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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

„Die Tante läuft einfach nicht mehr richtig“, stellte Ferris Tucker, der hünenhafte Schiffszimmermann, nun schon zum wiederholten Male fest. Aus zusammengekniffenen Augen blickte er vom Vorderkastell auf die schäumende Bugwelle, die die „Isabella VIII.“ vor sich herschob, und die so aussah wie ein weißer wallender Bart.

Smoky, der Decksälteste, hielt sich die Ohren zu.

„Mann, Ferris“, stöhnte er, „ich kann das bald nicht mehr hören. Du sagst es jeden Tag zehnmal. Klar, wir haben bei dem Gefecht den Besan eingebüßt, und jetzt ist er nur noch ein Stumpf, an dem sich höchstens noch die Hemden zum Trocknen aufhängen lassen. Aber ich kann doch schließlich auch nichts dafür, oder?“

„Irgendwer hat immer die Schuld“, murmelte Tucker. Er wandte Smoky sein breites Kreuz zu und ging vom Vorkastell in die Kuhl hinunter, um dort dem nächstbesten zu verkünden, daß die „Tante“, wie er den ranken Rahsegler liebevoll nannte, kaum noch Fahrt liefe.

Aber den Spruch kannten seit Tagen alle, und sie kannten auch Ferris’ schlechte Laune deswegen.

Hasard sah den Zimmermann auf sich zukommen. Sein Gesicht war ernst und verschlossen. Der Seewolf war in der letzten Zeit von harten Schicksalsschlägen heimgesucht worden. Er dachte nicht gern an die letzte Zeit zurück. Gwen, seine Frau, war tot. Sein Vater Godefroy von Manteuffel war hinterrücks von dem Spanier De Coria ermordet worden, ausgerechnet in dem Augenblick, als er ihn endlich gefunden hatte. Seine Kinder, die beiden Zwillinge Hasard und Philip, waren verschwunden. Buck Buchanan war tot. Als er sich rettend vor den Seewolf gestellt hatte, war er von De Coria erschossen worden.

Da war dieser zerschossene Besanmast eine Bagatelle.

Doch das Leben ging weiter, und Hasard blieb nichts anderes übrig, als sich mit seinem Schicksal abzufinden, so hart es auch war. Das hatte ihn reifen lassen, und in seinem dunkelbraunen Gesicht erschien jetzt auch kaum noch ein Lächeln.

Tucker blickte in die eisblauen Augen und räusperte sich. Er gab sich dem Seewolf gegenüber betont gleichmütig und ließ sich vor allem nicht anmerken, daß es ihm jetzt vordringlich um den zerfetzten Besanmast ging. Nur seine Augen waren vorwurfsvoll und betrübt auf den traurigen Stumpf des ehemaligen Mastes gerichtet.

Hasard bemerkte den Blick. Er spürte die innere Unruhe, mit der Ferris wie ein bettelnder Köter auf und ab schlich – und mußte ihm schließlich recht geben.

Klar, sie benötigten dringend einen neuen Besan. Solange das Wetter gut war, konnte nicht viel passieren. Gab es aber einmal Schlechtwetter oder harten Sturm, dann konnte die Lage für sie alle schnell kritisch werden.

Die schmalen Lippen des Seewolfs verzogen sich flüchtig. Es war kein Lächeln, es deutete lediglich ein Verstehen an, doch er sagte nichts.

Tucker räusperte sich lautstark. Betont gleichgültig sah er dann in den Himmel, an dem leichte Wolken entlangzogen. Man sah am Horizont die Küste von Syrien, wo sich schwach die Umrisse weißer Moscheen abzeichneten. Dazwischen kreuzten ein paar kleinere Segler, Kaikis, eine Dau und dicht unter Land eine Karavelle. Die „Isabella“ selbst fuhr Schlabbertörn, sie lief platt vor dem Wind her.

Wieder bemerkte Hasard den vorwurfsvollen Blick zum zerfetzten Besan, und diesmal stahl sich ein flüchtiges Lächeln auf sein Gesicht.

„Fehlt dir etwas, Ferris?“ fragte der Seewolf.

In Tuckers Augen glomm Hoffnung auf. Er kam näher aufs Achterdeck und zeigte anklagend auf den Stumpf des Besans.

