Was bedeutet Studieren im Quadrat?

Erfolgreich studieren, das ist leichter gesagt als getan. Denn zwischen Hörsaal, Bibliothek und Prüfungen gibt es im Studi-Alltag so manche Herausforderung zu meistern. Die UVK-Reihe »Studieren im Quadrat« hilft Ihnen dabei, in allen Lebenslagen cool zu bleiben – vom Praktikum über die Studienkrise bis hin zur Gründung des ersten Start-ups. Also keine Sorge, die bunten Bücher stehen Ihnen bei Fragen rund ums Studium bei.

Bislang sind erschienen:

Dr. med. Barbara Krautz ist Ärztin und leitet das BurnOut-Zentrum München. Dr. Heike Schiebeck ist Diplom-Psychologin, Wirtschaftspsychologin und Business-Coach.

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über <www.dnb.de>; abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017

Lektorat: Rainer Berger

Abbildungen: © d1sk, fotolia.com (Abb. 4), © alxhar, fotolia.com (Abb. 5)

Druck und Bindung:

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz

Tel. 07531/9053-0 · Fax 07531/9053-98

www.uvk.de

ISBN 978-3-86764-703-8 (Print)

ISBN 978-3-73980-261-9 (EPUB)

ISBN 978-3-73980-262-6 (EPDF)

Vorwort

Ein stressfreies Studium wünscht sich fast jeder. Doch es scheint immer schwieriger zu werden, dieses auch tatsächlich zu realisieren. Gerade die Studienzeit ist in vielen Köpfen als „Bummelzeit“, Zeit sich auszuprobieren und Herumhängen an der Uni verankert. Sie will scheinbar so gar nicht mit dem Begriff der Erschöpfung oder gar eines Burnouts zusammenpassen.

Die Studienbedingungen haben sich in den letzten Jahren aber stark gewandelt, genauso wie die Herausforderungen im Arbeitsmarkt. Dazu kommen die Erwartungen an den Einzelnen in Familie und Gesellschaft. Auch die Geschwindigkeit des Wissenszuwachses, die Komplexität von Inhalten und die digitale Kommunikation haben sich drastisch verändert.

Verschärfte Prüfungsbestimmungen, Regulierung und Beschränkung der Studienzeit und Anforderungen an konsekutive Masterstudiengänge tragen außerdem dazu bei, Studierende unter vermehrten Stress zu setzen. Für viele Studierende ist es fast normal geworden, ständig am eigenen energetischen Limit zu „surfen“. Nicht wenige haben die Belastung schon in der Schule erlebt und finden sich im Studium in einer Fortsetzung der bekannten Tretmühle. Andere wählen die Möglichkeit, „nebenberuflich“ in den immer häufiger angebotenen berufsbegleitenden Studiengängen zu studieren und setzen sich damit einer extremen Doppelbelastung aus.

Selbst nach dem Studium ist häufig keine Besserung in Sicht, da man sich in der Arbeitswelt einer zunehmend hochqualifizierten, globalen Konkurrenz gegenübersieht. Häufig werden die Strategie „Augen zu und durch“ angewandt und eigene Bedürfnisse und Wünsche zur Seite geschoben. Dies kann erstaunlich lange funktionieren. Junge Menschen haben eine Menge Energie im Speicher. Aber auch diese ist endlich und so sehen sich immer mehr Studierende mit Symptomen konfrontiert, die einem Burnout zuzuordnen sind und wie sie hier im Buch beschrieben werden.

Die zunehmend gefühlte Belastung kann man entweder verdrängen – verschwinden wird sie dadurch nicht – oder genau hinsehen, um festzustellen, wo man eigentlich steht und was man dagegen tun kann. Man kann die Zeichen aber auch als Aufforderung ansehen, sich mit dem eigenen Tun, Denken und Fühlen einmal genauer auseinander zu setzen. Der Test in der Mitte des Buches hilft bei der Standortbestimmung.

So ist das „persönliche Energiemanagement“ eine echte Herausforderung für Sie als heutige Studierende. Zu wissen, wer Sie sind, wofür Sie stehen, mit inneren und äußeren Grenzen fertig zu werden und kreative Lösungen zu finden ist eine echte Investition in Ihre persönliche Zukunft. Es geht in diesem Buch daher nicht darum, den eigenen Tagesablauf zu perfektionieren oder Tools zur weiteren Steigerung der eigenen Effizienz zu erlernen, sondern in erster Linie um Sie selbst.

