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Prof. Dr. phil. Werner Burgheim (Hrsg.)

Im Dialog mit Sterbenden

zuhören – reden – sich verstehen

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Prof. Dr. phil. Werner Burgheim (Hrsg.)

Im Dialog mit Sterbenden

zuhören – reden – sich verstehen

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ISBN 978-3-86586-477-2


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Inhalt

Lobpreis eines alten Menschen

Einführung

Roland Hofmann

Verbale und nonverbale Kommunikation bei Sterbenden

Roland Hofmann

Modelle und Grundlagen der Kommunikation

Carola Otterstedt

Die Symbolsprache Sterbender

Gerda Graf

Gezielte Hilfestellung für Gespräche

Carola Otterstedt

Vorbereitung auf den Dialog in der Kranken und Sterbebegleitung

Sabine Brée

Validation: Ein Kommunikationskonzept für verwirrte Menschen

Werner Burgheim

Strukturierte Biografiearbeit mit Sterbenden und Trauernden

Lisa Niederreiter

Kunsttherapie mit Sterbenden und Trauernden

Ulrike Heinzen

Musiktherapie

Carola Otterstedt

Tiere als Helfer in der Begleitung

Werner Burgheim

Humor in der Sterbebegleitung

Carola Otterstedt

Miteinander Abschiednehmen

Birgit Janetzky

Rituale für Sterbende, Tote und Trauernde

Carola Otterstedt

Rituale beim Abschied – Stützungen der Seele

Lobpreis eines alten Menschen

Selig, die Verständnis zeigen für meinen

stolpernden Fuß und meine lahme Hand.

Selig, die begreifen, dass mein Ohr sich

anstrengen muss, um alles aufzunehmen,

was man zu mir spricht.

Selig, die zu wissen scheinen,

dass mein Auge trübe

und meine Gedanken träge geworden sind.

Selig, die mit einem freundlichen Lächeln verweilen,

um ein wenig mit mir zu plaudern.

Selig, die niemals sagen: „Diese Geschichte

haben Sie mir heute schon zweimal erzählt.“

Selig, die es verstehen, Erinnerungen

an frühere Zeiten in mir wachzurufen.

Selig, die mich erfahren lassen, dass ich

geliebt, geachtet und nicht alleingelassen bin.

Selig, die in ihrer Güte die Tage,

die mir noch bleiben auf dem Weg

in die Heimat

erleichtern.

anonym

Einführung

Jeder, der heute was auf sich hält, ist kommunikativ und steht im Dialog. Doch nicht jeder Dialog ist wirklich das, was eigentlich gemeint ist.

Dialog ist ein Prozess in einer offenen, unabgeschlossenen Gestalt, der dem Für und Wider unter gleichberechtigten Partnern Raum gibt und eigenes Urteilen ermöglicht.

Dialog unterscheidet sich von anderen Formen verbaler Kommunikation wie Rhetorik, die durch gezielten und überlegten Aufbau überreden, versüßen (lat. persvadere) und von der Debatte, welche nach harter Auseinandersetzung durch Abstimmung beendet wird und Sieger und Verlierer bestimmt.

Dialog ist partnerschaftliche Begegnung zwischen Menschen. Eine Indianerweisheit aus dem Stamme Dakota sagt: „Die wahrhaft höfliche Art und Weise, ein Gespräch zu beginnen, war eine Zeit gemeinsamen stillen Nachdenkens und auch während des Gespräches achteten wir jede Pause, in denen der Partner überlegte und nachdachte.“ Für die Dakota war das Schweigen bedeutungsvoll. Im Unglück und Leid, wenn Krankheit und Tod unser Leben überschatteten, war Schweigen ein Zeichen von Ehrfurcht und Respekt. Für die Dakota war Schweigen von größerer Kraft als das Wort.

„Weil Dialog Begegnung zwischen Menschen ist, die die Welt benennen, darf er keine Situation bilden, in der einige Menschen auf Kosten der anderen die Welt benennen. Vielmehr ist er ein Akt der Schöpfung1 … Dort, wo man sich begegnet, gibt es weder totale Ignoranten noch vollkommene Weise – es gibt nur Menschen, die miteinander den Versuch unternehmen, zu dem, was sie schon wissen, hinzuzulernen2 “, so der bekannte brasilianisch Erwachsenenbildner Paulo Freire.

Martin Buber geht davon aus, dass Leben sich nur in der Gemeinschaft entfalten kann. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“3 Im Ich-Du-Verhältnis wird diese Begegnung erfahren und zwar im Sicht-Erschließen. Es ist ein zweiseitiger Vorgang zwischen Ich und Du. Im Es-Verhältnis wird ein / eine oder ein anderes (das Es) dem eigenen Zweck unterworfen, es wird, besessen. Im begrenzten Ich, durch Dinge und Menschen, auf die es stößt, erfährt es die anderen, das Du und zugleich sich selbst und kommt damit zum Bewusstsein der anderen und seiner selbst.

Nina Herrmann berichtet aus ihrer Arbeit als Klinik-Seelsorgerin in den USA in ihrem Buch: Mit Trauernden reden“ von zwei Kollegen. Der Priester „hält im Vorübergehen eine Minute bei einem Menschen an, und der hat hinterher das Gefühl, er hätte gut und gern fünf Minuten mit ihm gesprochen. Ein Pfarrer redet fünf Minuten mit einem Kranken und hinterlässt das Gefühl, mal eben eine flüchtige Minute vorbeigekommen zu sein. Der Priester bleibt stehen, stellt sich bequem hin oder setzt sich, nimmt eine Hand, hält Blickkontakt und gibt dem Kranken das Gefühl, seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Pfarrer kann nicht stillstehen, setzt sich nicht hin, kann nicht entspannen, fasst niemand an, guckt in der Gegend umher und vermittelt den Eindruck, schrecklich beschäftigt zu sein, und schon damit einen Gefallen getan zu haben, dass er mal eben vorbeigekommen ist.4

Wahres Zuhören ist echte Teilnahme an dem, was der andere sagt, was er oder sie vielleicht nur andeutet, und darauf, was sie nicht anspricht. Das ist Arbeit, harte Arbeit sogar, die manchmal einen alle Kraft kostet.

