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Aaron Bloodwing

Gaumenschmaus

Die Erben Cannibal Lecters





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Verirrt im Zombie-Valley


Der Himmel hat seine Tore geöffnet. Obwohl es erst Mittag ist, fressen die tiefhängenden Wolken fast alles Licht. Jonata ist klitschnass auf dem Rücken ihres Rappens. Ihr langes, braunes Haar klebt ihr am Kopf, weil der Regen nicht ständig in ihr Gesicht peitschen soll, hat sie den Blick nach unten gesenkt. Schräg über den Kopf ihres Hengstes zum Pfad. Von der vergangenen Zeit her hätte sie schon längst den Ort Grondo erreichen müsse, von dem es nur noch ein Katzensprung bis zu ihrem eigentlichen Ziel ist: Rimella.

Aufgebrochen war sie am Morgen in Forbello. Als sie kurze Zeit später zwischen den Dörfern Campelli und der Alpe la Res in das Unwetter kam, sagte eine innere Stimme in ihr, umzukehren. Trotzig wie ein Kind hörte die Mittzwanzigerin nicht auf ihr Gefühl. Schließlich war sie hier oben in den italienischen Alpen als Kind zuhause. In diesen dünnbesiedelten Tälern, die sich wie Rippen zum Kamm hinaufziehen, zur Schweizer Grenze.

Längst ist klar, Jonata hat sich verirrt. Den direkten Weg nach Grondo runter hat sie verpasst. Die Nässe allüberall und das Einheitsgrau um sie herum hat sie gar nicht merken lassen, dass sie permanent bergan geritten ist. Jetzt ist es zu spät. Sie ist mitten drin im verhexten Wald. Von dem die Altvorderen sagen, es würde in ihm spuken. Besonders bei Regen, wenn die Erde feucht ist und sich leicht aufbrechen lässt. Von unten. Aus dem Erdinneren.

Abends am Ofen fand sie die Geschichten immer sehr amüsant, die ihr der Großvater erzählte, während er nebenbei im Schaukelstuhl saß und seine Pfeife rauchte. Jetzt so ganz allein in diesem düsteren Forst, in dem es aufgrund der Schatten der Bäume fast wie Nacht ist, fühlt sie sich verloren und kann die Angst schwer von sich schieben, die sich wie flüssiges Blei auf ihr Gemüt legt.

In den Stunden mit dem Opa war es anders. Wenn es zu gruselig wurde, kam Mutter mit einem heißen Kakao und die Welt war wieder richtig gerückt: Drinnen war das traute Heim, draußen die Landstriche der Hirngespinste.

Nachdem ihr Rappe auf den glitschigen Steinen mehrfach ausgerutscht ist, führt die Abgestiegene jetzt das Pferd am langen Zügel. Gespenstisch leer und schaurig still liegt der Ort Ronaccio Superiore an ihrem Weg. So schnell sie kann, eilt sie an den verlassenen, grauen Häusern vorbei, deren Steine aussehen, als wären sie von scharfen und großen Zähnen angenagt. Zu viele Gerüchte werden erzählt, als dass eine allein reisende junge Frau sich gerade in diesen Gemäuern einen Unterschlupf sucht. Selbst wenn draußen die Welt untergehen würde, niemand würde Jonata in eines dieser fürchterlichen Gemäuer kriegen.

Das Herz der jungen, zierlichen Frau, die vom Körperbau noch sehr mädchenhaft wirkt, bleibt fast stehen, weil es hinter jeder Ecke das Unheil spürt. Umso erfreuter ist Jonata, als sie den letzten, grauen Steinbau passiert.

Heil hat sie diese Herausforderung gemeistert. Mit verdoppelter Anstrengung marschiert sie weiter.

„Die Geister sind noch nicht erwacht, Ariano“, spricht sie ihrem Rappen Mut zu, nachdem sie stehen geblieben ist, sich umgedreht hat und nun seinen Hals kameradschaftlich abklopft.

