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Christoph Brüssel
Volker Kronenberg
Lenno Götze

Digitale Zukunft
und neue Kultur

Christoph Brüssel
Volker Kronenberg
Lenno Götze

Digitale Zukunft
und neue Kultur

Wirkung auf Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft

Tectum Verlag

Christoph Brüssel · Volker Kronenberg · Lenno Götze

Digitale Zukunft und neue Kultur. Wirkung auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

© Tectum – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2019

E-Pub: 978-3-8288-7398-8

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN 978-3-8288-4402-5 im Tectum Verlag erschienen.)

Umschlagabbildung: © Senat der Wirtschaft

Redaktion Senat der Wirtschaft: Martina Gschell, Leiterin Akademie Senat der Wirtschaft

Alle Rechte vorbehalten

Informationen zum Verlagsprogramm finden Sie unter

www.tectum-verlag.de

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

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sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

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The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche

Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available online
at http://dnb.ddb.de.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Autoren

Geleitwort – Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

Geleitwort – Vorstandsvorsitzender Senat der Wirtschaft Deutschland

Verantwortung und Ethik gewinnen an Bedeutung – Conclusio der Autoren

Kapitel I

Digitale Technologie wandeln allein reicht nicht – 4.0 braucht eine neue Kultur in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik

Ein Blick auf die technischen Entwicklungshorizonte

Aspekte aus der Perspektive der Wirtschaft – der ökologisch-sozial motivierten Marktwirtschaft

Kapitel II

Digitalisierung in Politik und Gesellschaft

Ethik und Moral – die Digitalisierung aus moralphilosophischer Sicht

Potenziale nutzen und Risiken bedenken – der Mensch als zentraler Akteur der Digitalisierung

Kapitel III

Das ewige Leben auf Erden – digitale Dimension der humanen Evolution

Gastbeitrag: Die medizinischen Aspekte der digitalen Dimension

Literaturverzeichnis

Vorwort der Autoren

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Dr. Christoph Brüssel, Vorstand Senat der Wirtschaft

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Prof. Dr. Volker Kronenberg, Dekan der Philosophischen Fakultät, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

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Lenno Götze M. A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Kaum ein zweites Thema dominiert derzeit die Agenden in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wie jenes der Digitalisierung. Als technischer beziehungsweise technologischer Prozess keineswegs neu, bieten doch die Entwicklungsschritte der jüngeren Vergangenheit neue Potenziale wie Herausforderungen, die ein Nachdenken über Digitalisierung in den verschiedensten Bereichen des öffentlichen wie privaten Lebens sinnvoll, gar notwendig machen. Die Entstehung einer neuen, nicht nur politischen, sondern ebenso wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Kultur und Verantwortung gilt es dabei in den Fokus zu nehmen sowie die Fragen nach dem Umgang mit den mannigfachen Entwicklungsherausforderungen zu adressieren.

Welche sozialen, welche ethischen Fragen – sei es beispielsweise im Hinblick auf selbstfahrende Autos, das Sozialsystem oder die generelle Gesetzgebung – werden durch digitale Impulse aufgeworfen? Welche Konsequenzen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bringen diese – auch im Hinblick auf finanzielle Herausforderungen – mit sich? Wo liegen grundsätzlich die Chancen, wo liegen die Risiken von Digitalisierung, abstrakter gefragt – was überhaupt meint heute „Digitalisierung“? Handelt es sich schlicht um Prozesse einer technischen Arbeitserleichterung? Prozesse im Sinne einer technischen Arbeitserleichterung? Oder handelt es sich bei der Digitalisierung – ins Extrem gewendet – um die Infragestellung der „conditio humana“, in dem Sinne, dass künstliche Intelligenz menschliche Intelligenz transzendiert, der Mensch der Maschine bald oder gar jetzt schon unterlegen ist? Verselbstständigen sich Maschinen, Roboter, Computer, die sich immer wieder neu selbst programmieren und von Menschen gar nicht mehr verstanden werden können? Werden klassische Dystopien Realität? Oder – wieder anders gewendet – birgt Digitalisierung jenes Entwicklungspotenzial, das selbst kühne Utopisten einstmals nicht zu skizzieren hofften?

So oder so, oder im Sinne eines goldenen Mittelwegs: Digitalisierung fordert eine Ortsbestimmung der Gegenwart in Wirtschaft, in Politik (national wie international) und Gesellschaft, nicht zuletzt auch im Bereich der Medizin.

Der vorliegende Band, bewusst multiperspektivisch auf die verschiedenen Handlungsfelder gerichtet, versucht einen Beitrag zu dieser aktuellen Debatte zu leisten – dies keineswegs mit eindeutigen Antworten, eher mit Fragen, Befunden und notwendigen Reflexionen. Es geht bei Digitalisierung um Chancen wie um Risiken, um Potenziale und Gefahren – so oder so, um Facetten eines Gegenstandsbereichs, der Handeln und Entscheidungen notwendig macht. Für Unternehmen, für politische Verantwortungsträger, für gesellschaftliche Akteure, seien sie kollektiv, seien sie familial, seien sie individuell.