Der Dialog lebt vom Geben und Nehmen, vom Reden, Hören und Antworten, vom Impuls geben und aufnehmen, vom Warten, Schweigen, von Meinung und Widerspruch, von Streitkultur, Dialektik und Synthese. Zwei oder mehrere Menschen begegnen sich. Das aktive Zuhören hat im Dialog einen wichtigen, zu übenden Anteil.

Keiner der Partner hat den Dialog allein in der Hand. Er liegt im wörtlichen Sinne „zwischen“ den Partnern, die Silbe „dia“ sagt es. Gegenüber allen einzelnen ist er ein Drittes, das wahrgenommen und gepflegt sein will und in dessen Medien sie erst zum Partner werden… Für jedes Eigene, das im Dialog „zwischen“ den Sprechenden geschieht, muss durch sprachliche Bildung das „Organ“ entwickelt werden.

Darum lässt Antoine de Saint-Exupéry den Fuchs im „Kleinen Prinzen“ zum Flieger sagen: „Du musst sehr geduldig sein… Du setzt dich zuerst ein wenig abseits von mir ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bisschen näher setzen können…“ Und wenig später: „Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“5

In der Begleitung Sterbender erleben die BegleiterInnen in der letzten Phase des Lebens hautnah den Kampf gegen Schmerzen, Ängste, Verzweiflung, aber auch Hoffnungen und letzte wirkliche Botschaften.

Alltagserfahrungen zeigen, wie oft es zu Missverständnissen kommt. In der Sterbebegleitung ist dies tragisch. Von Sterbenden wird oft eine nonverbale Sprache verwendet und dafür ist ein Wissen und eine Sensibilisierung der Begleiterinnen und Begleiter erforderlich.

Auch das Verhältnis des Sterbenden zu seinen Angehörigen ist und wird oft bis an die Grenze belastet. Wie Brücken schlagen? Wie die Situation verstehen? Wie kann ein Dialog mit dementen und verwirrten Menschen überhaupt noch gelingen?

„Was den existenziellen Grund eines Menschen berührt“, so der Hospizarzt Martin Weber, „muss belastend, muss schwierig bleiben“, und doch kann es befiedigender sein als das Gelingen einer komplizierten Operation.

Hierzu bedarf es kommunikativer Kompetenz. „Ein gelingendes Gespräch wird sich sabei nicht auf bloße „Gesprächstechnik“ reduzieren lassen, sondern der Schwerstkranke wird – günstigenfalls – erleben, ob er ein echtes Interesse, eine tatsächliche Wertschätzung seiner Person erfährt und spürt“, so schreibt der Kommunikationswissenschaftler Roland Hofmann in diesem Buch.

Der Dialog braucht auch Anstöße und Ausdrucksmittel: Das vergangene Leben noch einmal in strukturierter Biografiearbeit zu reflektieren, mit Kunst und Musik Gefühle zum Ausdruck verhelfen und verarbeiten, Tiere und Humor als Medien und als Helfer einsetzen, und Humor als Haltung heilend wirksam werden lassen.

Rituale sind Stützungen der Seele. Anregung zu Formen des Abschiednehmens, der letzten Stunde und Rituale bis zur Bestattung werden hier zahlreich gegeben und an vielen Beispielen verdeutlicht. Die Autoren/-innen haben mit Engagement viel Nützliches aus ihren Erfahrungen in diesem Buch aufgeschrieben.

Möge es den Sterbenden und seinen Begleitern zu einer echten Begegnung verhelfen, Basis und Ausgangspunkt für alle weiteren Gestaltungsprozesse.

September 2005

Prof. Dr. phil. Werner Burgheim


1  Freire, P. Pädagogik der Unterdrückten, Reinbek Hamburg, 1973, 72.

2  A. a. O. 74.

3  Buber, M.: Das dialogische Prinzip, Heidelberg, 1984, 14.

4  Herrmann, N., 1990, 149.

5  A. a. O. 127.

Verbale und nonverbale Kommunikation bei Sterbenden

Roland Hofmann

Immer noch ein Tabu?

Tod, Trauer, Sterben, unerträgliche Schmerzen sind in unserer Leistungsgesellschaft Themen, die sehr häufig mit einem Tabu belegt sind.

Was aber „machen” Menschen, die sich freiwillig – ob professionell oder ehrenamtlich – an das Sterbebett setzen, um Schwerstkranke und Angehörige zu trösten, mit ihnen zu weinen oder einfach nur zuzuhören?

Sie begleiten Sterbende in der letzten Phase ihres Lebens, erleben hautnah den Kampf gegen Schmerzen, Ängste, Verzweiflung, aber auch Hoffnungen und letzte wirkliche Botschaften.

All dies auszuhalten wird nicht dadurch einfacher, dass ein Hospizhelfer, Arzt, eine Krankenschwester, Angehörige die Grundlagen der Kommunikation beherrschen.

„Was den existenziellen Grund eines Menschen berührt”, so schreibt Martin Weber (2000), „muss belastend, muss schwierig bleiben” (S. 34), „und doch kann es befriedigender sein als das Gelingen einer komplizierten Operation“.

Kommunikative Kompetenz

Hierzu bedarf es kommunikativer Kompetenz. Ein gelingendes Gespräch wird sich dabei nicht auf bloße „Gesprächstechnik” reduzieren lassen, sondern der Schwerstkranke wird – günstigenfalls – erleben, ob er ein echtes Interesse, eine tatsächliche Wertschätzung seiner Person erfährt und spürt.