„So geht das nicht mehr weiter, Hasard“, sagte er. „Ohne Besan ist das Schiff nur ein halbes Schiff. Sobald sich das Wetter ändert, kriegen wir Schwierigkeiten und Ärger.“

„Ich weiß. Wir werden irgendwo eine einsame Bucht anlaufen, eine Zeder fällen und daraus einen neuen Besan bauen. Das abgebrochene Ding ist mir schon lange ein Dorn im Auge.“

Tucker atmete erleichtert auf.

„Und wann laufen wir eine Bucht an?“

„So bald es geht.“

„Du willst erst den Malteserschatz heben?“

„Noch weiß ich gar nicht, wo sich dieser Schatz befindet, Ferris. Nein, erst zimmern wir einen neuen Mast, danach werden wir uns um den Schatz kümmern.“

Hasards Stirn umwölkte sich, wenn er an die letzten Worte seines sterbenden Vaters dachte. Er hatte kein einziges der Worte vergessen, die der sterbende Mann gesagt hatte.

„Ich weiß, wo der Schatz des Malteserordens liegt“, hatte sein Vater geflüstert, „die Kriegskasse – ich weiß, daß sie existiert, irgendwo – im Mittelmeergebiet – und du, mein Sohn, du – mußt sie suchen und finden.“

Das und noch ein paar andere Sätze waren seine letzten Worte gewesen, die jetzt wieder in Hasard nachhallten.

Sie befanden sich schon auf der Suche nach diesem Malteserschatz, aber sie hatten nur ganz vage Anhaltspunkte, genauer gesagt, so gut wie keine.

Doch jetzt ging erst einmal die Sicherheit der Mannschaft und des Schiffes vor.

Die Küste verschwand langsam und wurde zu einem flirrenden Strich fern am Horizont.

Tucker war zufrieden und teilte seine Zufriedenheit der ganzen Crew mit, indem er grinsend an Deck herumschlich. Ja, bald schon würden sie einen neuen Mast haben, das Lateinersegel hochziehen und wieder gute Fahrt laufen können.

Doch es kam anders, als die meisten sich das vorgestellt hatten.

Gegen Mittag hallte Dans Ruf aus dem Großmars. Zwei Gesichter lugten aus luftiger Höhe hinter der Segeltuchverspannung hervor. Das eine gehörte Dan O’Flynn, das andere dem Schimpansen Arwenack.

„Guckt mal, wie die beiden Affen sich ähneln“, sagte Blacky laut lachend und wies mit der Hand nach oben. „Die werden sich jeden Tag ähnlicher, und bald schon wird sie keiner mehr auseinander halten können. Ruft man einen, dann kreuzen prompt alle beide auf.“

Blacky wollte sich ausschütten vor Lachen, und auch die anderen stimmten ein, denn wenn es etwas zu hänseln gab, brachte das Abwechslung, und die wollte sich niemand entgehen lassen.

Dan O’Flynn schwoll in solchen Situationen auch immer sofort der Kamm, doch diesmal ließ er die Hänseleien verachtungsvoll über sich ergehen und ignorierte sie.

„Karavelle Backbord voraus!“ schrie er zum Deck hinunter. „Könnte einer dieser verdammten Piraten sein!“

Hasard hob die Hand, zum Zeichen, daß er verstanden hatte. Er war von Piraten gründlich bedient. Uluch Ali war ihm noch unangenehm in Erinnerung und auch die anderen, die sie immer wieder gejagt hatten.

Er schob das Spektiv auseinander und blickte in die von Dan angegebene Richtung.

Mit dem Auge war kaum etwas zu sehen, dazu mußte man schon die Adleraugen eines Dan O’Flynn haben. Aber das Spektiv holte die Karavelle deutlicher heran.

Backbord voraus lief eine zweimastige Karavelle auf Parallelkurs. Sie lief unter wenig Zeug, obwohl der Wind handig wehte. Bei diesem Wetter hätte sie alle Segel setzen können.

Hasard reichte das Spektiv an Ben Brighton, der vergeblich versuchte, mit dem bloßen Auge nähere Einzelheiten zu erkennen. Auch er blickte angestrengt hindurch, ehe er den Kieker wieder zusammenschob.