Die Entstehung von diesem Band in vorliegender Form ist auf der vertrauensvollen und langjährigen Kooperation zwischen dem Senat der Wirtschaft und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, namentlich in Person von Dr. Christoph Brüssel und Prof. Dr. Volker Kronenberg, begründet. Professor Kronenberg dankt an dieser Stelle besonders seinen Mitarbeitern und Hilfskräften – Mateus Beckert, Christian Botz, Hendrik Erz, Marco Jelic, Christopher Prinz, Oliver Rau und Anna Zell – für ihren Einsatz bei der Recherche sowie ihre Unterstützung des Projekts.

Geleitwort – Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

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Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

Die Digitalisierung verändert die Welt und prägt alle gesellschaftlichen Bereiche. Daher muss die Gesellschaft schnellstmöglich Antworten darauf finden, was die Digitalisierung mit ihr macht, wie und wo sie forciert werden sollte, wo und wie negative Auswirkungen vermieden werden können.

Im Internet, bei den Suchmaschinen und den sozialen Netzwerken sind die negativen Folgen bisher am augenfälligsten: Hate Speech, Fake News, Filterblasen, Radikalisierung, Enthemmung, Werbeprofile, die auch von Dunkelmännern genutzt werden etc. umschreiben die Probleme, die jeder von uns kennt.

Wir merken, dass wir in dieser „neuen Welt“ auch neue Regeln und Gesetze brauchen, weil die bestehenden oft nicht ausreichen, allein schon weil hohe Geschwindigkeit, niedrige Grenzkosten und Allverfügbarkeit neue Herausforderungen geschaffen haben. Gerade der Bereich der Profilbildung muss dringend stärker reguliert werden, weil die herangezogenen personenbezogenen Ausgangsdaten und die daraus gebildeten Ableitungen und Einschätzungen tief in die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer eingreifen. Kreditwürdigkeit, Risikobereitschaft, Vertrauenswürdigkeit, Gesundheitszustand oder sexuelle Orientierung werden anhand von Profildaten „errechnet“ und weitergegeben, ohne dass eine Einwilligung erfolgt oder eine andere gesetzliche Grundlage dafür vorliegt. In der Datenethikkommission waren wir uns einig, dass Profildaten einem höheren Datenschutzniveau unterliegen müssen als bisher. Auch weil die Profilbildung nicht nur Rechte der jeweils einzelnen Person beeinträchtigen kann, sondern – wie z. B. bei politischer Einflussnahme – auch die freie, demokratische und plurale Gesellschaft in ihrer Gesamtheit gefährdet.

Auch in der Industrie 4.0 kommen völlig neue Herausforderungen auf uns zu. Die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, die Steuerung über digitale Cockpits und Sprachdialogsysteme oder mithilfe von Gestiken, der Einsatz von sensorischer Berufsbekleidung, Dual-Reality-Systemen oder gar Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI) werden ganz neue Rahmenbedingungen setzen. Besonders wichtig ist eine schnellstmögliche Umsetzung eines ordentlichen Beschäftigtendatenschutzes angesichts der möglichen umfangreichen Erfassung von Bewegungs- und Leistungsdaten der Arbeitnehmer oder die unter Umständen notwendige Erfassung biometrischer Daten. Hier müssen Speicherfristen, Kontrollrechte und das Recht auf Korrektur genauso geregelt sein wie der Ausschluss von Human-Resources-Algorithmen bei Einstellungsgesprächen.

Ein weites Feld ist die Nutzung von Gesundheitsdaten in der Medizin und der Forschung. Natürlich können die vielen Daten, die mittlerweile in Arztpraxen, Krankenhäusern und der medizinischen Forschung anfallen, große Fortschritte in der Früherkennung, der Prävention und bei den Heilbehandlungen bringen. Es wäre geradezu unethisch, diese Daten dafür nicht zu nutzen. Aber Daten lassen sich eben auch selbst nach einer vermeintlichen Anonymisierung relativ leicht repersonalisieren. Im extrem sensiblen Gesundheitsbereich bleibt die ausdrückliche, freiwillige und informierte Einwilligung der Betroffenen deshalb das Maß aller Dinge. Sicherlich lassen sich dabei im Bereich der Forschung innovative Einwilligungsverfahren finden, die die Forschung weiter erleichtern und die Rechte der Betroffenen dennoch erhält.

Ein wichtiges, weil stark auch von ethischen Fragen geprägtes Thema ist die Algorithmenkontrolle. Algorithmen sollen anhand der eingegebenen Daten ein definiertes Problem lösen. Dies kann aber auch zu „falschen“, alles andere als objektiven und fairen Ergebnissen führen, wie die berühmte Geschichte der automatisierten Bewerberauswahl bei Amazon gezeigt hat. Der Algorithmus sollte dort die geeigneten Bewerbungen herausfiltern, ohne z. B. etwas über das Geschlecht der Personen, die sich beworben haben, zu wissen. Weil die Belegschaft zum größten Teil aus Männern bestand und der Algorithmus in den sonstigen Daten der Bewerbungen Muster fand, die auf Männer häufiger zutreffen, suchte das System bevorzugt männliche Bewerber aus. Fachliche Qualifikation o. Ä. spielte in den Ergebnissen wohl eine untergeordnete Rolle. Es war das Gegenteil von dem, was die Entwickler gewollt hatten, falsche Trainingsdaten und falsche Methodik hatten zu einem diskriminierenden Ergebnis geführt.

