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Beste Freude und ein Leben im Chaos

Klara Voß

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind

zufällig und nicht beabsichtigt.

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www.papierfresserchen.de

info@papierfresserchen.de

© 2015 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

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Alle Rechte vorbehalten.

Erstauflage 2015

Titelbild: © Sven Roth

ISBN Taschenbuch: 978-3-86196-481-0

ISBN E-Book: 978-3-96074-209-8

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Inhalt

Eine neue Überraschung

Böse Entdeckung hinterm Busch

Was ist mit Toni los?

Nur Streit

Die Wahrheit

Tonis Rache

Jungs sind blöd

Treffen?

Ein wunderschöner Nachmittag

Einkaufen!

Ich bin ein Star, holt mich hier raus!

Komm zu uns in den Feen-Club

Der zweite Streit

Das Casting

Zwei Jungs sind einer zu viel

Wie in warmer Schokolade

Scheinwerfer und ein Tritt daneben

Shoppingtour und Wette

Mathebuch und Unfall

Die Party

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Dieses Buch ist für meine allerbesten Freundinnen.

Also danke an Lotte, Milla, Saskia, Jonna und Levi.

Die Personen in der Geschichte sind frei erfunden

und jegliche Ähnlichkeit wäre rein zufällig.

*

Eine neue Überraschung

Toni schwang sich auf ihr Fahrrad und düste los. Sie war spät dran, denn ihre Mutter hatte verschlafen. Heute kam doch ein neues Mädchen zu ihr in die Klasse. Da musste man pünktlich sein. „Hoffentlich ist sie nett“, dachte Toni und legte noch einen Zahn zu.

Toni hieß eigentlich Antonia. Antonia Behnke, um genau zu sein. Sie lebte mit ihrem 18-jährigen Bruder Theo, ihrer Mutter und ihrem Vater in einem großen, schönen Haus. Außerdem konnte sie sehr gut tanzen. Aber am liebsten traf sie sich mit ihren drei besten Freundinnen: Nele Rosenau, Hannah Jakobsen und Jette Albrecht. Die vier kannten sich seit Kindertagen und waren unzertrennlich. Auf der neuen Schule hatten sie schon viel Spannendes erlebt und durchgemacht, doch nach den Sommerferien waren sie in die siebte Klasse gekommen und wer sagt, dass alles einfacher wird, wenn man in der Siebten ist?

Außer Atem kam Toni an. Sie schloss ihr Fahrrad an einen kleinen Baum auf dem Schulhof, da die ganzen Fahrradbügel mit anderen Bikes voll waren. „Warum die Neue wohl erst eine Woche nach Schulbeginn kommt?“, dachte sie und flitzte die Treppen zur Schule hoch.

Es war eine schöne Schule mit vielen Bäumen, einem Fußballfeld, Basketballkörben und einigen Tischtennisplatten. In dem Gebäude schlängelten sich unzählige Gänge und Flure.

Endlich erreichte sie ihr Klassenzimmer im zweiten Stock. Dort sah man eine bunte Tür mit vielen Bildern und Buchstaben. Das war das Klassenzimmer der 7c. Toni riss die Tür auf und drei Mädchen fielen ihr in die Arme.

„Endlich bist du da“, schnaufte Jette.

„Wir haben ganze zehn Minuten auf dich gewartet“, trompetete Hannah.

„Sorry“, sagte Toni und reckte ihren Hals. „Ist die Neue schon da?“, wollte sie wissen.

„Ja, und die ist echt total arrogant und zickig.“ Nele zog eine Augenbraue in die Höhe. Das tat sie immer, wenn ihr etwas nicht gefiel.

Toni drängte sich zwischen ihren Klassenkameraden hindurch, die sich in einem Kreis aufgestellt hatten, bis sie endlich etwas sehen konnte. Dort stand ein Mädchen mit blonden offenen Haaren, einem eng anliegenden weißen Kleid und goldenen Ballerinas.

