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Impressum
© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-042-8
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Jan J. Moreno

Die Insel der ewigen Jugend

Die Crew der Nao hat Unglaubliches erlebt

Die Morgensonne warf lange Schatten über die schroffen Hänge von Tortuga.

Noch lagen die eng an den Fels gebauten Hütten und Häuser in Dunkelheit. Der beginnende Tag atmete jene friedvolle Stille, die leider nie sehr lange anhielt.

Irgendwo krähte ein Hahn, Hunde balgten sich kläffend um einen Knochen.

Für Antonio Lara waren diese Laute und das leise Knarren der Tür zu seinem Schlafgemach die letzten seines Lebens.

Instinktiv griff er nach der Pistole, die stets geladen neben ihm lag.

Im selben Moment erkannte er Morak, seinen Diener, und ließ sich erleichtert in die Decken zurücksinken.

Ein Dolch blitzte auf.

Antonio Lara schaffte es nicht mehr, sich zur Wehr zu setzen. Ein scharfer, stechender Schmerz raste durch seinen Brustkorb und erstickte seinen Aufschrei.

Warum? war sein einziger Gedanke. Danach umfing ihn Finsternis.

Für immer.

Die Hauptpersonen des Romans:

Morak – ermordet seinen geizigen Brotherrn, um sich mit dessen Geld die ewige Jugend zu erkaufen.

Amador Olego – war früher einmal spanischer Beamter, aber in der Karibik unter Gaunern und Dirnen gefällt es ihm besser.

Morena Mahon – das üppige Weib verdreht auf Tortuga den Kerlen die Köpfe, aber zur Zeit ist Olego ihr Liebhaber.

Mars Anthony – der sonst so kühle Kaufherr verliert den Durchblick, als er von der Insel der ewigen Jugend hört.

Cearn O’Reary – der Kapitän der Nao heckt ein ganz übles Ding aus – und die meisten gehen ihm auf den Leim.

Philip Hasard Killigrew – der Seewolf und seine Mannen lassen sich nicht aufs Kreuz legen und finden etwas heraus.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Morak empfand wenig dabei, als er seinem langjährigen Brotherrn fünf Inches geschliffenen Stahl ins Herz trieb. Oft genug hatte er mit dem Gedanken gespielt, aber nie die Hand wirklich gegen den reichen Lara erhoben, dessen Doppelleben wohl niemand außer ihm kannte.

Lara trieb gleichermaßen einträgliche Geschäfte mit Spaniern und Freibeutern – er hatte sie getrieben, mußte es besser heißen. Jetzt nutzte ihm sein Reichtum nichts mehr.

Zögernd löste Morak die Finger vom Knauf des Dolches. Blut sickerte aus der Wunde.

„Herr, sei ihm gnädig – und vergib mir meine Schuld“, murmelte der Diener. „Du weißt, freiwillig hätte er nie etwas von seinem Geld rausgerückt. Aber nun braucht er es nicht mehr.“ Vorsichtig, als empfände er plötzlich Furcht vor dem Toten, drückte er ihm die Augen zu.

Lara schien zu schlafen, feist und ölig wie immer.

Der Blutfleck wuchs. Morak begann deshalb, den Leichnam in die Decken einzuwickeln und von den Füßen her zu verschnüren. Eine nie gekannte innere Unruhe zwang ihn dazu, aufzusehen. Genau in dem Moment öffnete der Kaufmann die Augen.

Morak schrie auf. Seine erste Regung war, den Dolch aus der Wunde zu ziehen und erneut zuzustechen, wieder und wieder, bis sein Opfer sich nicht mehr muckste. Doch er brachte dazu nicht die nötige Kraft auf. Mit hängenden Schultern stand er da, und langsam gewann ein vernünftiges Denken die Oberhand. Niemand konnte mit einer Klinge im Herzen leben, Lara blickte ihn nur deshalb aus gebrochenen Augen an, weil die Totenstarre noch nicht eingetreten war.

Eine plötzliche Übelkeit drohte Morak zu überwältigen. Krampfhaft kämpfte er dagegen an, doch das von seinem Magen ausgehende flaue Gefühl blieb.

