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Die vier Lupen

und das gestohlene Lied

Eva Bartolome

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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© 2021 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten.

Taschenbuchauflage erschienen 2013

Titelbild: © Dmitri Kashtalyan – Shutterstock.com lizensiert

Illustrationen von Pinky Nantasukasem

ISBN: 978-3-86196-257-1 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-392-7 - E-Book

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Inhalt

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Die Autorin

Unser Buchtipp

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1

Die Klänge des Klaviers tönten hinab auf die Straße. Jeden Tag hörte man die wundervollen Lieder des berühmten Beethoven. Immer wieder blieben die Leute stehen und bewunderten mit offenen Mündern die Musik.

Am Freitagnachmittag jedoch war alles still. Im Haus Beethovens befanden sich schon seit geraumer Zeit Die vier Lupen. Toni, Sophie, Freddy und Jenny waren sofort zur Stelle, als Herr Beethoven sie am Telefon bat, sich alles anzusehen. Die vier Lupen waren vor wenigen Wochen schon einmal bei ihm gewesen, da er Zeuge eines Falls geworden war. Nun waren sie aus einem ganz anderen Grund in dem großen Zuhause des vermögenden Mannes. Als die vier Freunde die vielen Treppen hinaufgestiegen, durch die ganzen Flure hindurchgegangen waren und schließlich Herrn Beethovens Musikzimmer betreten hatten, behauptete er, ihm sei ein Lied gestohlen worden.

„Ein Lied?“ Die vier Freunde konnten es nicht fassen.

„Wie meinen Sie das?“, erkundigte sich Toni interessiert.

„So, wie ich es sage“, erwiderte Herr Beethoven.

„Welches Lied?“, war Sophies sachliche Frage, während sie den Laptop startete und einen Browser öffnete. Ihre hellblauen Augen leuchteten gespannt hinter den dicken, viereckigen Brillengläsern, wie auch Freddy sie hatte.

Für Elise. Ich hab es extra für Elise geschrieben und sie fand es wundervoll. Eigentlich wollte ich es nur ihr zeigen und schenken, aber ein Mann hat mir sehr viel Geld für eine Live-Aufführung und die Noten geboten, sodass ich Elise gefragt habe, ob sie einverstanden wäre. Sie meinte nur: Natürlich, Ludwig.“ Herr Beethoven sah lächelnd, aber trotzdem verzweifelt auf sein teures Klavier.

„Dürfte ich ein wenig Klavier spielen?“, fragte Jenny.

„Ja, selbstverständlich“, nickte Herr Beethoven etwas abwesend.

„Könnte jemand neidisch auf Sie sein, weil er Elise auch mag?“, hakte Toni nach.

„Vielleicht. Aber ich habe keinen blassen Schimmer, wer.“

„Und wie hieß dieser Anbieter?“ Jenny wollte sich an den Ermittlungen beteiligen.

„Äh ... es ging alles übers Telefon, aber ich glaube, er hieß Wolfgang. Der Nachname fängt mit D an, mehr weiß ich nicht.“ Betrübt zuckte das Opfer die Achseln.

„Okay.“ Toni nickte. „Wissen Sie, wo er wohnt?“

„Nein“, antwortete Herr Beethoven.

„Toni, guck mal hier. Wolfgang D., es gibt nur fünf Wolfgangs bei uns, die einen Nachnamen mit D haben. Ist das nicht praktisch? Klappert die einfach alle ab!“ Sophie lächelte zuckersüß und zwinkerte.

„Gute Arbeit, Sophie“, gab Toni zu. „Freddy und Jenny, könnt ihr das erledigen? Ich und Sophie haben hier noch zu tun.“

„Nur fünf? Das ist eine ganze Menge“, stöhnte Jenny, meinte dann jedoch: „Aber was der Herr befiehlt, das soll man befolgen, heißt es ja so schön.“ Sie verdrehte die Augen und zwinkerte dann. Freddy machte keine Bemerkung über die Anzahl der Befragungen, sondern beschwerte sich nur: „Und wann krieg ich dann was zu essen? Mein Magen knurrt schon!“

Jenny musste lachen und Toni schlug vor: „Du kannst dir auf dem Weg was holen. So, Herr Beethoven, jetzt wieder zu Ihnen …“

Herr Beethoven drehte sich um und lächelte. Während Jenny und Freddy sich aufrappelten und aus der Tür marschierten, fragte Toni: „Haben Sie irgendeinen Verdacht?“ Herr Beethoven druckste herum und Toni fügte hinzu: „Sie beschuldigen hiermit keinen, wir wollen nur den Täter finden und müssen somit jede Möglichkeit in Betracht ziehen.“

Herr Beethoven nickte und gab zu: „Nun ja, Wolfgang Amadeus, mein Freund, Herr Mozart, hätte auch gerne so ein tolles Lied geschrieben. Er war erfolgreich, doch jetzt ist die tolle Phase vorbei. Er ist neidisch auf mich, er hätte auch gerne einen großen Durchbruch gestartet.“

„Wolfgang Amadeus Mozart sagen Sie? Wo wohnt denn Ihr Freund?“

„In der Rundstraße 8.“

Toni nickte und musste Sophie nichts sagen, damit sie ihr Handy zog und Freddys Nummer wählte.

