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Impressum:

 

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www.papierfresserchen.de

 

© 2017 – Papierfresserchens MTM-Verlag

Mühlstr. 10, D- 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

info@papierfresserchen.de

Alle Rechte vorbehalten.

Erstauflage 2017

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

 

 

 

Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM

www.literaturredaktion.de

ISBN: 978-3-86196-638-8 - Taschenbuch

 

ISBN: 978-3-86196-986-0 - E-Book

 

Martina Meier (Hrsg.)

Wie aus dem
Ei gepellt ...

Erzählungen, Märchen
und Gedichte zur Osterzeit

Band 4

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Inhalt

Dörte Müller: Dem Osterhasen auf der Spur

Isabel Kritzer: Bunte Eier und Konfekt

Brigitte Adam: Ostern

Doris Giesler: Die Osterüberraschung

Ingrid Baumgart-Fütterer: Schwarzseherei

Barbara Bellmann: Ein Osterhase kommt selten alleine

Dorothea Möller: Eier mit Rissen

Christine Schär: Der Sieben-Eier-Pinsel

Christine Leitl: Der Osterlaus

Mara Raabe: Eier-Künstler-Maler Tobi

Lore Buschjohann: Eine wahre Ostergeschichte

Gianna Suzann Goldenbaum: Ikarus und Conan

Jürgen Heider: Osterzeit

Antje Steffen: Das schönste Ei

Silke Vogt: Märchenhafte Freundschaft

Eva Prinz: Große Ostereieraufregung bei den Tierkindern

Andrea Lutz: Das dunkelgrüne Osterei

Charlie Hagist: Langohr, Knickohr und Schlappohr

Kerstin Gramelsberger: Kleine Ziege Pimpelliese

Nadine Mönch: Ein vergesslicher Künstler

K. U. Robert Berrer: Österliche Orientierung

Sabrina Nickel: Von Osterhasen und Stubenfliegen

Susann Scherschel-Peters: Ostermorgen

Anna-Magdalena Tannhäuser: Tatz und der Farbendieb

Inga Kess: Bekenntnisse

Oliver Bruskolini: Ein kunterbuntes Osterchaos

Susanne Schulze: Die Maus im Hühnerei

Fred Keller: Melli

Dagmar Natter: Null Bock

Sabine Siebert: Wer hat das schönste Osterei?

Gerburg Tsekouras: Der Ostergesang

Wolfgang Rödig: Ostermorgen mit Brit

Karin Piel: Als der Osterhase entführt wurde

Alexandra Dietz: Ostern

Carina Isabel Menzel: Der Zauber der Osternacht

Majon Wallis: Hoppel-7 möchte Ostereiermaler werden

C. T. Mehrhof: Ich bin Elena

Jennifer Petri: Der schusselige Osterhase

Carola Marion Menzel: Für eine wie Alaska

Susanne Weinsanto: Der Osterhase und die Eier

Volker Liebelt: Ein neuer Freund

Yasmin Mai-Schoger: Das Krabbeltier

Sieglinde Seiler: Der Osterhasenfrühling

Dörte Müller

Dem Osterhasen
auf der Spur

Es war Ostersonntag. Tim hatte sich am Abend zuvor extra den Wecker gestellt und sein Fernglas bereitgelegt. Verschlafen sprang er nun aus dem Bett, als der Wecker um sechs Uhr morgens klingelte. Müde rieb er sich die Augen und schlich zum Fenster. Er musste es wissen. Alle seine Freunde im Kindergarten hatten erzählt, dass es den Osterhasen in Wirklichkeit nicht gäbe. Die Eltern würden in aller Frühe die Überraschungen hinter den Büschen und Bäumen im Garten verstecken. Tim wollte das einfach nicht glauben. Er brauchte Beweise. Deshalb war er heute so früh aufgestanden und hatte sich hinter der Gardine versteckt. Heute sollte die Wahrheit ans Licht kommen: Entweder er sah den süßen Osterhasen oder seine Eltern.

Die Sonne war gerade aufgegangen. Es schien ein wundervoller Tag zu werden. Das erste zarte Grün der Buchenhecke leuchtete. Tim hatte große Lust, in den Garten zu laufen und zu spielen. Doch er musste aushalten und beobachten. Wenn bloß der Osterhase bald käme, dann wären alle Zweifel weggewischt und er könnte den Kindern nach den Osterferien erzählen, dass er den Osterhasen persönlich gesehen hätte.