Würgend wandte er sich ab und verließ beinahe fluchtartig das Schlafgemach.

Draußen übergab er sich. Aber nur Galle stieg in ihm hoch, denn an diesem Morgen hatte er noch nichts gegessen. Nachdem er von der im Hafen liegenden Nao geflohen war, hatte er an nichts anderes mehr denken können, als sich die ewige Jugend zu erkaufen. Dazu brauchte er Geld, viel Geld, das er nicht besaß.

Morak taumelte zum nächsten Fenster, riß beide Flügel auf und sog die kühle Morgenluft in seine Lungen. Auch der fehlende Schlaf setzte ihm zu, hingegen nicht mehr so sehr der leichte Rausch vom vergangenen Abend.

Im Suff hatten drei Männer der Nao-Crew von einer Insel der ewigen Jugend gesprochen. Er war ihnen auf ihr Schiff gefolgt und prompt geschnappt worden. Während er in der Vorpiek schmorte, war er auf die Idee verfallen, die Unsterblichkeit zu kaufen. Antonio Lara, der feiste Pfeffersack, hatte ohnehin viel zuviel Geld, mit dem er nichts anzufangen wußte.

Noch einmal atmete Morak tief durch. Er lehnte am schmalen Fenstersims und blickte zum Hafen hinunter. Nur zwei große Schiffe lagen an den Stegen: die schlanke Schebecke, die Philip Hasard Killigrew und seinen Arwenacks gehörte, und die Nao, jener kaum noch seetaugliche Zweimaster, der, so schien es, aus der Vergangenheit nach Tortuga gesegelt war. Anno 1396 sollte das heute nahezu abgetakelte Schiff in See gegangen sein. Das allein wäre weiß Gott nicht verwunderlich gewesen, nachdenklich stimmte nur, daß mittlerweile das Jahr 1598 seinem Ende entgegenging.

Auf dem Absatz wandte Morak sich um. Eine seltsame Unruhe hatte ihn erfaßt, er fror und schwitzte zugleich, und seine Hände zitterten. Das an den Fingern klebende Blut war nicht gerade dazu angetan, seine Stimmung zu bessern.

„Verdammt!“ sagte er inbrünstig.

Er mußte sein Gewissen beruhigen – das erwiesenermaßen beste Mittel war, den Rest von Anstand unter den Tisch zu saufen. Also wandte er sich dem Arbeitszimmer des Verblichenen zu. Die verschlossene Tür hielt seinen wütenden Fußtritten nicht lange stand. Zielstrebig wandte er sich dem Stehpult zu, hinter dem sich Lara oft zu verschanzen pflegte, wenn er Geschäftigkeit vortäuschte.

Das aufgeschlagene Geschäftsbuch war obligatorisch, die letzte Eintragung datierte allerdings vom Februar. Tortuga war gewiß nicht der Ort, wo Handelsabschlüsse mit Tinte und Federkiel sorgfältig aufgezeichnet wurden. Morak interessierte sich auch mehr für das Fach mit der Klapptür. Er fand eine halbvolle Rumkaraffe. Die wertvollen Kristallgläser ließ er unbeachtet – sie waren für Leute mit feinen Manieren geschaffen und dementsprechend selten benutzt worden.

Der Rum wirkte aufmunternd. Morak trank, ohne abzusetzen, bis ihm Tränen in die Augen traten. Danach war die Karaffe fast leer, aber er fühlte sich merklich wohler. Der Anblick des reglosen Kaufmanns berührte ihn kaum noch.

„Nun lachst du nicht mehr über mich“, murmelte er. „Alles hängt eben von den Umständen ab.“ Vor vier oder fünf Tagen hatte Lara ihn wegen eines dürren Gockels verspottet, weil er nicht fähig gewesen war, dem schwindsüchtigen Federvieh den Hals umzudrehen.

Wohin mit dem Leichnam?

Morak gönnte sich den Rest des Rums. Anschließend wurde ihm klar, daß der Tote nicht im Haus bleiben durfte. Seine stumme Gegenwart würde unerträglich werden. Er mußte verschwinden, als hätte er nie gelebt.