„Was Neues?“, meldete sich dieser.

„Ja, so sieht es aus, wir haben einen weiteren Verdächtigen. Habt ihr die Wolfgangs schon abgeklappert?“, verständigte sich Sophie.

„Ne, was denkste von uns, wir sind nicht Superman“, beschwerte sich Freddy und fuhr fort: „Wer ist denn der weitere? Wir gehen zu ihm, wenn wir fertig sind, melden uns aber vorher noch.“

„Wolfgang Amadeus Mozart, Rundstraße 8. Ja, das will ich aber hoffen, Freddy!“ Sophie schmunzelte und legte auf.

Toni sah sie fragend an, sie nickte und er wandte sich wieder Herrn Beethoven zu. „Noch irgendetwas, das Sie uns sagen möchten?“

„Nein, mir fällt nichts ein“, erwiderte Beethoven ehrlich.

„Gut, wenn Ihnen doch etwas einfällt, melden Sie sich, wir gehen jetzt erst einmal.“

Herr Beethoven nickte und führte die beiden Detektive zur Tür.

„Auf Wiedersehen“, sagte Sophie lächelnd, Herr Beethoven nickte ihr freundlich zu und schloss dann die Tür.

„Was denkst du?“, erkundigte sich Toni, als sie alleine im dunklen Flur standen.

„Was meinst du?“ Sophie verstand nicht ganz.

„Bei wem hast du das Gefühl, dass er der Täter ist, und was denkst du von Herrn Beethoven?“, erklärte Toni.

„Hmm … noch weiß ich nicht, was ich denke, da ich noch keinen der Verdächtigen kennengelernt habe. Vielleicht ist es ja auch ein ganz anderer … Herr Beethoven kommt mir ganz normal vor.“ Sophie zuckte die Schultern und fragte: „Und was meinst du?“

„Ja, eigentlich das Gleiche. Warten wir doch erst mal die Berichte von Freddy und Jenny ab.“

Sophie nickte und gemeinsam verschwanden die beiden in einem Bus zur Rundstraße.

„Freddy, habt ihr die Wolfgangs durch?“ Sophie war wieder an ihrem Handy.

„Jup, alles paletti, wir sind auf dem Weg zur Rundstraße“, war Freddys Antwort.

„Gut, wir fahren auch grad hin, wieso habt ihr nicht angerufen?“ Sophie war etwas enttäuscht.

„Uuh, tut mir leid, Sophie, wir hatten das vollkommen vergessen!“ Freddy war es anzuhören, wie peinlich es ihm war. „Wolfgang Derbe kann sich erinnern, mit Herrn Beethoven telefoniert zu haben. Wir müssen ihn unbedingt checken.“

„Nicht so schlimm, Freddy, ist schon gut“, meinte Sophie schmunzelnd. „Gut, danke. Treffen uns dann bei Mozart.“

Toni brauchte nur einen Blick auf Sophies Laptop zu werfen, um zu wissen, was Freddy und Jenny rausgefunden hatten:

Wolfgang Derbe, Ziegelstraße 15. Er ist Verkäufer, verheiratet, lebt mit seiner Frau zusammen, sein Sohn ist bereits ausgezogen. Er liebt Musik und hat ein Musikgeschäft, in dem es alles gibt, was man wünscht. Noten, alt bis neu, Instrumente, Zubehör und so weiter. Das Geschäft ist in der Bernoldstraße 18.

Toni staunte nicht schlecht. „Respekt“, bewunderte er seine Kollegin, die nur zwinkerte.

„Was man nicht alles tut, um seinen Freunden eine Freude zu machen.“

Beide mussten lachen.

„So, ich würde vorschlagen, wir besuchen ihn zuerst zu Hause. Was ist das für eine Website?“

„Die von Wolfgang Derbe selber. Aber der hört sich ziemlich sauber an. Also ich denke, ein Motiv finden wir bei dem nicht.“ Sophie zuckte die Schultern und presste die Lippen aufeinander.