Helene Mayer (2001), die Vorsitzende der österreichischen IGSL, Internationale Gesellschaft für Sterbebegleitung & Lebensbeistand, betont in ihrem Editorial die Bedeutung und Überlegenheit der nonverbalen Kommunikation im Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden.

Die Bedeutung nonverbaler Kommunikation

Gerade hier geschieht das Senden einer Nachricht sehr häufig – oft wegen des Fehlens anderer Möglichkeiten der Übermittelung – durch Blickkontakt, aber auch Lächeln, Gesten, veränderte (etwa plötzlich distanzierte) Körperhaltung usw.

Ob den schwerstkranken Menschen jemand anlächelt, anstarrt, weint, führt sehr häufig zu spontaner Reaktion – mehr oder weniger ausgeprägt auf allen vier Ebenen einer Nachricht.

Mayer (2001, S. 3) versucht durch ein kleines Fallbeispiel einiges zu verdeutlichen:

„Rote Schuhe“

„Als Angela im Krankenhaus lag, weil ihr der Blinddarm entfernt werden musste, wurde zwei Tage später eine junge Patientin zu ihr ins Zimmer gelegt, der bei einem schweren Verkehrsunfall beide Beine gebrochen worden waren. Diese Patientin war überzeugt davon, dass sie nie wieder würde laufen können. Sie war unglücklich, unwillig und launisch. Kaum ein freundliches Wort war den ganzen Tag über von ihr zu hören. Sie weinte oder schlief den ganzen Tag. Nur morgens, wenn die Post kam, schien sie ihrer Umwelt etwas freundlicher gesonnen. Doch trotz aller Geschenke blieb sie traurig und unglücklich. Eines Tages erhielt sie ein größeres Päckchen von ihrer Tante, die weit entfernt wohnte. Als die junge Patientin das Paket geöffnet hatte, fand sie ein wunderschönes Paar roter Schuhe mit kleinen Absätzen.

Die Krankenschwester murmelte etwas von „Leuten, die überhaupt kein Feingefühl hätten …“, und räumte die Verpackung weg. Doch die Patientin schien sie gar nicht gehört zu haben. Sie steckte die Hände in die Schuhe und ging mit ihnen auf der Bettdecke spazieren. Ab diesem Tag änderte sie ihr Verhalten. Sie nahm die Anweisungen der Krankenschwester bereitwillig an, und bald schon konnte die Therapie intensiviert werden.

Eines Tages sah Angela zufällig ihre ehemalige Zimmernachbarin, wie sie lachend mit einer Freundin in eine Eisdiele ging; an den Füßen trug sie rote Schuhe mit kleinen Absätzen.”

Das Hygieneund Distanzgebot gilt heute als Unfug

War es vor zehn bis zwanzig Jahren noch der Pflegekraft / dem Arzt „verboten”, sich auf oder nah an das Bett eines Patienten zu setzen (etwa um seinen Arm, seine Stirn zu streicheln, seinen Kopf an sich zu drücken) – und dies geschah häufig unter dem Aspekt der Hygiene oder des Distanzgebots –, so gilt dies heute als Unfug.

Denn sehr viele Patienten versuchen durch nonverbale Kommunikation ihre Ängste, Hilflosigkeit, Trauer, Aggression und Schmerz auszudrücken und sollten in diesem Bedürfnis nicht allein gelassen werden, denn nonverbale Botschaften sind der Sprache überlegen.

Medizinische Information

Stellen Sie sich vor, Sie beteuern vielfach – etwa als Krankenschwester, Arzt, Sozialpädagogin: „Sie brauchen vor der OP keine Angst zu haben; dies ist nur ein kleiner, unbedeutender Eingriff. Dr. M. hat den schon hundertfach durchgeführt. Die Misserfolgsquote liegt nur bei 0,5 %….”

Was bedeutet das für sehr viele Patienten – nach dieser doch sachlich vorgetragenen Information? „Ich bin bei diesen 0,5 %…!” Neben diese (notwendige) medizinische Information sollte die nonverbale Kommunikation treten.

Eine andere Qualität

Bevor die Pflegekraft, der Arzt oder andere vielfach beteuern: „Sie brauchen keine Angst zu haben” u.s.w., erhält das „In-den-Arm-nehmen”, den „Patienten an sich drücken” eine völlig andere Qualität, selbstverständlich nur, wenn die Beziehung zwischen beiden dies hergibt und wenn die Patienten dieses Bedürfnis auch (nonverbal) ausdrücken.

Der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe kommt bei Schwerstkranken erst gar nicht auf, wenn sie ein verlässliches Gefühl dafür entwickeln können, dass ihre körperlichen Schmerzen mit modernsten Methoden zuverlässig gelindert und ihre begleitenden (seelischen) Schmerzen durch entsprechende Betreuung und psychosoziale Unterstützung begleitet werden. Nonverbale Anteile – gerade auch in der professionellen Arbeit – können hierbei einen unschätzbaren Anteil beitragen.

Letztendlich muss der „Hospizler”, der „Profi” rüberbringen:

„Mich interessierst du. Ich verstehe, warum du so fühlst, dich so verhältst. Du interessiert mich als Person….”

Der Wert des Zuhörers

Fazit: Er ist ein guter Zuhörer! Über den Wert des Zuhörens ist schon viel nachgedacht und geschrieben (z. B. Hofmann, 1995) worden. Dort wird die Frage gestellt: Lässt sich dieses Gesprächsverhalten lernen? Ich meine: Ja! Jeder, der will, kann ein guter Zuhörer werden. Die Kommunikation im Berufsalltag des Krankenpflegepersonals bedarf der professionellen Gesprächsführung. Nun haben sich seit vielen Jahren Wissenschaftler und Praktiker darum bemüht herauszuarbeiten, was die Grundlagen der zwischenmenschlichen Kommunikation, der Psychologie der Gesprächsführung, sind. Diese Theorienentwicklung und Systematiken haben in ein Konzept Eingang gefunden, das sich unter „Gesprächspsychotherapie / klientenzentrierte Gesprächsführung” zusammenfassen lässt.

