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Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

Epilog

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2406

 

Die Kristall-Annalen

 

In den Tiefen des Mark-Kastells – zwei Terraner stoßen auf das Geheimnis eines Feindes

 

Wim Vandemaan

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Im Frühjahr 1346 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Menschheit vor der größten Bedrohung ihrer Geschichte: Mit einer gigantischen Übermacht hat die Terminale Kolonne TRAITOR die Milchstraße besetzt und alle bewohnten Planeten unter ihre Kontrolle gebracht.

Die riesige Raumflotte steht im Dienst der sogenannten Chaotarchen. Ihr Ziel ist, die Ressourcen der Milchstraße auszubeuten, um die Existenz der Negasphäre abzusichern. Diese Negasphäre entsteht in der Galaxis Hangay – einem Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden.

Um gegen die Mächte des Chaos vorgehen zu können, sieht Perry Rhodan nur einen Ausweg: Er muss die Entstehung der Negasphäre verhindern. Doch niemand scheint zu wissen, wie, obwohl es bereits einmal vor vielen Jahrmillionen gelang. Damals schaffte die Superintelligenz ARCHETIM die »Retroversion« einer Negasphäre, verlor dabei aber selbst ihr Leben.

Aus diesem Grund reist der Terraner mit der JULES VERNE in die tiefe Vergangenheit, rund 20 Millionen Jahre »zurück«. Dort werden Rhodan und seine Begleiter in einen gigantischen Konflikt verwickelt und müssen sich als Diebe betätigen. Unter anderem geht es jetzt um DIE KRISTALL-ANNALEN …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mondra Diamond – Die ehemalige Artistin kann ihre Kenntnisse nutzbringend einsetzen.

Perry Rhodan – Der unsterbliche Terraner bekommt ein Pilzproblem.

Gucky – Der Ilt verfügt über die Ultimative Waffe.

Ekatus Atimoss – Der Kommandeur der Pressor-Garde Chada Saryeh.

Prolog

Das ferne Gold

 

Über Rhodan hing die Riesenscheibe, die das Fassungsvermögen aller menschlichen Sinne sprengte – golden und rund wie das Ziffernblatt der Ewigkeitsuhr; ohne Ziffern; ohne Zeiger; schiere Zeit.

Er wusste, dass die Scheibe dort oben eigentlich keine flache Scheibe, sondern nur der zweidimensionale Eindruck eines noch um vieles unfasslicheren Körpers war. Dort oben hing eine Kugel mit 1126 Kilometern Durchmesser und einer Oberfläche von beinahe vier Millionen Quadratkilometern – der GESETZ-Geber CHEOS-TAI.

Aber Wissen, Sehen und Verstehen brachen hier, in der LAOMARK, immer weiter auseinander. Da der Kugelleib weiter als 400 Kilometer von der Innenschale der Mondsphäre entfernt war, entzog er sich der dreidimensionalen Wahrnehmung und erschien flächig.

Die goldene Kugel war ein Beutestück; das größte, dessen sich die Hightech-Diebe der LAOMARK jemals bemächtigt hatten.

Rhodan stand auf einem Sims hoch oben an der Außenwand des Mark-Kastells. Limbox und Vizquegatomi arbeiteten noch daran, den durch eine Projektion verborgenen größeren Luftverteilerschacht aufzuspüren und zugänglich zu machen, den die »Nano-Hand« zumindest als Datensatz aufgespürt hatte.

Bis es so weit war, konnten sie nicht warten, zumal sie nicht sicher wussten, ob sich dadurch ebenfalls Zutritt erlangen ließ.

Perry Rhodan würde den anderen, bereits geöffneten Lüftungsschacht betreten und gemeinsam mit Mondra Diamond ins Innere des Kastells eindringen. Ein Terraner als Dieb … Rhodan schüttelte den Kopf; so hatte er sich die Reise in die Vergangenheit nicht vorgestellt.

Der Schacht führte direkt von der Außenwand in die Tiefen des Kastells. Er konnte selbst dann große Abschnitte des Komplexes mit Frischluft versorgen, wenn die technisch avancierteren Versorgungssysteme mit ihren Sauerstoffspeichern und Umwälzanlagen einmal ausfallen sollten. Während die größeren, für Laosoor problemlos passierbaren Schächte getarnt und durch Gitter und andere Vorrichtungen gesichert waren, hatte man dies bei Schächten dieses geringen Durchmessers nicht für notwendig erachtet.