„Ui, da fällt mir ein, wir haben Herrn Beethoven nicht einmal nach der Tatzeit gefragt! Sophie, kannst …“ Toni konnte seinen Satz nicht zu Ende sprechen, denn Sophie hatte bereits ihr Handy hervorgezogen und ermahnend den Zeigefinger auf den Lippen.

Toni nickte verständnisvoll und schaute nachdenklich aus dem Busfenster. Er sah keineswegs Täler, Bäche, Wälder, Wiesen und Bauernhöfe, sondern Geschäfte, Fabriken, Menschen, die in Eile durcheinanderhasteten, Schulen, Unis, Straßen und Autos. Wie sehr er sich wünschte, die Landluft zu riechen, wenn er aus dem Bus stieg. Seufzend wartete er auf Sophie.

„Hallo, ja, hier ist Sophie, von den vier Lupen. Ja, wir hätten da noch eine kurze Frage …“ Es entstand eine kurze Pause und das weitere Gespräch bekam Toni nur mit halbem Ohr mit. „Toni!“ Sophie tippte ihn leicht an der Schulter an und riss ihn damit aus seinen Gedanken.

„Ja?“, fragte er, während er sich zu ihr drehte.

„Er sagte, zuletzt hätte er das Lied um 14:30 Uhr gesehen, doch dann sei er Kuchen essen gegangen. Es hätte Erdbeertorte gegeben, seine Lieblingsspeise, darum hätte er ziemlich viel gegessen und wäre wohl so gegen 15 Uhr wieder in sein Zimmer zurückgekehrt. Dort hätte er einen Schreck bekommen, weil sein wertvolles Stück weggekommen sei, und hätte sofort alle Angestellten zur Rede gestellt. Aber keiner von ihnen sei im Zimmer gewesen, während er die Torte zu sich genommen hatte, sagen alle.“

„Das heißt, die Tatzeit beschränkt sich auf den Zeitraum zwischen 14:30 und 15 Uhr“, stellte Toni fest.

Sophie nickte und gemeinsam stiegen sie aus dem Bus.

„Hmm … Ich glaube, du musst ihn nochmals stören. Wir müssen wissen, wo er es hingetan hatte!“ Toni schien nicht sonderlich erfreut, Herrn Beethoven ein zweites Mal belästigen zu müssen.

„Nein, das ist nicht nötig, ich habe ihn schon danach gefragt, da ich mir dachte, dass du das wissen möchtest.“ Sophie musste kichern. „Er sagte, er hätte das Lied unbeachtet auf dem Klavier liegen lassen, da er sich keine Gedanken über Diebe gemacht hätte.“

„Super!“, freute Toni sich mit einem breiten Lächeln.

„Hey, da sind Freddy und Jenny!“, unterbrach Sophie seine Freude.

Die beiden winkten den anderen und Freddy und Jenny winkten zurück. Als die vier Lupen sich vor Mozarts Haustür trafen, tauschten sie nochmals aufgeregte Blicke aus, dann drückte Toni auf den Klingelknopf.

„Stopf schnell den Burger in dich rein“, zischte Sophie Freddy zu, während der genüsslich an seinem Mahl kaute. Freddy beeilte sich mit großen Bissen. Jenny musste bei seinem Anblick unwillkürlich lachen und auch Sophie konnte nicht anders und schmunzelte in sich hinein.

Toni erklärte allen schnell den Plan: „Lasst Jenny gehen, sie nimmt Sophies Haarclipkamera und wir sehen alle durch Sophies Abhörapparat, oder wie man es nennen will, was geschieht.“

Die vier versteckten sich draußen, alle schauten wie gebannt auf Sophies Apparat. Als die Tür sich auftat, stolzierte Jenny hinein und schritt geradewegs auf die offene Holztür mit dem Mozart-Namensschild zu.

„Hallo“, begrüßte eine Männerstimme sie und Jenny grüßte in hohem Ton zurück: „Hallo.“

„Wer bist du denn?“, fragte der Mann, der nun vor Jenny stand und sie verwundert musterte.

„Ich bin Jenny. Sie sind Herr Mozart, wenn ich das richtig sehe“, erwiderte Jenny.

„Ja, richtig. Und … wieso bist du hier, Jenny?“ Herr Mozart staunte nicht schlecht, dass ein so junges Fräulein, hübsch und zart, bei ihm auftauchte. Er führte sie in seine Wohnung, holte zwei Gläser Wasser, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen, und kam dann zurück.

„Ich komme von Herrn Beethoven. Er ist Ihr Freund, wie ich gehört habe?“ Jenny spielte ihre Rolle perfekt.