Es bedarf daher dringend einer gesellschaftlichen Debatte darüber, wann, wie und wo solche Algorithmen eingesetzt werden können und wann nicht. Es muss Vorgaben für die Qualität bei der Entwicklung, dem Training und der Zulassung von Algorithmen geben. Es muss – neben einem weiten Feld des unregulierten Einsatzes – durchaus auch Bereiche geben, in denen automatische Entscheidungssysteme verboten sind, von Algorithmen bestimmte Technik eine Zulassung benötigt oder die Software-Entwicklung einem zertifizierten Verfahren folgen muss.

Im vorliegenden Buch werden u. a. die von mir skizzierten Fragen und Probleme aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Wichtig finde ich dabei gerade den Blick auf die ethischen und moralischen Aspekte der Digitalisierung.

Ich wünsche dem Buch und seinen Autoren viele interessierte und diskussionsfreudige Leserinnen und Leser.

Geleitwort – Vorstandsvorsitzender Senat der Wirtschaft Deutschland

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Dieter Härthe, Vorstandsvorsitzender Senat der Wirtschaft

Fortschritt und Veränderungen sind dem normalen Lauf des Lebens zugehörig. Gesellschaften entwickeln sich, Politik reagiert und Märkte passen sich an. Jede Epoche hat ihren Lauf.

In der Geschichte hat es immer wieder bemerkenswerte Veränderungssprünge gegeben, die dann meist als revolutionäre Schritte bezeichnet werden. Ohne Zweifel ist in der digitalen Transformation eine solche revolutionäre Veränderung für die globale Gesellschaft zu erkennen. Nahezu alle Prozesse unterliegen dieser Entwicklung. Möglichkeiten, die kaum erfassbar sind. Chancen wie Risiken, die ein neues Denken erfordern. Dass sich für die Menschen vieles verändert hat und noch viel mehr Neues kommen wird, ist längst keine Neuigkeit mehr. Folgen werden strukturelle Veränderungen gesellschaftlicher Konventionen und auch des gesellschaftlichen Alltagslebens. Politische Instanzen haben darauf zu reagieren, vieles zu steuern, zu regeln und zu lösen. Alle Bereiche der Wirtschaft haben auf die digitalen Veränderungen zu antworten. Das ist eine Selbstverständlichkeit, schließlich sind wirtschaftliche Prozesse davon stark betroffen und werden auch einen hohen Nutzen in der digitalen Perspektive finden.

Für den Senat der Wirtschaft ist es eine gemeinwohlrelevante Aufgabenstellung, die digitalen Perspektiven in den Fokus zu nehmen. Als Wertegemeinschaft, die keine Einzelinteressen vertritt, sondern für das Gemeinwohl Verantwortung übernimmt, ist die Fragestellung aus der Blickrichtung einer Ökologisch-sozialen Marktwirtschaft zu beantworten.

Prof. Volker Kronenberg mit Lenno Götze und Dr. Christoph Brüssel, als Hauptautoren und Herausgeber, sind in unterschiedlichen Funktionen fest mit dem Senat der Wirtschaft verbunden. Karl Heinz Land, als weiterer Autor, engagiert sich seit Jahren im Senat und Prof. Axel Ekkernkamp, als Gastautor in diesem Werk, ist Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Senat der Wirtschaft. Sie alle stellen angesichts der digitalen Transformation zurecht die Frage nach einer neuen Kultur.

Diese Fragestellung kann im Sinne des Vaters der Sozialen Marktwirtschaft, Alfred Müller-Armack, unserem Gesellschaftssystem zuträglich sein. In seiner letzten Publikation 1978 wies er noch einmal darauf hin, dass sich die Soziale Marktwirtschaft den jeweils aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen anpassen können wird.

Die Überlegung zu einer neuen Kultur für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, als lösungsorientierte Antwort auf die digitalen Veränderungen, ist lohnenswert. Auch aus der Wirtschaft heraus, in der Verantwortung für die Gesellschaft, können Lösungsansätze entwickelt werden, da gerade in diesem Kontext sehr viel über die Zukunft der Arbeitswelt diskutiert wird. Im Sinne des Leitsatzes „Wirtschaft für Menschen“ wird es eine besondere Wertanerkennung erfordern, dort wo Menschen Dienstleistungen für Menschen erbringen. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sollen in Einklang auf die Veränderungen reagieren. Das bedeutet letztlich die Schaffung einer neuen Kultur.