Doch es war ganz schön anstrengend zu warten. Tim war so müde und sein Magen knurrte. Er traute sich aber nicht, seinen Posten zu verlassen und in die Küche zu schleichen. Was, wenn genau in diesem Moment der Osterhase käme? Dann wäre alles umsonst gewesen.

Tim wartete und wartete. Er seufzte. Die Augen fielen ihm fast zu, so müde war er. Sein Kopf kippte immer wieder zur Seite.

Doch was war das? Ein kleiner Hase hoppelte plötzlich einmal quer durch den Garten. Tims Herz schlug schneller. Das konnte nur der Osterhase sein! Aufgeregt griff er nach seinem Fernglas. Ja, jetzt sah er ganz genau, dass der Hase eine grüne Kiepe aufhatte. Und darin lagen lauter bunte Eier.

Tim freute sich: Er hatte recht gehabt. Es gab den Osterhasen also doch. Jetzt sah er sogar, wie der Hase hinter einem Busch etwas versteckte und dann weiterhoppelte. Tims Wangen glühten. Wie niedlich der Hase aussah! Genauso hatte er ihn sich vorgestellt. Die anderen Kinder würden staunen ...

Als die Mutter Tim um neun Uhr wecken wollte, sah sie, dass ihr Sohn auf dem Stuhl am Fenster eingeschlafen war. Sie musste lächeln und tippte ihm leicht auf die Schulter. „Tim, Tim, aufstehen!“, flüsterte sie.

Er schreckte auf. „Mama, ich habe den Osterhasen gesehen! Er hat Eier hinter einem Busch versteckt und sah ganz süß aus!“

„Dann kannst du ja jetzt in den Garten gehen und die Eier suchen!“, schlug die Mutter vor.

Tim ließ sich das nicht zweimal sagen. Schnell zog er sich an und lief in den Garten. Zuerst guckte er hinter den großen Busch. Er staunte nicht schlecht: Hier waren keine Eier versteckt, sondern ein neues Fahrrad! „Mama!“, rief Tim aufgeregt. „Der kleine Osterhase hat sich mit so einem großen Fahrrad abgeschleppt. Wie konnte er das schaffen? Ich habe doch gesehen, wie er kleine Eier verteilt hat. Wo sind die bloß?“

„Ich glaube, er hatte einen großen Helfer, der die schweren Sachen verteilt hat. Vielleicht musste er einige Sachen umlegen“, erklärte ihm die Mutter.

„Aber den habe ich gar nicht gesehen“, wunderte sich Tim.

„Weil du am Fenster eingeschlafen bist“, antwortete ihm die Mutter. „Nächstes Jahr siehst du ihn bestimmt!“

Tim strahlte. Er nahm sich vor, nächstes Jahr ganz genau aufzupassen und nicht wieder einzuschlafen. Dann würde er auch den großen Hasen sehen und die Freunde im Kindergarten würden staunen. Die Mutter hingegen nahm sich vor, sich bei nächster Gelegenheit ein Hasenkostüm zu kaufen. Sie wusste, im kommenden Jahr musste sie vorsichtiger sein ...

Dörte Müller, geboren 1967, wohnt zurzeit mit ihrer Familie in den Niederlanden. Sie schreibt Kinder- und Jugendbücher und veröffentlicht ihre Kurzgeschichten in Anthologien.

Isabel Kritzer

Bunte Eier und Konfekt

Ostern bedeutete lila Hasen in den Schaufenstern. Ostern bedeutete goldene Glocken überall. Es bedeutete bunte Eier, die Papa kaufte. Und einen aus dem Verzehr resultierenden hohen Cholesterinwert, wenn man Mama Glauben schenken durfte. Ostern bedeutete, Nester zu suchen bei den Großeltern, egal, ob man schon zu alt war oder nicht. Und es bedeutete gezwungenes Beisammensein sowie einen nicht enden wollenden Strom an klebrigem Konfekt von Oma Inge. Wenn ich ehrlich war, war das mit Abstand das Beste daran. Nur wusste ich genau, dass ich mich von Mama nicht beim Naschen erwischen lassen sollte. Der böse Zucker stand nämlich noch mindestens einen Platz vor dem Cholesterin auf der Schlimme-Dinge-Liste. Ostern war ein Fest und doch fühlte es sich nicht immer wie eines an. Feste sollte man feiern. Wir stritten meist – besser gesagt: Meine Eltern stritten, wenn sie sich alleine wähnten. Ich war natürlich die Unschuld in Person.