„Hallo, ich heiße Antonia. Nenn mich einfach Toni! Ist viel einfacher. Du musst die Neue sein, oder?“, fragte Toni und lächelte das Mädchen an.

„Ich heiße Fanny“, knurrte sie und starrte auf ihre blau lackierten Fingernägel. Toni schnitt eine Grimasse. Warum war sie denn so zickig?

„Ist alles okay bei dir?“, fragte Toni deshalb. Fanny schaute auf und verengte ihre Augen.

„War das eine ernsthafte Frage?“, fragte sie spitz.

„Ja, also nein, na ja, doch.“ Toni rettete sich mit einem verlegenen Grinsen.

„Hör auf, Toni hier so anzumachen!“, mischte sich Hannah ein und legte schützend einen Arm um ihre Freundin.

„Boah Hannah. Hör auf, hier reinzureden! Kümmere dich um deine Angelegenheiten!“, motzte Fanny in einem Ton, der Toni den Atem raubte.

„Kannst du mal deinen Mund halten? Ich finde, dass das genauso unsere wie auch deine Angelegenheit ist!“, kam nun auch Jette zu Hilfe.

„Habt ihr nicht andere Probleme? Müsst ihr euch hier so aufführen?“ Fanny beugte sich zu Toni und rümpfte ihre Nase. „Waschen oder so?“, quiekte sie und lachte leise.

„Ich hab mich gestern Abend erst gewaschen“, beschwerte sich Toni und roch an ihrem Schal. Vielleicht stank sie ja wirklich so.

„Ist ja auch egal. Macht Platz, ich möchte hier durch! Mit euch Stinkis möchte ich lieber nichts zu tun haben! Sonst wird gleich der gute Ruf ruiniert! Kommt, Melissa und Nicke, wir gehen!“, kommandierte Fanny. Die beiden hakten sich bei ihr ein und zusammen gingen sie hinaus.

Toni kochte vor Wut und ballte ihre Faust. „So eine blöde Zicke!“, flüsterte sie Nele ins Ohr.

Ein Räuspern ließ die vier hochschrecken. Herr Schülzer stand in der Tür und runzelte leicht die Stirn.

„Was schaut ihr denn so? Auf eure Plätze, aber ein bisschen dalli!“, sagte er und ließ seine schwere Aktentasche auf das Pult krachen. „Wir haben eine Neue! Ihr Name ist Fanny. Seid nett zu ihr und so weiter.“

Stöhnend ließ sich Toni auf ihren Stuhl fallen. Was hatte diese Fanny bloß? War sie vielleicht doch nicht so nett zu ihr gewesen? Seufzend holte sie ihre Mathesachen aus der Tasche und schlug ihre Hausaufgaben auf. Eine Woche hatten sie erst Schule, aber es kam ihr vor wie drei Jahre. Außerdem sollten sie nächste Woche bereits eine Arbeit in Mathe schreiben. Schlimmer konnte es wohl kaum werden. Auch die anderen schienen sich nicht gerade über die Neue zu freuen, was Toni mit einem Seitenblick auf ihre Freundinnen bemerkte. Nele ballte die Faust und grinste Toni fies an. Hannah war mal wieder ganz woanders, nämlich bei Mathe, wo Toni eigentlich auch hätte sein sollen. Nur Jette wiegte sich hin und her und grinste selig.

„Kommst du mal bitte an die Tafel, Jette?“, meinte da gerade Herr Schülzer.

„Äh, was?“ Jette schaute auf.

„Du sollst die Aufgabe lösen, Kind, und nicht träumen!“, sagte Herr Schülzer streng. Jette wurde rot und stand auf. Sie straffte ihre Schultern und atmete tief durch.

„Die Lösung ist 165 Zentimeter“, zischte Hannah, als Jette an ihr vorbei zur Tafel lief.

Jette kritzelte das Ergebnis an die Tafel.

„Falsch!“, grinste Herr Schülzer.