„Ja, ja. Setz dich doch erst mal.“ Seine Hand wies auf einen Sessel, gleich neben dem Kamin.

„Danke“, lächelte Jenny, „also, er möchte, dass ich Sie frage, ob Sie vielleicht sein Lied gesehen haben.“

Die Spannung der drei Freunde stieg.

„Ach, möchte er das?“, fragte Herr Mozart spitz. „Na, da kann ich nur mit einem Nein antworten. Meinst du das Für Elise?“

„Nun, ich gedenke, diese Frage nicht zu beantworten, denn ich weiß nicht, ob Herrn Beethoven dies gefallen würde. Bitte entschuldigen Sie. Zudem liegt ihm eine weitere Frage – und auch mir – auf dem Herzen. Sind Sie in irgendeiner Weise neidisch auf meinen Auftraggeber oder können Sie ihm irgendetwas nicht gönnen?“ Jenny bemühte sich, nicht herauszuplatzen, doch sie hatte Übung. Die altmodische Wortwahl, wie ihre Freunde sagen würden, brachte sie zum Lachen, doch auch das schaffte sie zurückzuhalten.

„Nein, keineswegs! Wir sind gute Freunde, wirklich, das kannst du mir glauben. Ich gönne ihm seine Erfolge, er hat sie verdient. Ich bin einfach nicht so gut wie er!“

Toni raunte den anderen zu: „Der lügt wie gedruckt!“ Doch dann waren alle wieder still.

„Gut“, lächelte Jenny. „Er wollte Sie bestimmt nicht beleidigen. Was ist denn bei Ihrem Erfolg schiefgelaufen?“

„Nun, am Anfang ging alles glatt. Doch plötzlich veränderte sich alles. Ich bin nicht sicher, wieso, es war in der Zeit, in der Beethoven kam. Aber natürlich will ich damit nicht sagen, dass es an ihm lag. Vielleicht tat es das aber, denn die Leute mochten seine Musik lieber als meine. Meine Lieder wurden nicht mehr so viel gekauft, doch ich gab es nicht auf. Es machte mir so viel Spaß, da konnte ich nicht einfach aufhören. Aber leben kann ich von meinem Einkommen noch gut, keine Frage.“

„Das heißt, Sie könnten ihm die Schuld an Ihrem Verderben geben?“ Jenny wollte noch mehr wissen.

„Wenn du so willst – ja. Aber wir sind Freunde“, versicherte Herr Mozart.

„Und wie sind Sie und Herr Beethoven Freunde geworden?“, erkundigte sich Jenny.

„Das ist eine lange Geschichte“, wich Herr Mozart aus.

„Kein Problem, ich habe Zeit.“

Die vier Lupen hielten gespannt die Luft an und hörten zu.

„Ich denke, nun ist es Zeit für mich zu gehen“, erklärte Jenny nach der ausführlichen Erklärung, aus welchen Gründen Mozart und Beethoven eine enge Freundschaft führten.

Herr Mozart nickte verständnisvoll und begleitete sie zur Tür. „Du darfst gerne erneut kommen, wenn du magst“, lud er sie lächelnd ein. „Ich bekomme nicht so viel Besuch.“

Jenny nickte freundlich und verschwand aus dem Haus.

„Super, Jenny!“, empfing Freddy seine Kollegin.

„Ja, fantastisch!“ Auch Sophie sparte nicht mit Lob.

„Wirklich genial“, gab Toni zu. „Wir sind alle fasziniert.“ Er zwinkerte.

„Nun, was denkt ihr, war er es?“

Freddy meinte: „Ne, der ist viel zu blöd dafür, glaubt es mir.“ Die Mädchen äußerten ihre Meinung nicht, sondern behielten sie für sich.

„Ich denke, dass er es gewesen sein könnte. Beweise haben wir aber noch keine“, meinte Toni.

„Wie wär es, wir drei gingen rein. Jenny, kann ich meinen Haarclip haben? Du kannst alles von hier aus beobachten“, schlug Sophie vor und die anderen nickten zustimmend.

„Aber ich hab noch Hunger!“, beschwerte sich Freddy, worauf die anderen lachten.

„Nicht jetzt, Freddy“, ermahnte Toni seinen Freund und gemeinsam marschierten die drei durch die Tür, die sich auf das Klingeln bei Mozart öffnete.

„Alibi, Motiv“, flüsterte Toni, bevor die Freunde in die große Wohnung des Tatverdächtigen liefen.

„Hallo!“ Freddy lächelte breit und sah Herrn Mozart aus einer Ecke hervorkommen.