Professionelle Gesprächsführung

Das Gegenüber, der Mensch, der Partner, der Patient, der / die Mitarbeiter stehen dabei im Vordergrund. Als deren Partner / Zuhörer will ich mich bewähren und nicht als Experte, der vorschnelle Ratschläge gibt, wie hilfesuchende Personen ihr Leben oder auch ihr Sterben besser „in den Griff bekommen”. Denn der Schlüssel zur Problembewältigung liegt bei jedem selbst. Man kann ihn nur beraten, begleitend im helfenden Gespräch unterstützen. Die Bedeutung des Gesprächs in der zwischenmenschlichen Beziehung auf der Station ist allen, die dort arbeiten, bekannt. Der amerikanische Psychologe Carl Rogers hat die wissenschaftliche Gesprächsführung begründet. Nach einigen Jahren in der Praxis der Beratung und Psychotherapie hat er zusammen mit seinen Mitarbeitern eine Vielzahl von Tonbandprotokollen aus Beratungssituationen abgehört, analysiert und drei Variablen gefunden, die immer wieder auftauchten, wenn ein Gespräch gut verlief. Es sind die Elemente einer einfühlsamen Haltung:

Was macht ein „gutes“ Gespräch aus?

  Positive Wertschätzung

  Einfühlung / Empathie

  Verbalisierung der emotionalen Erlebnisinhalte

Die zentrale Voraussetzung für das Gespräch ist das Zuhören.

Der Partner muss die Gelegenheit bekommen, seine Sichtweise ausführlich darzulegen. Dabei kann man helfen, indem man sein Interesse zeigt: „Erzähl weiter! Wie war das genau?” usw.

Ein weiterer Schritt ist dann, dem Partner seine Gedanken und Aussagen widerzuspiegeln. Dies geschieht durch Sätze wie: „Du meinst also, dass…”, durch Wiederholungen seiner Aussagen oder Zusammenfassung mehrerer Aussagen mit eigenen Worten.

Schließlich soll man die Gefühle des Partners ansprechen. Dies können sowohl direkt geäußerte Gefühle sein als auch Gefühle, die beim Erzählen mitschwingen („Du hast Angst, dass…”, „Bei deinen Worten klingt Hoffnung mit”).

Klientenzentrierte Grundhaltung

Grundsätzlich ist aber wichtiger als jede psychologische Technik, dass man die partnerzentrierte / klientenorientierte Grundhaltung so zeigt, wie sie für einen selbst echt ist. Echtheit heißt: Sie muss sich in die eigene Person und in das eigene Verhalten einfügen. Partnerzentriert sein bedeutet dann, dass man sich in den Partner hineinversetzt.

Exkurs: Was bedeutet ein Lächeln?

Dass Gesichter, die Gefühle zeigen, die Macht haben, ein bestimmtes Ausdrucksverhalten auszulösen und uns zu bestimmten subjektiven Erfahrungen bringen können, ist seit langem belegt (z. B. Deutsch, Le Baron & Fryer, 1991.) Allerdings gibt es demnach geschlechtsspezifische Unterschiede, wonach in Sachen „Lächeln” für Männer und Frauen unterschiedliche Maßstäbe angesetzt werden.

Bedeutung des Lächelns

Wenn Frauen kein ausdrucksstarkes und herzliches nonverbales Verhalten zeigen, werden sie strenger bewertet als Männer. Alexander Lowen, dem Begründer der Bioenergetik, wird folgende Behauptung nachgesagt:

Körperausdruck

„Keine Worte sind so klar wie die Sprache des Körperausdrucks, wenn man erst einmal gelernt hat, sie zu verstehen.”

…und dazu gehört im Bereich der Mimik neben dem unverzichtbaren Blickkontakt die Bewegung des Mundes. Denn ein Lächeln sagt alles und bewirkt viel. Die positive Gemütsverfassung wirkt sich auf die Gesundheit von Körper und Seele – beim Sender und Empfänger dieser Nachricht – aus.

Supervision als Form der Beratung

Supervision – Beratung und Gesprächsführung

Bei der Pflege von Schwerstkranken oder Sterbenden stehen die Pflegenden und alle anderen patientennah arbeitenden Berufsgruppen unter besonders starker psychischer Belastung. Durch Supervision kann ihnen psychosoziale Entlastung geboten werden. Wenn Supervision der professionellen und systematisierten Bearbeitung von beruflichen Interaktionsproblemen dient und eine Verbesserung und Erweiterung persönlicher und fachlich praktischer Handlungskompetenz zur Folge hat – ist sie damit nicht „nur” eine Form der Beratung? Und wenn daneben das einfühlsame, „heilsame” Verhalten und Verständnis für andere Menschen erlernt und eingeübt werden soll – erkennen wir nicht da die Grundlagen der Gesprächsführung – Akzeptanz, Einfühlung, Echtheit – wieder?

Ist dann Beratung nicht nur eine besondere Form der Gesprächsführung? Diese Fragen sind mit einem klaren JA zu beantworten! Supervision ist eine Form der Beratung, und Beratung ist eine Form der professionellen Gesprächsführung, und allen ist eines gemeinsam: Die Beteiligten in einem solchen Interaktionsprozess müssen einander zuhören – oder sie müssen es lernen. Und dafür gibt es unterschiedliche Supervisionsansätze: Die Einzel-, die Team- und Gruppensupervision sowie die Projektberatung.