Nur Wartungsroboter passten hindurch, und gegen Spionsonden und robotische Sabotage schickte man in unregelmäßigen Intervallen raffinierte Impulse in die Schächte, die künstliche Gehirne verwirren sollten. Gegen lebendige Wesen war er hingegen völlig ungeschützt, von einem dünnen Gitternetz abgesehen, das es Tieren unmöglich machte, zufällig hineinzugelangen.

Rhodan blickte in die Ferne, wo sich das horizontlose Land der Sphäre aufbog. Landschaftliche Einzelheiten wurden von den Luftmassen mehr und mehr verschleiert.

Hoch über ihnen und von der goldenen Scheibe weitgehend verdeckt lagen die Städte Medaxor, Arwainew und Xadalgor. Rhodan erkannte am Himmel schmale Flächen des Lastroon-Gebirges, ein bleiches, leicht geriffeltes Tuch. Hier und dort blitzte ein quecksilbriger Tupfen in der felsengrauen Fläche auf, vielleicht ein Gebirgssee. Das Land über Kopf wirkte wie eine beleuchtete Weltkarte. Nur die südliche Polarzone schimmerte in einem immer gleichen Nachtblau. Sie bestand aus blankem Derwan-Metall, eine gewaltige, stählerne Finsternis am Horizont der Welt.

Das Konglomerat der elf Kunstsonnen, das für gewöhnlich in der Mitte der Hohlkugel schwebte, war dem goldenen Koloss in Richtung Sphärenschale ausgewichen. Die diesseitigen Sonnen waren zurzeit abgeschirmt, strahlten aber den GESETZ-Geber an, der wiederum ihr Licht reflektierte.

So war es eine sonderbar lichtdurchsickerte Nacht.

Auch die Randzonen der Taghemisphäre, die auf der gegenüberliegenden Seite der Kugelschale und im Licht lag, erhellten mit ihrem Streulicht die Stadt Saxuan und das Mark-Kastell der laosoorischen Könige. An den Rändern der Abschirmung, die das Licht des Konglomerates ausblendete, flimmerte etwas wie eine Korona, wie man sie während einer Sonnenfinsternis auf echten Planeten sah.

Aber dies war alles andere als ein echter Planet, sondern die LAOMARK, Heimat der Laosoor, eine Kunstwelt von etwas mehr als zweitausend Kilometer Durchmesser.

Perry Rhodan ließ sich in den Schacht hinab, sobald Pothawk daraus aufgetaucht war. Dem Commander war anzumerken, wie wohl er sich fühlte, der beengten Umgebung entronnen zu sein.

Während der Terraner tiefer hinabstieg, dachte er daran, dass er eigentlich gar nicht hier sein durfte. Wieder einmal befand er sich in einer fremden Zeit, wenn er auch noch nie so weit zurückgereist war, über zwanzig Millionen Jahre.

Er, Perry Rhodan, auf Ferrol im neunten, er mit der CREST III im fünfzigsten vorchristlichen Jahrtausend; danach – davor – 160.000 Jahre in der Vergangenheit Tradoms; 200.000 Jahre zurück, um den Todessatelliten der Cappins zu entschärfen; eine Milliarde Jahre voraus in einer Zukunft, von der er hoffte, dass sie nie Realität werden würde: im Empire von Nodro. Und das waren beileibe nicht all seine Zeitreisen gewesen.

Für einen Moment überlegte er, wo und wann sich seine Zeitbrüder aufhielten: in einer entlegenen Zukunft, kurz bevor der algorriansche Kontextwandler in Betrieb ging. Gehen würde. Gegangen sein würde.

Als er Mondra erreichte, umarmten sie einander stumm.

Danach vollzogen sie einen Uhrenvergleich.

Die Zeitanzeige von Rhodans Multifunktionsarmband zeigte 4.45 Uhr, 11. Mai 1346 NGZ.

»Falsch, mein Lieber«, sagte Mondra und hielt ihm ihr Armband vor die Augen.

»4.45 Uhr, 11. Mai 20.059.813 vor Christus«, las er vor. Sie grinsten einander an, beinahe verschwörerisch. »Was unsere Vorfahren auf der Erde wohl gerade machen?«

»Vielleicht flirtet unsere Urahnin gerade mit diesem charmanten Affen von nebenan. Der ist nett, wenn er auch die merkwürdige Eigenart hat, sich immer wieder auf die Hinterbeine zu stellen und aufrecht über den Ast zu spazieren. Ihr Vater findet das etwas rebellisch, es sieht komisch aus, aber so sind sie halt, die jungen Burschen. Also wird sie mal zu ihm rüberschlendern. Ganz unverbindlich. Es ist ein heißer Tag in Afrika und die Menschheit nichts als ein vages Versprechen.«

»Wir wären so weit«, meldete Limbox.