„Hallo“, erwiderte dieser und ließ die Freunde herein. „Wer seid ihr denn?“

„Wir sind drei Freunde, ermittelnde Detektive, zurzeit im Fall Das gestohlene Lied. Sie sind einer unserer Tatverdächtigen, daher möchten wir bitte wissen, wo Sie heute zwischen 14:30 Uhr und 15 Uhr waren.“

„Wie komme ich zu der Ehre, Tatverdächtiger zu sein?“, wunderte Mozart sich trocken.

„Nun, ich wäre Ihnen dankbar, die Frage einfach zu beantworten und unsere Ermittlungen nicht zu stören“, erklärte Toni im gleichen Tonfall.

„Ich war hier, zu Hause. Allein, bevor ihr fragt. Nun, ich wäre euch dankbar, auch meine Frage einfach zu beantworten und meine Privatsphäre nicht zu stören“, antwortete Herr Mozart verärgert.

„Tut mir leid, noch dürfen wir Ihnen nichts über den Ermittlungsstand sagen. Wir hätten allerdings eine weitere Frage, und zwar, wann Sie Herrn Beethoven das letzte Mal gesehen haben?“, beteiligte sich Freddy.

„Danach werdet ihr bitte meine Wohnung auf der Stelle verlassen“, knirschte Mozart. „Mhm ... das war so letzte Woche.“

„Als Freunde sieht man sich doch ziemlich oft, oder nicht?“, stellte Toni verwundert fest.

„Schon, aber wir haben beide zu tun.“ Herr Mozart lächelte.

„Vielen Dank, falls weitere Fragen aufkommen, melden wir uns noch einmal.“ Sophie lächelte.

Herr Mozart nickte immer noch nicht sehr begeistert und zeigte auf die Tür. „Da geht es lang.“

Die Freunde verließen seine kleine Wohnung und trafen draußen auf Jenny, welche alles verfolgt hatte. „Gut, kein Alibi, ein Motiv und ich würde es ihm auch zutrauen“, empfing sie ihre Freunde.

Sophie und Toni nickten nur, Freddy zeigte mit einem flehenden Blick auf seinen Bauch und deutete mit seinem Kopf in Richtung Frittenbude. Toni nickte erneut und Freddy begann zu laufen, während Jenny und Sophie weiter über den Fall diskutierten.

*

*

2

Die vier Lupen trafen sich an ihrem Geheimplatz in der Gasserstraße. Es war ein ungewöhnliches Fleckchen, ein Sandplatz, umrahmt von Büschen, Sträuchern und Bäumen. Ein kleines Häuschen aus Bambus, gebaut auf Stelzen, war in der Mitte des Platzes zu sehen, ein großes Fernrohr hatte seinen Platz in einer Ecke des Sandes, ein kleiner Tisch war neben dem Haus platziert und Stühle waren rundherum gestellt. Eine Hängematte war auch zu sehen und eine Holzschaukel mit einem Korb, gefüllt mit Lebensmitteln, hing in der Nähe des sogenannten Baumhauses. Bisher hatte noch keiner sie hier entdeckt, wieso, war ihnen zwar ein Rätsel, doch Gedanken hatten sie sich nie darüber gemacht. Sie hatten es sich etwas gemütlich gemacht und fühlten sich prima an dem Ort. Jenny hatte den Platz vor langer Zeit gefunden, bevor die vier Lupen überhaupt gegründet waren.

„Mein Laptop“, flüsterte Sophie ihrer Tasche zu und zog gleich darauf ihren Computer heraus.

„Immer noch faszinierend, deine Tasche“, bewunderte Toni sie, der, wie alle vier Lupen, von dem Geheimnis um die Tasche wusste. Sie war nämlich magisch, denn – wenn auch schwer zu glauben – kaum sagte man ihr etwas, kam der Gegenstand aus ihr heraus. Zumindest solange der Gegenstand im Besitz dieser Person war. Egal, ob man ihn eingepackt hatte oder nicht. Wirklich unglaublich, wie Sophies Freunde immer wieder feststellten.

Allerdings hörte die Tasche nur auf ihren Besitzer, und das war Sophie, denn sie wusste alles, was die Regeln der Tasche betraf. Nun strahlte Sophie und fing an zu recherchieren.

Jenny zog einen kleinen Handspiegel hervor und betrachtete sich eitel.

„Na, wie siehst du heute aus?“, neckte Toni seine Freundin und lachte. Diese drehte sich wie in Zeitlupe zu ihm, hob ihr Bein und … Zack! Es ging haarscharf an Tonis Gesicht vorbei.

„Hey, das hätte schiefgehen können“, ermahnte Toni sie ärgerlich.