Supervisionsbrille

Die Supervisionsinhalte (Gesprächsinhalte) betreffen die Beziehungen des Personals untereinander und zu Führungskräften, des Pflegepersonals zu den Patienten und deren Angehörigen, zur Krankenhausorganisation und zur Gesellschaft und können dann durch die so genannte Supervisionsbrille betrachtet werden. Partnerzentrierte Gesprächsführung, Beratung und Supervision sollten in der Praxis der Sozial- und Gesundheitsberufe eine Selbstverständlichkeit sein. Sie ist kein Allheilmittel. Ihre Einführung im Krankenhaus, Altenheim, Hospiz ist aber ein humanistischer Ansatz, um die bestmöglichen Hilfen für Patienten und Personal bereitzustellen.

Sterbebegleitung – ein Kommunikationsproblem?

Sterbebegleitung ist eben sehr häufig auch ein Kommunikationsproblem. So ist es ein weit verbreiteter Irrtum, davon auszugehen, Schwerstkranke würden bereits lange vor ihrem Tod das Bewusstsein verlieren. Sehr viele Patienten – so zeigen Praxiserfahrungen und Untersuchungen immer wieder überzeugend – bleiben bis kurz vor ihrem Tod erreichbar, wenn auch nicht immer ansprechbar (etwa direkt-verbal, symbolisch-verbal oder auch in der Form einer „Symbolsprache” wie sie z. B. Inger Hermann (2000) unter dem bezeichnenden Titel „Die Koffer sind gepackt!” beschreibt).

Zentral bleibt gerade in diesen Phasen, dass sich der Sterbebegleiter auf die dem Patienten noch mögliche Art der Kommunikation einlassen kann und sie verstehen lernt.

Dies mögen z. B. Symbol- oder Traumsprache sein, die das Nacherleben von vielleicht Unaussprechlichem möglich machen, etwa durch Weiterassoziieren und -phantasieren oder die gemeinsame Suche nach Wort- oder Bildmetaphern, die Trost spenden und entlasten (Mennemann, 1998).

Die berühmte amerikanische Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross beschreibt solche Gleichnisse, Parabeln und Symbolsprachen (1990) sehr anschaulich anhand zahlreicher Fallbeispiele – auch unter Verwendung von Zeichnungen –, angefertigt in einer Lebenskrise. Bekannt wurde sie insbesondere einem breiten (Fach-) Publikum dadurch, dass sie die vielfältigen Phänomene des Sterbens bestimmten typischen Abschnitten zuordnet.

Zum Nutzen der Phasenmodelle

Aber – so schreibt Mennemann (1998, S. 256):

„Eine Orientierung an Phasenmodellen, dies sei noch einmal kurz wiederholt, ist in der Praxis wenig hilfreich, da die Phasen nicht deutlich nacheinander ablaufen. Allerdings sind ein Wissen um unterschiedliche Verarbeitungsphasen und daraus folgend unterschiedliche Interventionsstrategien wichtig.”

Biografiearbeit, Erzählstunden, kreative Verfahren können das Gelingen der Kommunikation mit Sterbenden sehr bereichern und erleichtern und dies ist nur in sehr geringem Ausmaß abhängig von der richtigen Wortwahl. Im Vordergrund steht die Konsequenz: Das Zusammenspiel verbaler und nonverbaler Ausdrucksformen (vgl. Axiom 3, Modelle und Grundlagen der Kommunikation).

Ein alter Grundsatz: Schweigen ist oft ausdrucksstärker als Reden

Und ein weiteres Axiom gab den Hinweis:

„Auch wenn verbale Verständigung versagt, besteht weiterhin Kommunikation: Gelebtes Schweigen ist oft ausdrucksstärker als Worte. Erst die innere Abkehr vom sterbenden Menschen führt ihn in die Isolation, nicht jedoch Schweigen oder Stille. Erlebnisformen der Stille können sein: Nähe (Verringerung des körperlichen Abstandes) und innere Anwesenheit, auditive Kommunikation (Töne, Lieder, Musik), Zuhören („Die meisten sterbenden Patienten möchten keine Antworten, weil sie wissen oder spüren, dass es auf die Geheimnisse des Todes keine Antworten gibt”), Blickkontakte (Kommunikation ist über Blicke möglich zwischen vertrauten Menschen), Körperkontakt (Streicheln), einfühlende Solidarität (vorbehaltlose Begegnung, Einbringen der eigenen ganzen Person…) (Mennemann, 1998, S. 260).

Der Körper als Kommunikationsträger

Schweigen und Zuhören sind gleichrangige zentrale „Sprachkompetenzen”, und es wird immer wieder in Theorie und Praxis der Sterbebegleitung völlig zu Recht auf den Körper, die Körpersprache, als wichtigen Kommunikationsträger hingewiesen.

Neben klassischen körperorientierten Methoden (wie Yoga, autogenes Training, progressive Muskelentspannung) treten in jüngster Zeit auch „Konzentrative Bewegungstherapie – KBT” (Hausmann & Neddermeyer, 1996) und „Focusing”.

Focusing

Dieses Focusing – so schreibt Agnes Wild-Missong in ihrem Vorwort zur deutschen Ausgabe 1981 des vom Begründer dieser Methode (des Chicagoer Psychologieprofessors Eugene T. Gendlin) herausgegebenen Standardwerks – ist „als eigentlicher Prozess psychischer Veränderung eine Neuentdeckung. Es ist ein körperlich spürbar ablaufender Prozess, bei dem sich aus Körperempfindungen Sinngehalte ergeben. Dieser Prozess bringt ein Evidenzerleben mit sich, das demjenigen, der es erfährt, absolute Sicherheit vermittelt, das eigentliche Bedeutsame einer Sache gefunden zu haben. Dieses spezielle Sprechen-Lassen aus dem Körper, um die eigentliche Bedeutung eines Problems in evidenter Weise zu erfahren und zu erkennen, ist Focusing.” (S. 7)