Dieses Jahr lagen die Dinge allerdings anders. Papa und Mama hatten sich letztes Jahr nach Ostern getrennt, vorerst. Und obwohl ich oft unsicher war, ob die Situation so tatsächlich eine Besserung erfahren hatte, war es wenigstens ruhiger. Getrennt hatten sie sich im Übrigen nicht nur wegen des Cholesterins oder des Zuckers. Nein, das hatten sie im Einvernehmen getan, was sonst; zumindest wollten sie mich das glauben machen.

Mama war seitdem den Göttern des Biosortiments im Supermarkt verfallen. Papa hatte eine Neue. Die war definitiv jünger und hübscher als Mama. Toller war sie nicht. Seitdem keiner mehr darauf achtete, was er aß, hatte Papa zugenommen. Bestimmt fünf Kilo und die Cholesterinzeit stand erst noch bevor.

Außerdem wollte die Neue nur Papas Geld. So einfach war das. Oder?

Mich hatten sie gefragt, bei wem ich wohnen wolle, und ich war schnell zu einem Entschluss gekommen: „Papa!“ Denn warum hätte ich mir freiwillig eine Schlimme-Dinge-Liste umhängen lassen sollen?

Trotzdem hatte es mir für Mama leidgetan, schließlich war sie für mich trotzdem wichtig. Ob es dieses Jahr bei ihr statt Schokohasen nur Mohrrüben geben würde? Ich hatte vorgehabt, ihr zu sagen, dass sie gut war, wie sie war, auch ohne Bio. Aber irgendwie hatte sich nie der richtige Zeitpunkt ergeben, leider. Vielleicht gab es auch keinen richtigen Zeitpunkt.

Diese Ostern jedenfalls gingen Papa, die Neue und ich auf Weltreise: in die Karibik. Eigentlich freute ich mich. Nur den Namen der Neuen, tja, den vermochte ich mir einfach nicht zu merken. Wozu auch, zumindest den Flug hatte ich auch so überstanden. Die Gangway mit rotem Teppich, die aufs Kreuzfahrtschiff führte, gab mir das Gefühl, direkt in Hollywood gelandet zu sein. Die Crew lächelte nett und doch fehlte etwas: grüner Rasen. Osterkörbe. Oma Inges Konfekt. Mama. Es fehlte alles.

Plötzlich vermisste ich all die Dinge, deren ich so überdrüssig gewesen war. Verrückt, anscheinend schätzte man wirklich erst, was man hatte, wenn man es nicht mehr hatte. Manche Binsenweisheiten beinhalteten zumindest einen Funken Wahrheit.

„Gibt es auch gekochte Eier?“, hörte ich Papa just in dem Moment einen der Livrierten fragen.

„Aber natürlich, Sir. Jeden Morgen beim Frühstück“, lautete die beflissene Antwort.

„Ich meine bunte ...“ Papa ließ nicht locker. Der Steward schaute ihn fragend an.

„Darling, die Eier sind sicher wunderbar. Schau dir nur die Palmen an! Wun-der-schön!“, zirpte die Neue und zog Papa fort vom Reisebegleiter und hin zu mir.

„Wirklich wun-der-schön“, konnte ich mich nicht zurückhalten. „Aber ich hoffe auch, dass die hier bunte Eier haben. Und Konfekt“, sagte ich zu Papa.

Er sah mich einen Augenblick seltsam an, nickte dann aber der Neuen zu. „Dann lasst uns mal das Schiff erkunden.“

Eine Woche später standen Papa und ich vor Oma Inges Tür. Papa war noch immer ein bisschen blass um die Nase. Immerhin waren die fünf Kilo nun wieder herunter und die Neue war auch passé. Es geschahen noch Zeichen und Wunder. Und wer hätte ahnen können, dass Papa seekrank werden würde und die Neue derart zart besaitet war.