Verantwortung und Ethik gewinnen an Bedeutung – Conclusio der Autoren

Wirtschaft und Technologie

So sehr technologische Entwicklung auch die Fantasie und das erstaunte Interesse wecken, die Dimension der digitalen Transformation ist aus der Perspektive gesellschaftlicher Entwicklungen, politischer Erfordernisse und Konsequenzen in der Wirtschaft eher in Blickrichtung der Anwendungskonsequenzen zu beobachten. Technische Facetten sind als bekannt vorausgesetzt, um die Folgen der Anwendung solcher technologischer Optionen mit den Gegebenheiten zu spiegeln.

Die tatsächlichen Herausforderungen ergeben sich nicht aus dem Umbau zu einer digitalen Technik, die wirklichen Herausforderungen sind in der daraus resultierenden Automatisierung und Dematerialisierung weiter Teile aller Prozesse und Anwendungen zu erkennen. Aus dieser Veränderung ergibt sich die Notwendigkeit, nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen und politischen Lebens, aber bestimmt auch alle wirtschaftlich relevanten Sektoren zu beleuchten.

Die als disruptiv erkannten Optionen erfordern ein wachsames Betrachten bestehender Regeln und die Analyse der Konsequenzen, um gegebenenfalls erweiterte, veränderte oder vollständig neue Regelwerke zu definieren. So ist es zwingend, dass Klarheit über die Anwendungskonsequenzen der Technologie geschaffen wird. Nicht die Technologie allein benötigt treffsichere Regularien, die Anwendungskonsequenzen und deren Folgen erfordern einen Konsens über notwendige Konventionen im Umgang und als Antwort auf die Herausforderungen.

Eingedenk der exponentiellen Entwicklungsgeschwindigkeit digitaler Fortschritte sind Einzelfalldefinitionen allein nicht tauglich. Auch utopische, mindestens visionäre Annahmen potenzieller Entwicklungen müssen bei der Definition aller Anwendungskonsequenzen mitgedacht werden. Deshalb ist hier auch der Ruf nach einer neuen Kultur für Gesellschaft, Politik und Wirtschaft geboten. Eine solche unterscheidet sich eben im Grunde von Einzelfallbetrachtungen und schafft einen konsensualen Gesamtrahmen, der nicht auf Individualkonventionen angewiesen ist, sondern als richtungsweisend und damit auch Sicherheit gebende Linie durchdacht werden kann.

Gerade die neue Entwicklungsdimension im digitalen Bereich gebietet in der Wirtschaft eine Anpassung der tradierten Denk- und Forschungsideen. Über Visionen nachzudenken, ist bei dieser Geschwindigkeit der Veränderung beinahe zu langsam. Die Utopie, alle möglichen und vielleicht zum Zeitpunkt der Betrachtung sogar unmöglichen Entwicklungsträume rücken in die Position notwendiger Betrachtungsetappen.

Bei der Konzeption von Regeln einer Kultur des Zusammenwirkens auf allen Ebenen sollte jedwede Utopie als potenzielle Möglichkeit der Zukunft eingebracht werden. Anderenfalls könnte die Regelungsidee von der Realität bereits überholt werden, bevor die Regeln überhaupt zur Anwendung kommen. Bloßes Reagieren auf erkennbare Gegebenheiten ist längst nicht mehr zeitgemäß. Vorausschauen bedeutet, zulässigerweise über die Realität der Gegenwart weit hinauszugehen. Das erfordert die Ausdehnung der Toleranz zu Gunsten derjenigen, die über Regelungsbedarf nachdenken. Utopische Überlegungen bei der Regelfindung müssen auch zulässig werden. In allen Bereichen, besonders aber in der Wirtschaft, ergibt sich erkennbar die Notwendigkeit, Verantwortungsdenken erweitert oder sogar neu zu definieren.

Disruption einerseits und potenziell kaum zu erkennende Beeinflussungsmöglichkeiten durch die Anwendung von digitalen Optionen und die dadurch entstehenden Risiken gegenüber Dritten andrerseits führen zu einer verstärkt prospektiven und auch proaktiven Verantwortungspflicht wirtschaftlich handelnder Menschen. Alleine die Kenntnis über die disruptiven Funktionen erfordert bereits den aktiven verantwortungsvollen Umgang mit diesen Möglichkeiten. Sie stellt stärker als bisher die Verantwortung für die Folgen der Anwendung in den Herrschaftsbereich der Produzenten und Distributoren, da nicht sicher ist, ob die Anwender in der Lage sind zu erkennen, wie die Anwendungsmöglichkeiten zustande kommen.

Dass Auftraggeber auch bislang immer davon ausgehen mussten, dass die beauftragten Dienstleistungen auch nach Recht und Gesetz erfolgen, wird vorausgeschickt. Durch die digitalen Möglichkeiten bleibt allerdings ein Großteil des Weges zum Erfolg der Dienstleistung im Verborgenen, da die digitalen Komponenten nicht von außen zu beleuchten sind. Sie müssen auch nicht dem Kern nach gegen Recht und Gesetz verstoßen, könnten allerdings auf verdeckte Art und Weise Erfolge erzielen, die nicht mit den ethischen Grundsätzen vereinbar sind. Hier ist eine neue Qualität der Verantwortung für die Auftraggeber von Dienstleistungen gefordert. Jenseits der erkennbaren Gesetzeskonformität stellt die Offenlegung der Mechanismen, die zum Erfolg der Dienstleistung führen, eine neue zu fordernde Verantwortungsqualität dar.