„Toni, denkst du etwa, bei mir könnte etwas schiefgehen? Ich habe genau gezielt, hättest du dich bewegt, hätte ich die Richtung sofort etwas geändert.“

Besserwisserisch blickte Jenny wieder in ihren Spiegel. Toni nervte wirklich manchmal, fand sie, und er spielte dann wieder den Großen. Etwas wütend steckte sie den Handspiegel weg, raunte Freddy etwas zu und verschwand.

Kaum hatte Toni es bemerkt, fragte er Freddy erregt: „Was hat sie dir gesagt?“

„Sie sagte: Ich geh zu Mozart, lass Toni nicht kommen, oder so. Toni, geh nicht, sie weiß, was sie tut.“

Toni nickte widerwillig und setzte sich neben seinen Freund.

„Hey, komm, ihr wird schon nichts passieren und du bist auch nicht schuld“, versuchte Freddy ihn aufzumuntern.

Toni seufzte. „Ja, hast recht“, meinte er und klopfte Freddy dankbar auf die Schultern. „Danke, Kumpel“, murmelte er noch, dann ging er zu einem einsamen Platz und hielt sich die Ohren zu. Freddy saß immer noch da und dachte nach.

„Hey, Leute!“ Sophie riss beide aus ihren Gedanken.

„Was gibt‘s?“ Freddy war sofort ganz aufgeregt.

„Ich war grad am Nachdenken!“, beschwerte sich Toni.

Beide gingen zu ihr und warteten auf eine Erklärung.

„Also“, fing Sophie an, „ein Freund von Herrn Beethoven hat Herrn Mozart wegen Betrugs angezeigt. Damals hat Herr Beethoven als Zeuge gegen Herrn Mozart ausgesagt und er musste eine Geldbuße zahlen.“

Toni und Freddy blieben still und hörten angespannt zu. „Außerdem ist sein Meisterwerk Don Giovanni supergut verkauft worden, bevor Beethoven kam, doch dann wurde es extrem wenig gekauft. Er hatte bestimmt eine Wut auf Beethoven und dazu noch einen Grund, das Lied zu stehlen – er hatte ja selbst keinen Erfolg mehr.“

Toni und Freddy nickten anerkennend und meinten beide im Chor: „Da hast du recht.“

Daraufhin sprudelte Sophie wieder los: „Also, jemand muss zu Mozart fahren und jemand zu Wolfgang Derbe. Ich schlage vor, Freddy übernimmt Derbe. „Er wohnt in der Ziegelstraße 15, aber das wisst ihr ja schon. Außerdem ist er …“

Nachdem Sophie Freddy und Toni die Ergebnisse der Recherche mitgeteilt hatte, warteten die drei auf Jenny. Etwa eine Viertelstunde später tauchte diese auf und berichtete völlig außer Atem: „Mozart hat eine Wut auf Beethoven, aber ich würde sagen, deswegen würde er das Lied nicht klauen. Wenn, dann nur wegen seiner Erfolglosigkeit, denn in letzter Zeit sind wirklich extrem wenige Lieder von ihm gekauft worden. Trotzdem ist er in manchen Häusern wirklich sehr beliebt und die Presse führt viele Interviews mit ihm. Ich glaub so oder so nicht, dass er der Täter ist. Es passt einfach nicht, würde ich sagen.“

Freddy nickte und stimmte ihr zu. „Ja, Jenny hat recht, ich glaube auch nicht, dass er es war. Und wenn ich etwas glaube, dann …“

„... stimmt das immer“, beendeten seine Freunde den Satz wie aus einem Munde.

„Ja, ja“, beteuerte Toni, „schon gut.“

Eine kurze Zeit war alles still. Die vier Lupen dachten allesamt nach, sprachen kein Wort und gaben auch sonst keinen Laut von sich. Das einzige Geräusch, was sie hörten, war das Herzklopfen ihrer Freunde und das Zwitschern der Vögel, die oben in den Kronen der Bäume saßen und ihre Liedchen pfiffen.

Toni brach die Stille. „Ich würde vorschlagen, Freddy und Sophie gehen jetzt zu Mozart. Freddy kann auf dem Weg bei der Frittenbude was bestellen und Sophie kann sich Infos holen. Da Sophie und ich am besten über Wolfgang Derbe Bescheid wissen, sollte einer von uns zu ihm gehen, das erledige ich dann mit Jenny. Einverstanden?“

Die Befehle von Toni wurden nie abgelehnt. Alle nickten wortlos und Sophie und Freddy richteten sich auf.

„Tschau“, winkte Freddy den beiden anderen noch zu, dann verschwanden sie.