Die Totenrutsche fiel Morak ein, jene Steilkippe westlich des Hafens, die mit einer glattgeschliffenen, mehr als körperbreiten Rinne versehen war. Sie führte schnurstracks ins Meer, den messerscharfen Zähnen freßgieriger Haie entgegen. Auf Tortuga war es üblich, die Toten dem nassen Element zu übergeben, niemand nahm an den unersättlichen Meeresräubern Anstoß.

Den Leichnam vom Bett herunterzuwuchten und quer durch das große Schlafzimmer zu schleifen, erwies sich als schweißtreibende Arbeit. Erstmals verstand Morak die tiefere Bedeutung des Wortes Pfeffersack, mit dem alle Kaufleute bedacht wurden. Nicht, weil sie fähig waren, jedermann beim Feilschen Tränen in die Augen zu treiben, wie dies eben nur scharfer Pfeffer vermag, sondern weil sie ganz einfach so schwer wie ein Sack voll Pfeffer waren. Zumindest für Antonio Lara traf das zu.

Kurz vor der Tür gab Morak auf. „Nicht weiter als bis hier“, stöhnte er. „Die Haie müssen eben hungern.“

Lara hatte ihn oft geschunden. Aber einmal war Schluß. Die Vorstellung, daß der Kaufmann von der Hölle aus zusah und sich womöglich zufrieden die Hände rieb, ernüchterte seinen Mörder.

Während der nächsten Stunde entwickelte er eine hektische Aktivität, durchwühlte sämtliche Schränke und Behältnisse, häufte Gold und Silberstücke an und schleppte Pulverfässer aus dem Keller herauf. Das Geld war sicher nur ein Bruchteil von dem, was der Pfeffersack insgesamt hinter Mauersteinen oder unter losen Dielenbrettern verborgen hatte, aber es genügte, um Morak für den Rest seines Lebens einen annehmbaren Wohlstand zu sichern.

Andererseits: warum sollte er in zwanzig oder dreißig Jahren den Löffel aus der Hand legen und womöglich selbst zum Futter für die Haie werden? An Bord der Nao stand ihm ein weitaus längeres Leben offen. Die Männer, von denen einige uralte rostige Rüstungen trugen, kannten die Position der Insel der ewigen Jugend.

Zwei prall gefüllte Geldsäckchen stellten Moraks reiche Beute dar. Zufrieden befestigte er sie an seinem Gürtel und ließ sie innen in der Hose verschwinden. Denn übelwollende Menschen lauerten hinter jeder Ecke.

Anschließend begann er, die Pulverfässer zu verteilen. Er tat dies mehr oder weniger ziellos, wie es ihm gerade einfiel. Danach zog er zwischen den einzelnen Fässern Pulverspuren. Schade zwar um das schöne Haus, doch er brauchte es nicht.

Einen eisernen Kerzenhalter stellte er auf den Bretterboden im Flur, füllte ihn rundum mit Pulver an und legte zusätzlich mehrere Lunten, damit der Funke wirklich übersprang. Der Kerzenstummel ragte gerade eine Fingerbreite über das Pulver hinaus.

Noch nie hatte Morak einen Docht derart vorsichtig angesteckt wie diesmal.

Die Flamme brannte ruhig und gleichmäßig, als er das Haus verließ und den Weg zum Hafen wählte. Er hatte erwartet, daß sich das Leben auf Tortuga an diesem Morgen anders darstellte als sonst und blickte enttäuscht den Frauen nach, die mit ihren Eimern den beschwerlichen Weg zur Quelle gingen. Wußten sie noch nichts von der wundersamen Insel Tir Nan Og? Dabei war Morak nicht der einzige interessierte Zuhörer gewesen, der in Diegos Kneipe den drei Seeleuten von der Nao gelauscht hatte.

Er beschleunigte seine Schritte und hastete die Stufen zum Hafen hinunter. Auf dem Zweimaster wurde schon wieder gearbeitet.

Morak betrat gerade den Steg, als der Donner über die Bucht rollte.

Der nächste dröhnende Schlag folgte nur Augenblicke später.

Wohl jeder Bewohner von Tortuga glaubte zuerst an Schiffsgeschütze, die auf die Siedlung feuerten. Aber da waren keine spanischen Kriegsgaleonen, die mit ausgerannten Rohren in den Hafen einliefen.