Teil einer neuen Kultur für die Wirtschaft muss sein, nicht nur Erfolge zu betrachten, sondern immer auch die Folgen der Anwendung und auch die Konsequenzen des Weges hin zum Erfolg zu bedenken. Wird also eine Grenzenlosigkeit der Möglichkeiten und die disruptive Weise der Zielerreichung als gegeben angenommen, dann liegt es im Bereich der Verantwortung, für die Grenzen der Anwendung und die Grenzen der Nutzung grenzenloser Möglichkeiten, im Sinne einer guten Kultur, proaktiv und ehrlich zu entscheiden. Die Berufung auf die Einhaltung formal bestehender Regeln allein reicht nicht aus, der Blick ins Verborgene und auf die eigene Verantwortung, die Grenzen im Sinne einer solchen Kultur zu respektieren, ist erforderlich. Das erscheint als eine Weiterentwicklung der bisherigen Verantwortungsdefinition.

In der gleichen Logik ist auch die ethische Betrachtung zu verankern. Sowohl bei der politischen Komponente als auch im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Betrachtungswinkel sind die erkennbaren Veränderungen der Medizin und Gentechnologie einzusetzen. Unter dem Begriff Transhumanismus wird die Schaffung von lebensfähigen Organen oder medizinischen Komponenten durch digitale Möglichkeiten gesehen. Aus dem 3-D-Drucker entstehen Organe, die einerseits Leben erhalten können, andererseits in sich wiederum zu einer Neubewertung ethischer Komponenten führen müssen.

Gegebenenfalls ist hier auch eine neue Dimension kultureller Überlegungen erforderlich. Bei der ethischen Betrachtung der Anwendung künstlich geschaffener lebensfähiger Organe könnte eine neue wichtige Aufgabe auf die Kirchen der Welt zu kommen. Wie in vielen Epochen, bei deren Veränderungszweifeln die Kirchen moralische Vorgaben zu geben in der Lage waren, könnte auch bei dieser Kernfrage menschlichen Lebens eine helfende Weisung dieser moralischen Instanzen wirksam werden. „Du sollst nicht töten“ ist eine einfache Formel, „Du sollst Leben nicht unendlich verlängern“ ist eine offene Frage.

Allerdings stellen sich ethische Fragen in diesem Kontext bereits schon niederschwelliger. Beginnend mit der Entscheidungsstruktur, wer denn Zugang zu den 3-D-Organen bekommen kann. Ist es eine Finanzfrage? Ist es eine regionale Frage? Oder muss die Menschheit der Gesamtheit diese Möglichkeiten zwingend öffnen. Wer kommt dann für die Kosten auf? Die Solidargemeinschaft?

Ist der Eingriff in die Schöpfungsgeschichte auch zulässig, wenn nicht elementar nur Leben gerettet wird, sondern sozusagen die Menschen zu Ersatzteillagern werden, damit sie deutlich älter, vielleicht 150 Jahre oder mehr werden? Kann ein solcher Eingriff in die Schöpfungsgeschichte nur auf technischen Entscheidungen basieren? Diese Fragen sind offen zu stellen, auch eingedenk der Konsequenzen aus der jeweiligen Entscheidung.

Generationsfragen verschieben sich elementar, die Weltbevölkerung, die ohnehin noch deutlich ansteigen wird, würde neu zu berechnen sein. Die Frage der Ernährung, die Frage der Belastung unserer Umwelt und nicht zuletzt auch soziale Balancefragen sind in diesem Kontext zwingend zu durchdenken.

Da die individuellen Entscheidungen additiv wirken und so das Gesamtgefüge in seiner Veränderung Steuerungsmechanismen unterliegt, ist es berechtigt, nicht über die einzelnen Fragen jeweils nachzudenken, sondern eine gesamtkulturelle Betrachtung in einen Diskurs einzubringen. So ist die Frage nach einer anderen oder neuen Kultur im Kontext digitaler Veränderungen eine sich unweigerlich aufdrängende Frage. Das wiederum bedeutet nicht, von der Regelung einzelner Herausforderungselemente Abstand zu nehmen, sondern den Gesamtblick zu eröffnen, für alle Bereiche zu thematisieren und damit als Aufgabenstellung alle Regelungserfordernisse zu definieren.