Jenny und Toni saßen schweigend da. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre Toni jetzt schon mehrmals gestorben.

„Gehen wir“, schlug Toni vor. Gemeinsam warteten er und Jenny an der Bushaltestelle, die gleich in der Nähe war.

„Ich hab das nicht so gemeint, du weißt schon, die Sache vorhin mit dem Spiegel, ich wollte dich nur necken“, entschuldigte sich Toni, doch Jenny ignorierte ihn. „Hey, wir müssen jetzt zusammenarbeiten, es geht hier um Beethovens Lied, nicht um uns“, versuchte Toni es erneut. Er wusste, dass Jenny ihm die Stichelei noch nicht verziehen hatte. Es kam zu einer kurzen Pause, dann entschied sich Jenny. „Hast recht. Also denk jetzt nicht, ich rede mit dir, weil ich nicht wütend auf dich bin.“

Etwas erleichterter seufzte Toni. „Okay“, murmelte er, und bis der Bus kam, herrschte wieder Stille.

Im Bus setzten sie sich einander gegenüber und Jenny schaute unentwegt aus dem Fenster, während Toni seine Knie anstarrte.

„Wir sind da“, raunte er Jenny zu und sie stiegen aus. „Ziegelstraße 15“, erklärte Toni. „Da wohnt er. Ah, hier ist es ja.“

Etwas aufgeregt klingelten die beiden und ein wenig zitternd schritten sie durch die Tür, als diese geöffnet wurde.

„Guten Tag“, schallte eine Männerstimme durch das Treppenhaus.

„Hallo“, erwiderte Toni.

Als er und Jenny an der Tür angekommen waren, schauten sie einem mittelgroßen, mitteldicken, mittelblonden Mann in die moosgrünen Augen.

„Guten Tag.“ Jenny lächelte.

„Du wieder?“, fragte Herr Derbe erstaunt.

Jenny nickte freundlich.

Nachdem die beiden auf seine Geste hin in die Wohnung gegangen waren, führte Wolfgang Derbe sie ins Wohnzimmer, ließ sich auf einen Sessel fallen und seufzte. „Setzt euch“, murmelte er, woraufhin Jenny und Toni es sich auf dem Sofa bequem machten.

„Nun, Sie sind Herr Wolfgang Derbe, wenn ich das richtig verstehe“, stellte Toni fest, worauf der Mann nickte. „Wo ist denn Ihre Frau?“

„Sie ist einkaufen“, erklärte Herr Derbe. „Wird wohl bald wieder da sein.“

Toni fuhr fort: „Sie wollten von Herrn Beethoven die Noten des Liedes Für Elise kaufen, stimmt das?“

Wieder ein Nicken.

„Wie läuft das Geschäft?“, erkundigte sich Toni.

„Nun, nicht schlecht“, erwiderte Herr Derbe. „Es ist allerdings für einen Monat geschlossen. Wie jeden März, da hole ich neue Produkte und so, wenn ihr versteht, was ich meine.“

„Ja, das verstehen wir“, lächelte Jenny.

Toni warf ihr einen kurzen Blick zu, dann ging es weiter: „Wo waren Sie denn heute zwischen 14:30 Uhr und 15 Uhr?“

„Ich war hier. Hab etwas aufgeräumt.“

„Gibt es hierfür Zeugen?“

Derbe lachte. „Nein, meine Frau war während der Zeit bei ihrer Freundin Greta.“

„Greta und weiter?“

„Greta Elfine.“

„Vielen Dank, es wäre schön, wenn wir später noch einmal wiederkommen dürften, falls noch Fragen offen sind.“

„Klar doch.“

Jenny und Toni verabschiedeten sich und Herr Derbe führte sie zur Tür. Als sie aus dem Treppenhaus auf die Straße kamen, wurden sie fast auf die andere Straßenseite geblasen, denn es wehte ein heftiger Wind. Beide zogen sich die Kapuzen über die Köpfe, blieben vor dem Haus stehen und Toni wählte Sophies Nummer. „Frau Derbe soll um 14:30 Uhr bis 15 Uhr bei einer gewissen Greta Elfine gewesen sein. Check das bitte mal. Was gibt es bei euch?“

„Herr Mozart gibt das mit dem Gerichtsvorfall zu. Aber er behauptet, deswegen keine Wut auf Beethoven zu haben, da Beethoven ja einfach nur die Wahrheit gesagt hatte. Und Mozart sagt, dass er nur noch wenig Erfolg hat, hätte er uns ja schon erzählt.“

„Okay, ruf an, wenn du was hast“, waren Tonis letzte Worte, bevor er auflegte.