Selbst wenn Sie mitten in einer totalen Erschöpfung stecken, wollen wir Ihnen Mut machen, dies nicht als Endpunkt, sondern als Chance zu persönlichem Wachstum zu sehen.

Wie Sie dieses Buch für sich nutzen:

Sie finden darüber hinaus auch Informationen, wenn Sie beschließen, Hilfe von außen annehmen zu wollen. Wir wollen Ihnen aber in erster Linie Anregungen geben, wie Sie Ihre persönliche Resilienz – also Ihre psychische Widerstandskraft – stärken können. Außerdem wollen wir Ihnen Wege zu Prävention und Vorbeugung aufzeigen, damit Sie Ihre Energie gar nicht erst verlieren und so hoffentlich stressfrei(er) durchs Studium kommen. Anregungen also, die darauf warten, dass Sie sie in die Tat umsetzen und Stück für Stück verinnerlichen.

Übung ist dabei notwendig, wie bei allen neuen Verhaltensweisen. Meist müssen wir Menschen etwas 5-mal hören oder lesen, bis wir beginnen, etwas Neues zu versuchen. Im Leben verankert ist es erst, wenn wir es 20- bis 40-mal getan haben.

Gute Gründe, einfach zu starten? Dann beginnen Sie mit dem ersten Schritt!

Viel Freude und Erfolg dabei!

München, im Dezember 2016

Dr. Barbara Krautz und Dr. Heike Schiebeck

Inhalt

Potenzieller Verlauf eines studentischen Burnouts

Springen wir mitten ins Leben hinein! So, wie im folgenden Beispiel, kann sich ein Burnout bei einem Studenten anbahnen:

Lilia, 19 Jahre -

„normaler“ Verlauf bei Überlastung

Lilia studiert im zweiten Semester im Bachelorstudiengang Internationales Management. Direkt nach der Schule hat sie ein Auslandspraktikum in einem Großkonzern gemacht, das nahtlos in den Studienbeginn überging.

Sie hat schon in der Schulzeit viel Zeit mit Lernen verbracht, viele Nachmittage und auch noch Abende an Hausarbeiten gesessen, Klausuren vorbereitet, Referate erstellt und ist so ganz gut durchgekommen. Abiturschnitt 2,3 – nicht aufregend, aber gut genug. Nach dem Abi dachte sie: „Jetzt wird alles besser! Die Paukerei hat erst mal ein Ende.“ Nun, ein Jahr nach Studienbeginn fühlt sich Lilia wie im alten Hamsterrad. Sie hat wie zuvor einen engen Stundenplan, arbeitet in der freien Zeit für die nächsten Seminare, lernt vor den Prüfungswellen Nächte durch, geht kaum noch mit Freunden weg, tut sich schwer, Notebook und Tablet auszuschalten. Auch die Yogastunden, die sie so geliebt hat, hat sie weitgehend eingestellt – keine Zeit. Und wenn sie doch hingeht, dann ist es so, als wäre sie gar nicht ganz dabei und kann auch dort nicht abschalten.

Das Fatale dabei ist: Je mehr sie sich anstrengt, umso weniger scheint in ihrem Kopf noch hängen zu bleiben. Sie bekommt mehr und mehr Panik, dass es einfach nicht reicht, was sie tut, dass sie bei den nächsten Prüfungen nicht genug wissen wird. Lilia reagiert, indem sie lieber noch ein bisschen mehr arbeitet, noch mehr private Termine absagt, seit Ewigkeiten nicht mehr beim Clubbing war, nicht tanzen geht. Ihre Kommilitonen werden ihr immer mehr zur Konkurrenz und zur Bedrohung, weil die anscheinend alles so leicht hinbekommen. Sie fühlt sich zunehmend als Versagerin und zieht sich immer mehr zurück. Das soll wenigstens keiner mitbekommen.

Sie schläft schlecht, wacht nachts um drei auf und kreiselt in Gedanken immer um Unithemen, was sie noch machen muss, was sie nicht geschafft hat. Das geht eineinhalb Stunden so, dann schläft sie erschöpft ein und ist morgens um sieben beim Klingeln des Weckers völlig fertig. Nacht für Nacht – seit Wochen. Sie nimmt sich oft nicht mal mehr die Zeit, sich etwas zum Essen zu kochen, schiebt nebenbei irgendetwas hinein, wenn sie den Hunger doch einmal spürt. Wenn jemand sie fragt, was los sei, reagiert sie pampig, sodass kaum noch jemand Lust hat, sie anzurufen.