Die dritte Explosion erschütterte das gemauerte Haus des Kaufmanns in seinen Grundfesten und ließ es einstürzen. Glut raste fauchend in die Höhe, gefolgt von einer schwarzen Qualmwolke, die sich wie ein Leichentuch ausbreitete. Im Umkreis von mehreren hundert Yards regneten Balkensplitter und Steintrümmer nieder. Vereinzelt flammten kleinere Brandnester auf, die aber in der üppigen, feuchten Vegetation kaum Nahrung fanden.

Lara hatte sein Haus ein wenig abseits auf einem Plateau errichtet, zwischen Bananenstauden und Weinstöcken. Die nächsten Holzhütten standen weit genug entfernt am Hang, um das Bombardement einigermaßen ungefährdet zu überstehen.

Niemand versuchte, den Brand zu löschen. Die verheerende Wucht der Explosionen hatte einen Trümmerhaufen hinterlassen, in dem es nichts mehr zu retten gab. Zu was also Ketten bilden und mit Eimern mühsam Wasser den Hang hinaufreichen?

Flüchtig schaute sich Morak um. Auf der Nao und auf der Schebecke verfolgten die Seeleute das Geschehen an Land. Die Arwenacks hatten in der ersten spontanen Reaktion sogar einige Geschütze ausgerannt.

Morak ging weiter auf die Nao zu.

„He!“ rief er. „Ich will mit dem Kapitän reden.“

Einer der Männer, die unermüdlich Werg in die Plankennähte stopften, wandte sich ihm zu. Sein Blick drückte Geringschätzigkeit aus. Ungefähr so musterte ein Fischer eine mickrige Sardine, ehe er sie wieder über Bord warf.

„Warum?“ fragte er.

„Das sage ich dem Kapitän selbst.“

„Verpiß dich!“

Morak dachte nicht daran. Er tat zwar, als kehre er um, warf sich dann aber herum und hastete die Stelling hinauf.

„Hast du nicht gehört?“ Der Bursche, der ihn so freundlich zum Verschwinden aufgefordert hatte, war im Begriff, den Kalfathammer zu werfen, ließ den erhobenen Arm samt Wurfgeschoß jedoch sinken, als oben auf der Kuhl eine in rostiges Eisen gekleidete Gestalt auftauchte.

„Was ist los?“ donnerte eine befehlsgewohnte Stimme.

„Ich will mit dem Kapitän reden“, sagte Morak.

„Na los!“

Hastig nestelte Morak eins der Geldsäckchen von seinem Gürtel und warf es dem Ritter hin. O’Reary – denn kein anderer trug eine solche Rüstung – fing es geschickt auf, öffnete es und blickte den Mann auf der Stelling fragend an.

„Ich denke, das genügt für die Überfahrt“, sagte Morak.

Der Kapitän fischte eine der Goldmünzen aus dem Säckchen, schob sie kurz zwischen die Zähne und ließ sie zurückfallen. Langsam zog er die Kordel wieder zu.

„Das ist zwar verlockend“, sagte er, „aber die ‚König Richard der Zweite‘ nimmt keine Passagiere an Bord.“

„Wieviel?“ Morak konnte hartnäckig sein, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. „Genügt die doppelte Summe?“

O’Rearys Gesichtsausdruck blieb unbewegt. Das Geld schien ihn wenig zu beeindrucken.

„Dafür können Sie bis zum Mond segeln“, sagte er. „Und für ein zweites Säckchen sogar zurück.“

„Ich will nach Tir Nan Og“, erklärte Morak.

Der Kapitän starrte ihn an, als könne er nicht glauben, was er eben gehört hatte.

„Hier! Nehmen Sie Ihr Gold! Ich bin nicht interessiert.“

Für Morak brach eine Welt zusammen. Hatte er gemordet und das Haus in Schutt und Asche gelegt, nur um eine derartige Abfuhr zu erhalten? Was, um alles in der Welt, bildete der Kapitän sich ein? Mit dem Geld hätte er sich ein Schiff kaufen können, aber statt dessen tat er, als hätte er lediglich besonders rund geschliffene Kiesel vor sich.