Eine Sekunde später legt sie ihre Stirn gegen sein Bless. Die Anspannung ist recht groß gewesen, diesen verwunschenen Ort durchschreiten zu müssen. Im Kontakt zu ihrem Pferd fällt die Furcht von ihr ab.

Beim erneuten Umdrehen entdeckt sie auf einem Findling am Wegesrand einen Feuersalamander. Als sie ihn mit den Fingern antippt, stellt er sich tot und fällt wie ein Stück Holz vom Stein. Jonata weiß, der kleine verstellt sich, um nicht gefressen zu werden.

Salamander leben unter alten Baumstümpfen, in Mauerritzen sowie Felsvorsprüngen. Sie kommen bei Regen heraus, rekapituliert die junge Frau ihr Wissen. Intensiv schaut sie ins Dickicht des Waldes. Wenn es hier in der Nähe eine große Felswand gäbe, könnte sie vielleicht die Höhle finden, von der der Großvater berichtet hatte. Irgendwo zwischen den beiden Ronaccio-Dörfern soll sie liegen. Zwischen Ronaccio Superiore, dem höheren Ronaccio, und dem Ronaccio Inferiore, dem niederen.

Nach zwei Schleifen auf dem Eselpfad entdeckt sie die Klippen. Sie weicht von dem einzigen, schmalen Weg ab, der diese trostlosen Dörfer im Wald mit der Außenwelt verbindet. Eine halbe Stunde später findet sie die Höhle. Von vorne betrachtet, wirkt sie wie eine geöffnete Halbkugel. Aber wenn man in den Schatten hineintritt, erkennt man, wie sie sich trichterförmig ins Innere des Berges windet. Bis sich eine zweite, kleine Halle auftut. Die gerade noch mit etwas Licht von draußen versorgt wird.

Jonata entdeckt die Feuerstelle und beschließt augenblicklich, hier den Rest des Unwetters abzuwarten. Selbst, wenn sie erst am nächsten Morgen weiter reiten sollte.

Sie zieht ihren Rappen unter die Halbkugel, sattelt ihn ab, reibt ihn mit einem alten Tuch aus der Satteltasche trocken und bindet ein mitgebrachtes Seil an sein Zaumzeug an. Das andere Ende schlingt sie um einen jungen Baumstamm vor der Felswand. So kann das Pferd selber entscheiden, ob es draußen im Regen etwas Gras und Blätter fressen will oder unter dem trockenen Steindach auf sonnigere Zeiten wartet.

Selber entfacht sie im zweiten Saal ein Feuer. Jäger haben ein großes Vorratslager angelegt, an dem sich die junge Frau gerne bedient. Das Holz ist so trocken, dass es kaum qualmt. Nur hin und wieder beißt es Jonata in den Augen, wenn wirklich einmal blaue Rauchsäulen aus einem nicht ganz durchgetrockneten Stamm aufsteigen. Diese Rauchsäulen wandern ins Innere der Höhle. Die junge Frau ist erfahren genug, zu wissen, die Höhle muss dahinten ein Abzugsloch haben.

Als sie am Feuer steht und hofft, ihre pitschnassen Kleider trocknen zu können, kommt ihr eine Idee. Sie holt ein zweites Seil aus der Satteltasche. Über verschiedene Felsnasen schlingt sie das Tau, um eine Leine zu ziehen. Neben dem Feuer, damit ja nicht die Hose oder die Bluse ins Feuer fallen kann, sollte sich eine Schlaufe lösen.