Lilia ist nicht dumm. Sie sieht sich dabei innerlich über die Schulter und weiß, dass mit ihr etwas nicht stimmt, aber sie kann irgendwie gar nichts dagegen machen. Sie fühlt sich wie in einem Sog. Die Liste der Dinge, die auf sie warten, erscheint endlos. Und seit Kurzem scheint auch ihr Körper nicht mehr so richtig mitzumachen. Ihr wird oft schwindlig und manchmal verstopft sich auch ihr rechtes Ohr und sie hat dieses Dauerpfeifen darin, das sie wahnsinnig macht.

An einem Wochenende ist sie einfach einmal weggefahren, weil eine Freundin sie eingeladen hatte. Bei ihr saß sie dann rastlos am Tisch und war gar nicht ganz anwesend, weil sie das schlechte Gewissen quälte, sich freigenommen zu haben. Als die anderen über Ideen und Wünsche für ihre Zukunft sprachen, wurde ihr klar, dass sie so etwas nicht mehr vor sich sah – eine Zukunft.

Irgendwie war da nur noch der Schreibtisch und die Prüfungswelle und sonst gab es nichts mehr. Sie wurde noch stiller und ging ins Bett. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, wusste sie nicht, wo sie war und wie sie dorthin gekommen war. Sie konnte sich nicht entscheiden, irgendetwas zu machen oder irgendetwas zu denken. Sie blieb einfach am Bettrand sitzen, bis ihre Freundin kam und sie ansprach. Dann bekam sie einen Weinkrampf und wusste: „Jetzt gebe ich auf. Ich kann nicht mehr. Ich weiß nicht, wie ich weitermachen soll.“

Ihre Freundin begleitete sie am Montag in die psychosomatische Ambulanz, wo sie Hilfe bekam. „Eine Anpassungsstörung und Burnout? Das haben doch nur psychisch gestörte Menschen oder Vollzeitmanager“, dachte sie.

So wie Lilia erhalten viele die Diagnose „Burnout“. Damit Sie besser einordnen können, ob Sie gefährdet sind, wollen wir Ihnen im Folgenden einen Einblick in das Thema Burnout geben.

Teil 1: Fakten und Hintergründe zu Burnout

Es gibt Wichtigeres im Leben, als ständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.

Mahatma Gandhi

1 Was ist Burnout?

Burnout als Krankheit gibt es gar nicht. Erstaunlich, denn in den Medien wird doch ständig darüber berichtet! Tatsache ist aber, dass es für Burnout keine einheitliche Definition gibt, keine Symptome, die für alle Betroffenen gleich sind und auch keine Klassifizierung als eigenständiges Krankheitsbild. Gehen Sie zum Arzt und der schreibt Sie wegen eines Burnouts krank, ist auf dem Schein eine andere Hauptdiagnose zu sehen – meist eine aus dem psychischen Umfeld, also eine Depression, eine Anpassungsstörung, eine Angststörung oder eine Nervenschwäche. Burnout kommt nur als Zusatzdiagnose „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ vor und ist damit keine eigenständige Krankheit. Deshalb wird das Burnout-Syndrom von deutschen Kassen auch nicht als Krankheit anerkannt.

Das bedeutet natürlich nicht, dass es Burnout nicht gibt. Es erklärt aber, warum es nicht immer einfach ist, Burnout zu erkennen, denn die Symptome sind meist uneinheitlich. So wie Menschen und deren Persönlichkeiten eben auch nicht alle gleich sind und ihre individuellen Situationen, Belastungsfaktoren und Lebensgeschichten verschieden sind.

Die Schöpfer des Begriffs Burnout waren in den 1970er-Jahren der amerikanische Psychoanalytiker Herbert Freudenberger und die Sozialpsychologin Christina Maslach (vgl. Freudenberger, 1974). Sie beobachteten an Mitarbeitern sozialer Einrichtungen einen Wandel von glühenden Idealisten zu deprimierten, erschöpften, misstrauischen und leicht reizbaren Zynikern, die ihre Klientel zunehmend gleichgültig und abweisend behandelten. Dieser Zustand stellte sich ein, wenn sich die Betroffenen auf eine Lebensweise oder eine Arbeitsbeziehung einließen, die sie sich ganz anders vorgestellt hatten. Freudenberger sah eine Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität als auslösenden Faktor für Burnout.