»Sehen wir zu, dass die Nachfahren dieser Affendame nicht in der Sackgasse enden und von der Kolonne in den Chaotender gepackt werden«, sagte Rhodan.

»Soll ich kommen?«, hörten sie Guckys Stimme über Funk.

»Keine Chance, Kleiner. Der ganze Komplex ist derart gegen Lebewesen mit Paragaben gesichert, dass du uns wirklich keine Hilfe wärst«, lehnte Rhodan kategorisch ab.

Mondra ergänzte: »Außerdem solltest du dich schonen nach deinem traumatischen Erlebnis mit dieser unheimlichen Geistesmacht. Gönn dir ein paar herzhafte Karotten.«

»Schön wär’s, aber diese verkappten Hauskatzen wissen wahrscheinlich gar nicht, was das ist, stimmt’s, mein Dicker? – Huch!« Das letzte Wort wurde von einem scharfen Fauchen begleitet. Rhodan brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass sich der Mausbiber in Sachen Humor an Vizquegatomi seinen einzigen Zahn ausbeißen würde.

»Ich sollte euch trotzdem begleiten. Auf meine Paragaben könnt ihr vielleicht verzichten, aber wie steht es mit dem scharfen Florett meines Intellektes?«

»Das Florett deines Intellektes – nun, zu den ultimativen Waffen sollten wir erst dann greifen, wenn uns keine andere Wahl bleibt«, gab Rhodan zurück. »Also, lass gut sein. Halt die Stellung hier, und halt uns den Rücken frei.«

Gucky hüstelte vernehmlich. »Ja, Sahib. Beschwer dich nur nicht, wenn du nachher von mir nur noch einen Haufen abgenagter Knochen findest.«

»Du solltest ihn vielleicht doch mitnehmen«, empfahl Pothawks Stimme trocken. »Er könnte recht haben.«

Gucky schnaufte empört. »Das werden wir ja sehen! So eine Unverfrorenheit! Ich bleibe!«

Mondra Diamond, die soeben den Sitz ihres Tarnanzugs überprüfte, murmelte: »Guckys Gegenwart könnte ganz unterhaltsam sein. Und hilfreich.«

Rhodan grinste. »Fürchtest du, dass du dich mit mir allein langweilst?«

Er und Mondra trugen keinen schweren SERUN, sondern nur auf das Wesentliche reduzierte Kombinationen, mehr Tarn- als Schutzanzug. Der Anzug bestand aus einem millimeterdünnen Spezialgewebe, das mit einer chromatovariablen Außenbeschichtung versehen war, was einen Chamäleoneffekt bewirkte. Im Aggregatgürtel steckten Gravo-Pak, Individualfeld- und Deflektorprojektoren. Die Energiezellen, die zum Betrieb der Projektoren benötigt wurden, lagen unter einer ortungstechnischen Isolation, die ihre Anmessung fast unmöglich machte.

Das Multifunktionsarmband und der Halbschalenhelm ergänzten die Ausrüstung. Im Helm saß zudem das rechnende Herzstück des Anzugs, der Pikosyn, ein Paradeexemplar terranischer Rechner-Technologie. Dieser Pikosyn war nichts anderes als eine extrem miniaturisierte Ausführung eines Syntrons, der mit hyperenergetischen Strukturfeldern arbeitete. Unter den Bedingungen der erhöhten Hyperimpedanz in Rhodans eigentlicher Gegenwart des Jahres 1346 NGZ waren die Syntroniken nicht mehr betriebsfähig.

Aber wir haben diese Barriere jetzt unterlaufen, dachte Rhodan. Jetzt? Was bedeutet denn dieses »Jetzt«? Die Zeit …

»Wie lange haben wir, Commander?«, fragte er Pothawk.

»Neun Stunden, zehn Minuten. Dann müsst ihr zurück sein.«

Danach würden die Kennungen, die Limbox erbeutet hatte, ungültig. Ein weiteres Mal in so kurzer Zeit konnte der Laosoor die Teleport-Melder des Mark-Kastells nicht mehr ausschalten. Und wenn Gucky sie nicht mehr unbemerkt teleportieren konnte, war ihnen der Rückweg abgeschnitten. Ein weiteres verdecktes Vorgehen wäre ein für alle Mal unterbunden.