Politik und Gesellschaft

Ja, Digitalisierung stellt für Politik und Gesellschaft eine riesige Herausforderung dar. Nein, sie ist keineswegs unser Schicksal. Vielmehr steht die Politik in der Verantwortung, die Digitalisierung aktiv zu gestalten, statt sie von Wirtschaft und „Digital bzw. Technology Evangelists“ forcieren oder gar oktroyieren zu lassen. Die Digitalisierung birgt enormes Potenzial zur Bewältigung von vielen, sehr unterschiedlich gelagerten politischen Herausforderungen – einige dieser Möglichkeiten werden genutzt, andere werden von politischen Parteien nur unzureichend diskutiert. Das Thema Digitalisierung wird zudem politisch aktuell von den Parteien zumeist in einem primär instrumentellen Zusammenhang diskutiert. Zu wenig werden die Konsequenzen für die menschliche Autonomie und Verantwortung debattiert, die sich aus den neuen Möglichkeiten ergeben – nicht jeder technologische Fortschritt erweist sich der „res publica“, dem Gemeinwohl, als dienlich. Deshalb gilt es in Zeiten allgemeiner „Technophorie“ ein relativierendes und politisches Korrektiv zu etablieren, das legislative Grundlagen schafft, Weitsichtigkeit beweist und dem technologischen Fortschritt zugeneigt ist und dennoch kritisch begleitet. Trotz der auffällig häufigen Nennung von Digitalisierung im Koalitionsvertrag und in den Parteiprogrammen fehlt es an einer klaren Strategie der Politik. Beispielhaft ist der Breitbandausbau zu nennen, der bereits vor vier und acht Jahren im Koalitionsvertrag verankert wurde und noch nicht finalisiert ist.

Chancen bieten sich ganz konkret auch in Bezug auf die Veränderung der Arbeitswelt (beispielsweise die Flexibilisierung durch Home-Office-Tage), die Lösung der Verkehrsproblematik, die Optimierung der Diagnosefähigkeiten von Ärzten und die Entschärfung der angespannten Lage auf den Wohnungs- und Immobilienmärkten. Zudem werden Kompetenzen und Kenntnisse in nahezu allen Bereichen spezifischer, die Bedeutsamkeit von lebenslangem Lernen nimmt zu und wird Bestandteil beruflicher Qualifikation. Dennoch ist die Digitalisierung der Arbeitswelt auch mit Unsicherheiten verbunden, da ein Wandel der Organisationsstruktur auch Auswirkungen auf die persönliche Berufssituation haben kann und arbeitstechnische Verlustängste, gerade durch die genannten Spezifizierungen, in großen Teilen der Bevölkerung akut sind. Auch die Möglichkeiten des E-Governments und E-Votings, politisch wie gesellschaftlich, zählen gleichzeitig zu den großen Chancen wie Herausforderungen der Digitalisierung. Einerseits kann durch die Vereinfachung von politischen Prozessen und der Möglichkeit, jederzeit von überall zu wählen, eine Renaissance der Wahlbeteiligung – eine neue Kultur – entstehen, andererseits kommt die Frage auf, welche negativen Folgen entstehen: Wie wird der digitale Wahlvorgang kontrolliert, welche Sicherheitsmechanismen greifen?

Grundsätzlicher noch: Mit der Digitalisierung geht ein gesellschaftlicher, nicht nur kommunikativer Strukturwandel einher, dessen vielfältigen dynamischen, teils aber auch undurchsichtigen Entwicklungen erst am Anfang stehen. Dabei liegt in der öffentlichen Debatte, zumal in der politischen, der Schwerpunkt häufig eindimensional auf den ökonomischen und technologischen Aspekten. Es geht aber, neben den genannten technologischen und wirtschaftlichen Perspektiven, ganz besonders um den Einfluss auf gesellschaftliche Strukturen – fundamental auch um Aspekte von Ethik und Moral. Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) besitzen allenfalls „funktionelle Autonomie“, genauer gesagt: Die Digitalisierung bestimmt nicht das Schicksal der Menschen, des Primats der Politik, sondern sie ist selbst Teil des Politischen. Sie unterliegt menschlichem Einfluss und der Entscheidungskompetenz der Menschen, sie muss organisiert, sie muss begrenzt, sie muss gestaltet werden; denn trotz aller Entwicklungen gibt es nach wie vor viele Bereiche, in denen die analoge, konkret menschliche Spontanität, Initiativität und Kreativität nicht zu ersetzen sind.

Mithin gibt es im Hinblick auf die Gestaltung von Digitalisierung Herausforderungen und Chancen für Politik und Gesellschaft. So sollte die Durchsetzung und Erweiterung von „analogem“ Recht – vor allem von Rechtssicherheit – im digitalen Raum ein politisches Ziel darstellen. Dies auch und grundsätzlicher noch im Hinblick auf ethische und moralische Normen im Lichte eines sich verändernden Sozialverhaltens in der Gesellschaft – hervorgerufen beispielsweise durch die Anonymität in der digitalen Sphäre. Dabei ist jedoch klar, dass KI nicht die Wertentscheidungen des Menschen ersetzen darf.

Wie gestern so auch heute und morgen gilt, wie es schon in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte war: Fortschritt an sich ist weder per se positiv noch negativ, bringt häufig Verbesserungen und Erleichterungen, aber nicht selten auch Risiken und Gefahren. Auf Digitalisierung bezogen sind es, ganz konkret, beispielsweise Fragen des Datenschutzes, die die Gesellschaft national wie transnational beschäftigen – die Chimäre des gläsernen Bürgers, von „Big Brother“ kontrolliert, gar manipuliert. Im Fortschritt ist es, wie Sascha Lobo klug konstatiert, immer nur ein kleiner Schritt vom großen Versprechen zur großen Kränkung – zur „Digitalen Kränkung des Menschen“1.