„Nein, das kann nicht sein!“ Sie schüttelte den Kopf und schaute fragend zu Hannah.

„Doch, es ist aber falsch“, grunzte Herr Schülzer.

„Aber Hannah hat doch gesagt ...“

„Hannah hat nichts gesagt!“ Herr Schülzer war am Ende und bat Jette, auf ihren Platz zu gehen.

Im Vorbeigehen funkelte sie Hannah giftig an. „Blöde!“, zischte sie.

Da fing Fanny laut zu lachen an. „Das ist doch das Einfachste der Welt“, sagte sie triumphierend.

„Dann mach du das doch besser!“, rief Hannah und grinste Jette an.

„Super Idee, Hannah. Fanny, komm doch nach vorne und löse gleich die nächste Aufgabe, wenn du das so einfach findest!“, sagte Herr Schülzer und klatschte in die Hände.

„Aber, aber ich kann nicht ...“, stotterte Fanny.

„Gut, dass du das mal betonst!“, lachte Nele. Gelächter brandete in der Klasse auf und sogar der strenge Herr Schülzer konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Die Mädchen klatschten sich ab und grinsten.

„Eins zu null für uns!“, freute sich Jette. Sie stand an dem Stammplatz der Mädchen, einem großen Baum, der den Schulhof von der Straße trennte, und freute sich. Natürlich hatte Fanny bei der Matheaufgabe versagt. Den Rest der Stunde hatten sie mit schwierigen Aufgaben verbracht. Als es zur Pause geklingelt hatte, stöhnten die meisten Schüler erleichtert auf. Im Klassenraum war es stickig geworden, da die Sonne direkt in die Fenster schien und die Köpfe der Schüler von der ganzen Rechnerei angefangen hatten zu rauchen.

„Ja, das war super“, schmatzte Toni, die gerade ihr Sandwich aß.

„Aber warum hast du mir die falsche Lösung gesagt?“, fragte Jette Hannah.

„Die war richtig, ich schwöre es. Ich habe sie sogar mit dem Handy nachgerechnet!“, verteidigte sich Hannah.

„Dann sind dein Handy und dein Gehirn Schrott! Herr Schülzer weiß ja wohl, was er für Aufgaben stellt und welche nicht. Er hat sein Mathestudium mit 1,0 geschafft!“, meckerte Jette und schaute grimmig.

„Es tut mir leid. Ich machʼs auch wieder gut!“, sagte Hannah und nahm Jette in den Arm.

„Entschuldigung angenommen!“, lachte Jette.

„Och Mann. Könnt ihr euch nicht länger streiten?“, fragte Nele und schaute sie traurig an.

„Du bist so süß!“, neckte Jette sie. Nele hasste es, süß zu sein und alles, was damit zusammenhing. Hannah strubbelte Nele durchs Haar, die sich dagegen mit einer Faust wehrte.

„Hallo!“, erklang eine Stimme hinter ihnen.

„Was willst du denn hier, Fanny?“, fragte Jette mit zusammengekniffenen Augen. Fanny stand zwischen den zwei Möchtegernzicken Melissa und Nicke.

„Das war echt dumm von euch“, keifte Nicke mit einem Seitenblick auf Fanny. Die nickte.

„Also passt auf! Die Rache ist mein. Der Krieg hat begonnen!“ Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und marschierte zur Mädchentoilette, gefolgt von Melissa und Nicke, die bei Fannys großen Schritten fast nicht hinterherkamen.

„Was habe ich für eine Angst!“, kreischte Hannah und zog die Augenbrauen hoch.

„So was von kindisch“, bemerkte Nele.

„Vor dir hat noch nicht mal eine Fliege Angst. Was sollst du denn schon ausrichten können, hä?“, schrie Jette ihr hinterher.

