annba ist seit Stunden in der Medoabteilung und lässt sich von der Schiffspositronik über die zerebralen Funktionen der Pseudo-Terraner informieren. Hauptsächlich widmet er sich den winzigen positronischen Bestandteilen.«

»Wundert dich das? – Leite mir alles Datenmaterial weiter!«

»Sofern die Verbindung ausreichend gut bleibt, ja.« Tolot wechselte das Thema. »Wie sieht es auf der RAS TSCHUBAI aus? Wie lange wird die Salkrit-Dotierung noch benötigen?«

»Einige Tage«, wich Holonder einer klaren Antwort aus. »Wir haben kaum Erfahrungswerte mit den Hyperschwingungs-Induktoren. Die Zain-Konstrukte haben uns zwar detaillierte Verhaltensrichtlinien mitgeliefert, aber die Praxis unterscheidet sich deutlich von den Trockenübungen.«

»Wundert dich das?«, wiederholte Tolot Holonders Frage in der gleichen Betonung wie jener, ehe er fortfuhr: »Wo genau liegen die Probleme?«

»Sie haben mit dem Energiefluss bei der Sonnenzapfung zu tun. Bei der Beschaffung der notwendigen Energien für die Dotierung. Sonne ist nicht gleich Sonne. Bei Senn-A ...«

»Senn-A?«

»Das Gestirn mit der besten Ladungsdichte, die wir entdeckt haben. Das Strahlungspotpourri, das wir abbekommen, muss gewissermaßen ideal abgemischt und auf die beiden Sonnenzapfer aufgeteilt werden. Senn-A bietet die besten Voraussetzungen. Aber die Sonne ist unberechenbar. Manchmal zu schnell, manchmal zu unbeherrscht in ihren Ausbrüchen.«

»Du vermenschlichst eine Sonne.«

»Weil sie ebensolche Probleme macht wie ein Mensch.«

»Na schön. Zurück zum Thema: Petresse 7-McNamara ist bereits im Anflug auf unsere Position im Spandadsystem. Sie wird uns allesamt aufnehmen und uns an Bord der KAWA DANTROFF zur Ägidenwelt bringen.«

»Warum folgt ihr dem Schiff der Villanova-Terraner nicht an Bord der FEEDRA BERGSON?«

»Ich hatte eine Unterhaltung mit 7-McNamara. Sie sieht uns als Verbündete, aber sie bleibt auch vorsichtig. Sie beharrt darauf, dass wir an Bord ihres Schiffs kommen.«

»Was geschieht mit der FEEDRA BERGSON?«

»Ich versiegle sie und bitte dich, sie zu bergen, sobald die Sonnenzapfung abgeschlossen ist.«

»Du rechnest damit, dich länger auf der Ägidenwelt aufzuhalten?«

»Glaubst du etwa, dass ich mal eben zum Händeschütteln ein paar Hundert Lichtjahre weit fliege?«, brauste Tolot auf, wollte auf das Pult vor ihm einprügeln und nahm sich in letzter Sekunde zurück. Zurück blieb ein leichter Knick im metallenen Tragearm der Arbeitsfläche.

Holonder schwieg für einige Sekunden. Schließlich sagte er: »Ich hoffe, dass Onker Dou weiterhin mit deinen ... Wallungen zurechtkommt.«

»Wir haben alles unter Kontrolle.« Tolot unterdrückte die Wut in sich. Er ventilierte sie falsch. Er musste sie sich aufsparen und dann entweichen lassen, wenn es notwendig war.

»Wir sollten dennoch in Kontakt bleiben«, sagte Holonder. »Wissen wir denn, wie weit wir den Villanova-Terranern trauen können?«

»Du vergisst Gustav. Die Pseudo-Terraner sehen ihn als simple Arbeitsmaschine. Er wird den Funkverkehr zwischen euch und uns ermöglichen, sollte es nötig sein.«

»Hat er die nötige Reichweite?«

»Dank unserer Relais würde ich hoffen, ja. Sobald ihr die FEEDRA BERGSON erreicht und entsiegelt habt, schickt sie Gustav einen Impuls, um eine stabile Funkbrücke herzustellen. Damit könnt ihr uns folgen. Einverstanden?«

»Du hast an alles gedacht, wie?« Holonder nickte. »Eine letzte Frage noch.«

»Ja?«

»Was sind die Villanova-Terraner für dich? Selbstbestimmte Lebewesen? Hybridgeschöpfe? Mitglieder einer Zivilisation, die es nicht geben dürfte?«

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Illustration: Dirk Schulz

Tolot fühlte die Wut hochsteigen. »Du kennst die Geschichte meines eigenen Volkes«, grollte er. »Wir wurden in mehrfacher Weise missbraucht. Man züchtete uns, und man legte eine Krankheit in uns an, die über Jahrtausende hinweg wirksam würde.«

Die Haluter-Pest. Sie hatte sein Volk beinahe ausgerottet. Die Erinnerungen daran waren noch sehr frisch. Er schob sie rasch wieder beiseite.