„Ich weiß, woher Sie stammen“, stieß Morak wütend hervor. „Entweder nehmen Sie mich an Bord, oder ich sorge dafür, daß jeder auf Tortuga die Wahrheit über Ihre Insel der ewigen Jugend erfährt. Was das bedeutet, dürfte Ihnen klar sein.“

„Ich bin an Ihrer Art zu handeln nicht interessiert“, erwiderte O’Reary schroff. „Hauen Sie ab, Mann!“

„Das wird Ihnen noch leid tun“, warnte Morak.

Der Kapitän ließ sich nicht verunsichern. „Das glaube ich kaum“, sagte er überaus bestimmt.

Hinter ihm erschienen jetzt mehrere seiner Männer und nahmen eine drohende Haltung ein. Zu allem Überfluß erkannten sie Morak. Zwei der bärtigen Gesellen erinnerten sich, daß sie ihn beim Herumschnüffeln auf der Nao ertappt und in die Vorpiek gesperrt hatten. Er tat das Klügste, was ihm unter den Umständen blieb: er suchte das Weite.

Auf der Pier schickten sich gerade der Schiffsausrüster und sein Gehilfe an, mehrere Ballen Segeltuch auf die Nao zu bringen.

„Du bist hier?“ sagte Mortondale verwundert. „Sollte dir tatsächlich entgangen sein, daß Laras Haus bis auf die Grundmauern niederbrennt?“

„Was sind schon Dinge wie Reichtum und Besitz?“ Morak lachte über die entgeisterte Miene des Schiffsausrüsters. „Der Kaufmann hat mich zur Nao geschickt, weil jeder der Burschen an Bord mindestens zweihundert Jahre alt ist.“

Sie kannten sich schon lange. Mortondale und Antonio Lara hatten oft Geschäfte miteinander getätigt, und Mortondale wußte folglich um die Ernsthaftigkeit des Kaufmanns. Dennoch sagte er verblüfft: „Du lügst. Kein Mensch kann so alt werden.“

„Und die Nao?“ fragte Morak.

Das war in der Tat ein Argument, dem der Schiffsausrüster sich schwerlich entziehen konnte. Hinter seiner Stirn begann es zu arbeiten. Er wollte noch etwas sagen, aber da eilte sein Gegenüber bereits davon.

Mortondale blickte seinen Gehilfen an, der blickte ihn an und dann starrten sie gemeinsam zur Nao hinüber. Der Zweimaster wirkte tatsächlich als entstamme er der Vergangenheit. Kolumbus’ „Santa Maria“ war eine Nao gewesen, allerdings ein Dreimaster, und selbst das lag über hundert Jahre zurück. So abwegig erschien Moraks Behauptung plötzlich gar nicht mehr.

„Möchtest du uralt werden?“ fragte Mortondale.

Der junge Bursche an seiner Seite zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht“, murmelte er. „Vielleicht.“

„Der Gedanke hat etwas Verlockendes. Wir sollten mit Kapitän O’Reary darüber sprechen.“

In Diegos Kneipe hatten sich am Abend vorher viele Gespräche um die seltsamen Burschen von der Nao gedreht, und am Morgen waren die Mutmaßungen von einigen unverwegten Zechern fortgesetzt worden – bis die Explosion nur wenige hundert Yards von der Kneipe entfernt Diegos Geschäft praktisch von einem Moment zum anderen lahmlegte.

Das erste Dröhnen, von Geschützdonner kaum zu unterscheiden, veranlaßte den fetten Wirt zu einem Stoßgebet an alle Heiligen. Der Schreck vom letzten Überfall der Spanier steckte ihm noch in den Knochen. Aber dann fiel ihm glücklicherweise ein, daß die Schebecke der Seewölfe in der Hafenbucht lag, und die würden den Dons gewaltig den Marsch blasen.

Mitten in der Bewegung des Sich-Bekreuzigen hielt Diego inne und murmelte: „Beschütze wenigstens meine ‚Schildkröte‘ und den guten Rum – und erhalte mir die prallen Beutel meiner Gäste.“

Die Kneipenhöhle war wie leergefegt. Der deprimierende Anblick verursachte dem Wirt Magendrücken.