»Mehr können wir nicht tun. Jetzt bist du am Zug«, sagte Commander Pothawk. »Finde heraus, ob wir ein freies Volk sind oder Sklaven in der Hand der Terminalen Kolonne.«

Einen Moment lang zögerte Rhodan. Sklaven. Knechte. Diener. Wenn man die Begriffe auf Abstand hielt, waren sie einem klar und deutlich. Je näher man an die Wirklichkeit heranging, desto verwaschener wurden sie. Wer diente nicht irgendwem, irgendwas, und sei es einer Idee? Wer war unabhängig von allem? Er selbst trug in der linken Schulter diesen Chip, der ihm Unsterblichkeit verlieh. Diente dieser Chip ihm – oder er dem Chip?

»Wir werden der Wahrheit auf den Grund gehen!«, versprach er den Laosoor ebenso wie sich und Mondra. Er schloss den Halbschalenhelm und aktivierte die Infrarot-Nachtsicht- und Restlichtaufhellungsfunktion im Datenvisier.

Dann machte er Mondra gegenüber eine einladende Geste. »Showtime.«

Offenbar hatte der laosoorische Translator Probleme mit der Übersetzung. »Schotaim?«, fragte Commander Pothawk nach.

»Eine Aufmunterung, an die Arbeit zu gehen.«

»Scho-Taim«, sagte der Laosoor feierlich, ehe er die Funkverbindung unterbrach.

Rhodan verkniff sich ein Lächeln, gab dem Pikosyn für die ersten Meter ein Zehntelgravo vor und stieß sich ab.

1.

Missgeburt

 

Ekatus Ajastoreus pendelte unterhalb des Firmamentsegels in der Hautmatte und zählte. Der Zeitregen hatte eingesetzt, verwirbelte die Alten Wälder und die Technotestate der Odonen. Dunkelschaum schwappte an den Rändern der Grundlosen Minen.

Der Zeitregen hüllte seinen Leib in Gischt; er spürte sein wohliges Ausgespanntsein, die Jugend voller Erinnerungen, das Alter in reiner Leere. Dann fügten sich seine Virtuate wieder zusammen.

Er zählte.

Über das flach gespannte Firmament strichelten einzelne Sonden der Bunro, masselose Projektile aus einem stählernen, eingekapselten Universum. Ihre Strangeness sprühte vor ihnen wie eine Bugwelle, da und dort kratzten sie Spuren ins Firmament, das eine metalline Phase durchlief.

Ekatus Ajastoreus schaukelte in seiner Hautmatte. Eine der Bunro-Sonden versuchte das Segel zu durchstoßen und in der Orbitschale zu landen, aber der Zeitregen verwirbelte sie, sobald sie tiefer sank, zu knisternden Phantomen. Ekatus Ajastoreus zählte friedlich vor sich hin.

Die Technotestate rekonstruierten sich, Ajastoreus geriet in Hochstimmung, als er das Design durchschaute. Kühne, verblüffende Entwürfe. Die Alten Wälder dagegen verwurzelten sich in einer Anderzukunft von eher riskanter Prognose.

Für den Moment fügten sich alle Ekatus-Ajastoreus-Virtuate zusammen, denn von überall her drang der Ruf auf ihn ein. Er kitzelte ihn. Er schaukelte, er zählte. Über ihm türmten sich die Wälle der Zitadelle, durchstießen die rotierenden Scheiben, in die sich das Firmamentsegel nun sortiert hatte.

Der Phantomsplitter einer Bunro-Sonde näherte sich in diskreten Schüben der Hautschaukel. Dann war er wirklich da. Ekatus Ajastoreus hob den Splitter und leckte darüber, ein herbes Fremdbitter. Es schmeckte verblüffend anregend; dann verpuffte der Splitter.

Für den Moment fügten sich alle Ekatus-Ajastoreus-Virtuate zusammen, denn von überall her drang der Ruf auf ihn ein.

Er löste ein Double des Splitters von der Zunge und warf ihn zurück ins Phasenfirmament. Der Splitter suchte sich einen Gravoslip und zischte nach oben. Ekatus Ajastoreus malte sich aus, wie die Sonde ihren Weg zurück in das Gepanzerte Universum fand und die Bunro-Wissenschaftler den Abdruck eines Wesens der anderen Seite entdeckten, den Abdruck eines Odonen, seinen Abdruck.

Wahrscheinlich ein Schock für die Bunro, die sich kein Leben in der Negasphäre vorstellen konnten.

So, wie sich spiegelgleich der Odone nicht vorstellen konnte, dass ein Leben außerhalb der Negasphäre lebenswert sein konnte, ein Leben in den Panzern des Gesetzes.

Aber Ekatus Ajastoreus bezweifelte, dass die Sonde je einen Weg zurück durch das Labyrinth der Kosmoportale finden würde.