Während das Burnout-Syndrom früher vor allen Dingen bei sozialen Berufen und Lehrern beobachtet wurde, gab es nach und nach Studien für viele andere Berufe und gesellschaftliche Gruppen, sodass inzwischen feststeht, dass keineswegs nur Menschen in helfender Tätigkeit ausbrennen können.

Im Wirtschaftsleben wird das Burnout-Syndrom als eine mit Stress verbundene existenzielle Krise gesehen, bei der die Arbeit nicht mehr als sinnvolle Aufgabe oder Herausforderung empfunden wird. Als Ursachen werden sowohl Überforderung als auch Unterforderung oder Probleme in der persönlichen Lebensführung genannt. Hinzu kommt als wesentlicher Faktor eine Diskrepanz zwischen extrinsischer (von außen ausgelöster) und intrinsischer (innerer, eigener) Motivation: Anreize wie Einkommen, Status und Macht können kurzfristig das Selbstwertgefühl steigern, verleiten aber zu einer beruflichen Entwicklung und zur Übernahme von Aufgaben, für die die Betroffenen nicht geeignet sind und aus denen sie keine innere Befriedigung schöpfen können.

2 Definitionen

Auch wenn es keine einheitliche Definition von Burnout gibt, gibt es doch Definitionsversuche. Die aus unserer Sicht gelungensten wollen wir Ihnen hier vorstellen. Darüber hinaus haben wir es im Zusammenhang mit dem Burnout-Syndrom mit weiteren Begriffen zu tun, die hier kurz erklärt werden sollen: Stress, Resilienz und Vulnerabilität. Genaueres dazu finden Sie in den jeweiligen Kapiteln.

  1. Das Burnout-Syndrom entsteht durch eine dauerhafte Überforderung der eigenen geistigen und emotionalen Leistungsfähigkeiten, durch Dauerstress ohne ausreichenden Ausgleich. Die Betroffenen haben meist nicht gelernt, mit den eigenen Energieressourcen zu haushalten und wissen oft nur unzureichend, wie man sie wieder auffüllt. Der negative Stress führt zu einer kontinuierlichen Überdosis an Stresshormonen. Es kommt zum Aufbau von Resistenzen gegenüber diesen Stresshormonen und damit einhergehend zu komplexen Mangelzuständen im Hormon- und Nervensystem.

    Die natürliche leistungsfördernde Wirkung von Hormonen und Neurotransmittern liegt nur noch in einem eingeschränkten Umfang vor (vgl. Pfeifer, M. – keine Angabe des Erscheinungsjahres).

  2. Burnout ist ein dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand „normaler“ Individuen. Er ist in erster Linie von Erschöpfung gekennzeichnet, begleitet von Unruhe und Anspannung (distress), einem Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Motivation und der Entwicklung dysfunktionaler Einstellungen und Verhaltensweisen bei der Arbeit. Diese psychische Verfassung entwickelt sich nach und nach, kann dem betroffenen Menschen aber lange unbemerkt bleiben. Sie resultiert aus einer Fehlpassung von Intentionen und Berufsrealität. Burnout erhält sich wegen ungünstiger Bewältigungsstrategien, die mit dem Syndrom zusammenhängen, oft selbst aufrecht (vgl. Schaufeli W.B. et al., 1998).
  3. Das Burnout-Syndrom ist eine prozesshafte Erkrankung. Sie bezeichnet eine Systemerregung aus einer anhaltenden, sich allmählich aufschaukelnden Hyperstressreaktion. Diese leitet einen Auflösungsprozess der psychophysischen Selbstregulation ein (die alle willensunabhängigen Regulationsvorgänge steuert, u. a. das vegetative Nervensystem) und mündet meistens in eine manifeste Depression (vgl. Nelting M., 2010).

Definitionen haben an sich, dass sie versuchen, etwas so kurz und knapp wie möglich darzustellen. Seien Sie also nicht irritiert, wenn Sie jetzt noch keine klare Vorstellung haben, was Burnout sein könnte und ob Sie evtl. davon betroffen sein könnten. Im Kapitel 6 „Symptome und Verlauf eines Burnouts“ (Teil 1) erfahren Sie mehr darüber.

3 Burnout als Prozessgeschehen

Stress und Burnout sind häufig als Prozess miteinander verbunden. Jeder Mensch, der sich heute in der Lebens- und Arbeitswelt der sogenannten ersten Welt befindet, steht irgendwo auf der Spirale, die Sie in Abb. 1 sehen.