„Nun – was hältst du davon?“ fragte der Seewolf. Er lehnte mit dem Ellenbogen auf dem Holz der Schmuckbalustrade.

„Anscheinend Piraten“, erwiderte Ben. „Und ich habe das Gefühl, als hätten sie uns längst entdeckt. Daher werden sie auch Segel weggenommen haben.“

„Ganz richtig, das sind auch meine Gedanken, Ben. Sie warten ab, bis wir auf gleicher Höhe sind, und dann wollen sie uns Zunder geben.“

Sein Gesicht verschloß sich und wurde finster.

„Wenn sie das wollen, werden wir ihnen die Freude natürlich nicht verderben. Sie sollen ihren Spaß haben. In einer halben Stunde wissen wir mehr.“

Die „Isabella“ blieb auf demselben Kurs. Etwas später war die Karavelle klar und deutlich zu sehen. Sie trieb mit nur zwei Segeln vor dem Wind, hatte aber etwas nach Steuerbord gedreht, wie Hasard erkannte. Außer den beiden Schiffen war weit und breit nichts zu sehen. Blieb die „Isabella“ auf dem jetzigen Kurs, dann mußten sie zwangsläufig aufeinander zulaufen.

„Laß das Schiff gefechtsklar machen, Ben!“ befahl der Seewolf. Er blickte wieder durch das Spektiv.

„Aye, aye! Schiff klarmachen zum Gefecht“, brüllte er. „Sand und Wasser an Deck. Die Stückpforten bleiben noch geschlossen, die Kerle sollen annehmen, wir sind völlig unwissend.“

Edwin Carberry, der Profos mit dem Rammkinn und dem zernarbten Gesicht, wirkte fast beleidigt, als er erwiderte: „Das Schiff ist gefechtsklar, Ben. Es ist nur eine Kontrolle erforderlich. Wir werden es diesen lausigen Kakerlaken schon zeigen!“

Natürlich, sie waren, seit sie hier im Mittelmeergebiet fuhren, immer gefechtsklar, denn die unangenehmen Überraschungen rissen so gut wie nie ab. Deshalb war auch wirklich nur eine Kontrolle nötig.

Um unliebsamen Zwischenfällen vorzubeugen, bewaffneten sich Batuti und Big Old Shane mit ihren verheerenden Brandpfeilen, die weiter schossen, als jede Culverine ihre Kugeln verfeuern konnte.

Der Kutscher brachte Sand nach oben, ein paar Pützen Wasser für die Wischer wurden gemannt und an Deck Schalen mit glühender Holzkohle aufgestellt, damit Batuti und Shane ihre Brandpfeile sofort schußfertig hatten.

Unterdessen holte die „Isabella“ immer mehr auf.

Durch das Spektiv sah Hasard Kerle einer bunt zusammengewürfelten Mannschaft, die geschäftig hin und her eilten, ihre Aktivität aber geschickt zu verbergen versuchten.

„Sechs Rohre auf jeder Seite“, sagte er zu Ben Brighton, „vorn und achtern starre Geschütze, keine Drehbassen. Scheint ein tollkühner Haufen zu sein. So wie es aussieht, wollen sie uns vorbeilaufen lassen, uns dabei eins mit dem Heckgeschütz verpassen und uns anschließend mit einer Breitseite beharken.“

„Ein paar der Kerle lungern an den Brassen herum“, sagte Ben Brighton. „Die haben innerhalb kürzester Zeit alles Zeug an den Masten. Und andere lauern hinter dem Schanzkleid. Es werden immer weniger Kerle, wie es aussieht.“

Brighton starrte verwundert den Seewolf an, denn er glaubte nicht richtig zu sehen, als sich auf dem sonnengebräunten Gesicht plötzlich ein Lächeln breit machte.

„Weshalb lachst du, Hasard?“ fragte er verwirrt.

Der Seewolf winkte ab. „Nichts Besonderes. Ich dachte nur daran, daß wir dringend einen neuen Besan brauchen.“

„Ja, aber – aber ausgerechnet jetzt …“, meinte Ben. Er begriff nicht, auf was Hasard hinaus wollte.