Ich sah das positiv: Jetzt hatte alles noch viel mehr wun-der-schöne Seiten und Papa von mir die offizielle Erlaubnis, heute so viele Eier zu essen, wie er nur konnte. Das Gleiche galt im Übrigen für mich und Omas Konfekt, wenn schon, denn schon, nicht wahr?

Als Opa Gero die Tür öffnete, klangen bereits Stimmen nach draußen. Im Wohnzimmer türmten sich die Eierkörbe und Oma ließ es sich nicht nehmen, uns hocherfreut mit roten Backen zu drücken.

„Schön, dass ihr doch noch Zeit für Ostern habt!“ Ihre Augen glänzten verräterisch.

„Aber natürlich“, erwiderte Papa. Ich sah, wie sein Blick zu den bunten Eiern schweifte.

„Ich hoffe, es macht nichts, dass ich auch da bin“, erklang plötzlich Mamas Stimme. Sie stand im Türrahmen und hielt ein halb gegessenes Stück Konfekt in der Hand. Mama mit Zucker – oha!

Oma Inge guckte verlegen. Papa drehte sich zu Mama, sah das Konfekt, schaute ihr ins Gesicht und lächelte schließlich. „Nein, gar nicht, wir haben Ostern vermisst.“

Vergessen waren der Zucker, das Cholesterin und anscheinend auch wir anderen. Papa hatte wohl Mama vermisst.

Lautstark räusperte ich mich, schließlich hatte ich auf die Karibik verzichtet, für Ostern! Da konnte man ja wohl eine ausgiebige Nestersuche erwarten und einen Bauch voller Eier und Konfekt obendrein.

Isabel Kritzer wurde 1993 in Deutschland geboren und entdeckte schon früh die Faszination von Wort und Bild. Zum Abitur 2012 erhielt sie den Südwestmetall Schulpreis in Ökonomie für herausragende Leistungen. Es folgte ein mit dem Bachelor of Science abgeschlossenes BWL-Studium. Ihr erster Roman trägt den Titel „365 – Wenn die Masken fallen“, der bei Papierfresserchens MTM-Verlag erschienen ist.

Brigitte Adam

Ostern

Mit langen Ohren, Stummelschwanz

verzauberst du die Kinder ganz,

bunte Eier, Schokolade,

in ihren Augen dieser Glanz.

Überall in dem grünen Gras

suchen die Kinder mit viel Spaß

liebevoll gefüllte Nester.

Hoffentlich werden sie nicht nass!

Sonst ist’s vorbei mit Nascherei’n,

sogar bei langem Sonnenschein

schmilzt die beste Schokolade.

Dann kullern Tränen, Kinder wein’n.

Brigitte Adam: 1951, Berlin, Dipl.-Ing. (FH), schreibt seit 2009 Gedichte über Natur, Tiere, Reisen – über und für die Enkel, Veröffentlichungen ihrer Gedichte in diversen Anthologien.

Doris Giesler

Die Osterüberraschung

Mit munteren Schritten geht das junge Mädchen zielstrebig auf das kleine Haus mit den kaffeebraunen Klappläden und der braunen Haustür zu. Die blonden Haare wehen unternehmungslustig im Wind, der bunte Schulranzen wippt übermütig. Die Schule ist aus!

Das Kind verlangsamt seinen Schritt, stoppt vor dem braunen Metalltor und drückt zweimal auf den Klingelknopf. Das ist ihr Geheimzeichen und Oma Hilde weiß sofort Bescheid. Oma Hilde ist eine schlanke, mittelgroße Frau mit grauen, lockigen Haaren.

Linda kommt jeden Tag nach der Schule hierher. Die Mutter arbeitet bis zum Nachmittag und die Oma kocht für ihre Enkelin mit, macht auch manchmal Hausaufgaben mit ihr. So ist der normale Tagesablauf.

Aber heute ist es anders. Es schüttet Katzen und Hunde, wie die Engländer sagen. Wer hat dieses Sauwetter eigentlich bestellt? Linda eilt raschen Schrittes den Gartenweg entlang. Im Augenwinkel hat sie das kleine Vogelnest auf dem Boden gesehen, das der Pladderregen aus den Ästen gespült hat.