Nur Toni hatte die ganze Zeit nichts gesagt. Irgendwas war komisch an Fanny. Auch wenn sie ziemlich blöd und selbstverliebt war, irgendwie machte sie ihr Angst. Toni glaubte ihr. „Sie meint das ernst. Ich spüre es. Wir müssen uns in Acht nehmen!“, erklärte sie mit gedämpfter Stimme.

„So ein Quatsch. Die will uns doch nur Angst machen“, meinte Hannah.

„Und bei dir schafft sie es auch noch! Ach Toni, und wenn schon. Will die uns nachts einen Schrecken einjagen oder vielleicht ein Pupskissen auf unsere Stühle legen?“, zählte Nele auf und grinste schief.

Es gongte und Jette, Nele und Hannah hakten sich beieinander ein und marschierten zum Eingang. Toni blieb zurück und dachte angestrengt nach. Ja, vielleicht hatten die Mädchen recht. Fanny konnte ja nichts Schlimmes anrichten. Da winkte ihr Schwarm Paul ihr zu und die beiden gingen zusammen ins Schulgebäude zurück. Wie er sie anstrahlte. Oh Mann, war Toni verliebt! Schon war Fanny vergessen.

*

Böse Entdeckung hinterm Busch

Es war kurz nach vier, als Toni mit ihrem Fahrrad in die Straße zu dem Lieblingscafé der Mädels einbog. Sie sah ihre drei Freundinnen schon gelangweilt vor dem Café stehen. „Ziemlich cool sehen sie aus“, dachte Toni.

Nele hatte ihre blonden, langen Haare zu einem Zopf zusammengebunden. Sie trug eine schwarze Jogginghose und ihr Lieblings-T-Shirt. Dieses T-Shirt trug sie jeden zweiten Tag. Es war pink mit der Aufschrift SWAG. Eigentlich hasste Nele Pink. Immer wenn man sie fragte: „Warum trägst du ein rosa T-Shirt?“, antwortete sie: „Das ist nicht rosa, das ist neonrot.“ Im Augenblick starrte sie zu einem Pärchen, das knutschend an einer Hauswand lehnte.

Hannah hatte ihre kürzeren braunen Haare mit Spangen hochgeklemmt. Sie trug eine lilafarbene Jogginghose, blaue Turnschuhe und eine pinke Jacke. Lila, Pink und Blau waren ihre Lieblingsfarben. Dazu hörte sie über ihren iPod Musik und tanzte ein bisschen.

Jette hatte die schönsten Haare von allen. Sie waren hellblond und lockig. Meistens, so wie heute, trug sie ihre Haare offen. Dazu trug sie ein schwarzes Top und eine lila Jacke. Sie tippte wild auf ihrem Handy. Wahrscheinlich schrieb sie wieder mit Henrie, ihrem Freund. Seit die Freundinnen auf das Gymnasium gingen, fand Jette Henrie bezaubernd. Sie textete ihre Freundinnen mit seinen Augen, seinem Style und seinem Charme zu. Irgendwann, vor einem halben Jahr, war Schluss mit dem Quatsch gewesen.

Toni ging missmutig zu Henrie rüber, der in einer großen Gruppe Jungs stand, und erklärte die Lage. Natürlich war Henrie auch schon die ganze Zeit in Jette verschossen gewesen und hatte seine Freunde ebenfalls mit so einem Blödsinn zugetextet. Toni erhielt großen Applaus und verliebte sich in den besten Freund von Henrie. Sie fand, dass er viel cooler war als Jettes Verehrer, doch die anderen Mädels fanden das nicht. Aber das ist eine andere Geschichte. Jette und Henrie hatten sich oft wegen des kleinsten Pups’ gestritten und wieder versöhnt. Jetzt sah es so aus, als ob sie sich wieder streiten würden.

„Na“, keuchte Toni in die Runde, als sie mit quietschenden Reifen am Café hielt.

„Mann, Antonia, jetzt komm doch einmal pünktlich, ja?!“, meckerte Jette. Toni hatte leider die Eigenschaft, zu spät zu kommen.