„Gerade jetzt“, sagte Hasard. „Wie sieht es da drüben aus, Dan?“ rief er zum Großmars hinauf.

„Die Kerle laden hinter dem Schanzkleid die Musketen!“ schrie Dan herunter. „Und die Lunten glimmen auch schon!“

„Na, dann ist ja alles in bester Ordnung. So, und nun werden wir diesen Halunken mal einen Denkzettel verpassen.“

Daß die „Isabella“ überlange Kanonenrohre hatte, ahnte zu dieser Zeit auf der Karavelle noch niemand. Wohl hatten sie die überlangen Masten gesehen und wußten, daß der Rahsegler eine Menge Zeug tragen konnte und dementsprechend schnell lief. Nur die Rohre sah noch niemand, und so erhoffte man sich leichte und schnelle Beute.

Al Conroy, der Waffenmeister an Bord der Galeone, zündete die Lunten aus den Töpfen mit glühender Holzkohle an. Die Männer standen auf dem Sprung. Geladene Musketen waren verteilt, die Brandpfeile, Entermesser, Morgensterne und Pistolen lagen bereit, und noch immer gab sich jeder den Anschein eines friedlichen Mannes. Sollten sie nur kommen, diese lausigen Mittelmeer-Piraten, sie würden die Hölle auf Erden erleben.

Die „Isabella“ näherte sich nun sehr rasch der Karavelle. Der Abstand betrug noch etwa fünfhundert Yards, als Hasard seine Befehle gab.

„Drei Strich nach Steuerbord abfallen, Pete“, sagte er zu dem Mann am Ruder. „Stückpforten hoch und Feuer frei für die vordere Drehbasse. Schießt ihm den einen Mast weg, aber laßt den anderen stehen! Sobald die Drehbasse geschossen hat, eine volle Breitseite!“

Die Stückpforten flogen in dem Augenblick hoch, als auf der Karavelle eine Gestalt hinter dem Schanzkleid auftauchte. Eine Hakenbüchse wurde über das Schanzkleid geschoben, eine andere erschien zwischen den Speigatten.

Zwei Schüsse krachten. Die Kugeln verschwanden wirkungslos in der See. Der Crew rang das nur ein müdes Grinsen ab.

Al Conroy senkte die Lunte auf die vordere Drehbasse, nachdem er das Geschütz peinlich genau ausgerichtet hatte. Knisternd fraß sich die Glut der Lunte durch den Zündkanal zum Zündkraut. Die Ladung explodierte schlagartig und raste zum Gegner hinüber.

Dort schlug es wenige Sekunden später brüllend und fauchend ein.

„Treffer!“ schrie Conroy und riß die Arme hoch.

Aber schon folgte der nächste Befehl zum Feuern.

Die Breitseite wummerte los. Acht Culverinen spuckten ihren tödlichen Hagel zu der Karavelle.

Jeder Schuß saß. Zwei Siebzehnpfünder zerfetzten den Mast, der sich hoch in die Luft hob, als wolle er tanzen, und dann über Bord ging. Spieren flogen an Deck herum, das stehende Gut auf der Backbordseite raste wie wildgewordene Schlangen durch die Luft und riß ein paar Männer von den Beinen.

Innerhalb kürzester Zeit herrschte bei den Piraten das perfekte Chaos an Bord.

Ein Geschütz wurde abgefeuert, die Kugel klatschte weit vor der „Isabella“ in die See und versank.

„Klar zum Entern!“ rief der Seewolf.

Die „Isabella“ schwang leicht nach Backbord und näherte sich der angeschossenen Karavelle. Ein paar Piraten lagen schreiend und fluchend unter den zerfetzten Segeln und konnten sich nicht befreien.

Auf der Galeone wurde alles klargemacht zum Entern. Ein paar Männer waren damit beschäftigt, die Schothörner mittels der Geitaue zu den Rahen aufzuholen, um dem Schiff einen Teil seiner Geschwindigkeit zu nehmen.

Enterhaken, Morgensterne, Beile, Messer und Pistolen lagen bereit.

Ferris Tucker schwang sein Mordinstrument, die riesige Axt. Fender wurden außenbords angebracht, um den Anprall zu mildern. Und dann war es soweit.