»Verzeih die mangelnde Sensibilität meiner Frage«, sagte Holonder und verbeugte sich. »Für mich seid ihr Haluter nie etwas anderes als eine eigenständige Zivilisation gewesen. Nicht eure Herkunft, sondern eure Leben haben euch dazu gemacht.«

»Ist schon gut, mein Kleines.« Der Zorn verzog sich, ein Gefühl der Wärme machte sich in ihm breit. »Um auf deine Frage zurückzukommen: Die Grenzen sind fließend, wie du weißt. Die Zain-Konstrukte und Posbis haben gewiss ganz andere Ansichten zu diesem Thema als du oder ich. On- und Noon-Quanten haben dafür gesorgt, dass sich unzählige Völker im Universum ausgebreitet haben. Der Kosmokrat Taurec hat das Leben in der Galaxis Truillau nach seinem Geschmack geformt. Die Cantaro der Milchstraße wurden von Monos geklont und geleitet, die Duplos der Meister der Insel waren Kopien anderer Wesen ...«

Tolot brach ab. Er neigte zum Schwafeln, wenn die animalischen Instinkte der Drangwäsche nachließen und sein Beschützerinstinkt in den Vordergrund drängte. »Es gibt unzählige Mischformen und Abstufungen von selbstbestimmtem Leben. Ich werde nicht Richter spielen und sagen, dieses Volk verdient mehr Rechte als ein anderes. Lass mich die Villanova-Terraner auf der Ägidenwelt kennenlernen. Vielleicht habe ich danach eine bessere Antwort für dich.«

Sie tauschten Positionsberechnungen und einige Kennungen aus, die es der RAS TSCHUBAI ermöglichen würden, die FEEDRA BERGSON aufzunehmen. Anschließend übertrug Tolot ein Datenkonvolut mit allen Informationen, die sie bislang zu den Villanova-Terranern zusammengestellt hatten.

Gustav schaffte es, die Daten binnen weniger Minuten an Holonder zu übertragen. Tolot verabschiedete sich vom Kommandanten der RAS TSCHUBAI, gleich darauf brach die Verbindung ab.

»Beherrsch dich gefälligst«, sagte Tolot zu sich selbst und sah dabei zu, wie einige kleine Roboter den Träger des Pults vor ihm wieselflink austauschten. Dies war nicht der erste Schaden, den er an Bord der FEEDRA BERGSON verursacht hatte.

 

*

 

Die verletzten und geretteten Villanova-Terraner unter dem Befehl von Talmon 6-Dorm setzten gemeinsam mit dem Haluter Tolot, dem Epsaler Onker Dou, dem Posbi Gustav und dem Zain-Konstrukt Annba von der FEEDRA BERGSON auf die 800 Meter durchmessende KAWA DANTROFF über. Sie nutzten ein Beiboot, das einer übergroßen Space-Jet glich. Die Steuereinheit mit ihren drei Arbeitsplätzen für den Piloten, den Funker und einen Waffenoffizier war kompakt und klein, im Heck reihte sich eine Kabine an die andere.

Die KAWA DANTROFF war ein Kugelraumer mit einer leeren Ringnut, die unterschiedliche Module aufnehmen konnte. Das Metall der Außenhülle war schrundig, da und dort zeigten sich Spuren von Ausbesserungen. Die Villanova-Terraner legten wenig Wert auf Optik – oder hatten keine Zeit für ästhetische Korrekturen.

Viele Villanova-Terraner waren begierig darauf, möglichst schnell wieder in den Einsatz zu gehen. Es hielt sie kaum in ihren Aufenthaltsräumen während des kurzen Transfers. Viel lieber trafen sie sich auf dem zentralen Gang und plapperten aufgeregt über die Situation im ewigen Kampf mit ihren Feinden.

Die Flotte der Gataser hatte sich zwar vom aktuellen Brennpunkt zurückgezogen, aber es gab viele andere im Paliaga-Sternenarm. Die Jülziish kämpften gegen alles und jeden, der sich daranmachte, das All zu erobern – vor allem gegen die Villanova-Terraner.