Das Mädchen ist erschrocken, denn wenn die vier kleinen hellblauen, getupften Eier lange im Regen liegen, wird die Anstrengung der Vogeleltern umsonst gewesen sein. Sie haben vor etwa zwei Wochen angefangen, sich in der Hecke dieses Nest aus Ästchen und weichem Moos zu bauen. Die Kleine rennt ins Haus, dessen Tür schon offen steht.

„Guten Tag, Linda.“

„Oma, keine Zeit. Ich muss die Kinder retten!“, ruft sie hektisch. Oma Hilde schaut verdutzt, redet ihr aber nicht rein, denn wenn ihre pfiffige Enkelin Ideen hat, ist sie nicht zu bremsen.

Peng knallt der Schulranzen auf den Flur. Sie eilt zurück in den Garten. Werkzeugkiste auf, Gartenschere und Bastfaden her. Linda steht vor dem niedlichen Nest, nimmt es langsam und vorsichtig hoch. Sie hangelt mit ihren kleinen Händchen durch die ledernen Blätter des Lorbeerstrauches und wickelt den Bast-faden um die Äste. Die Blätter sind hier besonders dicht und es tropft so kein Regen auf das Mini-Gelege. Alles muss schnell gehen. Zum Glück ist der Regen nicht so kalt.

Das blonde Mädchen geht wieder ins Haus. Der Regen lässt nach und es beobachtet seine Baustelle. „Hoffentlich kommen die Eltern zurück“, denkt es.

Oma kennt ihre Kleine. Sie stellt ihr einen Stuhl in den Hauseingang und bringt ihr ein reichlich belegtes Wurstbrot, damit Linda das Geschehen beobachten kann. Alles bleibt ruhig.

Doch dort bewegen sich Blätter. Da kommt ein Vogel, groß wie eine Meise, hüpft suchend hin und her. Er findet das Nest, schlägt eifrig mit den kleinen Flügelchen und setzt sich beschützend auf die Eier. Einen kurzen Moment später kommt ein zweiter Vogel mit einem Wurm. Er füttert damit seinen Partner. Das ist richtig spannend. Ob das ein Erfolg wird?

Es vergehen gut zwei Wochen. Die Vogeleltern in spe versorgen das Nest und eines Tages bringen sie ganz kleine Insekten herbei. Der Nachwuchs ist geschlüpft! Juchhu!

In einem unbeobachteten Moment riskiert Linda einen Blick ins Nest. Kleine Stücke von glänzend hellblauen Schalen liegen darin – und das andere Große? Ein Ei, ein rundes Ei, gelb wie die Forsythienglöckchen, groß und rund wie ein Tischtennisball. Ganz vorsichtig schaut Linda ins Nest. Ein leises Klirr – und der Ball zerplatzt. Kleine braune Erdkrümel fallen auf den Boden.

Na so etwas Komisches! Linda wundert sich darüber, hat aber nicht mehr die Zeit, um darüber nachzudenken. Die Mutter will noch mit ihr Besorgungen machen. Sie verabschiedet sich eilig von Oma Hilde. „Ich komme morgen wieder.“

Heute ist Donnerstag, Gründonnerstag, und Linda hat Ferien bekommen.

Am anderen Tag sieht Linda schon von Weitem den Teppich leuchten, den Blütenteppich, gelb und strahlend. Alles Osterglocken mit großen Kelchen. Sie leuchten unter dem Lorbeerstrauch und überall, wo die Erdkrümel hingefallen sind. Auch unter dem Fliederbaum.

„Oma, Oma, kommt doch mal!“

Die Oma betrachtet die gelbe Überraschung und kann es kaum glauben. „Du, Linda, das ist wie ein richtiges Ostermärchen. So schön strahlend. Das ist sicher das Dankeschön der beiden Vogeleltern für deine liebevollen Mühen.“

Doris Giesler, geb. in Oberhausen/Rhld., achte eine Ausbildung zur Fremdsprachen-Korrespondentin und arbeitete bei verschiedenen internationalen Industriefirmen. Erste Kurzgeschichten. Später in Süddeutschland moderierte sie ehrenamtlich im Klinik-Rundfunk, unterrichtete lernschwache Jugendliche und hielt Lesungen für Kinder. Teilnahme an Schreibwerkstatt, Veröffentlichungen in Anthologien sowie Gedichtbänden. Hobbys: Geschichten schreiben. Sie mag Tiere, besonders Katzen. Doris Giesler lebt in Baden-Württemberg.