Gefühle in Worte fassen

„Focusing wurde im Rahmen der klientenzentrierten Psychotherapie entwickelt. Carl Rogers, der Begründer der klientenzentrierten Psychotherapie, postuliert das empathische Verstehen, das wirkliche Zuhören-Können. Indem er sich in den Bezugsrahmen des Klienten versetzt, versucht Rogers, die Gefühlsbedeutung der Aussage eines Klienten zu verstehen und dem Klienten sein Verständnis mitzuteilen. (…) Wenn Rogers die Gefühle, die eine Aussage begleiten, widerspiegelt, lässt Gendlin die Aussage zuerst körperlich empfinden, bis aus der Körperempfindung die gefühlte Bedeutung spricht.” (S. 7/8)

Bereits diese prägnanten Formulierungen skizzieren den unschätzbaren Wert dieser professionellen Interventionsmöglichkeit: Hier wird das Körpererleben auch an Worte gebunden und eine ganzheitliche Kommunikation hergestellt, und damit tragen körperliche Entspannung und bewusstes Wahrnehmen eines Schmerzes zur psychischen Erleichterung bei; aktuelle Publikationen sind beispielhaft folgende:

Cornell (1997); Feuerstein; Müller & Weiser-Cornell (2000), und zum Thema „Schmerzbewältigung”, „Umgang mit chronischen Schmerzen” liegt auch eine CD-ROM beim FZK (Focusing Zentrum Karlsruhe / Weingarten) vor.

Burgheim (1994) macht an sieben methodischen Gestaltungselementen – verbunden mit vielen Beispielen und Praxisbezügen – die Aufgaben eines „Lernhelfers” (so nennt er ihn) in der qualifizierten Begleitung von Sterbenden und Trauernden deutlich.

Burgheims Lehr-Lern-Prozess

Dazu bedient er sich folgender methodischer Elemente im Lehr-Lern-Prozess als Weg des Lehrens und Lernens (S. 167 – 251):

  Verstehen (Sprache und Verstehen)

  Hineinhören (Erzählung und Hineinhören)

  Schreiben (Schreiben und Vorlesen)

  Schauen (Bilder und Schauen)

  Gestalten (Gestalten und Begreifen)

  Berühren (Körper und Berühren)

  Bewegen (Leib und Bewegen)

Damit wird den Beteiligten im Krisen-Lehr-Lern-Prozess ein methodisches „Rüstzeug” an die Hand gegeben um „überleben zu lernen, und das ist wesentlich.” (Burgheim, S. 247)

Ein Beispiel: Das „Apallische Syndrom”

Ein Fallbeispiel

Im so genannten „Wachkoma”(=„Apallisches Syndrom”) befindet sich der Patient in einem schlafähnlichen Zustand, hält aber die Augen offen. Ursachen für diesen Zustand sind mannigfaltig: Etwa ein Herzinfarkt, Schlaganfall, Unfall, Komplikationen in Verbindung mit einer Reanimation oder infolge eines Narkosezwischenfalls. Ca. 100.000 Menschen – so schätzt man – erleiden pro Jahr ein solches schweres Schädel-Hirntrauma in Deutschland (laut Angaben des Vereins „Dornröschen” in Bad Honnef).

In einer großen Regionalzeitung (Rhein-Zeitung, Koblenz vom 22.09.2001) wird folgender Fall beschrieben:

Willi Zeck, ein 57-jähriger Maschinenbauer, fällt bei Arbeiten „rund um sein Haus” plötzlich um. Er wird reanimiert, im Krankenhaus ein zweites Mal. Wie lange er unter Sauerstoffmangel gelitten hat, weiß seine Frau nicht. Die Ärzte versetzen den Patienten in ein künstliches Koma. Nach zwei Wochen atmet Zeck wieder selbst, aber das Bewusstsein erlangt er nicht wieder. Seine Frau ist dennoch optimistisch, schaut ihn immer wieder an und denkt: „Er muss doch gleich aufwachen.” Die Ärzte bleiben skeptisch, „ich müsste abwarten”, sagten sie. „Und sie wollten mir nichts versprechen, keine zu großen Hoffnungen machen.”

Gertrud Zeck lässt sich die Hoffnung nicht nehmen. Bis heute nicht. „So einfach geht das nicht.” Ihr Mann wird in die Akut-Rehabilitation nach Trier verlegt. Sein schlafähnlicher Zustand hält an. Mit geöffneten Augen starrt Willi Zeck zur Decke. Seine Frau sitzt jeden Tag neben ihm, stundenlang hält sie seine Hand. Und sie erzählt, erzählt. Von Tochter Sandra, vom neuen Haus. Von den Rechnungen, die endlich bezahlt sind, und dass das Geld sogar noch fürs Verputzen reichen wird. Gertrud Zeck muss sich erst daran gewöhnen, dass sie keine Antwort bekommt. Fragen stellt sie dennoch, und mit ihrem Mann vereinbart sie: „Wenn du ja sagen willst, dann mach die Augen ein Mal zu.” Als das funktioniert, ist die 46-Jährige endgültig überzeugt, dass ihr Mann im Wachkoma seine Außenwelt wahrnimmt.

… und die Meinung der Experten

Ein Experte, der Oldenburger Mediziner Andreas Zieger, wird in dem Artikel der Zeitung wie folgt zitiert:

„Bei Wachkoma-Patienten handelt es sich um lebende und empfindsame Menschen, deren Leben konsequent gefördert oder begleitet, nicht aber durch Maßnahmen zur Sterbehilfe beendet werden sollte. Menschen im Wachkoma sind weder unheilbar Kranke noch Sterbende oder gar (Teil-) Hirntote, sondern sie sind neurologisch (Langzeit-) Schwerstkranke. Ihre Behandlung, Förderung und Begleitung ist an den gleichen Kriterien zu messen wie der Umgang mit anderen chronisch Schwerstkranken oder Schwerstbehinderten.”