»Was hat es mit diesem Hass auf sich?«, fragte Tolot, dem das Privileg zugestanden worden war, in der Steuerzentrale zu bleiben – und die der einzige Raum war, in dem er nicht eingequetscht gewirkt hätte. »Warum gibt es keine Verständigung zwischen euch und ihnen?«

»Wir sollen mit den Gatasern sprechen? Niemals!«, antwortete 6-Dorm entrüstet. »Sie zerstören Raumschiffe, sie verwüsten Planeten. Wir wehren uns und kommen den Planetenbewohnern zu Hilfe, so gut es geht.«

»Habt ihr es schon einmal mit Verhandlungen probiert?«

»Mit den Tellerköpfen?« 6-Dorm schnaubte verächtlich. »Du wirst kein vernünftiges Wort aus ihnen herausbekommen.«

Tolot bemühte sich nicht weiter. Ideen wie Frieden oder Zusammenarbeit hatten in den Köpfen der Villanova-Terranern offenkundig keinen Platz. Die maschinellen Elemente in ihrem Gehirn hinderten sie daran.

Den Gatasern ging es mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnlich. Sie kämpften, weil sie es nicht anders kannten. Es war ihnen vorgegeben, es war ihre Bestimmung.

Das Beiboot glitt mittlerweile sanft in einen Hangar nördlich des Schiffsäquators der KAWA DANTROFF. Gleich nachdem sie aufgesetzt hatte, ertönte ein Signal. Die geretteten Raumfahrer stürmten durch die einzige Schleuse nach draußen. Manche sangen Lieder, die wehmütig, aber auch martialisch klangen.

Tolot verstand nur einen Teil des Textes. Anscheinend hatten sich während der letzten Jahrhunderte Dialekte und Soziolekte ausgebildet.

Tolot verließ als einer der Letzten die Space-Jet. Um durch die Schleuse ins Freie zu treten, musste er sich bücken. Das Erste, was er danach bemerkte, war der stechende Geruch nach Desinfektionsmittel.

Onker Dou folgte ihm, Annba und Gustav verließen die Space-Jet mit einigem Respektabstand.

Eine Terranerin, breit und groß gebaut, erwartete Tolot. Sie ging ihm einige Schritte entgegen und stellte sich dann abwartend hin, die Arme vor der Brust verschränkt.

»Der legendäre Icho Tolot«, sagte sie mit leiser, eindringlicher Stimme. »Willkommen an Bord der KAWA DANTROFF.«

»Flottenkommandantin, ich danke dir für die Gastfreundschaft und dass du bereit bist, uns zu eurer Heimatwelt zu bringen.« Tolot verbeugte sich.

»Jaja, schon gut«, sagte 7-McNamara, ging auf ihn zu – und umarmte eines von Tolots Beinen. »Du hast keine Vorstellung davon, wie froh wir sind, dich zu sehen.«

 

*

 

Die Flottenkommandantin brachte sie in die Zentrale der KAWA DANTROFF. Unterschiede zu terranischen Ligaschiffen offenbarten sich erst im Detail. Die Arbeitstische waren um zwei bis drei Zentimeter höher, ebenso die Stufen, die zum Kommandantensessel führten.

Das Licht des zentralen Holos blendete, die Schotten öffneten sich um zwei bis drei Zehntelsekunden schneller als jene auf der RAS TSCHUBAI, und die von 7-McNamara gereichten Brötchen waren versalzen.

Tolot nahm nur eines, rein symbolisch. »Es hätte fünf- bis sechshundert Stück davon gebraucht, um mich satt zu bekommen«, erklärte er.

7-McNamara lachte leise. »Wie dumm von mir. Hast du einen Wunsch? Sollen wir dir ein Rinderviertelchen grillen?«

»Ich bin kein Ertruser. Mir reichen ein paar schöne Felsbrocken, aber auch jede andere Nahrung. Auf der Ägidenwelt wird es garantiert die eine oder andere Gelegenheit zum Essen geben. Schließlich sollen meine Begleiter und ich gewiss herumgereicht und -gezeigt werden, wenn ich meine Kleinen richtig kenne?«

»Du bist ein Freund der Menschheit, das haben wir nicht vergessen. Die Nachricht von deiner Ankunft in der Villanova-Galaxis breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Du wirst viel von der alten Heimat erzählen müssen.«

»Das mache ich gerne. Aber unsere Zeit ist knapp bemessen. Ich bitte euch, uns so schnell wie möglich mit Informationen zu versorgen.«

»Ich bin mir sicher, dass das im Sinne unserer Schirmherrin und ihres Vordenkers ist. – Möchtest du dich ein wenig in der KAWA DANTROFF umsehen?«

»Gerne.«

7-McNamara griff nach oben und tastete nach einem von Tolots Krallenfinger, um ihn fest zu umschlingen. »Komm!«, sagte sie und setzte sich in Bewegung, hin zum Zentraleschott.

Onker Dou machte Anstalten, ihnen zu folgen. Tolot bedeutete ihm, vor Ort zu bleiben. Der Epsaler verstand augenblicklich. Er sollte sich mit den Offizieren der Zentrale unterhalten und so viele Informationen wie möglich einsammeln.

Nichts war so aussagekräftig wie der Tratsch in einer Zentrale, solange der Schiffskommandant nicht anwesend war.

3.

Die Festung