„Du hörst dich ja an wie meine Mutter!“, sagte Hannah und begrüßte Toni.

„Na, jetzt aber los. Ich habe keinen Bock, von Miss Maria Ärger zu bekommen!“, scheuchte Jette die Mädchen auf. Sie steckte ihr Handy in die Tasche und stieg auf ihr Fahrrad. „Kommst du, Nele?“, fragte Jette ungeduldig.

„Bäh, ist das ekelhaft“, meinte Nele und zeigte angewidert auf das Pärchen, das knutschend an der Hauswand lehnte.

„Dann musst du dir das doch nicht die ganze Zeit ansehen!“ Jette zog Nele mit sich.

„Ich hoffe, das machst du nie so mit Henrie. Davon muss man doch kotzen, wenn der einem die Zunge bis zum Magen in den Mund schiebt.“ Nele kassierte einen Tritt von Jette, die daraufhin rot wurde. Toni und Hannah prusteten los. Nele stieg in das Gelächter mit ein und dann auch die tomatenrote Jette.

Sie fuhren am Lindenweg über die große Kreuzung und dann in die Wutterstraße. Am Ende der Wutterstraße stach ein großes weißes Gebäude aus den umliegenden kleinen Häusern heraus. Es war die Tanzschule POWER. Dort gab es alles, was man sich vorstellen konnte: Ballett, Jazz, Hip-Hop und vieles mehr. Sie war berühmt dafür, gute Tänzer hervorzubringen. Blou Ol hatte hier getanzt oder Jake Loke. Die beiden waren sehr gute Tänzer und begeisterten alle Leute mit ihren Schritten. Oft fanden hier Tanzbattles statt. Daher war das Tanzstudio immer auf Hochglanz poliert. Die Mädchen hatten sich fest vorgenommen, dort viel zu lernen und später einmal mit Tanzen ihr Geld zu verdienen. Aber jetzt fuhren sie erst mal zu den Fahrradständern, die auf der anderen Seite des Tanzstudios lagen.

„Beeilt euch, sonst kommen wir zu spät!“, rief Hannah den anderen zu und lief schon mal Richtung Eingang.

„Jetzt warte mal. Wir haben noch Zeit. Hetz dich nicht so“, sagte Toni und kettete seelenruhig ihr Fahrrad an.

„Wir haben noch fünf Minuten. Das nennst du Zeit?“, keuchte Jette und rannte hinter Hannah her.

Toni schüttelte den Kopf. „Mein Gott“, stöhnte sie in Richtung Nele. „Die haben ja Stress.“ Niemand antwortete. „Nele?“, fragte Toni und drehte sich um. Da war niemand. Nele war anscheinend schon mit den anderen reingerannt. „Jetzt rede ich schon mit mir selbst“, grinste Toni, nahm ihre Tasche aus dem Gepäckträger und schlurfte zum Eingang. Plötzlich hörte sie ein bekanntes Lachen. Es klang hoch und schrill. „Fanny“, schoss es Toni durch den Kopf und sie versteckte sich hinter einer Hecke. Durch ihre Handykamera suchte sie die Straße ab. Da lief Fanny in pinkfarbener Sportkleidung die Straße hinauf. Aber nicht alleine. Neben Fanny lief ein blonder Junge. „Und deswegen versteckst du dich hinter einer Hecke?“, fragte sich Toni. Sie wollte gerade aus ihrer Deckung kommen, als sie die Stimme des Jungen hörte. Toni zitterte am ganzen Körper. Sie kannte die Stimme zu gut. Sie gehörte zu Henrie, dem Freund von Jette. Was wollte der von Fanny? Toni war ganz angespannt und lauschte dem Gespräch der beiden, die sich einen halben Meter von Tonis Versteck entfernt hingestellt hatten.

„Danke, dass du mich begleitet hast“, sagte Fanny und nahm Henries Hand.