1 Ausgehend von Sigmund Freuds Konzept der drei Kränkungen der Menschheit. Vgl. Lobo, Sascha (2014): Die digitale Kränkung des Menschen, online unter: www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/abschied-von-der-utopie-die-digitale-kraenkung-des-menschen-12747258.html (5.9.2019).

Kapitel I

Christoph Brüssel und Karl-Heinz Land

Digitale Technologie wandeln allein reicht nicht – 4.0 braucht eine neue Kultur in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik

Die digitale Entwicklung wird meist als die große Herausforderung der Zukunft bezeichnet. Dabei ist die Zukunft schon heute. Die digitale Transformation ist Gegenwart.

Viele Bereiche des Alltags sind längst in digitaler Hand. Transformationen von Dienstleistungen und auch Konsumgütern wurden, scheinbar unmerklich, zu Mehrheitsanwendungen. Nennenswerte Teile der industriellen Produktions- oder Logistikbereiche der Wirtschaft und Konsumwirtschaft sind bereits transformiert.

Der alltägliche Gebrauch und die zahlreichen Erleichterungen in weiten Teilen des Lebens, im Arbeits- und Konsumbereich werden begleitet von der revolutionären Veränderung der Kommunikationsmittel, -wege und -methoden. Die technischen Möglichkeiten sind überwiegend bekannt. Der Erfolgsweg digitaler Anwendungsmöglichkeiten wie des Internet, Smartphones, der E-Mail und vieler anderer Systeme und Devices macht schon lange an kaum einer Barriere des Alters oder der Bildungsgrade halt. Einfach, schnell, bezahlbar und grenzenlos erscheinen die Möglichkeiten.

Die digitale Realität hat die Welt verändert. Die Arbeitswelt, die Erlebniswelt, die Lebenswelt. Global sind Gesellschaften in sozialen Alltagsstrukturen bereits anders geworden: Gewohnheiten haben sich verändert und werden wohl auch nicht den Weg zurück suchen. Das betrifft die Kommunikation untereinander, die sozialen Gruppen der Freizeit wie Vereinsleben oder auch Zusammenkünfte, es betrifft aber vor allem Dienstleistungen und Kaufverhalten. Natürlich haben sich zahlreiche Geschäfts- und Arbeitsprozesse unumkehrbar gewandelt.2 Selbstverständlich ist auch der überwiegenden Bevölkerung bewusst, dass solche Veränderungen bereits gegenwärtig sind. Allerdings sind die tatsächlichen Auswirkungen nicht hinreichend transparent und damit auch nicht jenseits einer qualifizierten Elite wissender Experten durchgängig erkannt. Das gilt für die Qualität der bereits realen Auswirkungen auf den Alltag und die persönlichen Umfelder und Handlungen, es gilt auch in Bezug auf die Gegenwärtigkeit der Folgen digitaler Veränderungsprozesse.

Wer kauft noch Schallplatten oder CDs im Geschäft? Wer kauft überhaupt noch Musik? Der digitale Weg und die digitale Nutzung haben erfolgreich den Markt übernommen. Wer geht noch in ein Reisebüro, um Flüge zu buchen? Wie oft wird noch die eigene Hausbank aufgesucht? Oder warum wurde der ehrwürdige Brockhaus eingestellt, der viele Generationen in den heimischen Bücherregalen der bildungsbürgerlichen Familien als Zierde galt? Sind es oberflächliche Beobachtungen oder Indizien einer bereits tief in unser aller Leben eingedrungenen Transformation? Wenn von den zukünftigen Herausforderungen gesprochen wird, sollte die heute bereits vollzogene Realität nicht unbeachtet bleiben, damit erkennbar wird, wie unmittelbar die Veränderungen auf uns alle zukommen. Damit verdeutlicht sich die Notwendigkeit unmittelbarer Reaktionen und produktiver Aktionen.

Die Musikindustrie beispielsweise hat die Folgen schon lange real zu bewältigen. Seit Jahren sind dort Arbeitsplätze angegriffen, die Unternehmensstrategien komplett andere Marktwelten und einige Unternehmen Vergangenheit.3 Es zeigen sich nominell mehr Beschäftigte in dieser Unterhaltungsindustrie, die Aufgaben sind aber deutlich verschoben. Große Konzerne mussten stark abbauen, Jobs in anderen Bereichen oder in anderen Organisationseinheiten sind dagegen neu entstanden. Andere Modelle und neue Unternehmen bestimmen real den Markt. Die „Plattenfirma“ oder der „Plattenvertrag“ sind für Künstler nicht mehr das erstrebenswerte Ziel. Gerade die bekannten Musiker können die Produktionen und Veröffentlichungen dank digitaler Welt bereits in Eigenregie stemmen. Über die sozialen Netzwerke ergeben sich wirkungsvolle Vertriebskanäle. Losgelöst von den Handelsstrukturen der traditionellen Märkte und ohne erforderliche Handelsspannen. Mehr noch, es werden neue Megastars gekürt, jenseits der traditionellen Medienmächte. Jeder einzelne hat die Möglichkeit, sein Werk zu veröffentlichen. Kein Programmdirektor oder Verleger muss überzeugt werden, kein Vertriebschef ist zu fragen. Das lässt den Nutzen der tradierten Musikfirmen massiv geringer werden. Gleichzeitig hat diese technologische Möglichkeit, bei allen Chancen für Künstler und unabhängige Produzenten, ultimative Folgen für Beschäftigte und Unternehmen im Handel und in der gesamten Entertainment-Industrie. Nur ein Branchenbeispiel, vergleichbare Entwicklungen zeigen auch andere Bereiche der Märkte.4