Die Sprache der Sterbenden

Die Beschäftigung – eben auch nonverbal – mit der „Sprache der Sterbenden” setzt voraus, dass sich die Begleitenden die Zeit und die Ruhe nehmen, um genau hinzusehen, hinzuhören und sich in den sterbenden Menschen hineinzufühlen (Klessmann, 1994).

Demnach können sprechunfähige Menschen durchaus noch sehr wahrnehmungsfähig sein und sind auf vielfache Weise noch zu erreichen.

Klessmann (1994. S. 171) führt dazu aus:

Wahrnehmungsfähigkeit

„Hör-, Seh-, Riech- und Geschmackssinn sind mehr oder weniger intakt und natürlich kommen auch die Wahrnehmung von Hautkontakt, Mimik, Gestik, Zeichensprache und die Sprache der Berührung hier voll zum Zug. Krankenschwestern, die darin Erfahrung und Übung haben, berichten erstaunliche Dinge über die Differenziertheit, die in der Verständigung mit solchen Patienten möglich ist.”

Modulation der Stimme

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, wenn Menschen, die Sterbende begleiten, etwas über ihre eigene Mimik und Gestik sowie über ihre Stimme wissen. Ebenso wichtig ist es, dass sie wissen, was sie ausstrahlen und wie sie Zuwendung oder Ablehnung, Gleichgültigkeit oder Freude ausdrücken oder wie sie zu Schwerkranken oder Sterbenden sprechen: Wie klingt meine Stimme? Eher hart oder flüchtig oder warm? Wie rede ich mit einem Schwerkranken? Mache ich ihn zum Kind, oder rede ich mit ihm wie mit einem Erwachsenen?

Seit langem ist bekannt:

„Trost und Zuwendung heilen!”

Dies wird durch die Distanziertheit in der modernen medizinischen Versorgung, aber auch durch Routineabläufe in Krankenhäusern / Altenheimen allzu häufig verhindert.

Hilft Vertrauen heilen?

Ein großes Krankenhaus in Mecklenburg-Vorpommern firmiert seit kurzer Zeit unter dem Logo „Vertrauen hilft heilen!”. Dies tragen die Beschäftigten auch im Namensschild ihrer Dienstkleidung. Während dies dem einen allzu plakativ-aufgesetzt vorkommen mag, wird der andere daran vielleicht Gefallen finden und Zutrauen fassen.

So berichtet die Zeitschrift „Psychologie Heute” (04/1992, S. 41) über eine „Stanford-Untersuchung mit Brustkrebs-Patientinnen, die zusätzlich zur medizinischen Therapie an Selbsthilfegruppen teilnahmen”.

Demnach berichteten diese Frauen nicht nur von einem wesentlich verbesserten Befinden, sondern sie überlebten auch durchschnittlich 18 Monate länger als eine vergleichbare Kontrollgruppe, die ausschließlich in ärztlicher Behandlung war.

Beides muss zusammenkommen

Natürlich können Wärme, Akzeptanz, Zuwendung die medizinische Therapie und Diagnostik nicht ersetzen. Kombiniert und ganzheitlich kann beides aber ganz offentsichtlich deutliche Fortschritte im Heilungsprozess bewirken.

Und abschließend:

„Gesagt ist nicht gleich gehört, gehört ist nicht gleich verstanden, verstanden ist nicht gleich akzeptiert; diese Grunderfahrung professioneller Gesprächsführung weist darauf hin, dass Beraten mehr und anderes ist als Informationen weitersagen.” (Quelle unbekannt)

Wer sich mit dem Thema „Beratung” umfassend und allgemein beschäftigen will, sei auf die Zeitschrift „BERATUNG AKTUELL – Zeitschrift für Theorie und Praxis der Beratung” (Hrsg.: Sanders, R. Paderborn: Junfermann-Verlag) hingewiesen oder auf die wissenschaftliche Reihe „Beratung” (Hg.: Nestmann, F. & Thiersch, H., Band 1 – 7; Tübingen: dgvt-Verlag).

Wusstest Du schon?

Wusstest Du schon,

dass die Nähe eines Menschen

gesund machen,

krank machen,

tot oder lebendig machen kann?

Wusstest Du schon,

dass die Nähe eines Menschen

gut machen,

böse machen,

traurig und froh machen kann?

Wusstest Du schon,

dass das Wegbleiben eines Menschen

sterben lassen kann,

dass das Kommen eines Menschen

wieder leben lässt?

Wusstest Du schon,

dass die Stimme eines Menschen

einen anderen Menschen wieder aufhorchen lässt,

der für alles taub war?

Wusstest Du schon,

dass das Wort oder das Tun eines Menschen wieder

sehen machen kann,

einen, der für alles blind war,

der nichts mehr sah

in dieser Welt und in seinem Leben?

Wusstest Du schon, dass das Zeit-Haben

für einen Menschen mehr ist als Geld,

mehr als Medikamente,

unter Umständen mehr

als eine geniale Operation?

Wusstest Du schon,

dass das Anhören eines Menschen

Wunder wirkt, dass das Wohlwollen Zinsen trägt,

dass ein Vorschuss an Vertrauen

hundertfach auf uns zurückkommt?

Wusstest Du schon,

dass das Tun mehr ist als Reden?

Wusstest Du das alles schon?

Wusstest Du auch schon,

dass der Weg vom Wissen über das Reden zum Tun

unendlich weit ist?

aus: Wilhelm Willms „Roter Faden Glück“, Kevelaer 1988

Modelle und Grundlagen der Kommunikation

Roland Hofmann

Grundmodelle der Kommunikation

Die moderne Kommunikationspsychologie hat zwei Grundmodelle der zwischenmenschlichen Kommunikation entwickelt, die populärer kaum sein könnten. Kaum ein Fachbuch, eine Zeitschrift zu diesem Stichwort kommt ohne das Modell des amerikanischen Forschers und Psychotherapeuten Paul Watzlawick und dessen Erweiterung durch den Hamburger Psychologieprofessor Friedemann Schulz v. Thun aus. Beide Modelle werden nachfolgend skizziert.