Nur noch mit ihrer weißen Unterwäsche bekleidet schaut sie zu, wie der Wasserdunst aus ihren Klamotten steigt. Selber wärmt sie ihren Körper an der anderen Seite des Feuers. Mit den Händen streift sie über den Stoff, der ihre Pobacken bedeckt. Ein wenig runder könnten sie langsam werden, sagt sie sich, als sie ihr Hinterteil von den Flammen wegdreht und die Vorderseite zum Trocknen bringt. Auf die Unterlippe gebissen, hebt sie ihre kleinen, spitzen Brüste an. „Zumindest ihr nimmt von Monat zu Monat zu, wenigstens etwas“, muntert sie lautstark ihre Schätze auf, weiter zu reifen, um der ganzen Dame mehr Weiblichkeit zu verleihen. Obwohl: Als Knabe hat sie noch nie jemand gesehen. Ihr sehr weiches, schönes Gesicht mit den schmal gezupften Augenbrauen, den von Natur aus langen Wimpern und den überaus breiten Lippen strahlt mit jeder Pore das Frausein aus.

Aus ihrer Wasserflasche nimmt Jonata den letzten Zug. Gedankenversunken stellt sie das leere Teil auf den Kopf, es kommt kein Tropfen heraus. Da registriert sie das Plätschern von Wasser.

Draußen, vor der Höhle, rinnt Wasser vom Felsen in einen kleinen Strahl zum Boden. Die junge Frau stellt ihre Flasche darunter und erfreut sich an dem Dahinrieseln des Wassers. Hinein in ihr Gefäß.

Da schnaubt plötzlich ihr Rappe. Ein Warnruf, der Jonatas Nackenhaare sich aufstellen lässt. Ein Blick zum Pferd signalisiert ihr, das Tier hat Angst. Kraftvoll zieht es an seinen Zügeln, aber das um den jungen Baum geschlungene Seit hält.

Welche Gefahr mag Ariano wittern? Bären? Wölfe?

Gerade will Jonata zu dem Tier eilen und es in die Höhle ziehen, da teilen sich am Rande der Lichtung zwei Äste. Intuitiv huscht die leichtbekleidete Frau in den Schatten der Höhle. Ihr Herz rast, ihre Augen sind weit aufgerissen: Aus dem Wald kommt ein Mann. Total mit Schlamm verdreckt, in einer arg verschlissenen Kleidung. Eigenartig langsam watschelt er zum Tier, das sich nun auf seine Hinterbeine stellt.

Jonata flitzt in die Höhle, zieht sich ihre klammen Klamotten an, zerrt einen fetten Ast aus den Flammen, benutzt ihn als Fackel, hat die Absicht, denselben auch als Waffe zu verwenden. Ihr Pferd soll der Schurke nicht klauen. Zu allem entschlossen, stürmt sie zum Eingang. Dort stockt ihr der Atem, der Arm mit der Waffe sinkt.

Sechs dieser komischen Männer haben den Rappen umringt. Zwei ziehen ihn an den Zügeln hinab, bis er auf den Vorderfüßen kniet. Am Waldrand stehen sechs Frauen und drei Kinder. Alle sind sie schmuddelig, haben zerzaustes Haar und irre lange Fingernägel. Gebannt starren sie auf das Treiben ihrer Männer.

Dort wuchtet sich gerade einer auf den Rücken des schwarzen Hengstes. Bäuchlings legt er sich ab, sein Kopf rutscht zum Hals. Rücksichtslos beißt er zu.

Ariano will sich aufbäumen, den Blutsauger abschütteln, aber die Kraft dieser Männer scheint um ein Vielfaches größer zu sein als bei normal Sterblichen.

„Untote!“, schreit es in Jonatas Hirn. Die Mären des Großvaters sind demnach wahr, der diesen Ort immer ehrfurchtsvoll „Zombie-Valley“ genannt hat.

Die zierliche Frau ist so geschockt, dass sie weder vor noch zurückkann. Mit Entsetzen muss sie zusehen, wie sich ein zweiter Zombie-Mann unter den Hals des Rappens stellt und die Halsschlagader durchbeißt.