„Zeig es ihr. Mach sie fertig, Henrie. Dein Herz gehört Jette“, dachte Toni und freute sich auf das Gesicht von Fanny, wenn Henrie gleich die Hand wegziehen und Fanny sagen würde, dass sie superhässlich, arrogant und zickig sei und er eine wunderschöne, nette und tolle Freundin hätte.

„Es war mir eine Ehre“, meinte Henrie mit leiser Stimme. Er nahm nun auch die andere Hand von Fanny und schaute ihr tief in die Augen. Toni hatte schweißnasse Hände und klammerte sich an ihr Handy. Sie drückte auf den Auslöser ihrer Handykamera und filmte die Szene.

„Henrie?“, sagte Fanny mit genauso leiser Stimme. „Ich habe mich ... in dich verliebt.“

Toni hielt den Atem an. „Henrie, zeigʼs ihr!“, dachte sie.

„Ich ...“ Henrie schloss den Mund, sprach aber gleich weiter. „Ich ... habe mich auch in dich verliebt.“

Toni hatte das Gefühl, als ob sich ein dicker Kloß in ihrem Hals breitmachte. Sie schluckte und schloss die Augen. „Ruhig!“, sagte sie zu sich selber. Als sie die Augen wieder öffnete, war keiner zu sehen. Toni sah sich um. „Was? Habe ich eben geschlafen oder ... hä? Wo ist Henrie und wo ist Fanny? Habe ich Neutromie, oder wie das auch immer heißt, wenn Bergsteiger oben auf dem Berg ankommen?“, murmelte sie und richtete sich auf. Ihr Handy filmte noch. Sie drückte es aus und steckte es in ihre Tasche. Irrte sie sich oder hatte sie da gerade Henrie um die Ecke rennen sehen? Mist, wie sollte sie das nur Jette beibringen?

*

Was ist mit Toni los?

Keuchend kam Toni in den Saal gestürmt. Dabei hatten die anderen schon lange angefangen. „Toni! Warum so spät?“, fragte Miss Maria, die Tanzlehrerin der Hip-Hop-Gruppe. Ihre braun-grauen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Auf ihrer Nase saß eine viel zu große, runde Brille.

„Entschuldigung!“, nuschelte Toni und wurde rot. Alle sahen sie an. Wie peinlich.

„Ist was passiert?“, fragte Jette und sah Toni an.

„Geht es dir gut? Du siehst ganz blass aus.“ Hannah kam und nahm Toni in den Arm.

„Was soll schon passiert sein?“, meldete sich Leonie zu Wort. Sie war klein und dünn, tanzte aber wie eine Göttin. Sie war eine gute Freundin der Mädchen und ging in ihre Klasse.

„Jetzt sag doch mal was!“, befahl Nele.

„Ich ... äh ... ich ... ähm, war nur kurz auf dem Klo“, stotterte Toni und schlich schnell auf ihren Platz.

„Da stimmt doch was nicht. Warum warst du so lange auf dem Klo?“, wollte Hannah wissen. Toni blieb stumm. Sie schüttelte sich und versuchte, sich aufs Tanzen zu konzentrieren.

„Hast du schon Fanny gesehen? Die meinte am Anfang, dass sie schon sehr lange tanzt und voll gut darin ist, aber sieh sie dir an, so was von schlecht!“, grinste Jette und drehte sich zu Fanny um, die über ihre eigenen Füße stolperte. „Sie könnte einem fast leidtun. Wir sollten ihr eine zweite Chance geben. Wenn ich die Neue wäre, dann hätte ich mich wahrscheinlich auch so verhalten“, sagte Jette und lächelte Fanny zu, die sich den Fuß hielt und kicherte.

Toni stockte. Hatte sie richtig gehört? Sie sollten Fanny eine zweite Chance geben?

„Antonia, jetzt konzentriere dich mal! Was ist denn los mit dir? Wir haben bald einen Auftritt an eurer Schule, da willst du dich doch nicht blamieren. Und hör auf, Jette abzulenken!“