Neue Phänomene der Reiseindustrie sind für uns eigentlich längst normal geworden: Die Buchung über Reiseportale, die Auswahl der verschiedensten Preise eines angebotenen Hotels oder der Preischeck bei Flügen. Alles natürlich aus dem eigenen Wohnzimmer oder vom Schreibtisch im Büro. Für viele längst selbstverständlich geworden, der Einkauf aus dem eigenen Wohnzimmer heraus.

Die großen Schritte kommen erst noch durch künstliche Intelligenz

Dennoch werden die wirklich großen Herausforderungen für Wirtschaft und Politik, damit auch von gesellschaftlichen Dispositionen, erst mit den weiteren Schritten der Entwicklung von Technik und Anwendung, also der Akzeptanz durch Nutzer kommen. Gemeint ist die weiter fortschreitende Entwicklung der künstlichen Intelligenz und vor allem die daraus folgende Automatisierung auch anspruchsvoller Bereiche der Arbeitswelt.

Richtig spannend sind die intelligenten Computermodelle. Solche, die selbst lernen können, selbst lernen müssen. Diese von Menschen konstruierten und programmierten Werkzeuge sind so aufgestellt, dass sie immer schneller mehr wissen, Anwendungen selbst aufbauen und sich selbst weiter programmieren, also schlauer werden. So können diese Maschinen also viele der Arbeiten übernehmen, die eigentlich nur gut ausgebildete Menschen leisten könnten, hochqualifiziert ausgebildete Menschen. Damit ist nicht nur der industrielle Produktionsbereich abzudecken, dort wo Roboter oder Produktionsstraßen die technische Werkarbeit leisten; es werden zunehmend auch Dienstleistungen in Bürosektoren abgelöst.

Die Schreibkraft ist bei vielen ja schon heute in der Hosentasche: Das Schreibprogramm vieler Smartphones setzt die Diktate der Nutzer zunehmend fehlerfrei direkt in Schrift um. Von dort per E-Mail zum Empfänger oder auf den eigenen Computer ins Büro, als Brief ausgedruckt, fertig ist das Schriftstück. Das genaue Buchhaltungsprogramm ist heute keine Hexerei mehr. Bald wird die Steuererklärung für den Mittelstand, inklusive der korrekten Buchhaltung und Kontieren, eine intelligente Computerleistung sein. Auch heute noch von Akademikern allein zu leistende Aufgaben werden dann per Knopfdruck fertiggestellt werden können. So zum Beispiel der anwaltliche Schriftsatz, ob Klageschrift oder Verteidigungsstrategie, eine Vielzahl der anwaltlichen Arbeiten soll bald schon automatisiert sein. Hat man das Bild des feurigen Plädoyers vor großer Gerichtskammer mit heldenhaft kämpfenden Advokaten im Kopf, so ist diese Szene mit einem Computer vor dem Richter kaum vorstellbar. Die Tagesrealität der vielen tausend Juristen jedoch ist eine andere: Der Alltag ist faktenbezogen, gesetzesgeleitet und nüchtern sachlich. Damit wird es erklärlich, dass der Großteil der verfahrensnotwendigen Schriftsätze wie Anträge, Erwiderungen, Einordnungen in aktuelle Rechtsprechung oder Kommentierungen möglicherweise sogar besser, umfassender, in jedem Fall schneller von intelligenten Automaten erstellt werden, als es die vielen fleißigen Juristen in Kanzleien und Amtsstuben leisten können. Der große Abschluss mit feurigem Auftritt mag dann dem Staranwalt vorbehalten sein. Ebenso ein besonders heikler Fall, die individuelle Strategieberatung, der juristische Beistand großer Sachen. Die Hintergrundarbeit, die heute für abertausende junge Rechtsanwälte und Richter der Einstieg und Beginn der erhofften Karriere ist, werden wohl überflüssig werden.

Wir sprechen vom autonomen Fahren bei Pkws und Lastwagen. Konsequenz ist klar die unbemannte Transportleistung von Personen und Gütern. Dann werden die heutigen Fingerübungen des Carsharing erst zur wirklichen Blüte kommen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang auch an die Zukunft der Millionen Fahrer von Taxen oder Lkws. Zu beachten sind die vielen, die hinter diesen Dienstleistungen zuarbeiten, Disponenten, Manager, Reparaturwerkstätten – um nur ganz oberflächlich die Folgewirkungen anzureißen.

Nicht alleine an die Technik denken