Jonata fällt die Fackel aus der Hand. Schwach züngelt der Ast neben ihrem dicken Wanderschuh weiter. Intuitiv weicht die junge Frau zurück. Langsam. Trotzdem kann sie den Blick nicht von dem Grauen wenden. Ihr Rappe ist noch nicht gänzlich tot, da beginnen die Männer, ihn aufzuessen. Die Frauen und Kinder dürfen noch nicht an das Fleisch. Respektvoll warten sie in der zweiten Reihe. Zwei Recken nehmen sich ein großes Stück aus dem Bauch und ziehen sich auf einen Wink des Anführers hin zurück. Das ist genug für die Frau mit dem langen, braunen Haar. Endlich gehorchen die Beine wieder ihrem Kopf.

Am Feuer angekommen, nimmt sie sich einen neuen brennenden Ast. Sie muss das Abzugsloch finden. Wenn es groß genug ist, kann sie hindurch schlüpfen. Falls nicht, werden diese Wesen kurzen Prozess mit ihr machen. Wer ein ganzes Pferd frisst, wird bei einer jungen, knackigen Frau erst recht auf den Geschmack kommen.

Den brennenden Ast als Fackel benutzt, schleicht Jonata tiefer ins Innere der Höhle. Stets darauf bedacht, keine losen Steine anzustupsen, die ihren Aufenthalt verraten könnten.

Sie entdeckt einen ansteigenden Pfad, ganz oben sieht sie ein kleines Loch. Grau fällt das wenige Licht des schwer mit Wolken verhangenen Tages in die Höhle. Und etwas Regen.

Lange, hohe Felsen erklimmt Jonata. Stück für Stück kommt sie der Rettung näher. Das letzte Drittel braucht sie nicht mehr zu kraxeln. Fast schon gemütlich kriecht sie auf allen Vieren Richtung Ausgang. In dem Moment, wo sie ihren Kopf hinausschiebt, wird sie jäh an den Haaren gepackt und mit einem Ruck herausgezogen. Es sind die Zwei Recken, die sich vorhin so schnell vom Festmahl entfernt haben.

Während der eine sie festhält, entkleidet der andere sie vollständig. Da helfen all ihr Strampeln und Zetern nicht. Beide Männer vergehen sich an ihr. Als der Zweite gerade auf ihrem Rücken klebt und sein dickes Rohr in ihren hinteren Eingang schiebt, kommen die vier anderen, ausgewachsenen Männer. Alle nehmen sie das Opfer hart her. Jonata hat permanent jedes ihrer drei Pforten gestopft. Im steten Wechsel. Schamlos missbrauchen die Männer sie. Immer wieder und wieder. Sie haben mächtig Spaß daran, die junge Frucht zu rupfen.

Die Verzweiflung der einsamen Frau ist grenzenlos. Gegen die Kraft der Männer hat sie keine Chance. Wehrlos muss sie sich schänden lassen. Körper und Seele sind eine einzige Pein. Und trotzdem glimmt der Funke trügerischer Hoffnung in ihr, die skrupellosen Männer mögen sie in Ruhe lassen, wenn sie mit ihr fertig sind.

Das Abschließen ihrer männlichen Begierde setzt nach und nach ein. Einer nach dem anderen schießt seinen Samen über ihren Körper - auf Bauch und Brust, Unterleib und Gesicht.

Zufrieden stehen die sechs um die junge Frau herum und grinsen sie von oben an. Jonata ist verdreckt mit deren Sperma sowie nasser Erde und grünen Farbspuren vom Gras, mit denen ihr Körper durch das Rumwälzen auf dem Boden angemalt worden ist.

Doch in ihrer Seele ist sie noch viel stärker verschmutzt. Wie soll sie nur mit diesem furchtbaren Erlebnis weiter existieren können, fragt sie sich, bevor sie in ein jämmerliches Schluchzen ausbricht.