„Und jetzt?“, fragte Jenny.

„Hmm … Was denkst du? Wer ist der Täter?“, stellte Toni die Gegenfrage.

„Keine Ahnung. Wie sollen wir jetzt den Täter finden?“ Toni schwieg und zuckte nach einer kurzen Pause die Schultern. „Ich weiß auch nicht“, murmelte er leise, während der Wind ihm ins Gesicht blies.

„Wir können einfach nur hoffen, dass Sophie und Freddy was herausfinden“, meinte Toni hoffnungsvoller.

Jenny nickte nur wortlos und machte eine Handbewegung in Richtung Bushaltestelle. Toni verstand und die beiden warteten ungeduldig auf einen Bus. Als er kam, seufzten sie beide, bezahlten und saßen sich wieder gegenüber. Diesmal musterte Jenny das Abteil, welches vielen, vielen Leuten eine Sitzgelegenheit bieten musste, da um diese Zeit Arbeitsschluss war. Kritisch betrachtete das Mädchen eine Frau mit einem Regenschirm, eine ältere, kräftigere Dame ohne Sitzplatz, einen jungen Mann mit Unterlagen unterm Arm, ein kleines, quengelndes Mädchen mit seinem großen Bruder, der abwesend aus dem Fenster schaute. Ein dicklicher Mann mit Anzug und Krawatte starrte mit verzweifeltem Gesichtsausdruck ins Leere und ein Mädchen, welches Jenny auf 16 schätzte, machte sich mithilfe eines kleinen Handspiegels zurecht.

Auch Toni versuchte, auf andere Gedanken zu kommen, spielte mit seinem Handy herum, fotografierte „die schöne Aussicht“, wie man die Geschäftsstraßen wohl kaum nennen konnte, und schaute sich ältere Bilder an.

An ihrem Geheimplatz angekommen klingelte plötzlich Jennys Handy. Freddy war dran. „Hey, Jenny, kannst du mir einen Burger bestellen, ihr seid doch gerade an unserm Platz, oder? … Okay, danke, Sophie ruft dann gleich noch Toni an, sie hat was rausgefunden“, sprudelte er los.

„Okay, Freddy, extragroß, wie immer, richtig?“, lachte Jenny.

„Ja, genau, du bist ein Schatz“, bedankte er sich und legte auf.

Jenny spurtete zum Laden, und kurz bevor sie mit einem extragroßen Burger wiederkam, klingelte Tonis Handy. „Hey, Sophie“, begrüßte er seine Kollegin etwas schlapp.

„Hallo, also, wir haben nicht viel rausgefunden. Wir sind übrigens gerade auf dem Weg zu euch. Greta Elfine hat bestätigt, dass ihre Freundin Katharina Derbe bei ihr gewesen ist. Nach ihrer Aussage von 13 Uhr bis 15:15 Uhr, danach begleitete sie Frau Derbe noch zur Bushaltestelle. Das heißt, das Alibi von Frau Derbe ist bestätigt“, schoss sie los.

„Okay“, meinte Toni. „Ich glaub, Mozart verbirgt noch irgendetwas, aber ich weiß nicht, was. Wenn ihr kommt, machen wir erst einmal Feierabend, einverstanden? Es ist schon Zeit fürs Abendessen.“

Sophie stimmte ihm zu und die Unterhaltung wurde beendet. Jenny war mit einem riesengroßen Burger wiedergekommen und Toni informierte sie: „Wenn die anderen kommen, besprechen wir das morgige Programm und gehen dann nach Hause, okay?“

Jenny war einverstanden und nickte. Sie schloss tief durchatmend die Augen. Ihr Kopf brummte und blitzschnell tauchte das Bild ihrer Attacke gegen Toni vor ihrem inneren Auge auf. Es schien ihr, als sei ihr Gehirn vollkommen leer, als könne sie nicht mehr denken und sie versuchte angestrengt, das unbemerkt zu lassen.

„Alles klar?“, fragte Toni besorgt.

„Ja, ja“, versicherte sie hastig. „Nein, nichts ist klar“, schrie ihre innere Stimme erregt, doch sie ließ sich nicht ins Handwerk pfuschen. Sie würde ihm nie und nimmer sagen, dass ihr ihr Verhalten leidtat, auch wenn es so war. Er würde dann bloß noch aufgeblasener, als er eh schon war. Nein, das stimmte nun auch nicht. Jenny versuchte, alle Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen, um ihn leer zu bekommen, wobei sie Sekunden davor noch gedacht hatte, er würde leer sein … solche Sachen brachten sie aus der Ruhe.