Die Schüsse aus den Culverinen und der Drehbasse hatten ausgereicht, die Piratencrew zu zermürben. Sie waren so mit sich selbst beschäftigt, daß an große Gegenwehr nicht zu denken war. Nur ein paar von ihnen stellten sich zum Kampf, ein großer Teil war verletzt oder versuchte noch immer, sich von dem Segel und dem laufenden und stehenden Gut zu befreien.

Carberry warf den Enterhaken hinüber, als die beiden Bordwände sich berührten, ein zweiter und ein dritter Enterhaken hakten sich hinter dem Schanzkleid fest. Taue wurden belegt und spannten sich straff, als sie die langsamere Karavelle mitzogen.

Tucker sah sich einem wild aussehenden Kerl gegenüber. Er war dicklich, hatte eine spiegelblanke Glatze und einen wüsten Schnauzbart. Mit einem Morgenstern rückte er auf Tucker zu, schwang ihn hoch über seinen Schädel und zielte nach dem Kopf des rothaarigen Riesen.

Noch bevor Ferris Tucker mit seiner Axt zuschlagen konnte, jagte Batuti dem Schnauzbart einen Pfeil in die Brust.

Tucker schnappte sich den nächsten Mann. Der Seewolf säbelte gerade einen mit dem Degen nieder. Dan brüllte „Ar-we-nack“, und das gab anscheinend den Ausschlag, dazu kamen die vier Toten, die blutend an Deck lagen.

Ein scharfes Kommando ertönte in das Arwenackgebrüll hinein. Entermesser und Pistolen fielen auf Deck. Die Piraten drängten sich auf der Backbordseite ans Schanzkleid und hoben die Arme.

Der Kampf war zu Ende, noch bevor er richtig begonnen hatte.

„Wir geben auf“, sagte eine kalte Stimme.

Vom Achterkastell näherte sich ein Mann in weißen türkischen Hosen, die ihm bis an die Waden reichten. In den Knien lief die Hose sackartig zusammen und gab den notwendigen Gesprächsstoff für Dan und Morgan.

„Mindestens fünf Pfund“, sagte Dan grinsend.

„Vor Angst natürlich“, meinte Luke Morgan.

Der Mann in den türkischen Hosen erkannte den Seewolf auf Anhieb als den Kapitän der Galeone. Sein Oberkörper war muskulös und nackt. Dicke Muskelstränge zogen sich von den Schultern bis zum Hals. Im Hosenbund trug er einen Krummdolch mit reich ziselierter Scheide. Seine Oberlippe zierte ein mächtiger Bart. Seine Augen waren kalt und ausdruckslos auf Hasard gerichtet.

Hasard betrachtete ihn ebenso kühl und abschätzend. Die blutige Degenspitze wippte leicht vor den Türkenhosen des Mannes hin und her.

„Es war ein Irrtum“, sagte er in einem so schauderhaften Englisch, daß Hasard das Gesicht verzog. „Wir wollten nicht überfallen Sie, sondern anderes Schiff. Wir nicht kämpfen gegen Sie!“

Hasard lachte verächtlich.

„Ihr habt wohl gemerkt, daß ihr an die Falschen geraten seid, was?“

„Es war ein Irrtum“, beharrte der Pirat. In seinen kalt blickenden Augen glaubte Hasard jedoch Angst zu erkennen, und als er sich umsah und die anderen Gestalten musterte, las er in jedem Gesicht das gleiche: Angst, erbärmliche Angst. Die Treffsicherheit und das harte Entern hatten ihren Mut gebrochen, und die Toten, die es gegeben hatte, nervten die Feiglinge total. Obwohl die Seewölfe noch nicht richtig losgelegt hatten, waren die anderen schon erledigt. Sie wußten, daß sie keine Chance hatten.

„Was tun wir jetzt mit den Kerlen?“ fragte Ben Brighton, der die Angst in den Gesichtern ebenfalls überdeutlich las. „Sollen wir sie an der nächsten Rah aufhängen, einen nach dem anderen?“

Das war natürlich nicht ernst gemeint, doch der Anführer der Bande verstand die Worte, und seine Hände hoben sich entsetzt noch höher.