Die Männer indes haben kein Mitgefühl. Vier starke Arme heben die Nackte hoch. Übergeben sie oberhalb ihrer Köpfe auf acht weitere Hände. Auf dem Rücken liegend, wird die zierliche Beute den Hang hinunter zur Sippe getragen. Hoch über den Häuptern, damit alle sie sehen können. Der Anführer stolziert vorweg, der Jüngste folgt der Gruppe in einem gebührenden Abstand, trägt die fein säuberlich zusammengelegte Kleidung. Ganz oben der weiße, nicht zusammen gefaltete Slip und ihr BH.

Ordnung muss halt sein. Auch unter diesen Barbaren, denkt Jonata mit einem sarkastischen Lächeln. Sie weiß nicht, dass die Zombies diesen fein säuberlich zusammengelegten Wäschestapel in der Kirche von Rimella auf den Altar legen werden. Als Danksagung an ihren Gott, ihnen so ein leckeres Mädchen geschenkt zu haben. Aber auch als Bittgesuch, so schnell wie möglich erneut ein so junges und knackiges Fleisch in das Tal der Verlorenen zu entsenden.

Jonata weiß, Widerstand ist zwecklos. Alles ist so schnell gegangen. Sie kann es noch gar nicht fassen. Heute Morgen ist die Welt noch in Ordnung gewesen, jetzt herrscht das Chaos pur. Und eine grausame Gewissheit wartet auf die junge und überaus hübsche Frau.

Lethargisch lässt Jonata sich vor der Höhle auf die nasse Erde legen. Aus einem Gebüsch kommen die Kinder herbei. Sie wischen sich mit ihren Handrücken über ihre blutverschmierten Münder. Da weiß Jonata, dort hinter den Stechpalmenbüschen liegt ihr Rappe. Oder das, was diese Zombies von ihm übriggelassen haben. Jetzt gieren diese abartigen Wesen nach einer besseren Speise, einem Menschenmädchen. Hungrig messen die Augen der Kinder ihren entkleideten Körper. Scheu wie Rehe schrecken sie zurück, als jemand aus der Höhle kommt. Jonata erkennt eine große Frau mit einem Bärenkopf auf dem eigenen Haupt: Die Wächterin der Riten. In ihrer Hand trägt sie eine lange, mit Runen verzierte Holzlanze. Zaubersprüche vor sich hin murmelnd, umtanzt sie die Liegende. Die Umherstehenden fallen in einen brummenden Singsang und klatschen rhythmisch in die Hände. Die Wächterin der Riten setzt die Spitze ihres Speeres an Jonatas Stirn. Sie schreibt einen Buchstaben oder ein geheimes Zeichen. In dieser Art wandert die Holzspitze weiter über den Körper. Über die Lippen, durch das Grübchen am Hals, über beide Brüste und den Bauch, durch den Schlitz ihrer auseinander gedrückten Beine, weiter über die Oberschenkel, bis zu den Füßen.

Von da aus geht die weise Frau zurück, bis die Speerspitze lange im Bauchnabel kreist. Jonata ahnt, was das zu bedeuten hat. Sie sieht die Aufregung im Gesicht der Wächterin, das kleine, hilflose Mädchen jetzt schlachten zu dürfen. Die alten Augen, die Jonata mustern, es kommt der wehrlos am Boden Liegenden vor, als würden Bürsten aus Nägeln über ihren Körper kratzen. Von ihrem kleinen Busen hinunter zum Bauch, über ihr Geschlecht zu den Oberschenkeln und zurück. All die Partien, wo fettes Fleisch an ihrem Leib hängt. Plötzlich mischt sich unter die Anspannung in den Gesichtszügen der Wächterin etwas wie Lust. Zeitgleich spürt Jonata, wie die Speerspitze fordernder in ihren kleinen Bauchnabel drückt. Dort will das Scheusal mich erlegen, stellt sie mit Schrecken fest.