Ein gewisses Maß an Stress ist für uns ganz normal, oft beflügelt er uns sogar. Meist können wir gut damit umgehen: Sie treffen sich nach einem stressigen Tag mit Freunden und können erzählen, was Ihnen auf dem Herzen liegt, bzw. Sie ziehen sich am Ende eines stressigen Tages die Laufschuhe an und laufen um den Park oder See und schalten so ab, wobei Sie durch die Bewegung auch die Stresshormone abbauen. Am Ende einer stressigen Woche gehen Sie feiern und am Wochenende mit Freunden zum Segeln, Skifahren, Radeln oder liegen faul in der Sonne und kriegen so Abstand zum Alltag. In den Semesterferien bleiben Ihnen wenigstens zwei bis drei Wochen, um wegzufahren und mal ganz abzuschalten. So gibt es immer wieder Zeiten, in denen Sie auftanken und so gelassen bleiben können, wenn die nächste Stresswelle Sie erwischt.

Abb. 1: Burnout als mögliches Prozessgeschehen

Manchmal kommt dann etwas dazu. Das kann zusätzlicher Stress im Studium sein, z. B. eine Prüfungswelle oder eine Konkurrenzsituation zwischen Kommilitonen oder die Angst, keinen Masterstudienplatz zu bekommen. Das können aber auch ganz andere Dinge sein, die mehr im privaten Umfeld liegen, z. B. Ärger mit dem Freund/der Freundin, Geldsorgen, Druck von den Eltern, Probleme mit Alkohol. Es können auch Themen sein, die in Ihnen selbst angelegt sind: z. B. nicht zu wissen, ob man das Richtige studiert oder Angst zu haben, nicht gut genug zu sein. Nicht selten kommen mehrere dieser Faktoren zusammen und addieren sich.

Dann kümmern Sie sich in den Zeiten, die eigentlich Ihre Ruhezeiten sind um diese Dinge. Sie gehen arbeiten, um Geld zu verdienen, Sie lernen bis tief in die Nacht oder auch am Wochenende weiter, Ihre Gedanken kreisen um Eltern, Freunde, Kommilitonen. Ihre inneren Sorgen und Ängste lassen Sie ständig grübeln. Hier beginnt nach unserer Ansicht Burnout. Sie treffen immer weniger Freunde, ziehen sich immer mehr zurück, entspannen sich immer seltener und bekommen so immer weniger Energienachschub, den Sie bräuchten, um gelassen bleiben zu können. So kommen Sie in ein energetisches Defizit. Anfangs merken Sie dies meist gar nicht, weil Sie viele Reserven haben. Doch die Spirale hat begonnen und wenn Sie sie nicht stoppen, trudeln Sie langsam immer mehr ins Energiedefizit, bis zuletzt Ihr Körper reagiert und Ihnen deutliche Signale sendet oder die Seele SOS funkt. Am Ende der Spirale werden Sie von Panikattacken oder einer Depression gezwungen, endlich Ruhe zu geben. Der Weg bis dahin ist meistens weit und es gibt genug Hinweise, die Sie ernst nehmen sollten. Wenn Sie diese erkennen, haben Sie die Chance, die Spirale anzuhalten und wieder hochzuklettern.

4 Definitionen von Fachbegriffen

Um eine Grundlage für das Verständnis der folgenden Kapitel zu schaffen, möchten wir Ihnen an dieser Stelle die Definitionen einiger wichtiger Fachbegriffe geben.

Abb. 2: Stressreaktion

Stress (lat. stringere = anspannen)

Stress bezeichnet die durch spezifische äußere Reize (Stressoren) hervorgerufenen psychischen und physischen Reaktionen bei Lebewesen, die zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen. Zudem ist es üblich geworden, die dadurch entstehende körperliche und geistige Belastung ebenfalls als Stress zu bezeichnen. Die Stressreaktion kann durch stressverschärfende Gedanken noch erhöht werden.

Resilienz (lat: resilire = zurückspringen)

Unter Resilienz versteht man die psychische Widerstandsfähigkeit, die erforderlich ist, um Belastungen zu verarbeiten und gesund zu überstehen.

Neben Schutzfaktoren, wie Selbstvertrauen oder sozialer und spiritueller Verankerung, ist unter dem Begriff Resilienz auch das gesamte Spektrum der psychosozialen Kompetenz einzuordnen. Zu den resilienzsteigernden Faktoren sind auch erlernte Fähigkeiten, wie Stressbewältigungsstrategien und die Fähigkeit zur Selbststeuerung zu verstehen. Konsequenterweise definieren daher viele Fachleute Resilienz noch umfassender als die Fähigkeit, widrige Lebensumstände und Belastungen nicht nur gesund zu überstehen, sondern auch gereift und ausgerüstet mit neuen Ressourcen daraus vorzugehen.