Ingrid Baumgart-Fütterer

Schwarzseherei

Es saßen drei Hasen

auf dem Rasen,

zerbrachen sich den Kopf

überm Farbentopf

voll Farbe, schwarz wie Teer,

was sie erstaunte sehr.

Der Topf war tags zuvor

verpackt in Styropor,

befüllt mit Farben,

gelb wie Garben,

für die Eier gemacht,

die für Ostern gedacht

wie soll’s weitergehen,

will man nicht schwarzsehen?

Ingrid Baumgart-Fütterer aus Östringen. Sie war über 30 Jahren Lehrerin für Pflegeberufe. Seit Oktober 2014 ist sie im Ruhestand.

Barbara Bellmann

Ein Osterhase
kommt selten alleine

Nachdem der Schnee angefangen hatte zu tauen und die Sonne wieder am Himmel erschienen war, begann der Frühling. Als dann auch noch die ersten Krokusse und Osterglocken zu blühen begannen, war klar, dass das Osterfest vor der Tür stand. Auch der sechsjährigen Mia war dies bewusst, als sie die satten gelben Blüten erblickte. An der Hand ihrer Mutter hüpfte sie von der Schule nach Hause. Ihre beiden Zöpfe schwangen vorwitzig mit und auf ihrem Gesicht lag ein zufriedener Ausdruck, während sie von ihrem Schultag berichtete.

„Heute haben wir Fensterbilder mit Osterhasen gebastelt. Die sahen fast aus wie echte Hasen mit langen Ohren und schwarzen Knopfaugen. Meinst du eigentlich, den Osterhasen gibt es wirklich?“

Ihre Mutter musste unwillkürlich lachen, doch bevor sie antworten konnte, mischte sich Mias kleiner Bruder ein, der auf der anderen Seite von einem auf das andere Bein sprang. Mit lauter Stimme krähte der Vierjährige: „Mensch, Mia, na klar gibt es den Osterhasen! Wer soll denn sonst die bunten Eier und die Geschenke verstecken? Wusstest du eigentlich, dass mir dieses Jahr der Osterhase einen richtigen Hasen bringen wird? So einen schwarzen mit einem weißen Schwanz und langen Schnurrhaaren. Genauso einen Hasen, wie ich ihn mir schon lange wünsche.“

Mia blickte ihren Bruder zweifelnd an. „Ich weiß nicht, Bernd. Meine Mitschüler sagen, den Osterhasen gibt es nicht.“ Bernds kleines Gesicht wurde traurig und er fing an zu schluchzen.

Mia erhielt einen strafenden Blick von ihrer Mutter. „Also, ich glaube an den Osterhasen! Und Bernd hat recht, wer soll denn sonst die bunten Eier bringen?“ Liebevoll strich sie ihrem Jüngsten über den Kopf. „Aber echte Hasen kann der Osterhase sicher nicht bringen. Wie soll er den denn verstecken? Der läuft doch immer weg“, gab sie zu bedenken.

Bernd hörte überrascht zu weinen auf, denn auf den Gedanken war er noch gar nicht gekommen, dass der Hase weglaufen könnte. Doch er war beruhigt, dass es den Osterhasen gab.

Mia hatte ein schlechtes Gewissen. Ihren Bruder zum Weinen zu bringen, war nicht ihre Absicht gewesen. Gerne hätte sie gefragt, wie ein Hase in der Lage sein sollte, Eier zu färben und dann noch zu verstecken, aber sie wollte ihren kleinen Bruder nicht wieder traurig stimmen. Den Rest des Heimweges legten die drei schweigend zurück. Jeder hing seinen Gedanken nach.

Zu Hause angekommen verschwand die Mutter in der Küche, um das Mittagessen vorzubereiten. Mia und Bernd gingen in ihr gemeinsames Kinderzimmer.

„Mia, glaubst du wirklich nicht an den Osterhasen? Ich wünsche mir so sehr einen richtigen Hasen. Wir könnten so toll zusammen mit ihm spielen oder ihn im Garten laufen lassen.“