Gnadenlos drückt die Wächterin mit der Spitze in Jonatas Fleisch. Dabei dreht sie die Spitze leicht hin und her. Unablässig mustert sie dabei die Mimik ihres Opfers. Sie genießt diesen Moment der grenzenlosen Macht. Und sie zögert das Abstechen heraus, um ihrer Sippe eine Show zu bieten. Als nähme sie eine heilige Handlung vor, wenn sie diese junge Frau töten würde.

Jonata wird in ihrer Panik fast verrückt. In einer Tour stellt sie sich vor, wie die Frau sich gleich auf den Speer stützen wird und derselbe langsam in ihren Bauch eindringt.

„Finish me!“ bettelt sie, weil sie die Anspannung nicht mehr aushält. Diesen großen Druck, der auf all ihren Nerven lastet, dass sie hier und jetzt als Speise einer Zombie-Horde zu fungieren hat.

„With pleasure“, antwortet die Wächterin der Riten, hebt die Lanze mit beiden Händen weit über ihren Kopf. Mit einem „Have a nice trip, darling“ rammt sie den Speer mitten in den Bauchnabel. Jonata bäumt sich unter einem bestialischen Schmerzensschrei auf. Sie spürt, wie das Holz in ihr Fleisch dringt, an der Wirbelsäule etwas umgelenkt wird, um auf ihrer Rückseite wieder herauszukommen und ihren Körper in dieser Art an den Boden zu nageln. Notwendig wäre das ihrer Meinung nach nicht mehr gewesen. Jonatas geistigen und körperlichen Kräfte sind sowieso erschöpft. Winselnd und jammernd erträgt sie die folgenden Schmerzen. Wenn sich Zähne in ihr Fleisch hauen und ein Stück herausreißen. Es sind nur die Erwachsenen, die sich auf dem Bauch liegend um ihre Speise gelegt haben. Zwei knabbern an je einer Schulter, zwei haben sich je eine ihrer kleinen Brüste vorgenommen, eine frisst das saftige Fleisch des Bauches, gleich neben der Lanze, zwei Münder kämpfen sich in ihren Oberschenkeln vorwärts, an jeder Hand und jedem Fuß erobern scharfe Zähne ihre zarten Glieder.

Von oben müsste es aussehen wie ein in die Länge gezogener Stern, denkt Jonata, als sie von diesen vielen Mündern langsam bei lebendigem Leibe verspeist wird. Und immer noch wollen innere Stimmen ihr vorgaukeln, sie würde die Realität verkennen. Das Schmatzen und Grunzen der Zombies käme nicht daher, dass sie das Fleisch von Jonata vertilgen, es wird eine ganz andere verzehrt.

„Von deinem Pferd haben wir das Fell übriggelassen“, hört Jonata die Worte der Wächterin der Riten wie durch Watte. Ihr Gehirn ist schon dabei, runter zu fahren. „Deine Haut, du süßes und schnuckeliges Ding, werden wir genauso wie dein Fleisch vertilgen. Bloß Haar und Knochen werden wir dem Wind übergeben.“

Der Wind. Jonata hört ihn über sich in den Bäumen rauschen. Zeitgleich mit dem Zanken der drei Kinder, die sich um ihr Muschelfleisch streiten. „Diese Delikatesse“, klärt die Wächterin der Riten das menschliche Opferlamm auf, „ist für die Jüngsten vorgesehen. Sehr viel mehr kriegen sie in ihre kleinen Bäuche nicht mehr rein, nachdem sie so viel von deinem Rappen gemampft haben.“

Jonata spürt die kleinen Zähnchen an ihren Schamlippen. „Ich träume, ich träume“, hofft sie dem schaurigen Schicksal entgehen zu können. Leider klingelt kein Wecker. Nur der brennende Schmerz in ihrem Unterleib, wenn einer dieser kleinen Münder wieder ein Stück Fleisch aus ihrem Geschlecht herausgerissen hat.

Zehn Minuten später trennt sich ihre Seele von ihrem Körper und entschwebt mit dem Wind, der durch die Baumkronen säuselt.