Für den Moment fügten sich alle Ekatus-Ajastoreus-Virtuate zusammen, denn von überall her drang der Ruf auf ihn ein:

Kommst du?

Ekatus Ajastoreus räkelte sich wohlig. Es geschah nicht selten, dass er gerufen wurde. Er war ein außergewöhnlicher Odone, mit außergewöhnlichen Kräften. Und er genoss seinen Status sehr. So, wie ich bin?

Wie bist du denn?

So!

Die Lockungen strömten aus allen Richtungen der flüssigen Raumzeit, die sich stellenweise auskristallisierte, vorübergehend Inseln gebar, wegbar wurde. Endlich ließ Ekatus Ajastoreus sich los, gab dem Ruf nach und verwehte.

Die Zeiten kopierten sich. Eine Sequenz war wie die andere. Die große Identität hütete und beherbergte ihn.

Eines Tages aber brachen die Bunro-Sonden durch, und danach …

… danach war nichts mehr.

 

*

 

Er schrie, als er wieder zu Bewusstsein kam. Der Schmerz tobte, brach durch alle Barrieren, rannte ihn nieder. In einer Folge dunkler Explosionen schlug er alle Erinnerungen in Fetzen. Entsetzt beobachtete Ekatus Ajastoreus, wie sein Gedächtnis unterging.

Er versuchte, die eine oder andere Erinnerung zu retten, zu spät, zu spät. Alles war von Schmerz getrübt, er erkannte nichts mehr.

Doch: eines. Er, wie er in der Hautschaukel lag, unter dem Firmamentsegel, wie die Sonden der Bunro … Hatten nicht die Bunro … hatten sie ihn, Ekatus Ajastoreus …

Mit einem Mal durchschlug eine Erkenntnis den Schmerzschleier: Er war nicht mehr Ekatus Ajastoreus! Er war nicht mehr ganz!

Wer bist du?, fragte er in die Leere, ins Chaos.

Seine Gedanken klangen dumpf, vor Schmerz ganz lappig.

Wer bist du?

Der Schmerz erreichte einen Höhepunkt, ebbte dann allmählich ab. Erlöschen würde er nicht, das spürte Ekatus Ajastoreus. Endlich erhielt er eine Antwort:

Ich bin … ich bin …

Das Fremde in ihm musste sich offenbar klären, war zu sehr mit ihm verwoben, verbissen. Quälend langsam zog es sich aus Ekatus Ajastoreus’ Selbst zurück. Ich bin ich!, schrie sein Gegenüber endlich.

Unter dem Ich deutete sich ein Name an: Atimoss Fry. Und wer bist du?

Ekatus Ajastoreus. Die Schmerzen fluteten ihn wieder, für eine gewisse Zeit war nichts mehr als weiße Qual. Er klammerte sich an die eine Erinnerung, die ihm geblieben war: das Firmamentsegel, die Sonden der Bunro, die in die Negasphäre vorzustoßen versuchten.

Ekatus Ajastoreus.

Die fremde Stimme sagte es angewidert, als kaute sie auf einem toten Stück Fleisch. Was ist das?

Ich bin – ein Odone. Aus der odonischen Stellarlandschaft von … Ich habe … Fähigkeiten. Ich vermag …

Was?

Ich weiß es nicht …, gestand er seinem geisterhaften Gegenüber ein.

Eine neue Schmerzflut kam, aus der das, was sich Atimoss Fry genannt hatte, gestärkt hervorging und sprach: Ich war ein zwangsbeamteter Einsatzplaner im Dienst der Kosmokraten. Ich habe in der Zerotrance über Lichtjahrmillionen die Einsatztruppen der Aktion WARDECC koordiniert: Die Jungfräulichen Maschinen, die Neutronensternspindler, die …

Hör auf!, schrie Ekatus Ajastoreus. Was ist das alles? Das ist alles Unsinn! Ich will das nicht hören! Ich will, dass du fort gehst aus mir!

Dass ich fortgehe aus dir? Die Geisterstimme klang amüsiert. Wo glaubst du, dass du bist? Wer glaubst du, dass du bist, mein Schatz?

Neue Schmerzen. Sie tauchten sein Bewusstsein tief unter die Schwelle des Erträglichen. Als er wieder auftauchte, hatte er jeden Widerstand aufgegeben.

Wer ich bin? Ja, wer bin ich?

Du bist ich, lachte die Stimme. Ich bin du. Wir sind wir.

Und wer sind – wir?

Nächste schlechte Nachricht, mein Schatz: Wir sind, fürchte ich, eine Missgeburt.