Vulnerabilität (lat. vulnus = Wunde)

Vulnerabilität bezeichnet in der Psychologie und Medizin eine individuelle Disposition, d. h. ein Zusammenspiel sozialer, psychischer, organischer, genetischer oder anderer Faktoren, durch die das Auftreten einer Störung begünstigt wird. Der Begriff wird oft synonym verwendet mit herabgesetzter Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen, die die Person im Zusammenspiel mit ihrer Umwelt erfährt.

5 Medizinische Hintergründe zu Burnout

5.1 Physiologische Ursachen

Es gibt viele Theorien, wie ein Burnout entsteht. Einige kann man schon aus den oben genannten Definitionen erahnen. Als relativ gesichert gilt, dass sich Burnout auf der Ebene des Körpers aus einem Dauerstress- oder Hyperstress-Zustand entwickelt. Daher wollen wir uns das Thema Stress einmal genauer ansehen.

Fangen Sie doch einmal bei sich selbst an und stellen Sie sich die folgenden drei Fragen zu (negativem) Stress:

Selbstreflexion zu Stress

Dabei werden Sie sehen, dass es bestimmte Situationen gibt, die Sie persönlich als stressig empfinden und die sich vermutlich in Ihrem Leben wiederholen. Das kann z. B. immer wiederkehrende Zeitnot sein, Prüfungen, Streit mit Freunden oder Ähnliches. Wenn Sie wissen, welche Situationen es sind, die Sie stressen, können Sie damit arbeiten, indem Sie sich darauf vorbereiten. Sie können versuchen, solche Situationen im Voraus zu entschärfen und sich auch in der Situation noch bewusst werden, dass sie Möglichkeiten haben, anders zu reagieren, als üblicherweise. Hinweise darauf, wie Sie das tun können, erhalten Sie im hinteren Buchteil.

Wie Sie – auch körperlich – Stress empfinden und wahrnehmen ist sehr individuell. Manche Menschen spüren z. B. ihr Herz klopfen oder eine Enge im Brustraum, andere bekommen einen heißen roten Kopf, andere wieder Nacken- und Kopfschmerzen oder Schweißausbrüche und bei manchen zucken Muskeln, ohne dass sie es beeinflussen können. Diese Signale sind Ihre „guten Helfer“. Vielleicht sehen Sie sie als ärgerlich an und wollen sie so schnell wie möglich los haben. Dabei können Sie lernen, sie wahrzunehmen und als „Ratgeber“ zu sehen, die Ihnen signalisieren: „Hallo, Du bist an einer Grenze angelangt, an der Du dafür sorgen darfst, dass Du gut mit Dir umgehst und runterfährst und auftankst.“ Dies fällt in den Bereich „Achtsamkeit sich selbst gegenüber entwickeln“ hinein.

Abb. 3: Drei Aspekte des Stressgeschehens

Die dritte Aussage zeigt Ihnen, wie oft Sie den Stress selbst verstärken, indem Sie nicht nur den objektiven Grund für Ihren Stress sehen, sondern Ihr eigenes Schreckensszenario um diese Situation herumbauen. Dadurch schüren Sie Ihre Ängste und bekommen das Gefühl, die Situation nicht meistern zu können. Jeder von uns trägt solche Gedankenmuster in sich und es lohnt sich, diese genauer zu betrachten, um zu lernen, sie zu verändern. Das geht nicht von heute auf morgen, aber es geht.

Positiver Stress ist gesund

Viele Menschen träumen von einem Leben ganz ohne Stress. Endlich mal keine Termine, Zeit für sich selbst und andere haben, einfach so in den Tag hineinleben. Genau betrachtet ist ein völlig stressfreies Leben aber gar nicht wünschenswert: Positiver Stress (Eustress) erhöht die Aufmerksamkeit und fördert die Leistungsfähigkeit unseres Körpers, ohne ihm zu schaden. Eustress motiviert und steigert die Produktivität, zum Beispiel, wenn wir Aufgaben erfolgreich lösen. Die schöne Erfahrung, eine Herausforderung gemeistert zu haben, steigert wiederum das Selbstvertrauen, die nächste Aufgabe genauso gut bewältigen zu können.

Wenn Stress negativ wird

Disstress