1.  Das Grundmodell der zwischenmenschlichen Kommunikation

Die Begriffe der Grundannahme klingen zunächst recht technisch orientiert, sind aber (oder gerade deshalb?) denkbar einfach.

S –> N –> E

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S tranportiert N (Botschaft, Information, Fakten, Inhalt) an E. Dafür bedarf es eines bestimmten Codes: S encodiert (verschlüsselt die Nachricht, z. B. in deutscher Sprache und allgemein verständlich). E decodiert (entschlüsselt diese Nachricht, für ihn wiederum nachvollziehbar).

Wie kommt es zu Kommunikationsblockaden?

Wie kann es aber in der Praxis dazu kommen, dass man sich offenbar nicht versteht (so genannte „Kommunikationsblockaden”)? Nachrichten, die gesendet wurden, kommen (fast) nicht an, dafür aber solche, die der Sender nicht auf den Weg gebracht hat?

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Abb. 1: Kommunikationsblockade

Schwierigkeiten beim Empfang von Nachrichten

Erläuterung: S sendet Nachrichten, diese kommen aber überhaupt nicht an, stattdessen decodiert E Nachrichten, die S aber nie gesendet hat. Die Übereinstimmung „encodierte Nachricht“ mit „Empfänger / decodierter Nachricht” tendiert gegen null. Es herrscht eine Kommunkationsblockade. Verstanden wird nichts, die Informationen (dargestellt in der Abbildung durch Punkte) haben keinerlei Überschneidung.

Nun wird es nie zu einer völligen Übereinstimmung von gesendeter und empfangener Nachricht kommen, aber auch (fast) nie zu einer völligen Kommunikationsblockade.

Modell der gelungenen Kommunikation

Das Ziel eines jeglichen Kommunikationstrainings wird es deshalb sein, die „Schnittflächen” zwischen gesendeter und empfangener Nachricht möglichst breitflächig zu gestalten, oder anders ausgedrückt: Wie „verpacke” ich meine Botschaften, Inhalte am besten?, und vor allem: Was zeichnet einen guten Zuhörer aus?

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Abb. 2: Gelungene Kommunikation

Erläuterung: S übermittel wiederum seine Nachrichten, diese kommen vollständig (100 %, d. h. nur die schraffierte Fläche wird gesendet und nur die schraffierte Fläche kommt an) bei E an und nur diese, d. h., E interpretiert auch nichts hinein, sondern decodiert wertfrei, „ohne von sich aus etwas dazu zu tun” (z. B. Sinnentstellendes).

Weitere erste Hinweise gibt das Kommunikationsmodell von Brommer (1994).

Zwischenmenschliche Kommunikation braucht „Verständigung“

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Abb. 3: Kommunikationsmodell aus: Brommer (1994.S. 78)

Was sind Axiome?

Dieses Grundmodell der zwischenmenschlichen Kommunikation wird nun von Watzlawick, Beavin & Jackson (1969) in „pragmatische (d. h. verhaltensmäßige, beobachtbare) Axiome” (d. h. gültige Wahrheiten, die keiner Beweise bedürfen) überführt.

Sie sind nicht im streng wissenschaftlichen Sinne beweisbar, sondern stellen die erfahrene Beschaffenheit der Kommunikation dar.

1. Axiom

Das grundlegende Axiom

Man kann nicht nicht kommunizieren.

Oder anders umschrieben: Man kann sich gar nicht nicht verhalten. Wir Menschen sind nun einmal soziale Wesen und wann immer wir auf unsere „Spezies” treffen, senden wir Signale – bewusst oder auch nicht. Wir teilen etwas mit, wenn wir auf jemanden zugehen und ein Gespräch beginnen, und wir tun es erst recht, wenn wir jemandem brüsk die kalte Schulter zeigen und ein Gespräch verweigern.

Oder: Eine Stationsschwester eines Krankenhauses hat soeben ihren Frühdienst begonnen und noch keinen Laut von sich gegeben. Zwei Mitarbeiter, die ihr einzeln und unabhängig voneinander begegnet sind und (vermeintlich) keinerlei Kontakt mit ihr hatten, tauschen sich aus: „Sei bloß vorsichtig, die Öse (im Ruhrgebiet gleichzusetzen mit „Stationsleitung“) ist heute wieder ganz übel drauf…”

2. Axiom

Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.

Kommunikation besteht immer aus Inhalts- und Beziehungsanteilen. Was aber ist wichtiger?

Dieses Ergebnis der Kommunikationspsychologie ist für helfende, soziale Berufe von besonderer Bedeutung. Denn wenn Kommunikation (fast) nie nur den Austausch von Sachinformationen darstellt, muss ich der Beziehungsseite besondere Aufmerksamkeit widmen. Wenn die Beziehung zu den Kollegen / Kolleginnen auf der Station stimmt, werde ich im Alltag vieles hinnehmen, kompensieren, nicht übelnehmen. Ist dies nicht der Fall, kann das kleinste Ereignis eine Krise auslösen. Hier verliert der Inhalt völlig an Bedeutung. So kann z. B. unter dem Vorwand einer sachlichen Verkleidung ein Pflegefehler dokumentiert werden, in Wirklichkeit soll jedoch die ungeliebte Kollegin getroffen werden.

Was für die kollegiale Ebene gilt, ist für den Umgang mit Patienten / Bewohnern/-innen ebenso evident:

Will ich, dass der Patient mir vertraut, meinen Anordnungen Folge leistet, muss ich mich um den Aufbau einer guten Beziehung bemühen, und diese „Investition lohnt sich”, denn erst dann kann ich mich verstärkt auf den Inhalt (etwa die eigentliche Problembewältigung) konzentrieren.

3. Axiom

Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.